kma DMEA Ausgabe 2023

kma kma Klinik Management aktuell Klinik Management aktuell www.kma-online.de • 23 Euro 28. Jahrgang • März / April 2023 E-Paper- Ausgabe kma Special DMEA 2023 Mehr Einblicke für fundierte Entscheidungen. Kliniken Köln Zentralisierung gegen Finanznot It’s personal. Deutsche Gesellschaft für Führung und Marktorientierung Inklusive Medizin Immer noch ein Randthema www.kma-online.de • 23 Euro 28. Jahrgang • März / April 2023Digitale AnwendungenDigitale Medizin & KIIT-SicherheitGesundheit digital gestaltenDigitale Infrastruktur Digitale InfrastrukturDatenmanagement & Datenschutz Digitale Medizin & KIDatenmanagement & DatenschutzDigitale AnwendungenIT-SicherheitGesundheit digital gestalten

Rubrikname ▶ UntertitelThema Digitale Arzt-Patienten- Kommunikation Von der Erfassung der Anamnesedaten zu Hause, über die Aufnahme bis zur Aufklärung Patient*innen erfassen die Anamnesedaten zu Hause – losgelöst von Ort und Zeit. Kundeneigene Dokumente werden bereits bei der Aufnahme digital ausgefüllt und unterschrieben. Die Ärzt*in klärt Ihre Patient*in über den bevor stehenden Eingriﬀ auf. Die erfassten Anamnesedaten werden strukturiert weiterge geben und stellen eine bedarfsgerechte Versorgung sicher. Mehr Informationen unter www.thieme-compliance.de 2 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Herausgebersicht REFORMBEDARF Quo vadis, Gesundheitswesen? IT follows process und muss von den beteilig ten Menschen und Prozessen her gedacht werden. l d a n o D c a M t t o c S © Sowohl die Pandemie-Folgen als auch die durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten wirtschaftlichen Verwerfungen stellen eine erhebliche Bedrohung für unser Gesund- heitswesen dar: Erstmals zeichnen sich Klinik-Insolvenzen in einem bisher nicht beobachteteten Ausmaß ab und bringen auch größere Einheiten in Schieflage. Den jetzt deutlich sichtbaren, längst über- fälligen Reformbedarf hat auch die Politik erkannt – und mit einem ersten Entwurf für eine Krankenhausreform beantwortet, der einschneidende Veränderungen beinhaltet. Entsprechend schnell regt sich vielfältiger Widerstand. Dennoch ist allen Beteiligten klar, dass es ein „Weiter so“ nicht geben kann: Eine Reform wird kommen, und in Anbetracht des seit Jahrzehnten aufge- laufenen gewaltigen Investitionsstaus viel Geld kosten. Experten gehen von Milliardenbeträgen über viele Jahre aus. Dabei ist die letzte, 4,3 Milliarden schwere Fördermaßnahme für die Binnendigitali- sierung der Krankenhäuser (KHZG) noch längst nicht umgesetzt – sie zeigt, dass Geld allein die Probleme nicht löst. Aktuell arbeitet man in vielen Häusern mit Hoch- druck daran, Projekte zu den im KHZG geforderten Muss-Kriterien fristgerecht umzusetzen. Zur Halbzeit des Förderzeit- raums wird erkennbar, dass das nicht in je- dem Fall gelingen kann. Die Ursachen sind vielfältig: Oft ist der Anbietermarkt nicht in der Lage, die gestiegenen Anforderungen zu bedienen. In den Krankenhäusern fehlen Ressourcen: in der IT, im Projektmanage- ment, in den Fachabteilungen. Zusätzlich interagieren die Anforderungen aus der Implementierung der Funktionen der Tele- matikinfrastruktur, insbesondere ePA und E-Rezept, mit den KHZG-Projekten – was die Ressourcenengpässe weiter verschärft. Wohl dem Krankenhaus, dessen Leitung diese konkurrierenden Projekte effizient koordiniert bekommt. Die langjährigen und auf vielen Ebenen zu- gelassenen Versäumnisse jetzt aufzuholen, bedeutet eine große Kraftanstrengung. Zumal sich die am Markt verfügbaren Lösungen teilweise an den geringen An- forderungen des Systems spiegeln – was den Gesundheitsminister zu der Äußerung veranlasst hat, es gäbe keine wirklich gut funktionierenden Krankenhausinformati- onssysteme – und seinen Blick auf andere Märkte gelenkt hat. In diesem Fall auf den US-amerikanischen, wo hochintegrierte Systeme wie Epic ganz andere Funktions- umfänge bereitstellen und damit wesent- lich zu einer erfolgreichen Digitalisierung beitragen. Vielleich ergeben sich hier ja auch Chancen für den deutschen Markt – vor allem, wenn man die anstehenden, ebenfalls epischen Umwälzungen in der deutschen KIS-Landschaft vor Augen hat. Den Umbau unseres Gesundheitswesens zu einem zukunftsfähigen System werden wir nur durch schmerzhafte Reformen erreichen und uns dabei von manchen gewohnten Strukturen trennen müssen. Der Digitalisierung kommt dabei eine be- sondere Rolle zu: Nur durch konsequente Digitalisierung können wir sektorenüber- greifend effiziente Strukturen aufbauen und Versorgungsprozesse digital nahtlos ineinandergreifen lassen. Dabei sollten der Prozess-Gedanke und die Bedürfnisse der beteiligten Menschen im Vordergrund stehen – und nicht eine Festlegung auf technische Systeme, vor allem nicht auf die der Vergangenheit. Ich wünsche uns allen die Kraft und Zu- versicht für das, was vor uns liegt. Es gibt viel zu tun – packen wir’s an! ▬ Viel Spaß beim Lesen der kma Ihr Dr. Peter Gocke Chief Digital Officer (CDO), Leiter Stabsstelle Digitale Transformation Charité – Universitätsmedizin Berlin 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 3

I N H A LT 2023 März/April 27 DIGITALE INFRASTRUKTUR Inhalt 40 DIGITALE MEDIZIN & KI kma Special DMEA 2023 m o c . e b o d a . k c o t s / k c i Z y h p © n e l l e W ; m o c . e b o d a . k c o t s / 8 8 z m u t x i p © n e b a W 67 DATENMANAGEMENT & DATENSCHUTZ 70 IT-SICHERHEIT 50 DIGITALE ANWENDUNGEN : s e g a m i i g n w o l l o f g n i s u e m e i h T y b d e s o p m o c s a w e g a m i e h T Lauterbachs digitaler Neustart Guntram Doelfs und Jens Kohrs AKTUELLES 8 Strategiepapier 10 Hohe Energiepreise 21 BMC-Kongress steht bevor Kostspieliger Rechenkniff Guntram Doelfs Transformation durch regionale Versorgung Malte Behmer 22 HSK 2023 24 Gesundheitskongress des Westens Gesundheitssystem an der Grenze Carola Dorner 2023 Raus aus dem Krisenmanagement, rein ein in eine nachhaltige Zukunft Diana Kleine Im DMEA Special widmen wir uns unter anderem der Zukunft der Krankenhausinformationssysteme, deren Wandel hin zu interoperablen Cloud-Systemen und wie es mit den Konnektoren weitergeht. Wir beleuch- ten neue digitale Anwendungen für Krankenhäuser und die jüngsten Entwicklungen rund um Apps, Chatbots und KI in der Medizin. TITELTHEMA 26 kma Special DMEA 2023 27 DIGITALE INFRASTRUKTUR 27 KIS-Zukunft Die Revolution hat längst begonnen Guntram Doelfs 32 Ende von IS-H „Orbis U kann die entstandene Lücke schließen“ Anna Herrschelmann 33 Telematikinfrastruktur 2.0 Hardware-Konnektoren adé Dr. Michael Lang 26 36 Smart Hospital Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung Dr. Michael Lang Mit Spielen zurück ins Leben Luisa-Maria Hollmig 40 DIGITALE MEDIZIN & KI 40 Innovation 44 Künstliche Intelligenz und Robotik 46 Positionierungs- und Trackingtechnologie Die EU macht Dampf Dr. Michael Lang Optimierte Strahlentherapie bei Brustkrebs Prof. Dr. med. Daniel Zips , PD Dr. med. Carolin Senger 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 5 Gesundheit digital gestalten

i e m e h T y b d e t i d E – m o c . e b o d a . k c o t s / k n a b o t o h P © Inhalt 27 Digitalisierung, Vernetzung, Cloud: Wie werden KIS im Jahr 2030 aussehen? Wir baten Experten um eine Prognose. © Photobank / stock.adobe.com – Edited by Thieme b k u / n e l r u e h c S © #DMEA2023 25. bis 27. April Thieme in Halle 4.2, Stand C-106 40 Therapieerfolg dank Videospielen. In der ukb Brain Cloud 1.0 setzen Therapeuten auf Motivation durch Gamification. © Scheurlen / ukb POLITIK UND RECHT 78 Krankenhausreform Lauterbach beharrt auf einheitlichen Kriterien 50 DIGITALE ANWENDUNGEN 50 Apps im Krankenhaus 53 Textbots Eine für alle Martin Kucera Was mit ChatGPT & Co. auf die Kliniken zukommt 67 DATENMANAGEMENT & 6 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg. Kathrin Reisinger 56 Innovationspartnerschaft „Wir werden gemeinsam alles digitalisieren“ Anna Engberg 60 Patientensteuerung 64 Digitale Helfer für die Mehr Transparenz dank Teletracking Kathrin Reisinger Skoliose therapie Therapeuten entlasten, Patienten besser betreuen Florian Günther M.Sc., Marcel Müller M.Eng. DATENSCHUTZ 67 Anonymisierung KI-Systeme sicherer machen Dr. Michael Lang 70 IT-SICHERHEIT 70 IT-Sicherheit in Krankenhäusern Mehr als nur Auflagen und Regulatorik André Glenzer, Jörg Asma 73 Cybersicherheit von Medizingeräten Fundamental unsicher Martin Kucera Guntram Doelfs 82 Vorbild Dänemark 86 Lieferkettengesetz Qualität vor lokaler Nähe Anna Engberg Neue Sorgfaltspflichten für das Klinikmanagement Felix Moseler, Professor Dr. Udo Janßen ORGANISIEREN UND FÜHREN 88 Schutzschirmverfahren Probates Verfahren zur geregelten Kliniksanierung Lars Knipper

Inhalt m o c . e b o d a . k c o t s / t e s a m o r © 2 E - L L A D I K t i m l e g r e o S p p i l i h P . r D . f o r P © 53 Intelligente System können bereits kreative Texte und Bilder erstellen. Mit dem Sprachsystem „ChatGPT“ bahnt sich nun ein Quantensprung an. © Prof. Dr. Philipp Soergel mit KI DALL-E2 98 Forscher arbeitet derzeit an langlebigen Herzklappen aus körpereigenem Gewebe. Die Implantate haben den Vorteil, dass sie mitwachsen können. © romaset / stock.adobe.com 90 Inklusive Medizin Überforderung auf allen Seiten Aileen Hohnstein UNTERNEHMEN UND MÄRKTE 94 Kliniken Köln Gegen die Finanznot hilft nur eine Zentralisierung Sabine Rößing Langlebig und dicht Dr. Michael Lang BRANCHE KOMPAKT 98 Fokusthema Medizintechnik 99 Nachwachsende Herzklappen 102 Intelligente Medizinprodukte 105 Branche in Zahlen Prothesen lernen nie aus Dr. Michael Lang FACILITY MANAGEMENT 106 UKSH-Mobilitätsstation Millionen für die Zweiräder Jens Kohrs UNTERNEHMENSNACHRICHTEN 49 Eizo Europe GmbH 63 ID GmbH & Co. KGaA 76 Doctolib GmbH STANDARDS 3 Herausgebersicht 14 Zahlen und Fakten 16 Auf- und Absteiger 18 Rechtskolumne 20 Köpfe und Karrieren 25 Veranstaltungen 108 DGIV 110 Stellenmarkt 113 Ausblick/Impressum 113 Herausgeber/Beirat 114 Lichtblick Hinweis der Redaktion Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzich- ten wir auf die durchgängige Verwendung männlicher, weiblicher oder diverser Sprach- formen. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Bildnachweis Cover © The image was composed by Thieme using following images: Waben © pixtumz88 / stock.adobe. com; Wellen © phyZick / stock.adobe.com Vollbeilage: Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart; Thieme Compliance GmbH, Erlangen; WISO S. E. Consulting GmbH, Berlin (2) 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 7

Aktuelles STRATEGIEPAPIER Lauterbachs digitaler Neustart Der Bundesgesundheitsminister will der Digitalisierung des Gesundheitswesens mit einem Gesetzespaket auf die Sprünge helfen. Ein wesentlicher Aspekt ist die für alle automatisch eingerichtete ePA samt Opt-out-Verfahren. Nicht nur die Regeln für den Widerspruch sorgen für Widerspruch. Von „Revolution“ war nicht erneut die Rede, als Prof. Karl Lauterbach Anfang März seine Digitalisierungsstrategie für Gesundheit und Pflege vorstellte – dies- mal ging es dem Bundesgesundheitsmi- nister um einen „Neustart“. Genau den brauche die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen, denn bislang hänge sie „um Jahrzehnte zurück“, mahnte Lau- terbach und erklärte den Dreiklang, der das ändern soll: Er will die elektronische Patientenakte (ePA) für alle erschließen, das elektronische Rezept alltagstauglich machen und die Forschung auf Grundlage von Gesundheitsdaten erleichtern. „Mo- derne Medizin basiert auf Digitalisierung und Daten“, erklärte der Minister seine Motivation. Ihre Vorteile zu nutzen, mache Behandlung besser. Die vorgestellte Strategie, die laut Bun- desgesundheitsministerium (BMG) über mehrere Monate zusammen mit Patien- tenvertretern und Akteuren des Gesund- heitswesens entwickelt worden ist, hat das BMG auf 44 DIN-A4-Seiten wohlfeil formu- liert und aufbereitet. Grundlage sind zwei Gesetzesvorhaben – das Digitalgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Unter anderem will Lauterbach die ePA bis Ende 2024 für alle gesetzlich Versi- cherten einrichten, es sei denn, jemand widerspricht dem aktiv. Die seit 2021 zur freiwilligen Nutzung verfügbare Variante erfreut sich schließlich überschaubarer Beliebtheit. Das jetzt vorgesehene Opt- out-Verfahren sorgt allerdings schon lange für hitzige Diskussionen, nun einmal mehr. Bis zum Jahr 2025 sollen jedenfalls 80 Prozent der gesetzlich Versicherten eine ePA haben, und bis Ende 2025 sollen 80 Prozent der ePA-Nutzer, die in medika- m o c . e b o d a . k c o t s / a s g n o w o o T © Digitale Gesundheitsdaten sollen künftig deutlich intensiver genutzt werden. © Toowongsa / stock.adobe.com mentöser Behandlung sind, über eine digitale Medikationsübersicht verfügen. Das E-Rezept will der Bundesgesundheits- minister ebenfalls pushen: Zum 1. Januar 2024 soll es verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung sein, die Nutzung soll „stark vereinfacht werden“. Beim Thema Versorgung soll die Tele- medizin eine viel stärkere Rolle spielen und ausgebaut werden. Gleichzeitig wird nach den Plänen die bisherige Vorgabe für niedergelassene Ärzte, nicht mehr als 30 Prozent ihrer Leistungen telemedizinisch erbringen zu dürfen, gestrichen. Generell soll der digitale Fokus auf kompletten Versorgungsprozessen liegen, nicht auf Einzelanwendungen oder speziellen IT- Tools. Dafür plant das BMG, beispielhaft digital unterstützte Versorgungspfade („digitalisierte Disease-Management- Programme“, kurz dDMP) zu entwickeln. Gestartet werden soll dafür mit Disease- Management-Programmen (DMP), die als integrale digitale Bestandteile über digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), ePA oder TI-Messenger verfügen. Die TI- Messenger sollen noch in diesem Jahr die Kommunikation unter den Leistungser- bringern „etablieren“, bis 2024 soll dann die Kommunikation zwischen Leistungs- erbringern und Patienten möglich sein. Auch für den Umgang mit Gesundheits- daten definiert die Strategie klare Ziele: Bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben realisiert werden. Dabei soll künftig auch die forschende Industrie den Datenzugang beantragen können. Entscheidend für die Anfragen sei der Nutzungszweck, nicht der Absender, heißt es in der Strategie. Die Datenfreigabe könne von den Versicherten demnach „nutzerfreundlich in der ePA-App gesteu- ert werden“, ebenfalls nach dem Opt-out- Verfahren. Pseudonymisierte ePA-Daten sollen künftig zu Forschungszwecken automatisch über das Forschungszentrum Gesundheit (FDZ) abrufbar sein. Während Lauterbach für sein „Neustart- Konzept“ von vielen Seiten Zuspruch bekam, war die Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) einer der ersten Kritiker. Die KBV fühlte sich „fatal an die Fehler der vergangenen Jahre“ erinnert. Die verbindliche ePA werde überhastet angestoßen, „ohne Ziele, Abläufe, ge- schweige denn die Versorgungsrealität in den Praxen ausreichend einzuplanen“. Der Branchenverband bvitg zeigte sich zufrieden darüber, dass die Digitalisierung endlich ein Leitbild erhalte. Allerdings kritisierte der Verband, dass „relevante Fragen für eine erfolgreiche Transforma- tion ausgelassen“ worden seien. ▬ Guntram Doelfs und Jens Kohrs 8 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Aktuelles HOHE ENERGIEPREISE Kostspieliger Rechenkniff Viele Krankenhäuser fahren wegen der stark gestiegenen Energie- und Inflationskosten weiter hohe Millionendefizite ein, trotz des milden Winters. Im November hatte Gesundheitsminister Prof. Karl Lauter- bach den Kliniken daher Hilfen in Milliardenhöhe versprochen. Angekommen ist bei den Krankenhäusern bislang aber so gut wie nichts. Es war ein vollmundiges Versprechen. Ende November 2022 hatte Bundesge- sundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauter- bach (SPD) einen milliardenschweren schweren Hilfsfonds für Krankenhäu- ser und Pflegeheime eingerichtet. Ziel des Fonds ist es, die Folgen der explodie- renden Energiekosten infolge des Ukrai- nekrieges abzufedern. „Kein Krankenhaus muss die Tore schließen, weil Energie zu teuer ist“, versprach der Minister damals. Inzwischen ist bei den Krankenhäusern allerdings große Ernüchterung eingekehrt. Von den versprochenen Hilfen ist bei den Kliniken nur wenig angekommen. Zahlen der Deutschen Krankenhaus- gesellschaft (DKG) und der hessischen Krankenhausgesellschaft deuten auf nur spärliche Ausgleichszahlungen hin. So flossen laut DKG für den Zeitraum bis Dezember 2022 37 Millionen Euro, statt der in Aussicht gestellten 710 Millionen Euro. Das seien lediglich fünf Prozent der möglichen Mittel. Auch die Ergebnisse einer Umfrage der hessischen Kranken- hausgesellschaft unter den 132 hessi- schen Krankenhäusern von Anfang Februar bestätigen diese Zahlen. Danach erhielten bis Ende Januar 31 der hessischen Kran- kenhäuser einen Erstattungsbeitrag. Die Gesamthöhe der Hilfen betrug 3.1 Milli- onen Euro, also durchschnittlich 100 000 Euro pro Haus. Der Ausschöpfungsgrad in Hessen lag bei lediglich 4,64 Prozent. Der Här tefallfonds dient zum Aus- gleich der stark gestiegenen Energie- kosten. Neben 1,5 Milliarden Euro, die die Kliniken pauschal als Ausgleich für die durch die gestiegenen Energieprei- 5 Prozent Ausschöpfungsgrad der Energiehilfen laut DKG se verursachten allgemeinen Kosten- steigerungen erhalten, stehen weitere 4,5 Milliarden Euro zum Ausgleich gestie- gener Kosten für Erdgas, Fernwärme und Strom für den Zeitraum Oktober 2022 bis April 2024 bereit. Für das gesamte Bundesgebiet liegen derzeit noch keine offiziellen Zahlen vor. Hochgerechnet auf das Gesamtvolumen des Härtefallfonds würden die bisher bekannten Zahlen nach Berechnungen der DKG jedoch dazu führen, dass mit großer Wahrscheinlichkeit nur 270 Millionen der in Aussicht gestellten 4,5 Milliarden Euro bei den Kliniken landen. DKG: Referenzzeitpunkt falsch gesetzt Der Grund: Im Gesetzgebungsprozess wurde der Referenzzeitpunkt für die Berechnung der Hilfen auf März 2022 festgelegt. Aus Sicht der deutschen Kran- kenhäuser ist das ein Unding, weil damit die Vermutung verbunden sei, dass die Energiekostensteigerungen erst nach diesem Zeitpunkt bei den Kranken- häusern aufgetreten seien. „Wenn hier nicht umgehend nachgebessert wird, verkümmern die versprochenen Milliar- denhilfen zu Schaufenster-Milliarden. Der Gesundheitsminister hat den Kliniken im vergangenen Jahr Hilfe versprochen und zugesagt, dass kein Krankenhaus durch die inflationsbedingten Kostensteigerungen in Insolvenzgefahr geraten darf. Genau das ist aber jetzt der Fall“, moniert der DKG- Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß. Das BMG rechtfertigte gegenüber kma die Änderung des Referenzzeitraums mit der Anpassung an Regelungen, wie sie bereits für Pflegeeinrichtungen umge- setzt worden seien. Änderungen an den jetzigen Regelungen werde es deshalb nicht geben. Offenbar befürchtet das Ministerium, dass eine Veränderung des Referenzzeitpunktes von den EU-Partnern als eine verdeckte Subventionierung der Krankenhäuser unter dem Deckmantel der Ukraine-Hilfe aufgefasst werden könnte. Schließlich speisen sich die Hilfsgelder aus Mitteln des 200 Milliarden Euro Pakets „Befristeter Krisenrahmen der EU (TCF)“, auf den alle Maßnahmen gestützt werden, die sich auf staatliche Unterstützung der Wirtschaft infolge des russischen An- griffskriegs gegen die Ukraine beziehen. Keine weiteren Hilfen geplant Ein allgemeiner Inflationsausgleich sei „davon grundsätzlich nicht gedeckt“, heißt es im BMG. „Allgemeine Preisstei- gerungen müssen innerhalb des Systems, etwa im Rahmen der Verhandlungen des Landesbasisfallwerts, berücksichtigt wer- den.“ Nur passiert das derzeit nicht. Den Inflationsraten von acht Prozent 2022 und erwarteten sieben Prozent 2023 stehen gesetzlich weiterhin gedeckelte Erlössteigerungen von 2,3 Prozent im Jahr 2022 und 4,3 Prozent im Jahr 2023 gegenüber. Öffnungsklauseln für einen Inflationsausgleich lagen bei Redaktions- schluss nicht vor. ▬ Guntram Doelfs 10 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

ZUSAMMENSCHLUSS Neues katholisches Doppel Die KKRN GmbH und die St. Augustinus Gelsenkirchen GmbH schließen sich zur KERN Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord GmbH zusammen. Das gaben die beiden Verbünde Anfang März bekannt. Letzte, zum Beispiel kartellrechtlichen Prüfungen stehen noch aus, Aktuelles Besuchen Sie Markt & Partner auf kma Online 7,5 Tsd. Mitarbeitende an über 30 Standorten wird der neue Kompetenzverbund nach dem Das Ziel der neuen Dachgesellschaft ist klar: In den rund zwanzig lokalen und fach- lich spezialisierten Betriebsgesellschaften sollen Stärken gebündelt, ausgebaut und im geschäftlich-operativen Bereich Syner- gien entwickelt und genutzt werden. Die Gesellschaf- ten agieren in den Bereichen Medizin (Kran- kenhäuser und Medizinische Versorgungs- zentren), Pfle- ge (stationäre Einrichtungen der Senioren- hilfe) und Pä- dagogik (Kin- dergärten und stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe). Im Anschluss an die kartellrechtlichen Prü- fungen kann auch formal ein Kompetenz- verbund entstehen. Dieser würde dann zu den größten Arbeitgebern in Medizin, Pflege und Pädagogik im Ruhrgebiet gehören: Aktuell arbeiten 7 500 Mitarbeitende an über 30 Standorten. Die Zustimmung der beteiligten Bistümer Essen und Münster zum gesellschaftsrechtlichen Zusammen- schluss ist avisiert. Zusammenschluss haben Quelle: St. Augustinus Gelsenkirchen GmbH Die durch die Bildung der KERN Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord GmbH als gemeinsame Dachgesellschaft entstehende zukunftsfähige Qualität der Versorgung soll, strategisch gemeinsam gestaltet, vor allem einen spürbaren Versorgungsmehrwert durch ein breit aufgestelltes Leistungs- spektrum für die Bürgerinnen und Bürger ermöglichen. ▬ hgl www.kma-online.de/ mup 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 11 Unsere Anzeigen-AGB’s finden Sie unter: www.kma-online.de/mediadaten Infos und Buchung: www.kma-online.de/mediadaten/unternehmensprofil/ Device: © Halyna / stock.adobe.com – Edit by Thieme

Aktuelles FRESENIUS Sen konzentriert Geschäfte auf Helios und Kabi Viel Zeit hat sich Michael Sen nicht genom- men. Nur wenige Monate nach seinem Amtseintritt als neuer CEO von Fresenius richtet Sen den seit Jahren kriselnden Ge- sundheitskonzern neu aus. Das Unternehmen brauche einen „Reset“ bei den „Prioritäten und bei der Performance“, kündigte der frühere Siemens-Vorstand bei der jüngsten Bilanzpressekonferenz von Fresenius an. Sprachs – und verkündete nach den sehr enttäuschenden Zahlen der letzten Jahre einen weitgehenden Umbau von Fresenius. Zukünftig will sich der frühere Börsenlieb- ling, der bislang eine extrem komplexe Konzernstruktur aufgewiesen hat, auf das Krankenhausgeschäft von Helios sowie auf seine Tochter Fresenius Kabi konzen- trieren. Das Unternehmen ist ein weltweit agierender Anbieter für Infusionen, Arznei- mittel, klinische Ernährung und andere Medizinprodukte. Die zuletzt ins Schlingern geratene Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) wird dekonsolidiert und bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahres in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, an dem der Dax-Konzern Fresenius weiter 32 Pro- zent der Anteile halten will. FMC und der Klinik-Dienstleister Vamed waren zuletzt die größten Sorgenkinder des Konzerns. Der Tod vieler Dialysepatienten infolge von Corona, ein Mangel an Pflegekräften in den USA, Lieferkettenprobleme, steigende Kosten so- wie ein schwieriges US-Marktumfeld hatten zuletzt bei FMC zu einem Gewinneinbruch von mehr als zehn Prozent geführt. Fresenius ächzt nach milliardenschweren Übernahmen (etwa der spanischen Klinik- kette Quironsalud) von Sens Vorgänger Stephan Sturm unter einem hohen Schul- denberg, der den Bewegungspielraum des Bad Homburger Konzerns (Umsatz: 40,8 Milliarden Euro) zunehmend einengt. Sen erteilte deshalb weiteren Übernahmen i s u n e s e r F / n e i l r e d n E a e r d n A © Fresenius-CEO Michael Sen spricht von einer „Zäsur“ und baut den Gesundheitskonzern um. © Andrea Enderlein / Fresenius eine Absage – und beerdigte nebenbei auch Spekulationen, ob es einen Börsengang von Helios geben könnte. Wohl auch, weil die Geschäfte bei Helios gut laufen (Ebit-Marge 2022: 11,7 Prozent). Besonders gut laufen die Geschäfte bei Helios Spanien, was auf der iberischen Halbinsel prompt Gerüchte über einen Einstieg von Finanzinvestoren bei Quirónsalud anheizte. Laut Michael Sen gibt es aber keinen solchen Einstieg. ▬ dsg ANALYSE Fallzahlen weiter rückläufig 2022 gab es 15 Prozent weniger somatische Krankenhausfälle als im Jahr 2019. Der Rück- gang ist damit noch stärker als in den ersten beiden Pandemie-Jahren 2020 (minus 13 Pro- zent) und 2021 (minus 14 Prozent), wie eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ergeben hat. Das lag unter ande- rem an den enormen Personalausfälle infolge der durch die Omikron-Variante verursachten Infektionswellen des Jahres 2022. Auffällig sei der anhaltende Fallzahl-Rückgang bei den Herzinfarkten und Schlaganfällen. Die Herzinfarkt-Behandlungen sind gegenüber 2019 um 13 Prozent zurückgegangen, die Schlaganfall-Behandlungen um elf Prozent. Damit gab es bei diesen Notfällen sogar noch stärkere Rückgänge als im ersten und zweiten Pandemie-Jahr. Die stärksten Einbrüche gab es erneut bei den sogenannten ambulant-sensitiven Diagnosen, die sowohl im Krankenhaus als auch von entsprechend qualifizier- ten niedergelassenen Ärzten behandelt werden können. „Corona wirkt sich hier offensichtlich beschleunigend im Sinne der in Deutschland dringend gebotenen stärkeren Ambulantisierung aus“, sagt WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber. So waren bei Rückenschmerzen (minus 35 Prozent) sowie Bluthochdruck (minus 35 Prozent) die größten Rückgänge gegenüber dem Vergleichsjahr 2019 zu verzeichnen, gefolgt von der chronischen Lungenerkran- kung COPD (minus 28 Prozent), Diabetes (minus 21 Prozent) und Herzinsuffizienz (minus 14 Prozent). Im Bereich der Ope- rationen gab es erneut starke Einbrüche bei den Mandeloperationen (minus 35 Prozent). Eine Ursache könnte sein, dass die Hygieneregeln während der Pandemie das Auftreten von Mandelentzündungen -35 Prozent weniger Mandeloperationen fanden im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr 2019 statt. Quelle: Wissenschaftliches Institut der AOK verringert hätten, andererseits könne der Rückgang auch auf einen Abbau von Über- versorgung hindeuten. Anlass zur Sorge gibt der deutlich stärkere Einbruch bei den Darmkrebs-Operationen. Diese gingen gegenüber 2019 um 16 Prozent zurück, im ersten Pandemie-Jahr waren es minus zehn Prozent, im zweiten minus zwölf Prozent. Dies könnte mit dem reduzierten Umfang der Darmspiegelungen zu tun haben, den das Institut bereits in früheren Auswertun- gen festgestellt hat. ▬ hgl 12 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

l n ö K m u k n i i l i k n U / k a d o W l e a h c i M © Prof. Dr. Michael Hallek ist neuer Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit & Pflege. Er ist unter anderem Leiter der CLL-Studien- gruppe. © Michael Wodak/Uniklinikum Köln Hallek hat sich die Krebsforschung auf die Fahne geschrieben. Er ist Internist mit Schwerpunkt internistische Onkologie und molekulare Hämatologie. Seine wissen- schaftlichen Schwerpunkte haben unter an- derem das Ziel, durch Grundlagenforschung die molekulare Entstehung der chronischen lympathatischen Leukämie (CLL) zu ent- schlüsseln. 1996 gründete er die Deutsche Aktuelles CLL-Studiengruppe, deren Leiter er auch ist. Seine Forschung im Bereich CLL wurde im Jahr 2017 von der Deutschen Krebsgesell- schaft und der Deutschen Krebsstiftung mit dem Deutschen Krebspreis gewürdigt. In der Corona-Pandemie veröffentlichte er auch mehrere Positionspapier und Stellung- nahmen und vertrat dabei die „no Covid“- Strategie. Neben seiner neuen Tätigkeit als Vorsitzender des Sachverständigenrats ist Prof. Hallek seit dem 10. Dezember 2022 auch Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer. In dieser Po- sition folgt er auf Prof. Dr. Dr. Peter Schriba. In seinem ersten Gutachten wird sich der Sachverständigenrat nun mit dem Thema „Fachkräfte im Gesundheitswesen“ befas- sen. Dabei sollen aktuelle Rahmenbedin- gungen und zukünftigte Handlungsfelder für die Fachkräftesicherung im deutschen Gesundheitswesen, sowohl für die stationäre als auch für die ambulante Versorgung, analysiert werden.“ ▬ hgl Medical-Controlling 44. interdisziplinäre Weiterbildung des mibeg-Instituts Medizin in Kooperation mit der Uniklinik Köln zur Erlangung des Zertifikats „Medical-Controller/in“ Inhalte u.a.: Rechtliche und strukturelle Grundlagen für die Tätigkeit als Medizin-Controller; Das deutsche DRG-System und Budgetermittlung unter DRG-Bedingungen; Betriebswirtschaftliche Grundlagen; Schwerpunktaufgaben des Medizin-Controllings; Anforderungen an künftige Organisations- und Leistungsstrukturen von Krankenhäusern; Kommunikation und Projektmanagement als Schlüssel für ein erfolgreiches Medizin-Controlling; Qualitäts- und Prozessmanagement im Krankenhaus; Managementfunktionen des Medizin-Controllings Start: 28. April 2023 Dauer: Acht Seminareinheiten im Zeitraum eines Jahres Sachsenring 37–39 · 50677 Köln Tel. 0221-33 60 4 -610 · Fax 0221-33 60 4 -666 · E-Mail medizin@mibeg.de www.mibeg.de GESUNDHEIT & PFLEGE Sachverständigenrat neu berufen Am 28. Februar ist der neu zusammenge- setzte Sachverständigenrat Gesundheit & Pflege zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Der neue Vorstand ist gewählt und auch die ersten Hausaufgaben gibt es bereits. Zum Vorsitzenden wurde Prof. Michael Hallek, Direktor der Klinik für Innere Medizin an der Uniklinik Köln und stellvertretender Direktor des Centrums für Integrierte Onkologie Aachen Bonn Köln Düsseldorf (CIO), ernannt. Die stellvertretenden Vorsitzenden sind Prof. Melanie Messer (Professorin für Pfle- gewissenschaft mit dem Schwerpunkt Kli- nische Pflege über die Lebensspanne an der Universität Trier) und Prof. Jonas Schreyögg (Wissenschaftlicher Direktor des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) an der Universität Hamburg). TUM KLINIKUM Verbund von Herzzentrum und Rechts der Isar Das Universitätsklinikum rechts der Isar (MRI) und das Deutsche Herzzentrum München (DHM) sollen künftig das neue „Universi- tätsklinikum der Technischen Universität München“ (TUM Klinikum) bilden. So will es der Bayerische Ministerrat. Beide Einrich- tungen sollen operativ und wirtschaftlich weiter eigenständig arbeiten, auch die Mar- kennamen bleiben erhalten, erklärte das MRI. Die Details der Kooperation würden noch erarbeitet. Ziele seien neue Finanzierungs- möglichkeiten sowie Synergieeffekte in der Herzmedizin. Mit dem Verbund untermauere München den Anspruch, Medizinstandort Nr. 1 in Deutschland zu sein, sagte Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume. Er betonte, es werde keine personellen Ver- änderungen und keine Schlechterstellung des Personals geben. ▬ koj 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 13

Aktuelles ZAHLEN UND FAKTEN 70 % der Pflegefachpersonen in Deutschland glauben nicht, dass die Pflegeversorgung im nächsten Jahrzehnt gewährleistet werden kann. Quelle: Care Klima-Index 2022, Meinungsforschungsinstitut Ipsos, 16. Januar 2023 Was halten Sie von der Möglichkeit zum Ablehnen (Opt-out) bei der geplanten Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle? 1 871 Befragte ab 14 Jahren mit Internetzugang 12 % 23 % 9 % 21 % 65 % 70 % 26 % 29% 46 % Finde ich gut Unentschlossen Lehne ich ab Wie bewerten Sie die aktuelle Zusammenarbeit mit der örtlichen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im Rahmen der Notfallversorgung? Antworten von 112 Allgemeinkrankenhäusern ab 100 Betten 14 % Keine Angaben 14% Gut 25 % Schlecht 48 % Mittel Quelle: Blitzumfrage „Aktuelle Lage der Notaufnahmen im Krankenhaus“ DKI/DKG, 20. Januar 2023 Nur 26 % der deutschen Krankenhäuser haben das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Jahresplanung verankert. Quelle: Studie „Grünes Krankenhausmanagement: Es braucht ein Umdenken“, BDO/DKI, 27. Februar 2023 Gesamt West Ost Quelle: Umfrage „Elektronische Patientenakte – Haltungen zum Opt-out“, Bertelsmann Stiftung/ Stiftung Münch, 09. Februar 2023 Wie schätzen Sie die Versorgung in deutschen Krankenhäusern ein? Online-Umfrage unter 1 000 Bürgern, Angaben in Prozent 2022 11 2021 17 2020 21 2019 6 51 40 63 72 51 45 36 9 4 46 30 5 2 51 24 3 1 39 8 2 Sehr gut Gut Durchschnittlich Weniger gut Schlecht Top 2 (sehr gut plus gut) 32,4 % aller deutschen Krankenhäuser führten im Jahr 2021 Entbindungen durch. Im Jahr 1991 waren es noch 49,2 Prozent. Quelle: Statistisches Bundesamt, 15. Februar 2023 Quelle: PwC-Studie „Healthcare-Barometer 2023“, 8. Februar 2023 14 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

ZUKUNFTSPAPIER UKGM erhält 850 Millionen Euro Das Land Hessen, die Rhön-Klinikum AG, die Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA und die Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) GmbH sowie die Uni- versitäten in Gießen und Marburg und ihre Fachbereiche Medizin haben ein Zu- kunftspapier Plus über die weitere Zu- sammenarbeit am UKGM für die nächs- ten zehn Jahre unterzeichnet. Land und UKGM werden demnach fast 850 Milli- onen Euro in die Standorte Gießen und Marburg investieren. Die Ausgliederung von Betriebsteilen sowie betriebsbedingte Kündigungen bleiben ausgeschlossen, eben- so gilt weiter die Übernahmegarantie für Auszubildende. „Sowohl das Land als auch die Rhön-Klinikum AG bekennen sich mit dem Zukunftspapier Plus klar und deutlich zum Gesundheits- und Forschungsstandort Mittelhessen. Damit ist vor allem der Weg frei für die notwendigen Investitionen“, sagt Wissenschaftsministerin Angela Dorn, „Uns war dabei auch wichtig zu regeln, was mit den Mitteln des Landes bei ei- nem möglichen Rückkauf oder Verkauf des Klinikums geschieht. Wir haben ein Berechnungsverfahren vereinbart, das si- cherstellt, dass dann der jeweilige Restwert an das Land zurückfließt.“ Auch für den Vorsitzenden der Geschäftsführung des UKGM, Dr. Gunter K. Weiß, sei die Einigung ein sehr wichtiges und positives Signal für den Gesundheitsstandort Mittelhessen. Beginnend mit dem Jahr 2023 erhält das UKGM eine Landesförderung in Höhe von zunächst 48,15 Millionen Euro. Dieser Be- trag soll in festgelegten Raten über zehn Jahre hinweg jährlich steigen. Die Mittel des UKGM werden im selben Maß wie die Landeszuwendungen steigen, beginnend mit 23,5 Millionen Euro im Jahr 2023, heißt es in einer Meldung der Rhön-Klinikum AG. Die Gelder kommen Gießen und Marburg gleichmäßig zugute. Zwei Drittel sind für Baumaßnahmen, ein Drittel für neue me- dizinische Geräte vorgesehen. ▬ hgl Im Verbund mit Aktuelles GESTALTEN SIE DIE ZUKUNFT DER MEDIZINTECHNIK PRODUKTION 23._ 25.5.2023 Nürnberg, Germany 2023 PARTNERLAND IRLAND DIE MESSE FÜR MACHER UND ENTSCHEIDER Die MedtecLIVE with T4M ist die zentrale Fachmesse für Medizintechnik in Europa – und noch viel mehr. Hier wird Ihre Branche zum Erlebnis, Wissen lebendig, es werden Trends besetzt und Innovationen greifbar. Im Fokus: Der gesamte Herstellungsprozess der Medizintechnik – von der Idee zur Produktion. Zusammen mit dem MedtecSUMMIT genießen Sie ein umfassendes Programm mit Top-Speakern und Key Playern der Branche. ÜBERZEUGEN SIE SICH SELBST! Sichern Sie sich jetzt Ihr Ticket: medteclive.com/besuchen Ideelle Träger 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 15

Aktuelles ▶ Auf- und Absteiger AUF- UND ABSTEIGER IN DER KLINIKBRANCHE Katholische Stiftungen in Münster vor Megafusion In Münster wollen die Marienhaus-Gruppe und die St. Franziskus- Stiftung fusionieren. Damit wird ein führendes freigemeinnütziges christliches Gesundheitsunternehmen entstehen. KLINIK UNTERNEHMEN AUF- UND ABSTEIGER Im Marienhaus zeigt das 2019 / 2020 initi- ierte Restrukturierungsprogramm Erfolge. Nun ist für 2023 die Zusammenlegung der Aktivitäten mit der St. Franziskus-Stiftung Münster geplant. Aus den beiden katho- lischen Unternehmen wird dann ein füh- rendes freigemeinnütziges Krankenhaus-, Altenhilfe- und Gesundheitsunternehmen in Deutschland, mit einem Umsatz von rund zwei Milliarden Euro. Die Marienhaus GmbH in Waldbreit- bach wurde 2011 gegründet. Sie befin- det sich zu 94 Prozent im Eigentum der Marienhaus-Stiftung und zu 6 Prozent im Eigentum der St. Franziskus Um- weltstiftung. Die GmbH ist Trägerin von 13 Akutkrankenhäusern mit 14 Standorten (Umsatzanteil rund 81 Prozent), einer Reha-Einrichtung (ein Prozent), 18 Alten- und Pflegeheimen (zehn Prozent) sowie weiteren Einrichtungen (Hospize, MVZ, Schulen für Gesundheits- und Pflegebe- rufe, Zentralapotheke u.a.). Die Ertragszahlen des Unternehmens für das Jahr 2021 lagen deutlich über den Planungen und auch dem Ist 2020: Zwar schrumpfte der Umsatz gegenüber 2020 um 3,9 Prozent auf 873 Millionen Euro infolge der Schließung der Krankenhäuser in Losheim und Bensheim, der Corona-Pan- demie und der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal, die zu Leistungsausfällen im Marienhaus Klinikum Ahrweiler führte. Der Case Mix (CM) sank um 9,8 Prozent auf 96 000 und wurde durch Corona- Ausgleichszahlungen von 95 Millionen Euro (Vorjahr: 110 Millionen Euro) nicht vollständig kompensiert. EBITDA, EBIT und Marienhaus Gruppe 1 000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 1 1 2 1 3 1 4 1 5 1 6 1 7 1 8 1 9 1 0 2 1 2 3 % 2 % 1 % 0 % -1 % -2 % -3 % Umsatz (Mio. Euro) EBIT EBT © Geschäftsberichte, elektronischer Bundesanzeiger 21,3 Mio. Euro betrug das EAT im Jahr 2021 und lag dabei deutlich über dem Plan von 15 Millionen Euro. EBT stiegen aber aufgrund der Erfolge der 2019/20 durchgeführten Strukturmaßnah- men um ein, 4,1 und 5,3 Prozent auf 42,3, 26,5 und 23,9. Das EAT von 21,3 Millionen Euro lag dabei deutlich über dem Plan von 15 Millionen Euro. Die Aussichten sind gut Die Perspektiven sind auf Stand-Alo- ne-Basis auch aufgrund der guten Bi- lanzqualität auf den ersten Blick nicht schlecht. Angesichts des zunehmenden Kostendrucks plant das Unternehmen für 2022 mit einem EAT von 13,5 Millio- nen Euro (Vorjahr: 21,3 Millionen Euro). Allerdings dürfte das keine Rolle mehr spielen. Denn die Marienhaus Stiftung und die St. Franziskus-Stiftung Müns- ter planen nach eigenen Aussagen das operative Geschäft beider Gruppen im Jahre 2023 zusammenzuführen. Durch diesen Schritt wollen beide Stiftungen als gleichberechtigte Partner ein führen- des freigemeinnütziges Krankenhaus-, Altenhilfe- und Gesundheitsunternehmen in Deutschland schaffen. Das neu zu bildende Unternehmen wird zirka doppelt so groß wie das heutige Marienhaus sein und die Fallschwere wird zunehmen. Das zeigen die Zahlen der Franziskus-Stiftung-Einrichtungen: Die St. Franziskus-Stiftung betrieb 2019 unter anderem 15 Krankenhäuser und neun Einrichtungen der Behinderten- und Seniorenhilfe und erwirtschaftete (bei einem CMI von 1,013; Marienhaus nur 0,739) einen (konsolidierten) Umsatz von 992,6 Millionen Euro. 16 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Aktuelles ▶ Auf- und Absteiger hat, ist es sicherlich keine reine Spekula- tion, dass die Alexianer ihren 25-Prozent- Anteil an den St. Augustinus-Kliniken über kurz oder lang auf die Mehrheit aufsto- cken werden. St. Elisabeth Gruppe Weiterhin sehr gut entwickelte sich 2021 das Geschäft der St. Elisabeth Gruppe, einem katholischen Betreiber von fünf Krankenhäusern (darunter zwei Fach- krankenhäuser für Rheumatologie und Psychiatrie, Psychosomatik und Psycho- therapie) und sechs Einrichtungen in der Pflege, Reha und Bildung. Der Umsatz stieg um 9,4 Prozent auf 552 Millionen Euro, zurückzuführen auf eine Steigerung der Leistung (der Case Mix erhöhte sich um ein Prozent) und der Preise und Aus- gleichsbeträge aus den Vorjahren. Der Ertrag erhöhte sich auf allen Ebenen der Gewinn- und Verlustrechnung überdurch- schnittlich: Das EBITDA (vor Ertrag aus der Auflösung des Sonderpostens) stieg um 44,5 Prozent auf 65,9 Millionen Euro, und das EBIT und EBT um 46 und 32,6 Prozent auf 19,9 und 17,2 Millionen Euro. Die Bi- lanzqualität ist anhaltend gut: Das von 493 auf 509 Millionen Euro gestiegene Vermögen ist gegenüber 2020 unverän- dert zu 47 Prozent eigen-, zu 14 Prozent fördermittel- und nur zu einem Prozent bankenfinanziert. Da zudem die Liqui- dität im Jahre 2021 um 24 auf nunmehr 89 Millionen Euro anstieg, kann das Ma- nagement angesichts der guten Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage gelassen in die Zukunft blicken. ▬ Hartmut Schmidt Börsenexperte, analysiert für kma die Jahresabschlüsse* ausgewählter Kliniken *© Geschäftsberichte, elektronischer Bundesanzeiger ‣ kma Online Ausführliche Berichte lesen Sie jeden Monat auf kma Online unter www.kma-online.de/auf-absteiger Weitere Klinikunternehmen Alexianer Deutlich vorangetrieben wird der Konzen- trationsprozess im freigemeinnützigen Bereich auch von der Alexianer GmbH. Sie befindet sich im Eigentum der Stiftung der Alexianerbrüder. Der Konzern überschritt 2020 nach dem Erwerb der Katharina- Kasper-Gruppe erstmals die Milliarden- Euro-Umsatzmarke. Die Alexianer sind in den Bereichen Somatik, Psychiatrie, Senioren/Pflege sowie Eingliederungshilfe tätig. Hauptumsatzträger sind die Kran- kenhäuser mit einem Umsatzanteil von 72 Prozent. Der Bereich Senioren/Pflege trägt sieben Prozent und die übrigen Ein- richtungen, unter anderem Werkstätten für Menschen mit Behinderung, steuern den Rest zum Umsatz bei. 2021 wuchs der Konzern wiederum sehr stark, um 27,5 Prozent auf einen Umsatz von 1 677 Millionen Euro. Zurückzuführen war dies auf ein organisches Umsatzplus, Corona- Ausgleichszahlungen sowie (unterjährig vorgenommene) Neukonsolidierungen. Während das EBITDA (vor dem Ertrag aus der Auflösung von Sonderposten) um 7,7 Prozent auf 94,4 Millionen Euro stieg, reduzierten sich EBIT und EBT aufgrund eines überdurchschnittlichen Anstiegs der Abschreibungs- und Zinsaufwendungen um 12,8 und 18,9 Prozent auf 43,2 und 35,6 Millionen Euro. Trotz der deutlich von 1 706 auf 1 818 Mil- lionen Euro angestiegenen Bilanz ver- schlechterte sich die Bilanzqualität kaum. Das Vermögen ist zu 32 Prozent (2020: 30 Prozent) eigenfinanziert, zu unverän- dert 20 Prozent fördermittelfinanziert und zu 16 Prozent (2020: 15 Prozent) bankenfinanziert. 2022 ist mit einem wei- teren Umsatzanstieg zu rechnen, unter anderem auch aufgrund der ganzjähri- gen Erfassung der Akquisitionen 2021 und der Übertragung des Marienhospital Aachen. Das Unternehmen will weiterhin strategische Projekte zum organischen und anorganischen Wachstum voran- treiben. Die Wachstumsperspektiven darüber hinaus sind damit gut. So besitzt das Unternehmen beispielsweise einen 25-Prozent-Anteil an den St. Augustinus- Kliniken, mit dem zusammen der Umsatz auf über zwei Milliarden ansteigen würde. St. Augustinus-Kliniken Die St. Augustinus-Kliniken, eine Gründung der Neusser Augustinerinnen und der Neusser Alexianerbrüder, ist eine Manage- mentholding und in der Somatik (Umsatz- anteil 2021 rund 53 Prozent), Psychiatrie (19 Prozent), Senioren- (14 Prozent) und Behindertenhilfe (12 Prozent) tätig. Das Unternehmen zeigte 2021 eine Ertrags- entwicklung, die besser als geplant war: Bei einem leichten Umsatzanstieg um 1,3 Prozent auf 376 Millionen Euro redu- zierten sich EBITDA (vor dem Ertrag aus der Auflösung des Sonderpostens), EBIT und EBT zwar um 31,5, 56,6 und 63,3 Pro- zent auf 21,6, 7,7 und 5,6 Millionen Euro. Geplant war allerdings coronabedingt ein Ergebnis knapp im einstelligen Mil- lionenbereich. Grund für diese „erfreu- liche“ Entwicklung war zum einen eine Stabilisierung der Leistungsentwicklung in allen Bereichen. Zum anderen konnten Corona-Ausgleichszahlungen von 15,2 Mil- lionen Euro vereinnahmt werden (Vorjahr: 24,3 Millionen Euro). Da damit für 2022 nicht mehr gerechnet wird, erwartet das Management für 2022 ein Ergebnis, das knapp zweistellig im roten Bereich liegen soll. In Verbindung mit einer um zwei Millionen erhöhten Bilanzsumme von 472 Millionen Euro hat sich die Finanzie- rungsstruktur zwar weiter verbessert: Die Eigenkapitalquote erhöhte sich von 48 auf 49 Prozent – inklusive Fördermittel von 47 auf 49 Prozent – und die Bank- verbindlichkeiten betragen unverändert 25 Prozent des Vermögens. Die Liquidität hat sich jedoch aufgrund des negativen Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit von knapp 30 Millionen Euro deutlich verrin- gert, von 75 auf 43 Millionen Euro. 2020 profitierte der Cashflow von der Reduzie- rung der Zahlungsziele der Kassen und war mit 42 Millionen Euro positiv. Dies ist laut Management der Grund dafür, dass sich die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der Gruppe 2021 deutlich eingetrübt hat. Da nicht davon auszugehen ist, dass sich dieses Bild 2022 zum Positiven verändert 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 17

Aktuelles RECHTS KOLUMNE Bei gekündigtem Versorgungsvertrag kann Widerspruch sich lohnen Behörden können sich irren. Ein Streiten bis zur letzten Instanz kann von Erfolg gekrönt sein, wie das folgende Beispiel zur Kündi- gung eines Versorgungsvertrages durch Bescheid zeigt. Dr. Tobias Weimer ist Fach anwalt für Medizin- recht und Partner bei der Kanzlei Weimer Bork in Bochum. © artvertisement Das Bundessozialgericht (BSG) entschied am 13.Dezember 2022 über einen Fall der Kündigung ei- nes Versorgungsvertrages gegen- über einer Klinik für unter anderem Psychosomatische Rehabilitation durch Verwaltungsakt. Dagegen wehrte sich die Klinik mit Wider- spruch, Klage sowie Berufung bis hin zur Revision zum BSG. Während das Sozialgericht die Zulässigkeit der Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis verneinte, hielt das Landessozialgericht (LSG) dagegen. Laut LSG sei die Kündigung von Seiten der Krankenkasse rechtens, weil der Kündigungsgrund der fehlen- den Bedarfsgerechtigkeit vorliege. Der im Versorgungsvertrag geregelte Bedarf von 15 Betten sei durch den Krankenhausplan gedeckt. Die Kündigung des Versorgungsvertrages sei auch deshalb rechtmäßig, weil dieser gegenüber dem Krankenhaus- plan grundsätzlich nachrangig sei und die Krankenkassen an die Vorgaben im Plan gebunden seien. Der Widerrufsbescheid sei als Kündigung zu werten. Das BSG hob die abweisenden Urteile der Vorinstanzen sowie den angegriffenen Bescheid der Beklagten auf. Zur Begründung führt es aus, dass die Kündigung des Versorgungsvertrages eines Krankenhauses eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklä- rung darstelle und eben nicht in der Form eines Verwaltungsaktes erfolgen dürfe (vgl. Paragraf 110 SGB V). Zu Recht erläuterte das BSG, dass wenn die Kündigung eines Versorgungsvertrages zu Unrecht in der Form eines Verwaltungsaktes erfolgt, mit dessen Aufhebung auch die Gestaltungswirkung in jeder Hin- sicht verloren gehe. Der Verwaltungsakt könne auch nicht als schlichte Kündigungserklärung gewertet werden. Es handelt sich um ein anschauliches Beispiel dafür, dass sich Behörden trotz des Grundsatzes rechtmäßigen Verwaltungshandelns schlicht täuschen können und sich das Streiten bis zur letzten Instanz lohnen kann. Die Kündigung eines Versorgungsvertra- ges führt eben nicht unabhängig von ihrer Form zum Erlöschen des Vertrages, sondern hat sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. ▬ 3 609 Einsätze in der Telenotfallmedizin gab es im Landkreis Goslar seit Januar 2021. In 98,9 Prozent der Einsätze gab es eine sichere Patientenversorgung. Quelle: Landkreis Goslar NIEDERSACHSEN Telenotfallmedizin hat sich bewährt Kommt die Telenotfallmedizin bald flächen- deckend nach Niedersachsen? Wenn es nach dem Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistags, Joachim Schwind, geht, lautet die Antwort: Ja. Gegenüber dem Politikjour- nal „Rundblick“ erklärte Schwind: „Man sollte darüber reden, das landesweit anzu- bieten.“ Dabei kann der Not ar z t b ei Rettungseinsätzen auch per Telefon und Videotechnik hinzugeschaltet werden. Ein Pilot- projekt aus dem Kreis Goslar, das im Januar 2021 an den Start ging, zeigt: Es funktioniert. Anfang März veröffentlichte der Landkreis dazu einige Zahlen: Bisher wurden 3609 Einsätze dieser Art gezählt, in 98,9 Prozent der Fälle gab es eine sichere Patientenver- sorgung. Lediglich bei 1,1 Prozent traten technische Störungen auf. In 1,9 Prozent der Fälle musste aus medizinischen Grün- den zusätzlich ein Notarzt ausrücken. Nach Angaben des Landkreises ist es das Ziel des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, die Telenotfallmedizin flächendeckend und landesweit einheitlich auszurollen. So sollen alle Rettungswagen, Notfallkrankenwagen und Notarzteinsatz- fahrzeuge in Niedersachsen die Möglichkeit haben, die telenotfallmedizinische Unter- stützung auf einem einheitlich hohen Ni- veau und einer rechtlich gesicherten Basis anfordern zu können. Basis dafür sollen die Ergebnisse aus Goslar und Northeim sein. Ähnliche Modelle gibt es auch in anderen Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen ist das Telenotarztsystem seit 2014 in der Regelversorgung implementiert. Weitere Projekte gibt es in Hessen und in Mecklen- burg-Vorpommern. ▬ hgl 18 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Wissen für Entscheider – Wissen für Entscheider – Wir lesen kma! Wir lesen kma! Aktuelles . i i G K g a l r e V e m e h T g r o e G e d t s i s t n e m e n n o b A s e d r e t e b n A i . e g a r f n A f u a e s i e r p s d n a l s u A d n u - n e t n e d u t S . d n a s r e V . l g z z d n u . t S w M . l k n i ) D ( – ) t n e m e n n o b a s e r h a J s e h c i l n ö s r e p ( o r u E 5 3 1 . t z z r ü f n e t f e H 6 n i r h a J o r p a m k n e b a g s u A 8 l e d o m a y b d e s o P . o t o h P k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s / e t e k k o t s © l e t t i K m i u a r F ; s l e d o m y b d e s o P . o t o h P k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s / s s e n i s u B y e k n o M © e p p u r G : s e g a m i i g n w o l l i o f g n i s u e m e h T y b d e s o p m o c s a w e g a m i e h T Jetzt Vorteile sichern! Lesen Sie eine der führenden meinungs bildenden Zeitschriften in der Gesundheits wirtschaft und bleiben Sie am Puls Ihrer Branche. Mit kma sind Sie immer aktuell über Themen im und um das Unternehmen Krankenhaus informiert: Manager und Marktpartner, Prozesse und Technologien, Best & Worst Practice werden für Sie umfassend analysiert und kommentiert. Ihre Vorteile mit einem klinikweiten Abonnement · ein Abo – ein Preis: nutzerunabhängiger Online-Zugang für den gesamten Standort · unbegrenzter Zugriff auf das komplette Archiv · 1 Printheft pro Standort · lesen Sie auf jedem Endgerät, egal wo sie sind – auch Offline · einfache und schnelle Suchmöglichkeit Vermeiden Sie lange Umlaufzeiten der Print-Ausgaben und lassen Sie Ihre KollegInnen gleich mitlesen. Mit dem institutionellen Abonnement profitieren Sie in Ihrer gesamten Klinik von kma. Jetzt informieren unter thieme.de/kma-abo 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 19 www.kma-online.de • 23 Euro 28. Jahrgang • Februar 2023kmaKlinik Management aktuellkma Deutsche Gesellschaft für Führung und MarktorientierungKrebsimmuntherapieDarmbakterien als ErfolgsorakelVoten gegen Klinikschließungen Kostspieliger Bürgerwillen THIEME MANAGEMENT AWARD„Manager des Jahres 2022“ ist Prof. Dr. Heyo K. Kroemer. Den Preis der „Senkrechtstarterin“ erhält Prof. Dr. Claudia Luck-Sikorski.

Aktuelles ▶ Köpfe und Karrieren 1 2 3 © Kai Abresch Fotograf © Sana Kliniken BB © Oberhavel Kliniken GmbH 4 5 6 © Schön Klinik © varisano © Bezirkskliniken Schwaben 7 © Asklepios 1 Der Ressortleiter der BG Kliniken, Dr. Fabian Hempel, ergänzt seit März die Ge- schäftsführung der BG Unfallklinik Murnau. Der Betriebswirt war zuvor unter anderem als Kaufmännischer Vorstand der Universi- tätsmedizin Greifswald tätig. 2 Matthias Kloß ist seit dem 1. April neuer Direktor der Sana Kliniken Sommerfeld und Geschäftsführer der Sana Rehabilitations- klinik Sommerfeld GmbH. Seit 2021 unter- stützt der studierte Gesundheitsmanager als Referent des Vorstands die Sana Kliniken AG. 3 Wiebke Gröper ist seit Februar in den Oberhavel Kliniken als neue Verwaltungs- leiterin und Prokuristin tätig. Zuletzt war sie Direktorin der Sana Kliniken Sommerfeld und Geschäftsführerin der Rehabilitationsklinik Sommerfeld GmbH. 4 Kerstin Pittman wurde zum 20. Februar neue Geschäftsführerin des Hamburger Klinikstandortes der Schön Klinik Gruppe. Die gelernte Gesundheitsökonomin war seit 2020 Geschäftsführerin der Schön Klinik Düsseldorf. 5 Patrick Frey ist seit dem 1. April neu- er Geschäftsführer der varisano Kliniken Frankfurt-Main-Taunus. Frey verfügt bereits über eine zwanzigjährige Erfahrung im Management medizinischer Zentren und Krankenhäuser. 6 Benjamin Englert ist neuer Regionalleiter Nord der Bezirkskliniken Schwaben und ist zusätzlich Mitglied der Krankenhausleitung am Standort Günzburg. Der gelernte Ferti- gungsmechaniker und Wirtschaftsingenieur war zuvor fast 18 Jahre in der Produktion der Ernst Klimmer GmbH tätig. 7 Katrin Kern ist seit Februar neue Kaufmän- nische Leiterin der Asklepios MVZ Hessen GmbH und wird somit die ambulante Me- dizin in Hessen weiter ausbauen. Zuvor war sie Geschäftsführerin der Asklepios Kliniken in Bad Wildungen. Bildnachweis: 1 ©Kai Abresch Fotograf; 2 © Sana Kliniken BB; 3 © Oberhavel Kliniken GmbH; 4 © Schön Klinik; 5 © varisano; 6 © Bezirkskliniken Schwaben; 7 © Asklepios 8 9 © HC&S AG © Bergmannsheil und Kinderklinik Buer GmbH 10 8 Gerd Koslowski ist neuer Kaufmännischer Direktor des CaritasKlinikums Saarbrücken Er führt die Klinik im Rahmen einer Manage- ment-Partnerschaft mit der Firma HC&S gemeinsam mit der Kaufmännischen und Ärztlichen Direktorin Margret Reiter. 9 Jonas Wintz hat zum 1. April kommissa- risch die Leitung des Rhein-Maas Klinikums in Würselen übernommen. Bereits 2017 bis 2019 war er im Haus als Assistent der Geschäftsführung tätig. 10 Dr. Thomas Kaiser hat Anfang April die Leitung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) übernommen. Gemeinsam mit Dr. Beate Wieseler leitet er seit 2004 das IQWiG-Ressort für Arzneimittelbewertung. © www.ralfbaumgarten.de Bildnachweis: 8 © HC&S AG; 9 © Bergmannsheil und Kinderklinik Buer GmbH; 10 © www.ralfbaumgarten.de Köpfe und Karrieren Mehr Personalmeldungen auf kma Online: Wenn bei Ihnen eine Führungsposition neu besetzt wird, freuen wir uns über eine Nachricht mit dem Stichwort „Personalie“ an: redaktion-kma@thieme.de Ausgewählte Stellungswechsel veröffentlichen wir gerne im Heft und auf kma Online. Herzlichen Dank! Im kma Newsletter Köpfe und Karrieren informieren wir Sie einmal im Monat über die wichtigsten Personal- meldungen aus der Branche. Abonnieren Sie einfach unseren regulären kma Newsletter, und erhalten Sie monatlich spannende Personalnews in Ihr E-Mail- Postfach. 20 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Aktuelles ▶ Veranstaltungen BMC-KONGRESS STEHT BEVOR Transformation durch regionale Versorgung Bringt der Trend zur Regionalisierung den lang ersehnten Durchbruch bei der Transformation der Gesundheitsversorgung hin zu mehr Patientenorientierung und integrierten Versorgungspfaden? Dafür benötigen Akteure vor Ort vor allem mehr Gestaltungsfreiheit und einen Vertrauensvorschuss. Der BMC-Kongress diskutiert Lösungswege. Die seit Jahren bekannten Herausfor- derungen für die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens machen sich zuneh- mend in der Versorgungspraxis bemerk- bar. Der Mangel an Gesundheitspersonal erschwert es gerade in ländlichen Regi- onen, die Versorgung sicherzustellen. Die demografische Entwicklung führt zu steigender Nachfrage nach Gesund- heitsleistungen und erhöht zugleich die Komplexität der Versorgung durch zuneh mende Multimorbidität und damit einhergehend höheren Anforderungen an Koordination und Kooperation zwischen den Leistungserbringenden. Offenkundig stößt das Gesundheitssystem in seiner jet- zigen Organisationsform an seine Grenzen und bedarf grundlegender Reformen. Obwohl Lösungswege wie z. B. mehr sektorenübergreifende Versorgung, inter professionelle Zusammenarbeit im Team oder wirksame Prävention seit Langem im Gespräch sind, ist es bislang nicht gelungen, diese über kleine Modell- vorhaben und befristete Pilotprojekte hinaus umzusetzen. Auch zunehmende Regulierung und immer engmaschigere politische Vorgaben haben daran nichts ändern können. Im Gegenteil, sie hemmen das Innovationspotenzial jener Akteure, die bereit wären, Strukturen mutig und praxisorientiert anzupassen. Ideenvielfalt und Gestaltungwillen der Akteure sind durchaus vorhanden, werden aber bislang nicht annähernd ausgeschöpft oder durch ein enges rechtliches Korsett ausgebremst. Neben klassischen Vortragssessions erwarten die 600 Teilnehmenden im Langenbeck- Virchow-Haus in diesem Jahr viele neue Formate, die zum Vernetzen und Diskutieren anregen. © BMC wirk samer Treiber der Transformation fun- gieren kann, um die dringend benötigten Strukturveränderungen anzuschieben. Facetten dieser Debatte sind z. B. eine integrierte Primärversorgung, Gesund- heitskioske, die Reform der Krankenhaus- strukturen, telemedizinische Netzwerke, die Stärkung des ÖGD sowie der Einsatz von Community Health Nurses oder Ge- sundheitslotsen. Tatsächlich bieten diese Ansätze – sofern sie Teil spezifischer popu- lationsorientierter Konzepte sind – Chan- cen für mehr Patientenorientierung, eine teambasierte Versorgung und eine SGB- übergreifende Gesundheitsversorgung über die reine Krankenbehandlung hinaus. Ihre Umsetzung ist jedoch noch unklar. Politisch heiß diskutiert wird gegenwär- tig, ob eine stärkere Regionalisierung der Versorgung diese Fesseln lösen und als Welche Handlungsspielräume braucht es für regionale Innovationen? Wie kann gute Gesundheitsversorgung zum Standort- C M B © faktor werden? Wie müssen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen den Akteuren verteilt werden und auf wel- chen bestehenden Strukturen kann dabei aufgebaut werden? Diese und weitere Fragen sind Thema des diesjährigen BMC- Kongresses, der am 18./19. April wieder Akteure aus allen Bereichen des Gesund- heitswesens in Berlin zusammenführt. ▬ Malte Behmer stellv. Geschäftsführer des BMC e.V. ‣ Weitere Informationen unter bmckongress.de 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 21

Aktuelles ▶ Veranstaltungen HSK 2023 Gesundheitssystem an der Grenze Steigende Energiekosten, künstliche Intelligenz in der Medizin, Personalisierte Medikamentenentwick- lung. Die Themen beim Hauptstadtkongress in Berlin sind so vielfältig wie die Herausforderungen. Ein Blick auf mögliche Lösungen mit Kongresspräsident Karl Max Einhäupl. Steigende Kosten treiben die Kranken- kassen in Richtung Bankrott, gibt es dazu auf dem Kongress Ideen? Wir haben ein Panel mit den Chefinnen und Chefs der wichtigsten Krankenkassen, die ihre Ideen präsentieren. Das Thema betrifft aber nicht nur die Kassen. Jeder Akteur muss überlegen, was er in seinem Bereich verändern kann, damit wir weiter- hin ein finanzierbares Gesundheitssystem auf hohem Niveau haben. Was treibt neben Energie und Inflation die Kosten in die Höhe? Es gibt wichtige Innovationen in der OP- Technik oder der Medikamentenent- wicklung, die die Kosten massiv steigen lassen. Früher haben wir viel mit kleinen Molekülen behandelt. Heute sind wir zunehmend im Bereich der Biologika, die sind in der Herstellung und in der Erforschung deutlich teurer. Wenn viele Patienten Biologika bekommen, kostet das Geld – für das Gesundheitssystem. Haben Sie ein Beispiel? Biologika sind Antikörper zur Therapie bestimmter Erkrankungen. In der Migräne- therapie haben wir früher Aspirin gegeben, was günstig herstellbar ist. Jetzt können wir mit Antikörpern behandeln. Das ist präziser und teurer. In der Krebstherapie dominiert heute personalisierte Therapie. Das heißt, dass für einen Patienten ein Medikament aus der genomischen Information seines Tumors hergestellt wird. Spezifischer geht es nicht. Das ist ein riesiger Fortschritt, aber damit ist Massenproduktion nicht mehr möglich. Solche Innovationen bringen das Gesundheitssystem an die Finanzierungs- grenze. Deshalb müssen wir an anderen Stellen kosteneffektiver werden. Prof. Dr. Karl Max Einhäupl übernahm 2021 die Leitung des Branchene- vents. © Wiebke Peitz / Charité é t i r a h C / z t i e P e k b e W © i Dabei geht es nicht nur um die ambu- lante Versorgung, sondern um die Kli- niken? Genau. In manchen Gegenden haben wir eine extreme Überversorgung. 15 ver- gleichbare Krankenhäuser in einem klei- nen Radius. Jedes dieser Krankenhäuser macht fast alles. Dabei wären Spezialisie- rungen sinnvoller für alle. Es macht für die Expertise und für die Patientensicherheit einen riesigen Unterschied, ob man nur zwei Mal im Jahr einen Pankreastumor operiert, oder zwei Mal am Tag. Man muss nicht 15 Krankenhäuser schließen, aber man muss überlegen, wie man sie intelligenter nutzt. Wenn Kliniken nah beieinander, aber in unterschiedlichen Landkreisen liegen, haben wir schnell ein Problem. Krankenhausplanung ist Ländersache. Jeder Politiker wird sein Krankenhaus verteidigen, weil er sonst um die Wiederwahl fürchtet. Wenn Sie heute ein Krankenhaus pla- nen, wie sähe das aus? Ich würde die Zahl der Betten und der Krankenhäuser reduzieren. Anforde- rungen an ein Krankenhaus ändern sich schnell. Deshalb muss Planung Flexibi- lität ermöglichen. Für die Zukunft ist es wichtig, dass es Strukturen gibt, wo Bettenabteilungen neben ambulanten Ab- teilungen vorhanden sind. Es ist sinnvoll, dass ein Arzt Patienten, die er entlassen hat, noch mal einbestellen kann oder vor der stationären Behandlung ambulant 22 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Vorbereitungen trifft und entscheidet, ob eine stationäre Versorgung erfor- derlich ist. Was versprechen Sie sich von den ver- schiedene Perspektiven beim HSK? Durch die neue Struktur erreichen wir eine Verschränkung der Themenblö- cke. Man schaut nicht nur auf den eige- nen Bereich. Deshalb ist der HSK, was die Entwicklung des Gesundheitssys- tems angeht, der wichtigste Kongress in Deutschland. Natürlich müssen wir den Kongress ständig weiterentwickeln. Wir haben letztes Mal mit einem neuen Format experimentiert, einer offenen Bühne. Das war ein Highlight, was sehr gut angenommen wurde. Das werden wir weiter entwickeln. Hinzu kommt die neue Veranstaltungsreihe zur Spitzenme- dizin. Wir brauchen aber auch Impulse von außen. Deshalb kommen wie immer Entscheidungsträger aus der Politik, aus Verbänden, und Institutionen in Verant- wortung für das Gesundheitssystem. Der Fachkräftemangel etwa kann nur durch eine „konzertierte Aktion“ aller beseitigt werden. Der Fachkräftemangel in der Pflege? Ja, aber ich würde weitergehen und sagen, es geht längst darum, nicht nur Pflege- kräfte zu halten, sondern auch Mediziner und Therapeuten. Ein Grund ist, dass die jungen Menschen, nicht mehr im selben Maße bereit sind, Nachtschicht zu machen und am nächsten Tag wieder anzutreten. Work-Life-Balance spielt eine andere Rolle als bei den Kollegen vor 20 Jahren. Werden wir zu wenige Ärzte haben? Die Frage wird sein, ob wir es schaffen, die Ärzte und Ärztinnen, die wir haben, zu halten und anders einzusetzen. Es gibt – selbst in einer Stadt – Bezirke mit einer deutlichen Überversorgung und gleichzeitig andere mit einer dramati- schen Unterversorgung. Versuchen Sie mal in Berlin mit Kopfschmerzen einen Termin beim Neurologen zu bekommen. Da warten Sie als Kassenpatient sechs Wochen. Ähnlich sieht es aus bei Kinder- ärzten oder in der Psychiatrie. Durch die neue Struktur des Kon- gresses erreichen wir eine Verschrän- kung der The- menblöcke. Man schaut nicht nur auf den eigenen Bereich. Deshalb ist der HSK, was die Entwicklung des Gesundheitssy- stems angeht, der wichtigste Kongress in Deutschland. Wie steht es um die Fachkräfte in der Pflege? Mit Blick auf die demografische Entwick- lung müssen wir uns vor allem das Thema Langzeitpflege ansehen. Da muss vieles reformiert werden. Eine Vereinheitlichung der Pflegeberufe halte ich nicht für sinn- voll. Nicht jede Pflegekraft muss alles können. In der Langzeitpflege muss man sozial und medizinisch anders ausgebildet sein als in der Klinik. Zusätzlich müssen wir überlegen, mit welchen technischen Entwicklungen wir es ermöglichen, länger zuhause zu leben. Wenn die Menschen zwei Jahre länger in ihrer häuslichen Um- gebung bleiben können, reduzieren wir den Bedarf an Pflegeheimen dramatisch. Es gibt viele technische Entwicklungen, die dabei helfen, aber sie werden zu we- nig genutzt. Ich nenne nur Sensorik und Künstliche Intelligenz. In welchen Bereichen wird KI auf dem Kongress sonst Thema sein? Es geht beispielsweise um die Frage, wie wir zukünftig Arzneimittel entwickeln, verabreichen und kontrollieren. Wie kann KI zur Entwicklung neuer Medikamente für die Therapie von seltenen Krankheiten beitragen? Wie können Gene KI-basiert repariert werden? Es gibt Krebserkrankun- gen, die hängen an nur einem Gendefekt. Aktuelles ▶ Veranstaltungen Manche Krankheiten können bei Neu- geborenen vorhergesagt und eventuell behandelt werden. Das wird die Gesund- heitsversorgung verändern. Es geht um mehr, als um die Frage, ob jede Klinik einen Da Vinci Roboter braucht, um sagen zu können, wir setzen KI ein. Was wird sich durch KI verändern? Wir haben am ersten Kongresstag eine Veranstaltung zur KI, „Game-Changer bei seltenen Krankheiten“. Ich glaube, dass die medizinischen Anwendungen von KI das gesamte Gesundheitssystem verändert. Wir werden manche Krankheiten nicht mehr mit Medikamenten behandeln, sondern mit so genenannten Genscheren direkt an die Gene gehen. Da stellen sich aber auch ethischen Fragen: Dürfen wir das alles? Wollen wir mit 20 wissen, dass wir eine Krankheit entwickeln, an der wir mit 50 sterben? Die Medizin wird diese Möglichkeiten bieten, damit müssen wir uns ethisch auseinandersetzen. Denn selbst wenn wir selbst nicht wissen wol- len, was unsere Gene verraten, unsere Versicherungen oder unseren Arbeitgeber könnte das interessieren. Dafür brauchen wir Antworten. ▬ Das Interview führte Carola Dorner, freie Journalistin. ‣ Infos und Anmeldung unter www.hauptstadtkongress.de 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 23

Aktuelles ▶ Veranstaltungen GESUNDHEITSKONGRESS DES WESTENS 2023 Raus aus dem Krisenmanagement, rein in eine nachhaltige Zukunft Für Veränderungen im Gesundheitswesen gilt es, dicke Bretter zu bohren. Am 3. und 4. Mai werden beim Gesundheitskongress des Westens in Köln Menschen zu Wort kommen, die mit Zähigkeit brisante Themen anpacken und zeigen, wie es auch anderenorts gehen könnte. Wie immer werden die heißen Themen der Gesundheitspolitik diskutiert – von Krankenhausreform über auskömmliche Finanzierbarkeit bis hin zu Fachkräfte- mangel. Aber das besondere Augenmerk nach Jahren des Krisenmanagements liegt auf nachhaltigem Strukturwandel. Den Auftakt macht ein Mann, dessen Stadt als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit gilt: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Der Gesundheitskongress des Westens 2023 erwartet zudem den nordrhein- westfälischen Gesundheitsminister Karl- Josef Laumann. NRW ist mit der Verän- derung seiner Krankenhauslandschaft als Bundesland vorangeschritten. Wie weit ist man hier schon vorangekommen? Wie verändert sich die regionale Versorgung? Gelingt die Partnerschaft zwischen am- bulantem und stationärem Sektor? Eine Herkulesaufgabe ist auch der Fachkräfte- mangel. Kann eine Konzentration in der Krankenhauslandschaft den Mangel lindern oder werden noch mehr Menschen aus dem Gesundheitsfach in andere Branchen wechseln, z.B. weil ihnen der Fahrtweg zu weit wird? Und wie lassen sich die Bürger und Bürgerinnen vor Ort gewinnen, die um „ihre“ bisherige Klinik kämpfen, selbst wenn die Qualitätskriterien nicht genü- gen? Fragen, die Top-Akteure auf dem Kongress beantworten werden. Unter anderem mit beim Kongress: die beiden Mitglieder der Lauterbach‘schen Krankenhaus-Expertenkommission Dr. Heidemarie Haeske-Seeberg, Spezialistin für Qualitätsmanagement, und der Inten- i é n m o D i - t d m h c S / I O S W © Kongresspräsident Professor Einhäupl lädt in 2023 erstmals Spitzen- mediziner zum Kongress ein. © WISO / Schmidt-Dominé sivmediziner Prof. Dr. Christian Karagian- nidis. Kongresspräsident Prof. Karl Ein- häupl wird erstmalig Spitzenmedizin, die das Gesundheitswesen nachhaltig ver- ändern könnte, ein extra Kongressforum geben. Pflege, bei der Digitalisierung und in der Patientenversorgung. ▬ Claudia Küng Geschäftsführerin WISO S.E. Consulting GmbH München Neue Herausforderungen durch Klimawandel Unser Gesundheitssystem muss sich zudem auf Krankheiten einstellen, die hierzulande bisher als exotisch gelten. Durch den Klimawandel kommen andere Insektenarten nach Europa und bringen neue Infektionsrisiken mit. Sind wir auf Malaria oder das Chikungunya-Fieber vorbereitet? Auch hierauf wird der Kon- gress Antworten geben. Der Gesund- heitskongress des Westens 2023 bietet relevante Informationen für Akteure, die die Transformation im Gesundheitswesen ernsthaft mitgestalten wollen – in der ‣ Infos und Anmeldung unter www. gesundheitskongress-des- westens.de 24 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Aktuelles ▶ Veranstaltungen T I P P S i é n m o D - t d m h c S / O S W © I i 4. bis 6.5. Bielefeld 18. DGINA Jahrestagung Information: Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH Tel.: 03641/311 60, www.dgina-kongress.de 8. bis 10.5. Innsbruck 64. Kongress für Krankenhausmanagement Information: Vereinigung der Krankenhausdirektoren Tirol Tel: +43 512/57 56 00 www.krankenhauskongress2023.at 10. bis 12.5. Bremen 17. DEWU Deutscher Wundkongress & Bremer Pflegekongress Information: M3B GmbH Tel.: 0421/350 52 06 www.deutscher-wundkongress.de 16. und 17.5. Leipzig med.Logistika Information: Leipziger Messe GmbH Tel.: 0341/67 80, www.medlogistica.de 23. und 24.5. Berlin Beschaffungskongress der Krankenhäuser Information: Wegweiser Media & Conferences GmbH Tel.: 030/283 88 10, www.beschaffungskongress.de 23. bis 25.5. Nürnberg MedtecLIVE with T4M Information: MectecLIVE GmbH Tel.: 0911/86 06 85 44, www.medteclive.com Stand: 5. März 2023 WEITERE VERANSTALTUNGEN ‣ kma-online.de/termine Hier finden Sie unseren Veranstaltungs- kalender oder die Möglichkeit einen eigenen Termin einzutragen. Management im Gesundheitswesen Medical-Controlling für Entscheidungsträger/innen in Medizin, Pflege und Verwaltung ab 28. April 2023 in Köln Intensivseminar Krankenhausmanagement für Führungskräfte in Medizin, Pflege und Verwaltung ab 12. Mai 2023 in Köln Management psychiatrischer und psychosomatischer Kliniken für leitende Psychiater/innen ab 15. September 2023 in Köln Intensivseminar Klinische Kodierfachkraft Weiterbildung zum/zur DRG-Dokumentar/in und Kodierassistenten/in ab 15. September 2023 in Köln Intensivseminar Krankenhausleitung für Ärztliche Direktor/innen und Chefärzt/innen ab 20. Oktober 2023 in Köln Health Management für den leitenden ärztlichen Dienst ab 27. Oktober 2023 in Köln Sachsenring 37–39 · 50677 Köln Tel. 0221-33 60 4 -610 · Fax 0221-33 60 4 -666 · E-Mail medizin@mibeg.de www.mibeg.de JUNI 2023 14. bis 16.6. Berlin Hauptstadtkongress 2023 ‣ Anmeldung und Information WISO S. E. Consulting GmbH www.hauptstadtkongress.de/registrierung Der HSK öffnet am 14. Juni 2023 seine Pforten! Drei Tage lang werden im hub27 der Messe Berlin mit tausenden Fachbesuchern die großen Herausfor- derungen für das deutsche Gesundheitssystem ins Visier genommen und um die besten Lösungen gerungen. Freuen Sie sich auf einen intensiven Austausch bei Deutschlands wohl wichtigstem Gesundheitskongress und treffen Sie alle Entschei- der aus den Bereichen Klinik, Ärzteschaft, Pflege, Kostenträger, Wissenschaft und Industrie. ▬ APRIL 2023 13. bis 15.4. Wien austropharm Information: austropharm Tel.: +43 1727/200 www.austropharm.at 17. bis 22.4. München BAU Information: Messe München GmbH Tel.: 089/94 91 13 08 www.bau-muenchen-com/de 18. und 19.4. Berlin BMC Kongress Information: Bundesverband Managed Care e. V. Tel.: 030/28 09 44 80 www.bmcev.de 22. bis 25.4. Wiesbaden 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin Information: m:con – mannheim:congress GmbH Tel.: 0621/41 060 www.kongress.dgim.de 22.4. bis 1.7. Luzern CAS eHealth – Gesundheit digital 2023 Information: Institut für Kommunikation & Führung Tel.: 0211/60 06 920, www.ikf.ch/de 25. bis 27.4. Berlin DMEA Information: Messe Berlin GmbH Tel.: 030/303 80, www.dmea.de MAI 2023 3. und 4.5. Köln Gesundheitskongress des Westens Information: cdgw – Club der Gesundheitswirtschaft Tel.: 02234/953 22 51 www.gesundheitskongress-des-westens.de 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 25

Titelthema ▶ Head des Topthemas Besuchen Sie unsere Themenwelt DMEA auf kma-Online.de #DMEA2023 25. bis 27. April Thieme in Halle 4.2, Stand C-106 kma Special DMEA 2023 Ab in die digitale Zukunft Endlich befindet sich das deutsche Gesundheitswesen auf der Digitalisierungsautobahn, oder zumindest auf dem Zubringer dorthin. Die enormen Summen aus dem Förderprogramm des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) haben ordentlich Schwung in die digitale Transformation der Krankenhäuser gebracht. Über 6 000 Anträge auf Förderung von Digitalisierungsvorhaben wurden inzwischen bewilligt und müssen bis Ende 2024 umgesetzt sein. Fast die gesamte KHZG-Fördersumme des Bundes, rund drei Milliarden Euro, wurde bereits ausgezahlt. Sie fließen unter anderem in Projekte zur Einrichtung von Patientenportalen, Systeme zur elektronischen Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen oder die Etablierung eines digitalen Medikationsmanagements. Durchdigita- lisiert sind die Kliniken jedoch noch lange nicht. Vielmehr behindern neue Baustellen die freie Fahrt. So erschwert der Fachkräftemangel in der Health-IT und den IT-Abteilungen der Krankenhäuser die Umsetzung. Schon jetzt sind viele Projekte zeitlich im Verzug. Auch wie die Wartung der neuen Systeme dauerhaft finanziert werden soll, steht in den Sternen. Bislang ist eine Folgefinanzierung nach dem KHZG seitens der Politik nicht vorgesehen. In unserem kma Special widmen wir uns unter anderem der Zu- kunft der Krankenhausinformationssysteme und deren Wandel hin zu interoperablen Cloud-Systemen. Außerdem fragen wir, wie es mit den Konnektoren weitergeht. Wir beleuchten neue digitale Anwendungen im Krankenhaus und berichten über die jüngsten Entwicklungen rund um Apps, Chatbots und künstliche Intelligenz in der Medizin. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen. ▬ Anna Herrschelmann m o c . e b o d a . k c o t s / k c i Z y h p © n e l l e W ; m o c . e b o d a . k c o t s / 8 8 z m u t x i p © n e b a W : s e g a m i i g n w o l l o f g n i s u e m e i h T y b d e s o p m o c s a w e g a m i e h T 26 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg. Datenmanagement & DatenschutzDigitale AnwendungenIT-SicherheitDigitale Medizin & KI Digitale InfrastrukturGesundheit digital gestaltenGesundheit digital gestalten

i e m e h T y b d e t i d E – m o c . e b o d a . k c o t s / k n a b o t o h P © Titelthema ▶ Special DMEA 2023 DIGITALE INFRASTRUKTUR Der Terminus Technicus ‚Kran- kenhausinfor- mationssystem‘ hat sich überlebt. Solange wir uns immer noch da- mit beschäftigen, wie wir lediglich eine Entität wie ein Krankenhaus op- timieren, kommen wir nicht voran. Dr. Michael Dahlweid, Dedalus KIS-ZUKUNFT Die Revolution hat längst begonnen Neue Technologien, stärkere Vernetzung und die geplante Krankenhausreform stellen die etablierten KIS-Hersteller vor große Herausforderungen. KIS werden in den nächsten Jahren einen radikalen Wandel durchlaufen, die alleinige Kontrolle über die medizinischen Daten ist vorbei. Die Zukunft liegt in der Cloud und ist interoperabel. Zudem werden KIS nur eines unter vielen Health-IT-Systemen sein. Es ist offen, ob alle Hersteller den Kraftakt überleben werden. Und am Horizont lauert mit Epic ein neuer Konkurrent. Es waren nur wenige Sätze, doch sie ver- setzten eine ganze Branche in Aufruhr. Am 8. Februar war Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) auf der Konfe- renz „Europe 2023“ zu Gast. Auf der von der „Zeit“ und mehreren Tageszeitungen veranstalteten digitalen Tagung referierte der Minister zum Thema „Wie europä- isch ist die Gesundheitsversorgung“ und streute in seine Rede fast beiläufig den vergifteten Satz ein, in Deutschland „gibt es keine wirklich gut funktionierenden Krankenhausinformationssysteme“. Um dann noch einen draufzusetzen: Wie ein gutes KIS aussehe, würde das US-System Epic in den USA zeigen. Die Kritik des Ministers führte im Nach- klapp zu empörten Reaktionen bei allen etablierten KIS-Herstellern in Deutschland. Der Branchenverband bvitg giftete mit einiger Verspätung Anfang März zurück, die Politik solle erst einmal die Vorausset- zungen für innovative IT-Systeme schaffen. Um ähnlich leistungsfähig zu sein wie US-Systeme, fehle es aber derzeit an einer grundlegenden Voraussetzung. Nämlich an einer Abkehr von einer bisher in Ein- zelanwendung gedachten Digitalisierung hin zu einem Gesamtsystem, das den gesamten Versorgungsprozess in den Vordergrund stellen würde, kritisierte der Lobby verband. Die entfachte Debatte wirft jedoch längst eine grundsätzliche Frage auf: Wie muss im Jahr 2030 ein KIS- System aussehen, um die gewünschte 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 27

R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Digitalisierung und neue Versorgungsan- sätze in der medizinischen Versorgung technologisch umsetzen zu können? „KIS ohne Cloud hat keine Zukunft“ Lauterbachs Kritik trifft KIS-Hersteller, aber auch Krankenhäuser zu einem ungünsti- gen Zeitpunkt. Beide werden derzeit von verschiedenen, aber parallel verlaufenden Entwicklungen enorm belastet. Da ist zum einen die rasante technologische Entwicklung, bei der es Schritt zu halten gilt und die in der Zukunft eine wesent- lich größere Bedeutung erlangen wird, beispielsweise Themen wie künstliche Intelligenz, stärkere telemedizinische Versorgung und vor allem die sektoren- übergreifende Vernetzung. Für Dr. Michael Dahlweid, Group Chief Product & Clinical Officer bei Dedalus, ist daher klar, dass „technologisch kein KIS ohne Cloud eine Chance hat. Wir müssen dahin kommen, dass wir viel effizienter planen können. Momentan haben wir Release-Zyklen bei den KIS-Systemen, die schlichtweg nicht adäquat sind. Und wenn ich dann noch in dem Release-Zyklus darauf angewie- sen bin, dass der Kunde auch die Zeit, Muße, Kraft, Energie und das Geld hat, die Updates regelmäßig durchzuführen, ist das nicht gut.“ Interoperabilität ist Trumpf Doch über entscheidende Fragen der Cloudnutzung und ihre Auswirkungen für bestehende KIS-Systeme gehen die Auffassungen bei den Herstellern ausei- nander. Auch weil damit möglichweise extrem teure Produktneuentwicklungen und erhebliche Ressourcen in Forschung und Entwicklung gefragt sind – die nicht jeder Hersteller hat und die sich im stark reglementierten deutschen Markt bislang auch nicht lohnten. Grundsätzlich einig sind sich alle Experten bei einem Punkt: Die KIS- Systeme werden sich weit öffnen müssen. „KIS-Systeme, so wie wir sie heuten kennen, werden sich in den kommenden Jahren massiv verändern. Sie werden in Zukunft nur noch eines von vielen Systemen sein, die im Gesundheitssystem Daten austau- schen“, prophezeit Michael Waldbrenner, Chef der Telekom Health-IT-Sparte. Michael Dahlweid geht sogar noch weiter. „Der Terminus Technicus ‚Krankenhausin- formationssystem‘ hat sich überlebt bzw. wird sich definitiv bis 2030 überlebt haben. Die Themen Krankheit und Gesundheit bewegen sich in den nächsten Jahren aus dem Krankenhaus heraus. Wir müssen deshalb dieses Mindset ‚Krankenhausin- formationssystem‘ aufbrechen und uns davon verabschieden“, sagt der oberste Produktentwickler beim deutschen Markt- führer von KIS-Systemen (Marktanteil: 43 Prozent). „Solange wir uns immer noch damit beschäftigen, wie wir lediglich eine Entität wie ein Krankenhaus optimieren, kommen wir nicht voran.“ Leichterer Datenaustausch Doch wie wird die Zukunft der Cloud- Nutzung aussehen? Waldbrenner geht von einer evolutionären Entwicklung aus, „mit einer hybriden Datenhaltung“ als nächsten Schritt. Konkret meint er damit die Verschiebung von klinischen Daten nach extern „in sogenannte Clinical Data Repositories oder Datenseen (Data Lakes), um den leichteren Austausch und mehr Interoperabilität zu ermöglichen“. Gleichzeitig glaubt er, dass ureigene Kran- kenhaus- und Patientendaten weiterhin am Klinikstandortort vorgehalten werden. So wie Waldbrenner denken auch die Chefs diverser anderer KIS-Hersteller, denn die Umsetzung ist leichter und sie adressiert die heikle und heftig diskutierte Frage, wer letztendlich die Oberhoheit über die Daten behält. Cloud-Anbieter mit Serverfarmen außerhalb der EU sind noch immer ein rotes Tuch für Politik und Patienten gleichermaßen. Michael Dahlweid reicht dieser Ansatz nicht. „Wir müssen tatsächlich mit der Cloud arbeiten und nicht nur ‚Cloudwashing‘ betreiben, indem wir irgendwas in ein Datencenter stellen und dann irgendeinen Container darum bauen. Zukünftig müssen die Produkte selbst komplett cloudbasiert sein“, sagt er und begründet diesen Ansatz mit technischen Notwendigkeiten. Nur so könne man zum Beispiel Systeme über Nacht schnell aktualisieren, ohne dass es Ärzten, Pflegekräften oder Patenten Es gibt in Deutsch- land keine wirklich gut funktionie- renden Kranken- hausinformati- onssysteme. Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister Wir müssen tat- sächlich mit der Cloud arbeiten und nicht nur ‚Cloudwashing‘ betreiben, indem wir irgendetwas in ein Datencenter stellen und dann irgendeinen Contai- ner darum bauen. Zukünftig müs- sen die Produkte selbst komplett cloudbasiert sein. Dr. Michael Dahlweid, Chief Product and Clinical Officer, Dedalus auffallen würde. „Wir brauchen eine kom- plette Microservies-Architektur, damit wir kleine Systemteile gezielt rausnehmen und entwickeln können. Zudem müssen wir sicherstellen, dass FHIR-Services, die wir als Microservice Architektur abgebildet haben, auch adäquat einbindbar sind“, so der Dedalus-Vorstand. Vorbild für ihn ist der Amazon Webshop, der nach seinen Angaben „alle elf Sekunden“ technisch aktualisiert werde. „Es bedeutet für uns Hersteller auch eine interne Revolution, denn so, wie wir bislang entwickelt haben, wird es nicht mehr gehen.“ Usability muss sich verbessern Grundsätzliche Einigkeit unter den KIS- Herstellern gibt es bei der Frage, welche Fortsetzung auf Seite 30 28 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

INTERVIEW „KIS verlieren Alleinbeherrschungsanspruch über die Daten“ Telekom Healthcare - Chef Michael Waldbrenner spricht im Interview mit kma über die sich wandelnde Rolle von KIS in Krankenhäusern, über Datenseen in der Cloud – und warum die Art der Datennutzung sich zukünftig fundamen- tal verändern wird. Derzeit spielen KIS-Systeme noch die domi- nante Rolle in deutschen Krankenhäusern. Wird das auch 2030 noch der Fall sein? Michael Waldbrenner: Klinische Informati- onssysteme wird es weiterhin geben. Aller- dings werden sich KIS-Systeme, so wie wir sie heuten kennen, in den kommenden Jahren massiv verändern. Ich glaube, dass wir als nächstes die Stufe der hybriden Datenhal- tung sehen werden. Daten werden zuneh- mend in die Cloud geschoben, während die ureigenen Krankenhaus- und Patientenda- ten, die im Krankenhaus anfallen, zunächst noch on premise, also am Klinikstandortort vorgehalten werden. Bis es soweit ist, dass sich wesentliche Teile der Datenhaltung in einer Cloud abspielen, wird es sicherlich noch einige Jahre dauern. Es müsste dann aber noch geklärt werden, in welcher Form von Cloud. Denn Datenschutz und Datensou- veränität sollten immer sichergestellt sein. Über welche Form von Cloud reden wir und in welchen Händen sollte sich diese befinden? Genau das ist die große Frage. Ich glau- be nicht, dass wir in Deutschland bis 2030 eine ‚Hyper Scaler Cloud‘ sehen werden. Es wird eine europäische Cloud sein müs- sen, die sich aber durchaus „Hyper Scaler“- Technologien bedienen kann. Zum Beispiel unsere T-Systems Sovereign Cloud powered by Google Cloud. Letztendlich entschei- det der Kunde. Wir – T-Systems – bieten immer maßgeschneiderte Lösungen an. In Zusammenarbeit mit Microsoft, AWS, Google oder unsere eigene Open Telekom Cloud respektive beziehungsweise Telekom Healthcare Cloud. Eine Liberalisierung von Cloud-Anwendungen im weltweiten Format sehe ich nicht. Haben sich zentralisierte KIS-Systeme damit nicht überlebt? Nein. Ich glaube, es wird weiterhin so etwas wie einen Master Patient Index geben, den wir de facto in der Breite bis heute nicht haben. Das ganze Produkt KIS wird sich jedoch neu sortieren. Und mit ihm unser Verständnis von Datenhaltung und Da- tennutzung im klinischen Kontext. Viele Daten werden zukünftig extern in Clinical Data Repositories und Data Lakes abgelegt werden, um den leichteren Austausch und mehr Interoperabilität zu ermöglichen. KIS werden in Zukunft nur eines von vielen Sys- temen sein, die im Gesundheitssystem Daten austauschen. Wir sehen den Trend auch in anderen Industrien wie der Automobilindus- trie. Stichwort Catena-X. Der Austausch und die Nutzung von Daten bringen immense Vorteile für das medizinische sowie das Pflegepersonal. Aber vor allen Dingen für die Patientinnen und Patienten. Ein Beispiel ist die elektronische Patientenakte. Ne- ben einer lückenlosen Dokumentation der medizinischen Daten, könnte diese viele weitere Funktionen beinhalten: Medikati- onserinnerungen, Terminvereinbarungen, Überprüfung des Impfstatus. Kurz: Alles, was ich als Patient brauche. Minister Lauterbach hat gerade darüber geklagt, dass viele aktuelle KIS den Daten- austausch behindern und modernen digitalen Anwendungen entgegenstehen würden. Diese Kritik ist mir zu pauschal. Wir bieten unseren Krankenhauskunden seit Jahren mit iMedOne ein KIS an, das interoperabel ist, sprich den Austausch mit allen Beteiligten im Gesundheitssystem – zum Beispiel nie- dergelassenen Ärzten, Physiotherapeuten, Rehaklinken – einfach möglich macht. Wir stehen für Interoperabilität und sehen uns als Vernetzer des Gesundheitssystems an. Beklagt Lauterbach damit nicht fehlende Funktionalitäten, die bislang in unserem Gesundheitssystem gar nicht nachfragt be- ziehungsweise vorgesehen waren? Titelthema ▶ Special DMEA 2023 G A m o k e l e T e h c s t u e D / l e p u e H g r ö J © Zur Person Michael Waldbrenner ist seit 2014 Geschäftsführer der Deutsche Tele- kom Clinical Solutions GmbH (DTCS), der ehemaligen Brightone GmbH. Bei Brightone war Waldbrenner seit 2013 Geschäftsführer und dort verantwort- lich für den Sektor Healthcare-IT. In der IT ist Waldbrenner seit 1984 tätig, damals gründete er sein eigenes IT- Unternehmen, das 2005 in das finni- sche IT-Dienstleistungsunternehmen Tieto migrierte. Von 2006 bis 2013 war er dort in verschiedenen Berei- chen tätig und übernahm Führungs- positionen. 2013 wurde aus Tieto Deutschland zunächst Brightone. Wenig später übernahm die Telekom die Brightone GmbH. R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D Wir sind uns alle einig, dass wir bei der Digi- talisierung des Gesundheitssystems Nach- holbedarf haben. Das hat auch die Corona- Krise gezeigt. Es gibt viele Initiativen, die den unbefriedigenden Zustand beheben sollen. In Klinikbereich zum Beispiel das Kranken- hauszukunftsgesetz oder die Krankenhausre- form. Wir – die Telekom – setzen uns für die Digitalisierung des Gesundheitssystems ein. Zum Wohle der Patientinnen und Patienten. Arztbriefe, Laborwerte, Medikamentenplä- ne, Röntgenbilder sollten beispielsweise digital zur Verfügung stehen. Kliniken sind erst dann smart, wenn sie Digitalisierung, wenn sie Datenanalyse und KI in allen Berei- chen integrieren und die Gesundheitsdaten 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 29

R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 der Patientinnen und Patienten, die heute noch in verschiedenen Systemen lagern, miteinander verknüpfen. Und das sicher und datenschutzkonform. Welche Funktionalitäten, die bislang zur Kernausstattung eines KIS gehören, werden bis 20230 an Wichtigkeit verlieren? Die Daten werden künftig nicht mehr monoli- thisch in den KIS verfügbar sein. Darüber hin- aus hängt viel davon ab, welche Vorgaben die Politik machen wird, zum Beispiel im Rahmen neuer Versorgungs- und Vergütungsstruktu- ren. Das Thema Ambulantisierung und das notwendige Zusammenspiel mit ambulanten Plattformen muss technologisch umgesetzt werden. Und es gibt weitere Themen. Wird künftig die gesamte Behandlungskette bis zur Genesung betrachtet werden? Wer- den auch die Gesunden über das Thema Präventionsdaten mit einbezogen? Sollen unstrukturierte Gesundheitsdaten – ich denke da beispielsweise etwa an Fitness- daten von Smart Watches – einfließen? Wir reden dann nicht nur über eine andere Form von Gesundheitsversorgung, sondern auch über ein anderes Anforderungsprofil für kli- nische IT-Systeme. Das ist ein realistisches Szenario, das wir als KIS-Anbieter im Blick haben müssen. KIS-Systeme müssen immer mehr Daten verarbeiten. Schon heute beklagen aber Ärzte und Pflegekräfte die immer größer werdende Komplexität der Anwendungen, die den eigentlich erhofften Zeitgewinn durch Digitalisierung wieder aufzehrt. Müssen die Systeme nicht viel User-freundlicher werden? Keine Frage, wir müssen vom User-Interface her noch smarter werden. Zukünftig müs- sen die Systeme vorhersagen können, was der Benutzer als nächstes tun wird. Es wird schnellere und flexiblere Benutzerober- flächen geben, die stärker personalisiert sind. Auch das Thema Support, also Ent- scheidungsunterstützung durch künst- liche Intelligenz, wird ein großes Thema werden. Der Arzt wird weiter das Zepter in der Hand haben, aber der digitale Kollege wird ihm Tipps einflüstern. Wir werden mehr Spezialisten-Systeme sehen, mit denen wir kooperieren müssen. Der Trend zur Cloud und die Vernetzung mit externen Datenquellen macht KIS-Systeme angreifbarer für Cyberattacken. Können die steigenden Anforderungen an Datensicher- heit und Datenschutz die KIS-Hersteller nicht überfordern? Nutzer unseres KIS-Systems nutzen zukünftig die Telekom Healthcare Cloud. Die Telekom bietet ein umfassendes Security-Paket für Krankenhäuser an, wie sonst keiner im Markt. Wir haben im Konzern rund 1 400 Security- Experten, die unsere Systeme und die unserer Kunden gegen Cyberangriffe schützen. Die Klinikkunden profitieren – wenn sie es wollen und kaufen – von den Security-Lösungen, die wir auch bei Großkunden einsetzen. Bei einer dezentralen Datenhaltung in diversen Data Lakes oder Cloud-Anwendungen, die irgendwo im Netz laufen, ist das KIS aber nur noch ein Player von vielen. Daher müssen Datensicherheit und des Datenschutzschutz von denjenigen gewährleistet werden, die die Plattformen betreiben. Grundsätzliche Probleme sehe ich aber nicht. Zum Beispiel wird derzeit diskutiert, bei externer Daten- haltung, die medizinischen Daten von den persönlichen Daten komplett abzukoppeln, um Anonymität zu gewährleisten. Das ist möglich. Bis 2030 sind es noch sieben Jahre. Ist das Anpassungstempo nicht zu langsam? Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unser KIS zukunftssicher weiterzuentwickeln. The- men wie offene Schnittstellen oder sichere Cloudnutzung habe ich bereits erwähnt. Allerdings sind wir nicht die einzigen, die Tempo machen können und müssen. Die Politik muss die entsprechenden Rahmen- bedingungen schaffen. Da denke ich an die Krankenhausreform, offene Plattformen und sicherer digitaler Datenaustausch. Zudem müssen auch die Kliniken – bei allen widri- gen Rahmenbedingungen – bereit für neue Lösungen sein. ▬ Das Interview führte Guntram Doelfs. Fortsetzung von Seite 28 grundsätzlichen Fortschritte es auf der klinischen Seite bis 2030 geben muss. Zwei Themen werden dabei immer ge- nannt: Nutzerfreundlichkeit („Usability“) und Assistenzfunktion bei der Entschei- dungsfindung für Ärzte und Ärztinnen. Bislang klagt das klinische Personal häufig darüber, dass die beworbene Arbeitser- leichterung durch digitale Systeme durch hohe Komplexität und abschreckende Menüführung in der Praxis schnell wieder konterkariert wird. „Zukünftig müssen die Systeme vorhersagen können, was der Benutzer als nächstes tun wird. Es wird schnellere und flexiblere Benutzer- oberflächen geben, die stärker persona- lisiert sind. Auch das Thema Support, also Entscheidungsunterstützung durch künstliche Intelligenz, wird ein großes Thema werde“, sagt Michael Waldbrenner von der Telekom. Michal Dahlweid teilt diese Sichtweise. „Auf der klinischen Seite muss die Usability für das klinische Personal an erster Stelle stehen. Ange- sichts des Personalmangels dürfen diese Systeme keine Hürde in der Nutzung bedeuten, die User müssen das System nutzen wollen wie ihr iPhone. Und das System muss für Ärzte und Pflegekräf- te als ‚Kollege‘ agieren und sie bei der Entscheidungsfindung im Kontext des Patienten unterstützen.“ Breiterer Versorgungsansatz Der vollständig cloudbasierte Ansatz und die gewünschte weitgehende Vernetzung mit allen Sektoren in der Gesundheits- versorgung, wie sie die geplante Kran- kenhausreform nun vorsieht, ist techno- logisch jedoch ein komplett neuer Grundansatz und lässt sich in bestehen- de KIS-Systeme schwer oder gar nicht einpflegen. Und damit wären wir wieder bei der Kritik von Lauterbach an etab- lierten deutschen KIS-Systemen. Die Kritik ist rein technologisch betrachtet berechtigt aber dennoch unfair, denn sie schiebt den Herstellern den schwar- zen Peter zu. Dabei mussten die in Deutschland eingesetzten Systeme das nun plötzlich Geforderte bislang gar nicht abbilden, es war auch nicht gefordert 30 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 l d a n o D c a M t t o c S © Charité-CDO Dr. Peter Gocke sucht nach dem Abschied von IS-H nach Alternativen. © Scott MacDonald Charité wirft ein Auge auf Epic So betrugen im Schweizer Kantonsspital Luzern (2021: 945 Betten) die reinen Soft- warekosten für Epic 65 Millionen Schweizer Franken netto, also ohne Mehrwertsteuer und weitere Supportkosten, im Inselspital Bern (895 Betten) wurden beim Vertrags- abschluss 2019 82 Millionen Schweizer Franken für die Software veranschlagt. Doch es geht bedeutend teurer. Das Ma- nagementmagazin Forbes berichtete 2021 von der geplanten Epic-Einführung bei dem in Florida ansässigen Gesundheits- konzern AdventHealth. Das Unternehmen ist dort eines der größten Gesundheits- unternehmen (über 50 Krankenhäuser, 8200 Betten). Laut Forbes sieht es den Einsatz von Epic in 37 Häusern vor, zu einem Preis von 650 Millionen US-Dollar. Weil SAP im vergangenen Jahr den ISH-Standard abgekündigt hat (siehe Kasten), sucht die Berliner Charité nun unter Zeitdruck ein neues KIS-System. Vor dem Hintergrund der geplanten Krankenhausreform ist Epic eine mögli- che Alternative, weshalb das System bei der Charité im Gespräch ist, wie Peter Gocke, Chief Digital Officer der Charité, der kma bestätigt hat. Noch sei keine Entscheidung gefallen, es werde eine reguläre Ausschreibung geben. ▬ Guntram Doelfs R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D Klinikproteste gegen SAP wegen Ausstieg bei IS-H Im Oktober 2022 hat SAP das Ende des Supports von IS-H bis 2027 ange- kündigt, gegen Kostenaufschlag bis spätestens 2030. Für ISH-med soll es eine Nachfolgelösung geben. Die Ankündigung bringt nun zahlreiche Krankenhäuser in Bedrängnis, dar- unter viele Uniklinika, die IS-H zum Patienten- und Abrechnungsmanage- ment nutzen. Etliche sind aktuell auf der Suche nach Alternativen, häufig steht sogar ein kompletter Wechsel des KIS zur Debatte. Vor diesem Hintergrund wird sogar der US-Anbieter Epic geprüft. Wir reden dann nicht nur über eine andere Form von Gesundheitsversor- gung, sondern auch über ein anderes Anforderungspro- fil für klinische IT-Systeme. Michael Waldbrenner, Geschäftsführer Telekom Healthcare von der Politik - und genügend finanzielle Mittel für solche IT-Anforderungen we- der Bund noch Länder bereitstellen. „Wir reden seitens der KIS-Systeme in deutschen Krankenhäusern nicht von einer technologischen Schwäche. Es sind sys- temimmanente funktionale Schwächen, die die vertikale Sektorierung des Gesund- heitswesens nach sich gezogen hat und die Strukturen zementiert hat“, urteilt Michael Dahlweid. Sollte die Klinikreform daher wie geplant umgesetzt werden, „reden wir nicht nur über eine andere Form von Gesundheitsversorgung, sondern auch über ein anderes Anforderungsprofil für klinische IT-Systeme“, ergänzt Telekom- Chef Michael Waldbrenner. Lauterbachs Verweis auf das US-System Epic setzt die etablierten Hersteller nun zusätzlich unter Druck, obwohl einige von ihnen längst dabei sind, KIS-Systeme neu aufzusetzen, beispielsweise Dedalus oder die Compugroup. Dennoch greift die Kritik des Ministers zu kurz, denn Epic ist weit mehr als ein traditionelles KIS, sondern eher eine Art ganzheitliches System für die Gesundheitsversorgung. Es benötigt Inte- roperabilität und arbeitet zum Beispiel in den USA auf der Grundlage eines deutlich weiter entwickelten Versorgungsansatzes. Dort wird Versorgung tatsächlich ganz- heitlich gedacht – entweder im regionalen Kontext, im Zusammenhang mit großen Organisationen oder Konzernen wie Kaiser Permanente. Allerdings werden diese Vorteile auch mit harten Bedingungen erkauft, an die sich alle Beteiligten strikt halten müssen. Epic setzt grundsätzlich auf strukturierte Daten und einer entspre- chenden Datendisziplin auf, belohnt diese zusätzlich durch die nur dann gegebene systemweite Weiterverwendbarkeit der Daten. Insofern entsteht ein sehr viel höherer Druck auf Datendisziplin auf alle Beteiligten. Vielleicht ist dies ein Grund dafür, warum Epic bei Umfragen unter Ärzten in Dänemark, Finnland oder auch den USA in den vergangenen Jahren nicht unumstritten war. Die Anforderungen an Epic sind so groß, dass sich das System in Deutschland aus übereinstimmenden Aussagen von Bran- chenexperten gegenüber kma nur für ganz wenige Unikliniken oder größere Klinikgruppen lohnt. Auch aufgrund der enorm hohen Kosten, wie diverse Instal- lationsbeispiele aus den USA oder auch der Schweiz zeigen. Die Angaben zu den Kosten gehen dabei weit auseinander – je nachdem, ob nur die reinen Softwarekos- ten oder darüber hinaus der technische Support, Implementierungsarbeiten oder weitere Kosten für eine sukzessive Einfüh- rung veranschlagt werden. 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 31

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 ENDE VON IS-H „Orbis U kann die entstandene Lücke schließen“ SAP macht Ende 2027 Schluss mit IS-H, einer Branchenlösung mit Funktionalitäten für das Patienten- und Abrechnungsmanagement. Die Nachfolge sollen S/4HANA-kompatible, cloudbasierte Systeme antreten. Viele Kliniken suchen nun Nachfolgelösungen. kma sprach mit Dedalus Chief Clinical and Product Officer Dr. Michael Dahlweid zur Situation und Alternativen. R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D Herr Dahlweid, welche Optionen ha- ben die Krankenhäuser nach dem Aus von I-SH? Die Mehrheit der Kunden mit klinischen und administrativen Lösungen von SAP setzen auch bei Finanzbuchhaltung, Con- trolling und Logistik auf R/3. Sie müssen nun den Umstieg auf S/4 stemmen und zusätzlich einen Nachfolger für IS-H finden. KIS-seitig verengt sich der Lösungsraum auf diejenigen Anbieter, die den schlan- kesten Migrationspfad und die höchste SAP-Integration anbieten. Kann Orbis die Lücke zu schließen, die IS-H hinterlässt? Wir sind mit Orbis U enorm weit fortge- schritten, ein komplexes KIS in Richtung Cloud zu bewegen. Gleichzeitig wollen wir einen neuen Maßstab hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit und Workflow-Un- terstützung in allen Arbeitsbereichen setzen. Das gilt auch für die Abrechnung. Mit Orbis bieten wir eine integrierte und bewährte Patientenverwaltung. Zudem haben wir unsere Fähigkeiten in mehreren erfolgreichen Migrationsprojekten von IS-H zu Orbis bewiesen. Daher würde ich die Frage mit ja beantworten. Dedalus ist aber nicht allein. Auch an- dere KIS-Hersteller bieten inzwischen Alternativen für IS-H an. Ja, aber aus unserer Sicht ist Orbis das vollständigste System am Markt, das eine maximale Zukunftssicherheit und Tiefe in den klinischen Applikationen bietet. Gleichzeitig ist Skalierung kein Thema: Orbis unterstützt Großinstallationen mit 22 000 Betten an 39 Standorten wie in Paris genauso problemlos wie regionale l s u a d e D © Zur Person Dr. Michael Dahlweid ist seit Ap- ril 2021 Chief Clinical and Product Officer und Vorstandsmitglied bei Dedalus. Dahlweid ist promovierter Humanmediziner, absolvierte danach aber weitere Zusatzausbildungen wie Computerwissenschaften und ein Managerprogramm an der Ox- ford University. Vor Dedalus war er bereits bei diversen Unternehmen in führenden Positionen als Chief Me- dical bzw. Chief Technology Officer tätig. Zu seinen beruflichen Stationen zählten bislang u.a. DXC Technolo- gy, die Schweizer Insel Gruppe, GE Healthcare und Agfa Healthcare. Häuser mit 250 Betten und wenigen Abtei- lungen. Für die Datenmigration stellen wir mit HYDMedia eine universelle Plattform zur Verfügung, die dem Kunden auch nach Abschluss des Migrationsprojektes Nutzen stiftet. Dedalus legt einen deutlichen Fokus auf die Cloudfähigkeit des eigenen KIS. Noch kann sich aber nicht jeder Klinik- manager mit einer klaren Cloudausrich- tung anfreunden. Wir stehen klar zur Cloud und bieten mit Orbis U das erste vollständig cloud- fähige KIS im deutschsprachigen Raum an. Gleichzeitig müssen sich Orbis-Kunden nicht entscheiden: Auch nach dem Phase- out des bisherigen Orbis „classic“ können sie Orbis U on Premise in ihrem eigenen Rechenzentrum betreiben. Dabei profi- tieren sie trotzdem von allen Vorteilen der cloudfähigen Architektur. Sobald aus Sicht der Häuser die Rahmenbedingungen für externes Hosting stimmen, ist der Umstieg möglich. ▬ Das Interview führte Anna Herrschelmann. 32 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 TELEMATIKINFRASTRUKTUR 2.0 Hardware-Konnektoren adé Die gematik hat mit der Telematikinfrastruktur (TI) 2.0 eine neue Architektur für die digitale Kommunika- tion im deutschen Gesundheitswesen entworfen. Wie es mit den Konnektoren weitergeht und wie TI- Dienste künftig genutzt werden. Es gibt wohl keine vergleichbare Hardware im deutschen Gesundheitswesen, die unter Ärzten so unbeliebt war wie der Konnektor – die Hardware, die Kranken- häusern und Arztpraxen den Zugang zur Telematikinfrastruktur (TI) ermöglicht. Die Telematikinfrastruktur war geplant als abgeschlossenes Netzwerk im deutschen Gesundheitswesen, das eine schnellere und sichere Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren ermöglichen sollte. Der sogenannte Einbox-Konnektor in den Arztpraxen ist geschützt vor manueller Manipulation und ermöglicht den VPN- Zugang zur TI und den TI-Fachdiensten. Entworfen in den Nullerjahren, war das ursprüngliche Konzept der TI mitsamt Kon- nektor bereits 2017, im Jahr des Roll-outs, technologisch veraltet. Zwischenzeitlich hatte das iPhone das mobile Internet revolutioniert und das Nutzerverhalten nachhaltig verändert. Die TI hatte ein Akzeptanzproblem unter den (niedergelassenen) Ärztinnen und Ärzten, und die Patienten sollten künftig stärker in das digitale Gesundheitswe- sen einbezogen werden. Die gematik, Nationale Agentur für Digitale Medizin, entwickelte daher ein Konzept für eine anwenderfreundlichere Telematikin- frastruktur 2.0. In dem im Januar 2021 vorgestellten Whitepaper „Arena für digitale Medizin“ verabschiedete sich die gematik sowohl von den Konnektoren als auch von einem zentralen Gesundheits- netz zugunsten eines „föderalistisch ver- netzten Gesundheitssystems“. Statt sich über den Konnektor mit dem zentralen Netz zu verbinden, an das alle beteiligten Akteure wie Ärzte, KVen, Krankenkassen oder Labore andocken, sollen sich die m o c . e b o d a . k c o t s / n a b a F © i R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D In Rechenzentren sollen demnächst High- speed-Konnektoren betrieben werden. © Fabian / stock.adobe.com Nutzer der TI 2.0 über das Internet direkt mit dem jeweiligen TI-Fachdienst verbin- den – so komfortabel und sicher wie das Internetbanking. Hierzu entwickelt die gematik für die neue TI eine moderne Sicherheitsarchitektur. Zur Authentifizie- rung können künftig auch elektronische Identitäten verwendet werden, alterna- tiv zu den etablierten Smartcards wie elektronische Gesundheitskarte oder elektronischer Heilberufsausweis. „Die Umstellung der Telematikinfrastruk- tur wird jedoch nicht über Nacht erfolgen“, erklärt Axel Schulz, Programmchef für den Bereich Basic Infrastructure bei der gematik. Es werde also nicht der „große Schalter“ umgelegt zur TI 2.0. Stattdes- sen werden schrittweise Veränderun- gen eingeführt, wie beispielsweise die Gesundheits-ID als digitale Identität oder das sogenannte TI-Gateway als zertifi- ziertes Alternativangebot für den Einbox- Konnektor. Aber der Reihe nach: Es wird eine Übergangsphase geben, in der Nutzer sowohl mit Konnektoren als auch mit 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 33

R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 digitalen Identitäten die TI-Fachdienste nutzen können. Denn die Diensteanbie- ter werden auch nicht alle schlagartig von der alten auf die neue Technologie umstellen können. Konnektortausch und -update Bei den Konnektoren wird es verschie- dene Optionen geben. Die Sicherheits- zertifikate der Konnektoren sind aus Sicherheitsgründen nur fünf Jahre gültig. Das bedeutet, dass das Haltbarkeitsda- tum der 2017 und 2018 ausgerollten Konnektoren 2022 und 2023 abläuft. Als im vergangenen Jahr die geplante Zertifikatsverlängerung via Software- Update anstand, stellte sich heraus, dass nicht alle Konnektorhersteller ein solches Softwareupdate zeitnah realisieren konn- ten. Weil dadurch der flächendeckende Betrieb der TI in Gefahr war, beschloss die Gesellschafterversammlung den Aus- tausch aller Konnektoren. Inzwischen ist dieser radikale Schritt vom Tisch. Aktuell gilt: Die gematik empfiehlt den Austausch aller Konnektoren, deren Zertifikat bis August 2023 abläuft. Für Konnektoren mit Zertifikatslauf ab August 2023 gibt es als Alternative zum Konnektortausch auch die Möglichkeit einer Zertifikatsver- längerung mittels Software-Update. Die Zertifikatsverlängerung via Software- Update ist auf drei Jahre begrenzt. Eine Alternative zum Konnektortausch und zur Zertifikatsverlängerung ist die Kon- nektorfarm. Dienstleister, aber auch Krankenhäuser, verwenden in der Regel keine Einbox-Konnektoren, sondern so- genannte Rechenzentrumskonnekto- ren. Arztpraxen haben bislang schon die Möglichkeit, einen Konnektor in einem Rechenzentrum zu mieten. Für den si- cheren Betrieb des Konnektors sind die Leistungserbringer aber immer noch selbst verantwortlich. „Das wollen wir in Zukunft mit dem geplanten TI-Gateway ändern“, stellt Schulz fest. Die Verant- wortung für den sicheren Betrieb wird dann auf den Anbieter des TI-Gateway verlagert, der für den Betrieb inklusive Support, Updates und Haftung verant- wortlich ist und eine entsprechende Zu- lassung benötigt. Voraussetzung für das 2 Tsd. Hardware-Konnektoren kann ein Highspeed-Konnektor ersetzen. Quelle: eHealth experts Wir gehen davon aus, dass die High- speed-Konnektoren in der zweiten Jah- reshälfte verfüg- bar sein werden. Axel Schulz, gematik TI-Gateway sind sogenannte Highspeed- Konnektoren (HSK). Highspeed-Konnektoren in der Zulassung Diese sollen beim Übergang von der TI 1.0 zur TI 2.0 eine große Rolle spielen. Ein HSK ist keine Hardware-Lösung, sondern ein virtualisierter Konnektor. Nach den Plänen der gematik sollen Dienstleister in ihren Rechenzentren die neu entwickelte Software installieren können. Auch für Krankenhäuser ist die neue Technologie interessant. Ein HSK lässt sich auf einem handelsüblichen Server installieren. In einem HSK-Server können viele Kon- nektormodule als Container laufen. Das Unternehmen eHealth experts (ehex) zum Beispiel gibt an, dass sein HSK bis zu 2000 hardwarebasierte Konnektoren ersetzen kann. Wenn ein HSK mehre- re hundert Hardware-Konnektoren in einem Rechenzentrum ersetzt, sinkt der Energieverbrauch. Dadurch, dass der Konnektor in einer Softwarelösung abgebildet wird, lassen sich viele Funk- tionen einfacher lösen und eine bessere Skalierung erzielen. Während in heutigen Konnektorfarmen jeder Rechenzentrums- konnektor ein Update benötigt, können die Betreiber bei einem HSK Updates wie zum Beispiel ein Firmwareupgrade mit einem zentralen Updatemechanismus einspielen. So sollen zum Beispiel die Wartung der Software-Konnektoren und deren Betrieb einfacher werden. Neuer Schub durch TI-Gateway Weit fortgeschritten in der Entwick- lung sind zum Beispiel die HSK von ehex, secunet oder RISE. Die ersten Lösungen durchlaufen in den ersten beiden Quar- talen 2023 den Zulassungsprozess der gematik. „Wir gehen davon aus, dass die Highspeed-Konnektoren in der zweiten Jahreshälfte verfügbar sein werden“, so Schulz. Die HSK sollen nicht nur die Rechenzentrumskonnektoren ersetzen, sondern auch die Einbox-Konnektoren in den Arztpraxen und Apotheken überflüs- sig machen und neue TI-Nutzergruppen wie etwa Physiotherapeuten oder den öf- fentlichen Gesundheitsdienst erschließen. An dieser Stelle kommt das TI-Gateway ins Spiel, dessen Spezifikation die gematik am 20. Februar 2023 veröffentlich hat. Das TI-Gateway ermöglicht die sichere Anbindung von Praxen und Apotheken an die TI über einen HSK in einem Rechen- zentrum. Die Dienstleister übernehmen Wartung, Support und Betrieb der virtu- ellen Konnektoren und können so ihren Kunden „TI as a Service“ – ein Rundum- Sorglos-Paket – anbieten. Wenn der Preis stimmt, werden wohl etliche Arztpraxen den ungeliebten Hardware-Konnektor entsorgen. Denn viele Ärzte werden sich noch gut an den Konnektorausfall Ende Mai 2020 erinnern, als der Online- Abgleich der Versichertenstammdaten gestört war. Betroffen waren 80 000 von insgesamt 130 000 Konnektoren dreier Hersteller. Damals mussten rund 80 000 TSL-Zertifikate vor Ort in den Praxen aufgespielt werden. Und das war nicht der einzige Störfall. Föderales Identitätsmanagement Parallel zum HSK und dem TI-Gateway wird ein föderales Identitätsmanage- ment eingeführt, weshalb neben den Konnektoren langfristig auch die zur Authentifizierung verwendeten Smart- cards – elektronische Gesundheitskarte, der elektronische Heilberufsausweis (eHBA) und der Institutionsausweis 34 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 (SMC-B) – auslaufen werden. In der TI 2.0 können aber sowohl Smartcards als auch elektronische Identitäten (eIDs) als Authentifizierungsmittel verwendet werden. In diesem Konzept übernehmen Ärztekammern, Apothekerkammern, Kas- senärztliche Vereinigungen und Kranken- kassen die Rolle eines Identitätsgebers. Die Authentifizierung erfolgt durch von der gematik zugelassene Identitätsprovi- der und nicht mehr durch die TI-Dienste selbst. Auch wird Single-Sign-On reali- siert. Die Benutzer melden sich einmal am Identitätsprovider an und können danach alle Anwendungen nutzen. Die gesetzlichen Krankenkassen werden voraussichtlich spätestens zum ersten Januar 2024 ihren Versicherten digitale Identitäten bereitstellen. Die Kassen verwalten die digitalen Identitäten ihrer Versicherten, führen die Authentifizierung durch und bestätigen diese gegenüber den TI-Fachdiensten. Die Vorbereitun- gen dazu sind bereits in vollem Gange. Auch der Verband der Privaten Kran- kenkassen (PKV) lässt von der Industrie entsprechende Lösungen entwickeln. Bei Ärzten, Arztpraxen und Krankenhäu- sern sollen die digitalen Identitäten den elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) und die Praxis- oder Institutionskarte (SMC-B) ersetzen. Zurzeit spezifiziert die gematik die digitale Identität für die Leis- tungserbringer. Im Unterschied zu den Patienten müssen sich Ärzte aber nicht nur authentifizieren, sondern müssen insbesondere auch Dokumente digital signieren können. Daher arbeitet die gematik parallel an einer sogenannten Fernsignatur, die den Leistungserbringern dann im Paket mit der digitalen Identität angeboten werden soll. ▬ Dr. Michael Lang Freier Journalist Digitalisierung aus Digitalisierung aus Erfahrung gestalten Erfahrung gestalten Treffen Sie uns auf der DMEA – Treffen Sie uns auf der DMEA – 25. bis 27. April 2023 in Halle 5.2; 25. bis 27. April 2023 in Halle 5.2; Stand B102 Stand B102 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell 35 Mehr Informationen unter: www.meierhofer.com/dmea-2023 Mehr Informationen unter: www.meierhofer.com/dmea-2023 © 2023. Thieme. All rights reserved.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 SMART HOSPITAL Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung Das Universitätsklinikum Essen (UKE) gilt als ein Vorreiter der digitalen Transformation hin zum Smart Hospital. Der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende, Prof. Dr. Jochen A. Werner, und Chief Transfor- mation Officer Dr. Anke Diehl erläutern den Einsatz von digitaler Technik und künstlicher Intelligenz am UKE. R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D Die Universitätsmedizin Essen war Vorreiter bei der Transformation zum Smart Hospital. Welche Ziele haben Sie sich gesteckt, als Sie 2015 mit der Um- setzung begonnen haben? Prof. Dr. Jochen A. Werner: Ganz zentral ist bis heute für uns, dass wir konsequent den Menschen in den Mittelpunkt unserer Digitalisierungsstrategie stellen. In unse- rem Verständnis vom Smart Hospital geht es darum, mithilfe digitaler Lösungen und Prozesse unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von administrativen Aufgaben zu entlasten und bei Entscheidungen zu unterstützen, um die Patientenversorgung zu verbessern. Von diesem Ziel haben wir uns bei allen Maßnahmen von Beginn an leiten lassen. Die Menschen müssen von der Digitalisierung konkret profitieren. Ein konkretes, quantifizierbares Ziel haben wir uns ganz bewusst nie gesetzt, weil wir flexibel auf Entwicklungen reagieren und unsere Digitalisierungsstrategie kontinu- ierlich weiterentwickeln möchten. Für uns ist der Weg zum Smart Hospital ein nicht endender Transformationsprozess. Daher gab es weder einen detailliert ausgearbei- teten Plan, noch einen Masterplan – aber eben die beschriebene Maxime und Vision. Welche Projekte waren zentral für das Smart Hospital? Dr. Anke Diehl: Einen ganz wesentlichen Meilenstein haben wir mit der Einführung unserer elektronischen Patientenakte gesetzt. Zudem zählt die Digitalisierung unserer Notaufnahme zu den zentralen Projekten. Auch das digital gestützte Bettenmanagement und unser Service- und Informationscenter, das Anrufe von Patientinnen und Patienten kanalisiert, sind essentiell. 2021 haben wir unser volldigitales OP-Zentrum eröffnet. Alle Operationsphasen sind digital miteinander vernetzt und teils automatisiert – von der Planung über die Vorbereitung bis hin zur Durchführung des Eingriffs. Welche Baustellen gibt es noch im Smart Hospital? Werner: Ich sehe aktuell die größere und wichtigere Baustelle in der Kran- kenhauslandschaft allgemein. Wir haben einfach zu viele Betten pro Einwohner in Deutschland, zu viele Krankenhäu- ser, die nicht zukunftsfähig sind. Daher brauchen wir, auch gegen Widerstände, konkrete Veränderungen. Kliniken müs- sen zusammengelegt und große Zentren für komplexe Behandlungen geschaffen werden. Digitalisierung ist hier der ent- scheidende Game-Changer. Ohne eine digitale Infrastruktur über die Grenzen des einzelnen Krankenhauses hinweg wird es uns nicht gelingen, die Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutsch- land aufrechtzuerhalten und finanzierbar zu halten. Es geht also darum, dass das Smart Hospital in eine leistungsfähige digitale, sektorenübergreifende Infra- struktur eingebunden wird, um auf Ihre Frage zurückzukommen. Welche Rolle spielt die künstliche Intel- ligenz im Smart Hospital? Diehl: Mit dem Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) sind wir, was die KI-Forschung und -Entwicklung angeht, sehr gut aufgestellt. Praktisch zum Einsatz kommt KI bei uns aktuell etwa bei der radiologischen Bestim- mung des Knochenalters, der Diagnose bestimmter Lungenerkrankungen, der n n a m t r a H . O © Zur Person Dr. med. Anke Diehl ist Chief Trans- formation Officer und leitet die Stabsstelle Digitale Transformation an der Universitätsmedizin Essen. Seit März 2021 ist sie außerdem Kon- sortialführerin des Spitzenclusters SmartHospital.NRW. Für ihre Arbeit im Bereich der Digitalisierung der Medizin und im Projekt SmartHos- pital.NRW wurde sie als „Medizine- rin des Jahres 2021“ ausgezeichnet. Dr. Diehl arbeitete ursprünglich klinisch und wissenschaftlich in der Neurologie, Psychiatrie, Neurora- diologie und Radiologie. Bewertung des Augenhintergrunds, der Erkennung seltener Erkrankungen und zur Vorhersage von Metasierungen. Auch eine Bronchoskopie wurde bereits mithilfe des Archimedes-Systems durchgeführt, das den Weg der Sonde durch die Lunge mittels KI optimiert. 36 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Virtual Reality (VR) spielt Umfragen zufolge noch eine geringe Rolle in den Krankenhäusern. Gilt das auch für Ihr Unternehmen? Werner: Wir haben uns schon sehr früh mit dem Thema Holomedizin beschäftigt. In einigen unserer OP-Säle sind verschie- dene VR-Lösungen im Einsatz. Die Klinik für Dermatologie war eine der ersten, die Augmented-Reality-(AR)-Brillen ein- gesetzt hat. Im OP-Zentrum der Kliniken für HNO- und Augenheilkunde, das seit mehr als einem Jahr in Betrieb ist, haben wir schon beim Bau alle technischen und architektonischen Voraussetzungen für eine komplette Digitalisierung geschaffen. Die HNO-Klinik arbeitet mit einer hochmo- dernen Mixed-Reality-Brille. Durch diese Brille können Operateure dreidimensionale Befundbilder von allen Seiten betrachten und die spätere Operation vorab digital und so nah wie möglich an dem späteren tatsächlichen Eingriff planen. Lösungen wie diese tragen aus unserer Sicht nach- haltig zur Optimierung der Durchführung der OP bei und können das OP-Risiko minimieren. Darüber hinaus haben wir ein eigenes Zentrum für Virtuelle Realität gegründet, das unsere Aktivitäten intern sowie extern steuert und begleitet. Welche Konsequenzen hat das Smart Hospital für die Datenverarbeitung? Diehl: Daten können nur dann „smart“ ge- nutzt und ausgewertet werden, wenn sie nicht in Silos stecken, sondern miteinander verarbeitet werden können. So gibt es neben der übergreifenden elektronischen Patientenakte an der Universitätsmedizin Essen praktisch in jeder der zugehörigen Kliniken hochspezialisierte Subsysteme, die den jeweiligen Bedarfen angepasst sind. Nur wenn die Daten dieser Subsys- teme interoperabel verbunden sind, ist eine smarte Nutzung möglich. In Essen setzen wir dafür auf unsere Smart Hospital Information Platform (SHIP), die auf einem sehr modernen techni- schen Standard (FHIR) beruht. Wir haben die größte derartige Datenbank in ganz Deutschland und sie bildet die Basis für weitere Anwendungen, wie zum Beispiel n e s s E n i z i d e m s t ä t i s r e v i n U © Zur Person Professor Dr. Jochen A. Werner ist seit 2015 Ärztlicher Direktor und Vor- standsvorsitzender der Universitäts- medizin Essen (UME). Er hat in Kiel Humanmedizin studiert und einen Ruf an den Marburger Lehrstuhl für HNO-Heilkunde erhalten. Seit 2015 treibt er die digitale Transformation der Universitätsmedizin Essen zum Smart Hospital voran, um die me- dizinische Versorgung besser und menschlicher zu machen. kombinierte Datenauswertungen und für unsere KI-Forschung. Programmiert werden diese von unserer IT-Abteilung und vom IKIM. Wie profitiert die medizinische For- schung durch die Vernetzung? Werner: Gerade im Hinblick auf die per- sonalisierte Medizin ist diese Vernetzung ein ganz wesentlicher Treiber. Wir sind dahingehend in Essen schon sehr gut aufgestellt. Aber was ich immer wieder höre, ist, dass eine breitere, longitudinale Datenbasis fehlt, schließlich beginnt eine Krankheit nicht erst dann, wenn die Patienten im Krankenhaus behandelt werden. Alle Ge- sundheitsdaten – egal wo sie anfallen, ob nun von unseren Patientinnen und Patienten, aus anderen Sektoren oder Titelthema ▶ Special DMEA 2023 aus anderen Kliniken – müssten in dieser interoperablen Form vorliegen. Dadurch wäre es gegebenenfalls sogar möglich, Krankheiten zu erkennen, bevor diese überhaupt ausbrechen und neue Biomar- ker zu entwickeln. Hier gibt es also noch viel Potenzial. Wir müssen uns wesentlich stärker der Prävention widmen, auch als Universitätsklinik. Die IT-Abteilung ist in der Regel damit ausgelastet, den laufenden Betrieb auf- recht zu erhalten. Wie konnten Ihre Mit- arbeiter die vielen zusätzlichen Projekte stemmen? Diehl: Wir haben im Gegensatz zu manch anderen Kliniken in der Zentralen IT eine Doppelspitze mit einem medizinischen und einem technischen Direktor. Zudem konnten wir durch Gelder aus Förderpro- jekten wie der Medizininformatik-Initia- tive oder dem KI.NRW-Flagship-Projekt SmartHospital.NRW unser IT-Personal deutlich erweitern. So verfügen wir bei- spielsweise über eine eigene Abteilung für Datenintegration. Auch wenn wir im öffentlichen Dienst nicht mit den Gehältern aus der Wirt- schaft konkurrieren können, können wir ITlern den Vorteil bieten, dass sie bei uns wissenschaftlich in Sachen KI auf höchs- tem Niveau und besonders sinnstiftend arbeiten können, indem sie die Gesund- heitsversorgung verbessern. Das ist gerade der jüngeren Generation wichtig – und zwar nicht erst seit der Pandemie. Die digitale Transformation verändert die Prozesse im Krankenhaus. Mit wel- chen Maßnahmen haben Sie die Akzep- tanz der Mitarbeiter für diesen Verände- rungsprozess erreicht? Werner: Wir haben die Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter von Beginn an mit einbezogen und sie motiviert, Digitali- sierungspotenziale in ihrem Arbeitsalltag aufzuzeigen und konkrete Projekte zu erarbeiten. Für viele der digitalen Anwen- dungen, die heute im Einsatz sind, haben also die Mitarbeitenden selbst die Idee, zumindest aber einen konkreten Beitrag geliefert. Sie haben im praktischen Alltag 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 37 R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 n e s s E n i z i d e m s t ä t i s r e v i n U © (o.) Im volldigitalen OP-Zentrum für die Klini- ken der HNO- und Augenheilkunde sind alle Operationsphasen digital miteinander vernetzt und es kommen Mixed-Reality-Brillen zum Einsatz. (r.) Einen ganz wesentlichen Meilenstein für die Entwicklung zum Smart Hospital hat die Universitätsmedizin Essen mit der Einführung der eigenen elektronischen Patientenakte gesetzt. © Universitätsmedizin Essen. R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D Herausforderungen gesehen, die sich mithilfe digitaler Prozesse lösen lassen. Damit stand der spürbare Nutzen einer digitalen Lösung immer automatisch im Vordergrund, und das hat aus meiner Sicht ganz entscheidend zur Akzeptanz beige- tragen. Dennoch muss erwähnt werden, dass bei der Digitalisierung auch Vorarbeit geleistet werden muss: Die Nutzung von Daten macht aus schlechten Prozessen noch keine guten Prozesse. Diese müssen oftmals erst erarbeitet werden. Insofern ist die Digitalisierung auch ein wertvoller Hebel, um besser, effizienter und men- schenzentrierter zu arbeiten. Wie hat sich durch die Vernetzung das Arbeiten für die Mitarbeiter auf den Sta- tionen verändert? Diehl: Die elektronische Patientenakte reduziert in hohem Maße die Aufwände für Administration und Dokumentation – und zwar beim medizinischen und Pflege- personal gleichermaßen. Informationen sind effizienter und einfacher zu managen, die Kommunikation untereinander wird durch digitale Medien erleichtert. Die Pflege hat im Prozess der Digitalisie- rung eine ganz besondere Rolle, denn sie hat den meisten persönlichen Kontakt zu Patientinnen und Patienten. Wir ar- beiten mit digitalen Sensormatten zur Sturzprophylaxe und Monitorsystemen zur Dekubitusprophylaxe, die die Eigenbe- wegung von Patienten messen und so bei der Ableitung notwendiger pflegerischer Maßnahmen helfen. Daneben gibt es ein Tracking-System zur Verortung von Geräten und Krankenhausbetten. Wie hat sich die Patient Journey im Smart Hospital verändert? Werner: Das verdeutliche ich immer gerne an unserer Notaufnahme. Pati- entinnen und Patienten werden digital einer Dringlichkeitsstufe zugeordnet und dann auch in unserem elektronischen System geführt. Bereits vor dem Eintreffen sind mitunter schon erste Informationen gespeichert, da über eine App Daten zu uns gelangen. Für typische Beschwerde- bilder schlägt das System diagnostische Schritte und Laboruntersuchungen vor. Die Ergebnisse sind ebenfalls in diesem System verfügbar – und so miteinan- der vernetzt, dass Ärztinnen und Ärzte alle erforderlichen Informationen für eine Entscheidung überblicken können. Bleibt der Patient oder die Patientin in Behandlung, stehen diese Informationen auch auf Station zur Verfügung. Bei einer Entlassung können hingegen sofort, ohne zeitlichen Verzug, die relevanten Unterla- gen ausgegeben werden. Das heißt, mit dem Verlassen der Notaufnahmen ist der Fall auch administrativ abgeschlossen. Welche Veränderungen hat das Smart Hospital für die Haustechnik gebracht? Diehl: Nun, zur Universitätsmedizin Essen gehören 56 Kliniken und Institute mit ganz 38 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 n e s s E n i z i d e m s t ä t i s r e v i n U © Im Rahmen der Entwicklung zum Green Hospital stellt die Universitätsmedizin Essen sukzessive auf Ökostrom und E-Mobilität beim Fuhrpark um und fördern die Nutzung des ÖPNVs sowie des Fahrrads als Verkehrsmittel für Mitarbeitende. © Universitätsmedizin Essen. R U T K U R T S A R F N I E L A T I G I D unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine zentrale Rolle spielt außerdem die Müllvermeidung. Daneben gibt es aber auch Projekte zur Förderung der Biodi- versität, in dem wir zum Beispiel unsere Dächer begrünen. Viele Initiativen und konkrete Maßnahmen haben sich also schon ergeben, die in ihrer Gesamtheit die Umwelt entlasten und auf das Ziel der Nachhaltigkeit einzahlen. Wie haben Sie die Transformation zum Smart Hospital finanziert? Welche wirt- schaftlichen Auswirkungen konnten Sie nach dem Transformationsprozess fest- stellen? Werner: Wie Frau Dr. Diehl es bereits gesagt hat, werden einige Maßnahmen durch Fördergelder finanziert. Dabei hat uns vor allem das SmartHospital.NRW- Projekt, bei dem wir als Leitbild für die Digitalisierung von Krankenhäusern in NRW fungieren, einen guten Schritt nach vorne gebracht hat. Auch die Mittel aus dem medizinischen Modernisierungs- programm des Landes NRW oder aus dem Krankenhauszukunftsgesetz helfen uns. Wenn es um die wirtschaftlichen Auswirkungen geht, ist es so, wie es Frau Dr. Diehl beim Thema Energieverbrauch bereits erklärt hat. Mithilfe digitaler Un- terstützung lassen sich vor allem Zeit und Arbeitskraft einsparen. Das zahlt ein auf Bereiche wie Behandlungsqualität, Patientensicherheit und -zufriedenheit. Insgesamt ist es aber so, dass es beim Smart Hospital nicht immer nur darum geht, investitionsintensive Projekte zu realisieren, sondern Prozesse zu prüfen und zu überdenken. Hier lässt sich oftmals auch ohne große Investitionen schon viel bewirken. ▬ Das Interview führte Dr. Michael Lang, freier Journalist. unterschiedlichen Baujahren, da wäre es vermessen von „der Haustechnik“ zu sprechen. Im neu gebauten OP-Zentrum für die HNO- und Augenklinik haben wir ebenso wie in der Neurochirurgie smar- te OPs. Hier ist dann zum Teil auch die Haustechnik Bestandteil des integrati- ven Konzeptes. Unsere Kinderklinik war hingegen nach dem 2. Weltkrieg noch die modernste Kinderklinik. Der Bau ist also vergleichsweise alt, so dass sich eine smarte Steuerung nicht so leicht einrichten lässt. Wir hoffen aber, dass sich das in ein bis zwei Jahren ändert. Hat sich der Energieverbrauch im Smart Hospital erhöht? Diehl: Der Energieverbrauch hat sich selbstverständlich durch die Ablösung analoger Vorgänge durch technisierte beziehungsweise digitalisierte Abläufe prinzipiell erhöht. Aber dem muss man die Vorteile, die sich daraus ergeben, gegen- überstellen. Das lässt sich allerdings nicht so einfach gegeneinander aufrechnen. Das heißt konkret, dass die Bereitstel- lung der digitalen Infrastruktur – also Produktion, Betrieb und Entsorgung der Produkte der IT – zwar den Energiever- brauch erhöht. Der Vorteil ist aber, dass die Anwendung der digitalen Dienste auf der anderen Seite auch Energie ein- spart. Dazu ein praktisches Beispiel: Die Installation und der Betrieb digitaler Kon- taktmöglichkeiten –Videocall-Lösungen, Chats und Online-Portale – erhöhen den Energieverbrauch einerseits. Andererseits spart es aber auch CO2-Emissionen, da An- fahrtswege wegfallen und zudem weitere Kosten eingespart werden, weil es das Patientenonboarding effizienter macht. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, da- mit aus dem Smart Hospital ein Green Hospital wird? Werner: Der Weg zum Green Hospital ist vergleichbar mit der Transformation zum Smart Hospital. Wieder haben wir zunächst die Verantwortlichkeit für nach- haltiges Handeln in unserem Wertesystem verankert und entsprechende Strukturen geschaffen. Mit Tobias Emler haben wir die Position eines Klimamanagers be- setzt. Daneben gibt es eine übergeord- nete Arbeitsgruppe „Team Green“ und 130 Nachhaltigkeitsbeauftragte in allen Bereichen, die ihr zuarbeiten. Sie haben die Aufgabe, in ihrem Arbeitsumfeld Um- weltschutzmaßnahmen zu identifizieren, zu initiieren und schließlich die Umsetzung zu begleiten. Hierzu haben wir uns aktuell weiter verstärkt. Anders ist das Ziel Green Hospital nicht erreichbar. Um ein paar konkrete Beispiele zu nen- nen: Wir stellen sukzessive auf Ökostrom und E-Mobilität bei unserem Fuhrpark um und fördern die Nutzung des ÖPNVs sowie des Fahrrads als Verkehrsmittel für 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 39

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 DIGITALE MEDIZIN & KI b k u / n e l r u e h c S © Die Brain Cloud 1.0 ist so konzipiert, dass sie auf die unterschiedlichsten Therapiebedürfnisse angepasst werden kann. Bis zu vier Patienten kön- nen gleichzeitig behandelt werden. © Scheurlen / ukb INNOVATION Mit Spielen zurück ins Leben Therapieerfolg dank Videospielen: In der „ukb Brain Cloud 1.0“ werden Unfallpatienten mit schweren Hirn- verletzungen individuell und spielerisch zugleich therapiert. Das Projekt wurde mit dem Rotthaus Klinik Award 2022 als „Digitale Innovation“ ausgezeichnet. Eine junge Frau lässt auf einem Berggip- fel einen Drachen steigen. Er wird durch Wolkenringe gesteuert, um Punkte zu sammeln – den Gewitterwolken muss er ausweichen. Wenige Augenblicke später befindet sie sich an einem weißen Sand- strand mit türkisem Wasser und spielt Be- achvolleyball. Möglich sind diese Ortswech- sel in der Brain Cloud 1.0 des BG Klinikums Unfallkrankenhaus Berlin (ukb). Die junge Frau ist Patientin und taucht mittels Virtual Reality (VR)-Brille sowie zwei Controllern zur Steuerung in das Videospiel ein. Nach einem schweren Verkehrsunfall, der unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma zur Fol- ge hatte, muss sie vieles wieder von vorne lernen. Sprechen, Mimik, Bewegung. Dabei hilft Gamification – also die Anwendung spielerischer Elemente in einem Kontext außerhalb des eigentlichen Spiels – er- gänzend zur Ergo- und Physiotherapie. Levelaufstiege und das Erreichen neuer Highscores machen erreichte Therapieziele sichtbar und steigen die Motivation der Patienten. Der Ansatz, Videospiele zu The- rapiezwecken zu nutzen, ist naheliegend. Die Idee zur Brain Cloud basiert darauf, Dinge aus dem Alltag der Patienten mit in die Therapie zu integrieren. Innerhalb von zwei Jahren entwickelte ein multipro- fessionelles Team rund um Prof. Dr. Ingo Schmehl, Direktor der Klinik für Neurologie mit Stroke Unit und Frührehabilitation, das Konzept. Mediziner, Therapeuten, IT, Facility Management, Architekten, sogar die Personalabteilung wurde bei der Planung mit ins Boot geholt. Denn die neuen Therapieformen dienen auch als Anreiz, um neue Mitarbeitende für das Krankenhaus zu gewinnen. Das Ergebnis ist die ukb Brain Cloud 1.0. Dabei steht die Zahl für den Status, denn die Entwicklung 40 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

b k u / n e l r u e h c S © Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Digitale Inklusi- on bedeutet den Raum so zu schaf- fen, dass jeder trainieren kann. Dr. Ingo Schmehl, Direktor der Klinik für Neurologie Das Gehirn hat die Fähigkeit, Be- wegungen wieder neu zu lernen, dazu muss man viel trainieren und auch wiederholen. Niklas Lindemann, Physiotherapeut Das Produkt Cureo funktioniert mittels VR-Technologie sowie zwei Cont- rollern. Bei einem Spiel wird ein Drachen beispielsweise durch Wolken- ringe gesteuert, was die Punkte einbringt. © Scheurlen / ukb geht – wie auch auf dem Gaming-Markt – stets weiter. Reizarmes Raumkonzept Der Raum ist hell und klar strukturiert. Weiß ist hier die dominierende Farbe, Ablenkung in Form von Bildern oder ähn- lichem gibt es nicht. „Wir arbeiten hier an einem der Hauptprobleme unserer neurologischen Patienten“, beschreibt Schmehl. Sie verlieren schnell die Auf- merksamkeit und darauf liegt der Fokus in der Raumgestaltung, die unterschiedliche Therapiesettings zulässt. Die Größe der Therapieplätze ist durch semitransparen- te Raumteiler, die den Schall absorbie- ren, regulierbar. So ist in einem Bereich eine Einzeltherapie möglich, während im anderen eine Therapie mit bis zu drei Patienten möglich ist. Die Tische sind in ihrer Höhe verstellbar. Ergänzend sorgt ein Lichtkonzept für ein reizarmes Am- biente. Wenig Licht ist beispielsweise besonders angenehm für Post Covid- Patienten, berichtet der Physiotherapeut Niklas Lindemann. „Digitale Inklusion bedeutet den Raum so zu schaffen, dass jeder trainieren kann“, erklärt Schmehl das Konzept. Es ist die Voraussetzung dafür, nicht nur die Patienten, sondern auch die Betreuenden im Umgang mit digitalen Medien zu schulen. Doch auch für die unterschiedlich genutzten Tech- nologien ist eine individuelle Beleuchtung notwendig, erklärt Anke Fierek, Referentin im Bereich Innovation und Transformation in der BG Kliniken IT Services gGmbH: „Die Technologie ist davon abhängig, damit man eine Feinjustierung vornehmen kann. Je nachdem ob man mit einer Mixed-, Virtual- oder Augmented Reality Brille arbeitet, braucht man unterschiedliche Lichteinflüsse, damit die Technik optimal funktioniert. Kein Schema F Gleiches gilt für die Wahl des Spiels und des Endgeräts. Virtual Reality Brillen helfen den Patienten beispielsweise dabei, sich mehr auf die Aufgabe zu konzentrieren. Genau das fällt ihnen oft schwer. Sie schweifen ab und können den Fokus nicht auf der Aufgabe halten. „Mit VR-Brillen hat man keine Störfaktoren, sondern das Ziel vor Augen, um die Aufgabe zu erledigen“, erklärt Lindemann. Ein „Standardschema F“ gibt es für die Therapie in der Brain Cloud also nicht, denn jeder Patient, jedes Krankheitsbild ist individuell, sodass die Therapie stets auf die jeweiligen Bedürfnisse und Be- schwerden angepasst ist. Das Vorgehen beim Schädel-Hirn-Trauma erklärt der Mediziner am Beispiel einer Festplatte: „Viele Gedächtnisfunktionen sind noch vorhanden, doch ein paar Dinge sind auf der ‚Festplatte‘ kaputt“, sagt Schmehl, „wir stellen fest, welche Funktionen fehlen und schauen, welche Software und welche Firma da gezielt helfen kann.“ Flexibilität ist hier das entscheidende Stichwort, wenn 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 41 I K & N I Z I D E M E L A T I G I D

I K & N I Z I D E M E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 es darum geht, sich auf die Einschränkun- gen der Patienten einzustellen. Es ist ein entscheidender Vorteil gegenüber den klassischen Therapieräumen mit einem festen Setting, das weniger Individualität zulässt. Die Geräte dort werden meist für mehrere Jahre angeschafft und auch genutzt, jedoch vergeht viel Zeit, bis etwas neues kommt. Keine Therapiemüdigkeit Anders in der Brain Cloud: Die Software kann bei Bedarf gekauft und direkt aufge- spielt werden. „Es ist eine individualisierte, symptomorientierte Reha“, sagt Schmehl, „wir haben in der Neurologie so viele Er- krankungen mit ‚Festplattenproblemen‘, z.B. bezogen auf Sprache, Aufmerksam- keit, Gedächtnis, Reaktionsschnelligkeit. Ist man geistig langsam, ist man es auch körperlich.“ Auf all diese Probleme kann die Therapie individuell angepasst wer- den. Das Ziel ist, mit einfachsten Mitteln Alltagskompetenz zu schaffen. Und das funktioniert bei vielen Krankheitsbildern, etwa bei Hirnblutungen, oder auch nach Schlaganfällen. Durch all die Möglichkei- ten, die es in der Brain Cloud gibt, kommt es auch nicht zur Therapiemüdigkeit, denn auch Motivation spielt hier eine große Rolle. Die Patienten kommen spie- lerisch zu Erfolgserlebnissen – sei es beim Beachvolleyball, Bowling, Boxen oder bei Strategiespielen. Es werden Münzen eingesammelt oder neue Level erreicht – während parallel die Aufmerksamkeit und Motorik verbessert werden. Zwar haben vor allem junge Menschen einen leichteren Zugang zu den Spielekonsolen, nach den bisherigen Erfahrungen gibt es jedoch keine Patientengruppe, die das Konzept nicht mag – denn jeder spielt gern, sind sich die Therapeuten einig. Das zeigt sich auch an der jungen Patien- tin. Zu Beginn ihrer Therapie konnte sie ihre Arme noch nicht frei bewegen. „Wir merken, dass sie im Verlauf der Therapie aktiver und motivierter wird. Sie bewegt sich, ohne dass wir sie dabei unterstützen müssen“, sagt Lindemann. Schritt für Schritt soll ihre Rumpfstabilität erarbeitet werden, zunächst im Sitzen. Wiederholung b k u / n e l r u e h c S © Das Ziel der Reha ist Alltagskompetenz zurückzugewinnen. Das funkti- oniert auch über Spiele, die aus dem Leben kommen, beispielsweise mit einem Küchenspiel. © Scheurlen / ukb ist dabei besonders wichtig. „Das Gehirn hat die Fähigkeit, Bewegungen wieder neu zu lernen, dazu muss man viel trainieren und auch wiederholen. Immer wieder eine Aufgabe zu wiederholen, um das Gehirn zu fördern, funktioniert über die Gamification sehr gut“, sagt Lindemann. Das Prinzip ist ähnlich wie beim Vokabeln lernen in der Schule. Die Therapiesitzung der Patientin ist nach etwa 40 Minuten vorbei. Die Fragen, ob ihr die Therapie gefällt und ob sie vor der Therapie schon gern gespielt hat, bejaht sie. Und dabei sieht sie glücklich aus: Sie lä- chelt. Keine Selbstverständlichkeit, wie der Neurologe Schmehl erklärt: „Das Schöne ist, wenn auch die Mimik wiederkommt. Die Mimik fehlt oft nach einem Koma und es ist komplex, die Muskeln zum Lachen zu aktivieren.“ Mit dem Therapiefortschritt ist er zufrieden. Ausgezeichnetes Konzept Klar ist: Ersetzen wird die digitale The- rapie die klassische Ergo- und Physio- therapie nicht. „Therapeuten nutzen die Technik, um eine individuellere auf die Symptome abgestimmte Therapie zu konzipieren“, sagt Schmehl. Pers- Es ist eine individu- alisierte, symptom- orientierte Reha. Prof. Dr. Ingo Schmehl, Direk- tor der Klinik für Neurologie pektivisch soll die Therapie auch nach dem stationären Aufenthalt Zuhause fortgesetzt werden, was den Thera- pieerfolg nachhaltig sichert. Zudem ist geplant, die Brain Cloud auch an den weiteren Standorten der BG Kliniken im stationären und ambulanten Bereich zu etablieren. Der bisherige Erfolg spricht für sich: Im Oktober 2022 wurde das Konzept mit dem Rotthaus Klinik Award als „Digitale Innovation“ ausgezeichnet. „Das ist für uns Ansporn, weiter solche innovativen digitalen Angebote, die auf der Gaming-Technologie beruhen und spielerisch rehabilitieren, einzusetzen, zu evaluieren und die Behandlung un- serer Patientinnen und Patienten auf neuen Wegen erfolgreich fortzuführen“, kommentierte Schmehl im Oktober die Auszeichnung. ▬ Luisa-Maria Hollmig 42 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 UKB BRAIN CLOUD 1.0 Technische Herausforderungen Die ganze Brain Cloud ist nicht nur in ihrer Architektur, sondern auch in ihrer technischen Ausstattung gut durchdacht. Wichtiger Bestandteil neben den Konsolen sind die digitalen Visitewagen, wie man sie aus dem Stationsalltag kennt. Da die Patientendokumen- tation am ukb komplett digitalisiert ist, kann die ganze Therapie in der Brain Cloud dokumentiert und Befunde aufgerufen werden. Neben den Spielekonsolen gibt es außerdem Bildschirme, über die alle Elemente im Raum angesteuert werden können: die Beleuch- tungsmodule, aber auch die einzelnen Spielekonsolen. Einzelne Elemente können dank des modularen Konzepts jederzeit weiter- entwickelt oder ausgetauscht werden. In der Brain Cloud gibt es zwei Komponenten, die zum Einsatz kommen. Zum einen die klassische Consumer-IT, wie man sie von Zuhause kennt, etwa Playstation, Xbox oder Nintendo Switch. „In diesen Spielen steckt der Anreiz, sie für therapeutische Zwecke zu nutzen“, erklärt Fierek. Auf der anderen Seite gibt es die Digitalen Gesundheitsanwendungen (Di- GAs), von denen es die ersten Produkte am Markt gibt. Sie wurden im Team erprobt, die Wahl fiel am Ende auf zwei Produkte. „Das ist aber der Projektstart, denn da ist viel Bewegung drin“, so Fierek. Oftmals müsse man schauen, welches Start up sich am Markt hält und wer die Entwicklungsschritte, die in der Therapie gebraucht werden, mitgehen kann. Sämtliche Anwendungen wurden zunächst umfangreich auf Herz und Nieren geprüft. „Dabei mussten wir feststellen: Was mit viel Marketing gut beworben wird, hat nicht immer den Reifegrad, den wir uns vorstellen“, sagt Fierek. Viele Produkte wären zwar gut für die weitere Nutzung zu Hause geeignet, bieten aber nur ein begrenztes Angebot für den Einsatz in der Klinik– umgekehrt eignen sich andere Produkte ideal für den Therapiealltag in der Klinik, jedoch weniger für Zuhause. Eine dieser Anwendungen ist das VR-Therapiesystem Cureo von Cureosity. Mit dem Unter- nehmen gibt es einen engen Austausch und Feedbackschleifen. Konkrete Verbesserungsideen, die etwa auf die Bedürfnisse von Long Covid-Patienten zugeschnitten sind, kommen beispielswei- se von den Therapeuten selbst. Jedoch gibt es auch technische Herausforderungen im Bereich der DiGAs. „Wir treffen oft auf isolierte Systeme, die ganz auf unterschiedliche Technologien setzen“, erklärt Fierek. Das führt dazu, dass viele Geräte ange- schafft werden, die erstmal nur in ihrem eigenen isolierten System funktionieren. Gerade für Start ups sei es einfacher im abgekap- selten System zu arbeiten, „im Sinne der Digitalisierung bringt uns das langfristig aber nicht weiter“. Deshalb wird versucht, die Marktteilnehmer darauf zu trimmen, dass am Ende vieles über eine Gesamttechnologie läuft. Ein weiteres Thema sind die Daten, die durch die Therapien ge- neriert werden. So sind Bewegungsamplituden milimetergenau messbar und auch Brillen, die mit Eye Tracking funktionieren, lie- fern hilfreiche Informationen zu bestimmten Krankheitsbildern mit Gesichtsfeldeinschränkungen. „Es gibt völlig neue Möglichkeiten, die Therapieansätze im Erfolgssinne zu bewerten und auf Basis dieser Infos langfristig steuern zu können“, erklärt Fierek. Der Da- tenschutz und die IT-Sicherheit haben dabei oberste Priorität. So laufen die Systeme streng isoliert in einem eigenen Wlan, eigene Benutzerkonten für die Patienten gibt es nicht. Die Daten können zwar ausgelesen, aktuell aber nicht übertragen werden. ▬ Luisa-Maria Hollmig ID Information und Dokumentation im Gesundheitswesen 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 43 I K & N I Z I D E M E L A T I G I D

I K & N I Z I D E M E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 B T P © KÜNSTLICHE INTELLIGENZ UND ROBOTIK Die EU macht Dampf Die Entwicklung von medizinischen Lösungen der künstlichen Intelli- genz und Robotik dauert in der Europäischen Union aufgrund kom- plexer Regularien sehr lang. Um diesen Nachteil im internationalen Wettbewerb zu beseitigen, forscht das Projekt TEF-Health an der beschleunigten Zulassung dieser Lösungen. Der Hype um ChatGPT – einer künstlichen Intelligenz (KI), die sogar das Mediziner- examen in den USA schaffen könnte – lässt erahnen, was in den kommenden Jahren auf die Gesellschaft zukommt. Allein im Gesundheitswesen soll der weltweite Umsatz mit KI-Anwendungen nach einer Prognose des Statista Research Depart- ment zwischen 2022 und 2027 von 6,9 auf 67,4 Milliarden US-Dollar ansteigen. Damit Europa bei diesen Innovationen nicht abgehängt wird, fördert die EU- Kommission die beschleunigte Entwick- lung von KI-Anwendungen und Robotik mit dem Programm TEF (Testing and Experimentation Facilities) gleich mit mehreren Referenzzentren auf den Ge- bieten Landwirtschaft, verarbeitendes Gewerbe, smart Cities und Gesundheit. Für den Bereich Gesundheit erhält „TEF- Health“ eine Förderung von 60 Millionen Euro über fünf Jahre, die jeweils zur Hälf- te von der Europäischen Union und den nationalen Regierungen getragen wird. Das EU weite TEF-Health Konsortium wird von Prof. Dr. Petra Ritter an der Berliner Charité Universitätsmedizin geleitet. 51 Einrichtungen und Unternehmen aus neun Ländern, darunter das Karolinska- Institut in Stockholm und das Uniklinikum Centre hospitalier universitaire Grenoble Alpes, nehmen am Projekt teil. Deutsch- land ist vertreten mit der Charité, der TU München, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, der Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg, dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) sowie Institut für Integrierte Schaltungen (IIS), dem TÜV Verband, dem in München Wir wollen einen völlig neuen Ansatz mit einer agilen Konformitätsbe- wertung verfolgen. Dr. Dirk Schlesinger, Chief Digital Officer TÜV Süd und Leiter des TÜV AI Lab. ansässigen European Institute of Techno- logy sowie KI-Park. „Im Moment ist es schwierig, in der Europäischen Union KI und Robotik Anwendungen im Gesund- heitsbereich zügig an den Markt – und somit zu den Patientinnen und Patien- ten – zu bekommen“, sagt TEF-Health- Projektleiterin Petra Ritter, Professorin für Gehirnsimulation an der Charité und am Berlin Institute of Health. Sie verweist auf die lobenswerten hohen ethischen Ansprü- che in der EU, die mit sehr komplexen Re- gularien und Gesetzeslagen einhergehen, die es Technologieträgern erschweren, ihre entwickelten KI-basierten Produkte zeitnah auf den Markt zu bringen. Regulatorische Sandkästen Damit sich das ändert, aber der Zuver- lässigkeit und Vertrauenswürdigkeit der neuen Anwendungen kein Abbruch getan wird, entwickeln die am Projekt beteiligten Gesundheitseinrichtungen und Organi- sationen in den kommenden fünf Jahren Services, mit denen Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen ihre KI- und Robotik-Lösungen beschleunigt testen und validieren können. Die Services sollen über ein Netzwerk verteilter Platt- formen mit einer zentralen Anlaufstelle angeboten werden. Weil die Unterneh- men nicht nur Software- sondern auch Hardware-Lösungen entwickeln, sollen sowohl virtuelle als auch physikalische Testumgebungen bereitgestellt werden. Denkbar wäre als virtuelle Testumgebung beispielsweise eine datenschutzkonforme Cloudinfrastruktur, auf der Gesundheitsda- ten verarbeitet und auch große komplexe Analysen ablaufen können – so, wie sie derzeit bereits an der Charité im Rahmen großer EU Projekte entwickelt und für die akademische Nutzung angeboten werden. Als physikalische Testumgebung kommen Robotik-Infrastrukturen infrage oder auch OP-Säle in Krankenhäusern, die für Testzwecke zur Verfügung gestellt werden. Die Projektmitglieder möchten die Testumgebungen aber nicht nur für Funktionstests nutzen. „Regulatorische Sandkästen sind zurzeit ein großes The- ma“, erklärt Ritter. Die Idee: Bei der KI- Entwicklung müssen nicht alle regulatori- schen Dinge von Anfang an rechtskonform sein. Die Testumgebung soll daher auch zum Erkennen von Risiken verwendet werden, damit im Bedarfsfall die beste- henden Regelungen sinnvoll angepasst werden können. Agile Konformitätsbewertungen TEF-Health soll auch eine Konformitätsbe- wertung für KI-Lösungen etablieren. Dazu wollen die Projektpartner Qualitätskriteri- en für bestimmte Anwendungsfälle ermit- teln, beispielsweise welche Parameter in den Datensätzen vorhanden sein müssen oder was alles benötigt wird, um die Ver- trauenswürdigkeit der KI herzustellen. 44 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

(l.) Das Projekt TEF-Health befasst sich damit, wie Anwendungen der künstlichen Intelligenz und der Robotik in der Medizin schneller in den Markt kommen. © PTB (u.) Robotik und künstliche Intelligenz sind zwei Bereiche, die in der Medizin zunehmend an Bedeutung gewinnen. © Petra Ritter / BIH I H B / r e t t i R a r t e P © In Praxistests untersuchen sie dann, wie diese Anforderungen erfüllt werden kön- nen. Die Konformitätsbewertung selbst stellt ein weiteres Rädchen dar, mit dem die Zulassung der KI beschleunigt werden soll. „Wir wollen einen völlig neuen Ansatz mit einer agilen Konformitätsbewertung verfolgen“, erklärt Dr. Dirk Schlesinger, Chief Digital Officer TÜV Süd und Leiter des TÜV AI Lab. Zum Beispiel sollen die Unternehmen die Datenqualität ihrer KI bereits vor Abschluss der Produktent- wicklung von einer Benannten Stelle untersuchen lassen können. Allerdings müssen dazu noch gesetzliche Hürden überwunden werden. „Nach aktueller Rechtslage ist eine agile Konformitätsbe- wertung nicht möglich“, stellt Schlesinger fest. „Hier müssen wir noch den richtigen Weg entwickeln.“ Hohe Datenqualität Besonderes Augenmerk legen die betei- ligten Forscherinnen und Forscher auf die Qualität der Daten, die das Fundament für die Verlässlichkeit der Algorithmen bilden. „Wir wollen uns auch die Klassenbalance anschauen“, sagt Dr. Daniel Schwabe, Koordinator Digitale Medizin an der Phy- sikalisch-Technischen Bundesanstalt. Bei Klassifizierungsalgorithmen etwa gehen die Forscher der Frage nach, wie viele Datenpunkte einer bestimmten Krankheit erforderlich sind, damit der Algorithmus ein zuverlässiges Ergebnis liefert. In einer kontrollierten Testumgebung werden sie untersuchen, wie sich bestimmte Eigen- schaften wie die Robustheit einer künst- lichen Intelligenz verändern, wenn noch mehr Klassen von Krankheiten integriert werden oder der Algorithmus an seltene Krankheiten angepasst wird. „Wichtig ist auch die Kuration von Daten“, ergänzt Ritter. Damit die eingesetzten Daten wei- tergenutzt werden können, müssen sie beispielsweise verifiziert, interoperabel gemacht und mit Metadaten ausgestattet werden. Diese Datenaufbereitung ist auf- Titelthema ▶ Special DMEA 2023 wendig. Hinzu kommt noch eine saubere Versionierung: Jeder Verarbeitungsschritt, der auf die Daten angewandt wurde, muss genau festgehalten werden, damit die Ergebnisse im Nachhinein reproduzierbar und nachvollziehbar sind. Bei der Verwendung von Datensätzen in den Tests sollen kleinere Unternehmen nicht benachteiligt werden. Oftmals liegen die großen Datensätze nämlich in den Schränken der großen Unternehmen. Sie bleiben für kleinere Unternehmen verschlossen, die dann nur auf offene Datensätze zugreifen können. „Hier wollen wir unterstützen, damit auch kleinere Unternehmen ihre Rolle als Innovations- treiber wahrnehmen können und nicht von Vornherein ausgeschlossen werden“, betont Schwabe. In TEF-Health sollen deshalb auch die Grundvoraussetzungen geschaffen werden, um offene Datensätze qualitativ bewerten zu können. Einen offenen Datensatz von qualitativ hoch- wertigen EKG-Daten hat die PTB deshalb bereits zusammen mit dem Fraunhofer HHI veröffentlicht. Mit den Daten sollen KI-Systeme trainiert werden, um kleinste Auffälligkeiten in EKGs zu entdecken. Auch der Datenschutz spielt bei TEF- Health eine große Rolle. „Bei komple- xen Gesundheitsdaten, die biometrische Information enthalten, wie beispielsweise Gehirnscans, ist eine Anonymisierung, das heißt das Entfernen der individuellen Merkmale für Gesundheitsforschung und -innovation oft nicht sinnvoll, da es für individualisierte Medizin genau auf diese persönlichen Merkmale in den Daten ankommt“, gibt Ritter zu bedenken. Was macht man zum Beispiel, wenn die radio- logische Aufnahme eines Hirntumors so einzigartig ist, dass der Patient trotz der Löschung seiner primär identifizierenden Daten wie Name, Adresse, Geburtsdatum eindeutig identifiziert werden kann? TEF- Health will auch hier Lösungen finden, damit rechtskonform auf diese Daten zugegriffen werden kann. ▬ Dr. Michael Lang Freier Journalist I K & N I Z I D E M E L A T I G I D 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 45

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 l i b a n a r B © I K & N I Z I D E M E L A T I G I D POSITIONIERUNGS- UND TRACKINGTECHNOLOGIE Optimierte Strahlentherapie bei Brustkrebs Ein neuer herzschonender Deep-Inspiration-Breath-Hold-Workflow (DIBH) verbessert bei Patientinnen mit linksseitigem Mammakarzinom die Behandlungsqualität, sorgt für mehr Lebensqualität während der Therapie und kürzere Liegezeiten sowie für ein erleichtertes Handling im Routinebetrieb der Klinik. Die Klinik für Radioonkologie und Strah- lentherapie der Charité - Universitäts- medizin Berlin gehört zu den ersten An- wendern des von Brainlab entwickelten DIBH-Workflows für die Positionierungs- und Tracking-Technologie „ExacTrac Dy- namic“. Diese herzschonende Therapie wird zur Bestrahlung von Patientinnen mit linksseitigem Mammakarzinom ein- gesetzt. Das Besondere der innovativen Technologie ist der Einsatz einer vierdi- mensionalen Thermaloberflächen-Kame- ratechnologie zur live-Überwachung von Oberfläche und Atmung der Patientinnen. Dank dieser modernen Strahlentherapie lassen sich die Risiken von Nebenwirkun- gen durch die Behandlung weiter mini- mieren. Das ist insbesondere für junge Frauen relevant, bei denen aufgrund der sehr guten Prognose die Spätfolgen der Bestrahlung des linksseitigen Brustkrebs eine große Rolle spielen. Deshalb nehmen Präzision und Schonung der gesunden Organe als Qualitätsanforderung einen immer größeren Stellenwert ein. Inzwischen hat das Klinikteam der Charité mit dieser Anwendung bereits zahlrei- che Brustkrebspatientinnen bestrahlt. Begünstigt wurde die Entscheidung für den Einsatz des DIBH-Workflows durch die langjährige Erfahrung des Klinikteams mit „ExacTrac Dynamic“. Seit mehr als 20 Jahren wird diese vollständig in die Workflows der Varian-Beschleuniger integrierte Tracking-Technologie erfolg- reich genutzt. Während bei den bisher verfügbaren Lösungen des „Deep Inspi- ration Breath Hold“ in der Regel meh- rere Systeme erforderlich waren, deckt der von Brainlab entwickelte Workflow die wichtigsten Schritte ab – von der 46 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Der neu entwickelte DIBH-Workflow misst präzise die Tiefe der Einat- mung und überwacht in Echtzeit die Körperoberfläche der Patientinnen. © Brainlab Die Spätfolgen der Bestrahlung bei linksseitigem Brustkrebs sind auf- grund der sehr guten Prognose der Patientinnen besonders relevant, weshalb Präzision und Schonung der gesunden Organe als Quali- tätsanforderung einen immer größe- ren Stellenwert einnehmen. Vorbereitung über die Positionierung bis zur Überwachung der Patientinnen während der Bestrahlung. Ausgangspunkt für das DIBH-Bestrah- lungsverfahren sind die Risiken der Strah- lentherapie des linksseitigen Mammakar- zinoms. Die Spätfolgen der Bestrahlung bei linksseitigem Brustkrebs sollten aufgrund der sehr guten Prognose der Patientinnen minimiert werden, weshalb Präzision und Schonung der gesunden Organe als Qualitätsanforderung einen immer größeren Stellenwert einnehmen. Zahlreiche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass das Herz bei der Therapie von Brustkrebs das kritischste Organ in Bezug auf späte Nebenwirkungen ist. Darüber hinaus steigt das Risiko, nach der Bestrahlung der Brust an Lungenkrebs zu erkranken. Personalisierte Abgabe der Strahlen- dosis schont Herz und Gewebe Eine besondere Herausforderung bei der Anwendung des DIBH-Verfahrens liegt darin, dass die Atmung eines jeden Menschen individuell variiert, weshalb die Kontrolle und Verifizierung bei der The- rapie in tiefer Einatmung einen entschei- denden Moment darstellt. Im Fall des Mammakarzinoms heben Patientinnen teilweise ihren Rücken, um ungewollt eine tiefe Einatmung zu simulieren. Dadurch wird der beabsichtigte Effekt des Deep- Inspiration-Breath-Hold – ein größerer Abstand zwischen Brustwand und Herz – verfehlt. Auch deshalb ist die präzise Messung der Tiefe der Einatmung und die Überwachung der Körperoberfläche essenziell. Nur so lässt sich sicherstellen, dass während der Bestrahlung tatsäch- lich ein sicherer Abstand zu Herz und Brustwand existiert. Die Stärke des neu entwickelten DIBH- Workflows liegt darin, dass er die innere Anatomie der Patientinnen während der Atemanhaltephase verifizieren kann. In Verbindung mit der automatisch erfolgen- den, markierungslosen Vorpositionierung, die auf dem Patientenpositionierungs- und Monitoringsystem „ExacTrac Dynamic“ beruht, verfügt die Charité über eine Lösung, von der die Patientinnen eben- so profitieren wie der Klinikbetrieb. Das Echtzeit-Monitoring ermöglicht es, die Strahlendosis präzise abzugeben und dabei das den Tumor umgebende Gewebe und auch das Herz zu schonen. Erreicht wird dies durch eine von Brainlab entwickelte Thermaloberflächen-Kameratechnologie, Titelthema ▶ Special DMEA 2023 die unabhängig vom Zielgebiet Körper- kontur und Atmung vierdimensional überwacht. Hierfür erzeugt das System eine hybride Thermaloberfläche, deren Exaktheit und Zuverlässigkeit auf der dreidimensionalen Wärmesignatur beruht, anhand der sich die Oberflächenstruktur der Patientinnen rekonstruieren lässt. Bisherige technische Grenzen werden überwunden Bisher nutzte die Klinik für Radioonkolo- gie und Strahlentherapie der Charité eine Anwendung, die die Atembewegungen in Form eines Diagramms als abstrakte Ansicht auf einem Monitor anzeigte. Dank der vierdimensionalen Kameratech- nologie bildet der neue DIBH-Workflow hingegen die konkrete Körperoberfläche ab. Diese Darstellung wird dann mit einer Röntgen-Verifikation kombiniert, sodass dem Behandlungsteam die innere Anato- mie in millimetrischer Präzision vorliegt. Da bei den meisten Linearbeschleunigern die von Brainlab entwickelten Technolo- gien umfassend integrierbar sind, lässt sich in der klinischen Anwendung auch ein Thermaloberflächen-gesteuertes Beam Gating nutzen. Der Strahl wird so nur in dem Moment aktiviert, wenn sich die Patientin in der vorgesehenen Position und Atemanhaltephase befindet. Durch die von „ExacTrac Dynamic“ re- alisierbare Präzision beim Lagern der Patientinnen und der anschließenden Bestrahlung entfällt eine farbliche Mar- kierung der Haut. Diese ist bei den von den Herstellern des Beschleunigers ent- wickelten DBIH-Modi notwendig und schränkt das Wohlbefinden der Frau- en ein. Auch der zusätzliche, auf dem Oberkörper platzierte Markerblock, mit dem die Atembewegungen über Infrarot verfolgt werden, erübrigt sich. Bisherige Kamerasysteme hatten zudem den Nachteil, dass sie bei stark adipösen Patientinnen nicht anwendbar waren. Auf- grund ihrer körperbedingt ungünstigen Positionierung ließen sich die bisherigen würfelförmigen Markerblöcke nicht ein- setzen. Der neue Workflow überwindet nun diese Grenzen. 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 47 I K & N I Z I D E M E L A T I G I D

I K & N I Z I D E M E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Brainlab-Technologie an der Charité Die Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie der Charité - Uni- versitätsmedizin Berlin verfügt an ihren drei Standorten über insgesamt acht Linearbeschleuniger, darunter sind jeweils ein TrueBeam STx, ein Cyberknife sowie ein Halcyon. Da- mit versorgt das 140-köpfige Team jährlich über 3 000 Krebspatientinnen und -patienten. Mit der Volumetrisch modulierten Arc- Therapie (VMAT), der Intensitätsmo- dulierten Radiotherapie (IMRT), der stereotaktischen Körperbestrahlung (SBRT) sowie der Radiochirurgie (SRS) setzt die Klinik bereits seit vielen Jah- ren innovative Formen hochpräziser Strahlentherapie ein. Für zahlreiche dieser Anwendungen wird seit über 20 Jahren Brainlab-Technologie genutzt, sodass die Charité zu den erfahrens- ten Anwendern des Positionierungs- und Überwachungssystems „ExacTrac Dynamic“ gehört. 1 3 E P 8 1 . n e t l a h e b r o v r e m r ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P Zusammenarbeit der Universitätsme- dizin Berlin mit Brainlab sowie der enge Austausch auf der Ebene der Strahlen- physik. Hinzu kamen Live-Schulungen, von denen das ganze Team profitierte. Nach dem Aufspielen der Software ging das eigentliche Training reibungslos in den klinischen Betrieb über. ▬ Im Alltagsbetrieb bewährt sich die in- tegrierte Lösung da- durch, dass sie sehr robust und schnell umsetzbar ist – ein Vorteil, von dem die Patientinnen eben- so profitieren wie die Klinikabläufe.“ Ein weiterer Vorteil der neuen Lösung liegt im zeitlichen Aufwand: Obwohl das neue Verfahren technologisch hochkom- plex ist, beschränkt sich die Liegezeit der Patientinnen auf deutlich weniger als fünfzehn Minuten. Auch ist der in die Bestrahlungsgeräte komplett integ- rierte Workflow sehr robust und schnell umzusetzen – ein deutlicher Vorteil für den Klinikbetrieb ebenso wie für die Pa- tientinnen. Für das Klinikteam ausschlaggebend ist auch die schnelle Installation und Inbe- triebnahme des neuen Workflows. Eine Voraussetzung dafür ist die langjährige Prof. Dr. med. Daniel Zips ist Direktor der Klinik für Radioonko- logie und Strahlen- therapie der Charité - Universitätsmedizin Berlin © Charité PD Dr. med. Carolin Senger verantwortet als Oberärztin der Klinik für Radi- oonkologie und Strahlentherapie der Charité - Universitätsmedizin Berlin die Behandlung der Patientinnen mit Mammakarzinom. © Charité Wenn aus viel zu viel wird Die Fachzeitschrift PiD – Psychotherapie im Dialog beleuchtet in dieser Ausgabe das Thema „Arbeitswelt & psychische Störung“ aus Sicht unter- schiedlicher Therapierichtungen und Berufsgruppen. Nutzen Sie die Vielfalt an Wissen und Erfahrung, um sich Anregungen für Ihre Praxis zu holen. PiD – Arbeitswelt & psychische Störungen ISBN 978 3 13 221561 0 49,00 € [D] Bequem bestellen über shop.thieme.de versandkostenfrei innerhalb Deutschlands 48 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 EIZO EUROPE GMBH EIZO RadiForce RX270: kontraststarker 2-Megapixel-Monitor © EIZO Besuchen Sie uns auf der DMEA in Berlin: 25.-27.04.2023, Halle 3.2, Stand D-112 Für die radiologische Befundung mit Grau- stufen- und Farbbildern Der Farbmonitor RadiForce RX270 ist der Nach- folger des viel und gern genutzten RadiForce RX250. Er erfüllt höchste Ansprüche bei der ra- diologischen Bildwiedergabe mit 2 Megapixeln. Mit dem RX270 garantiert EIZO ab sofort auf alle aktuellen RX-Modelle eine Helligkeit von 500 cd/ m2, die eine lange Lebensdauer gewährleistet. Durch die Instant-Backlight-Booster-Funktion des Monitors lässt sich sogar vorübergehend die Helligkeit erhöhen, um Details schneller zu erkennen. Die Helligkeit kehrt dann nach kurzer Zeit automatisch auf die ursprüngliche Einstellung zurück. Auf einer Diagonalen von 21,3 Zoll bietet der RX270 eine hohe maximale Helligkeit von 1 000 cd/m2 und verfügt über ein Kontrastverhältnis von 1 800:1. Selbst sehr tiefe Grautöne stellt er präzise dar. Auch Farbaufnahmen bildet er durch seine Hybrid Gamma PXL-Funktion mit optimaler Leuchtdichte ab. Dadurch eignet er sich ideal für die Anzeige von Farbbildern aus Endoskopie, Ultraschall und Nuklearmedizin sowie monochromen Bildern durch CT, MRT und Röntgen. Der RX270 ist mit einem schmalen, schwarzen vorderen Gehäuserahmen und einem weißen seitlichen Rahmen ausgestattet. Damit reiht er sich in das einheitliche Design der gesamten RX-Serie ein, das ideal für das Diagnoseumfeld geeignet ist. Zusätzliche Merkmale • EIZO misst und stellt die DICOM®-GSDF- Kennlinie bereits ab Werk präzise ein, um eine konsistente Graustufenanzeige sicherzustellen • Mühelose Qualitätssicherung und eingebauter Kalibrierungssensor • DisplayPort-Anschlüsse mit Daisy-Chain- Unterstützung für Umgebungen mit mehreren Monitoren • Vorbereitet für Kalibrierung, Abnahme- und Konstanzprüfung gemäß DIN 6868-157 und QS-RL • Fünf Jahre Garantie inklusive Vor-Ort-Aus- tauschservice Nachhaltiges Produkt, umweltfreundliche Verpackung Auch in Sachen Umwelt punktet der RX270: Er besteht zu etwa 16 % aus recyceltem Kunststoff. Das verringert die Menge an Kunststoffabfällen, die in die Umwelt gelangen. Darüber ist er mit Zellstoff und Pappe aus Rezyklat sicher verpackt und die Kabel sind in Papier statt in Plastiktüten eingewickelt. Empfohlenes Zubehör • Qualitätssicherungssoftware: EIZO RadiCS und EIZO RadiNET Pro • Komfortbeleuchtung: RadiLight • Empfohlene Grafikkarte: EIZO MED-XN51LP ‣ Infos unter www.eizo.de/radiforce/rx270 ▬ Unternehmensnachricht von EIZO Europe GmbH Belgrader Straße 2 41069 Mönchengladbach Tel: 02161 8210-120 kontakt@eizo.de www.eizo.de 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 49

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 DIGITALE ANWENDUNGEN Mit dem IT-Messenger (TIM) wird im Auftrag der Gematik ein Sofortnachrichtendienst entwickelt, über den sämtliche Akteure und Institutionen des Gesundheitswesens mitein- ander kommunizieren können. © mrmohock / stock.adobe.com – Stock Photo. Posed by a model. APPS IM KRANKENHAUS Eine für alle Immer mehr Hersteller liefern Apps, die für das Krankenhausumfeld geeignet sind. Mit „TIM“ wird sogar ein Whatsapp-Derivat entwickelt, über das zukünftig sämtliche Akteure des Gesundheitswesens mit- einander kommunizieren können. Wann sie flächendeckend zum Standard gehören, bleibt abzuwarten. Der Umgang mit Smartphones beginnt heutzutage schon im Kindesalter. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes nutzen mehr als die Hälfte der 6- bis 9-jährigen Kinder bereits ein Smartphone, bei den 10- bis 12-Jährigen sind es mehr als 90 Prozent. Im Jahr 2022 besaßen demnach 98,1 Prozent der Privathaushalte in Deutschland mindestens ein Smart- phone. Der Markt der Gesundheits-Apps für den Privatgebrauch ist dementspre- chend riesig, ihr Umsatz betrug im Jahr 2017 bereits 2,11 Milliarden Euro. Im Jahr 2025 sollen es 9,85 Milliarden Euro sein. Unter ihnen finden sich in Deutsch- land seit zwei Jahren sogar Apps auf Re- zept (DiGA), die als Medizinprodukte von einem Arzt verschrieben und den Patienten von ihren Krankenkassen in der Regel vollständig erstattet werden können. Für digitale Anwendungen zur häuslichen Pflege (DiPA) hat das Gesund- heitsministerium im Januar 2022 eben- falls eine solche gesetzliche Grundlage geschaffen. Allerdings wollen auch Krankenhäuser die Vorteile von mobilen Anwendungen für ihre interne und externe Kommunikation nutzen. Demensprechend entwickeln immer mehr Hersteller Apps, die diese Bedürfnisse erfüllen. Solche Applikati- onen für Mobilgeräte, die nicht für den Privatgebrauch, sondern speziell auf das Krankenhausumfeld zugeschnitten sind, lassen sich zunächst in zwei Gruppen unterteilen: Jene für die interne Kommu- nikation und Organisation der Klinikmit- arbeiter innerhalb eines Krankenhauses sowie Apps, die von Patientinnen und Patienten genutzt werden können, um mit Krankenhäusern zu interagieren. 50 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

. l e d o m a y b d e s o P . o t o h P k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s / k c o h o m m © r Mobiler KIS-Zugang In Sachen Kommunikation und Organisati- on würden Instant-Messaging-Dienste wie etwa Whatsapp prinzipiell sehr viele Mög- lichkeiten abdecken können – angefangen beim Informations- und Datenaustausch bis hin zur Videokommunikation. Unter der Hand ist zu erfahren, dass gerade Whatsapp – trotz der Tatsache, dass die Benutzung dieses Dienstes in deutschen Krankenhäusern verboten ist – hier nach wie vor die meistgenutzte Anwendung ist. Allerdings existieren bereits zahlreiche Alternativen, die auf spezielle Berufsgrup- pen und Fachbereiche im Krankenhaus zugeschnitten sind und im Gegensatz dazu qua Verschlüsselung eine sichere und vor Cyberangriffen geschütztere Kommunikationsmöglichkeit bieten. Unter ihnen sind Apps zur Unterstüt- zung der mobilen Visite, für den Zugang zum Krankenhausinformationssystem (KIS) und zu Behandlungsdaten aktuell am weitesten verbreitet. „Heute bietet praktisch jeder große KIS-Anbieter eine Gerade KIS-Apps werden jetzt einen dramatischen Boom erleben, weil das exakt den Förder- tatbestand drei des Krankenhaus- zukunftsgesetzes (KHZG) erfüllt. Bernhard Calmer, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Gesundheits- IT (bvitg) und Geschäftsführer der Compugroup (CGM) mobile Lösung für den gesamten klini- schen Dienst an – für die Ärzteschaft, für die Pflegekräfte manchmal sogar auch für die Physiotherapie. Darauf laufen zwar nicht alle Funktionen, die ein Pflegear- beitsplatz oder ein Arztarbeitsplatz am PC hat, aber damit werden dedizierte Funktionalitäten oder Prozesse wie etwa die Visite oder Behandlungsdokumenta- Titelthema ▶ Special DMEA 2023 tion unterstützt. Gerade sie werden jetzt einen dramatischen Boom erleben, weil das exakt den Fördertatbestand drei des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) erfüllt“, prognostiziert Bernhard Calmer, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Gesundheits-IT (bvitg) und Geschäfts- führer der CGM Clinical Europe GmbH. Instant-Messenger Auch Apps wie etwa die der Siilo Holding oder des Anbieters Elsevier wurden speziell für das Gesundheitswesen entwickelt. Sie bieten Ärzten die Möglichkeit, sich mit Kollegen zu verbinden, schwierige Fälle zu besprechen, evidenzbasiertes Fachwissen zu erhalten und sicher Patientendaten auszutauschen. Allein der Messengerdienst Siilo zählte bereits im Sommer letzten Jahres mehr als 400 deutsche Kliniken, Praxen, Fachgesellschaften und Verbände zu seinen Nutzern. „Ich glaube aber, dass die Zukunft dieser derzeit auf dem Markt befindlichen Whatsapp-Alternativen, wenn ich das sehr freundlich formulie- re, endlich ist. Denn sie werden durch den TI-Messenger TIM substituiert“, so Bernhard Calmer. Denn angesichts der fehlenden Interoperabilität, keinen ein- heitlichen Zertifizierungen zur Gewähr- leistung der Sicherheit und Vorgaben zur Authentisierung zwischen den derzeitigen Messenger-Anbietern, hat der Gesetzgeber im Zuge des Digitale-Versorgung-und- Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) den Weg für eine anbieter- und sektoren- übergreifende Kommunikation zwischen allen Leistungserbringern im deutschen Gesundheitswesen freigemacht, die diese Sicherheiten bietet. Mit dem IT-Messenger (TIM) wird im Auftrag der Gematik da- her derzeit ein Sofortnachrichtendienst entwickelt, der als App für Smartpho- nes, Tablets und Desktops angeboten wird und über den zukünftig sämtliche Akteure und Institutionen des Gesund- heitswesens miteinander kommunizieren und Dokumente, Dateien, Bilder, und Audiodateien jeder Größe in Einzel- oder Gruppenchats austauschen können. Als Anwendung innerhalb der Telematikin- frastruktur (TI) wird hier eine Ende-zu- Ende-Verschlüsselung sichergestellt. Auf N E G N U D N E W N A E L A T I G I D 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 51

N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 der Grundlage eines Standard-Protokolls werden sogar verschiedene – aber unter- einander interoperable – TI-Messenger auf dem Markt existieren, denn Anbie- ter können auch eigene TI-Messenger- Lösungen entwickeln. Jeder TIM-Nutzer wird seinen Anbieter somit frei wählen können. Bereits in diesem Jahr könnten Ärzte, Pflegekräfte, Psychotherapeuten, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheken sie nutzen, denn die Gematik erwartet die ersten zugelassenen TI-Messenger-Dienste ab dem zweiten Quartal 2023. Kliniklogistik und Self-Services Für die Unterstützung der Krankenhaus- logistikprozesse bieten Hersteller mittler- weile ebenfalls diverse Anwendungen an. So hat das Berliner Unternehmen Simplinic für das klinische Servicepersonal speziel- le Trackingsysteme auf Bluetooth-Basis entwickelt, die deren tägliche Routine auch mit Hilfe von Apps unterstützen. Neben dem Bettenmanagement etwa für die Entlassreinigung und den Patien- tentransporten können Krankenhäuser mit Hilfe solcher Systeme auch ihren Medizingerätebestand in Echtzeit or- ten, verwalten und optimieren. Trotz des wachsenden Marktes sind sie allerdings derzeit offenbar noch eher Nischenpro- dukte. „Eine flächendeckende Verbreitung sieht anders aus. Es gibt zwar immer mehr Early Adapter, also erste Kliniken, die sie ausprobieren, weil sie neugierig sind. Aber was etwa ein durchgestochenes, wirklich umfangreiches Bettenmanage- ment angeht, sind das Stand heute wenige Krankenhäuser in Deutschland, die das einsetzen“, verrät Bernhard Calmer. In Zukunft dürfte sich das allerdings än- dern, so der Experte: „Genauso wie jedes Industrieunternehmen seine internen Prozesse weiterentwickelt, werden das auch die Kliniken tun. Daher werden sich auch diese Prozesse zunehmend zu Self- Services entwickeln“, erwartet Bernhard Calmer. Beispiele für diesen Trend sind etwa die Universitätsmedizin Rostock, das Klinikum Wolfsburg oder das Univer- sitätsklinikum Würzburg. Hier wurden sogenannte Flex-Pool eingerichtet, über die Pflegekräfte ihre Arbeitszeiten nach 98,1 Prozent der Privathaushalte in Deutschland besaßen im Jahr 2022 mindestens ein Smartphone. Ich glaube, dass die Zukunft dieser derzeit auf dem Markt befindlichen Whatsapp-Alter- nativen, wenn ich das sehr freund- lich formuliere, endlich ist. Denn sie werden durch den TI-Messenger TIM substituiert. Bernhard Calmer, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Gesundheits- IT (bvitg) und Geschäftsführer der Compugroup (CGM) eigenen Wünschen bestimmen können. Der große Vorteil ist hier, dass Mitarbeiter so das Gefühl bekommen, aktiver an Ihrer Dienstplanung zu partizipieren. „Gerade im Krankenhaus haben wir, wie in der Fertigungsindustrie, viele Mitarbeiter, die keine dedizierten Laptops oder Desktops haben – daher werden für diese Art des Verfahrens immer mehr Apps entwickelt“, führt Bernhard Calmer aus. Beispiele sind hier unter anderem die Apps Beekeeper, CGM Sozial, Workday oder auch Atoss Medical Solution. Interaktion mit dem Krankenhaus Patienten-Apps, die genutzt werden kön- nen, um mit Kliniken zu interagieren und darüber etwa Terminbuchungen, Infor- mationen zu ihren Operationsterminen, Aufklärungsunterlagen oder Informationen zur Nachsorge im Zuge des Entlassma- nagements zu erhalten, bilden die zweite Gruppe der mobilen Anwendungen im Klinikumfeld. Die App „Mein.Vivantes“ etwa bietet Patienten die Möglichkeit, auf Ihre Gesundheitsdaten bei Vivantes zugreifen zu können. Im Fokus steht dabei der Austausch von Informationen und Dokumenten sowie die Terminübersicht. Auch andere Klinikverbünde wie Asklepios, Helios und einzelne Krankenhäuser wie das Klinikum St. Georg in Leipzig nutzen solche Apps – etwa Clickdoc, Doktolib, Samedi oder Timerbee. „Die Patientenkommuni- kation und Interaktion mit dem Kranken- haus ist derzeit allerdings ausgesprochen dünn, was Apps angeht, insbesondere die flächendeckende Verbreitung. Was aus meiner Sicht am schnellsten und am effektivsten funktionieren wird – mit der steigenden Anzahl der Patientenprotale – ist die Terminbuchung. Besonders in den Ambulanzen und MVZs, die im Zuge der geplanten Krankenhausreform entste- hen werden. Das lässt sich nur mit Hilfe eines übergeordneten Terminkalenders organisieren“, erwartet Bernhard Calmer. Wann solche Apps zur internen und exter- nen Kommunikation in deutschen Kran- kenhäusern flächendeckend zum Standard gehören, bleibt abzuwarten. Denn genau wie bei den Digitalisierungsbemühungen generell, gelte es laut des Experten auch hier, zunächst eine Transformationsphase zu überwinden. Schließlich ist die Nutzung aller Apps, auch der TI-Messenger, optio- nal, man wird also nicht dazu verpflichtet. Daher müssen Kliniken derzeit die digitalen Möglichkeiten, die etwa eine Terminbu- chungs-App liefert, zusätzlich auch noch analog anbieten – was zunächst einen personellen Mehraufwand bedeutet. „Man muss die Klinikmitarbeiter und Patienten mitnehmen und sie dafür begeistern“, rät Bernhard Calmer hier. ▬ Martin Kucera 52 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 TEXTBOTS Was mit ChatGPT & Co. auf die Kliniken zukommt Künstliche Intelligenz (KI) hält seit längerem schrittweise Einzug in alle Bereiche der Medizin. Doch mit dem intelligenten Sprachsystem „ChatGPT“ bahnt sich jetzt ein regelrechter Quantensprung in der KI an. In absehbarer Zeit auch für die Kliniken. 2 E - L L A D I K t i m l e g r e o S p p i l i h P . r D . f o r P © Arztbriefe, Bewerbungsschreiben, Beschwerde-Management, Reden von Vorständen, ganze Staatsexamen oder Zulassungsprüfungen in der Medizin: ChatGPT wagt sich an jede Aufgabe he- ran. Erst im November letzten Jahres hatte das US-Start-up OpenAI seinen Chatbot-Prototypen ChatGPT für jeder- mann kostenlos zugänglich gemacht. Inzwischen gibt es über 100 Millionen Menschen, die das System nutzen. Es ist lediglich die Erstellung eines Accounts bei OpenAI notwendig. ChatGPT, entwickelt vom Non-Profit- Unternehmen OpenAI, dessen größter Investor Microsoft ist, ist dabei nur eine von vielen Large Language Models (LLM), an denen derzeit weltweit geforscht wird. „Im Moment ist der Wirbel um ChatGPT ein riesen Hype, aber eine richtige An- wendung dafür gibt’s in der Klinik noch nicht“, sagt Prof. Dr. Jens Kleesiek von der Universitätsklinik Essen. Der Facharzt für Radiologie ist gleichzeitig Informa- tiker und Leiter der Forschungsgruppe Medizinisches Maschinelles Lernen am Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM). Bereit s heute f ließen viele Daten a u s C h a t G P T i n S u c h m a s c h i n e n und dann demnächst auch in Office- Pakete ein. Es gebe aber noch viele andere Anwendungen, so Kleesiek, wo man sich das künftig für Kliniken vor- stellen kann: „Das ist schon sehr mächtig, was da auf uns zukommt.“ Bislang könne man schon einige Bruchstücke zum Bei- spiel für Forschungsanträge verwenden. Für Arztbriefe fehlten noch Bausteine und auch die Anbindung an die Kranken- akte. Man könne sich aber derzeit schon eine Struktur vorgeben lassen, die der Arzt dann selbst mit Inhalt füllen kann. Laborwerte, Diagnosen, Medikamen- tation – jeden Tag versuchen Mediziner solche Dinge in Texten zu strukturie- ren, wenn zwischen zwei Leistungser- bringern Informationen zum Patienten ausgetauscht werden sollen. Dabei kann das System später helfen, doch derzeit „denke“ es sich bei fehlenden Worten noch zu viel aus. N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Mit einer KI lassen sich jetzt schon klassische Kunstwerke generieren. Der Auftrag lautete hier, ein Bild von einer Geburt im Stile Franz Marcs zu erstellen. © Prof. Dr. Philipp Soergel mit KI DALL-E2 Jared Sebhatu, Vorstand der digital health transformation eG, findet ChatGPT heute schon beeindruckend. „Diese KI wird massive Veränderungen mit sich brin- gen – auch im Gesundheitssektor“, sagt er. Bei Arztbriefen könnte der Einsatz am schnellsten kommen. Und auch in 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 53

N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 der Patientenkommunikation allgemein. Denn das System werde immer weiter und immer schneller lernen, je mehr Nutzer und Daten es hat. Textmarker mit Sprachbefehl Nach Kleesieks Einschätzung werde es mit den ersten Anwendungen von LLM in Kliniken nicht mehr lange dauern. Am IKIM läuft eine intensive Forschung dazu, zum Beispiel mit einer eigenen „Transformer Architektur“ beim Her- aussuchen von Informationen zum Pa- tienten. Hierbei werden in natürlicher Sprache Textpassagen aus einem Befund schneller gefunden. Gewissermaßen ein Textmarker mit Ansage. Auch Patienten, die lange im Bett liegen müssen, können sich künftig zu verschie- denen Themen mit ChatBots unterhalten. Ebenso sei eine Entlastung der Patienten- klingel denkbar, indem der Patient dem ChatBot sagt, „Ich hätte gern frisches Wasser“, der Bot speist es dann in Se- kundenschnelle in ein Bestellsystem, das Pflegepersonal liest es am digitalen Board und bringt es in die Zimmer. Am IKIM in Essen werden solche Modelle, speziell für den deutschsprachigen Markt, entwickelt und direkt vor Ort trainiert. Damit die Entwicklung schneller geht, nutzen die Wissenschaftler öffentlich verfügbare Daten auch aus dem nichtmedizinischen Bereich. So haben sie mehr Daten zur Verfügung. Das Feintuning auf den me- dizinischen Bereich bringt dann bessere Ergebnisse. Das Team ist interdisziplinär aufgestellt: mit Mathematikern, Physikern, Medizi- nern, Informatikern. Natürlich sprachliche Fragen werden von medizinischem Fach- personal zu Forschungszwecken auf der Station getestet. Auch Erprobungen der LLM mit MTRA-Schülern, Radiologen, Me- dizinstudenten laufen bereits. Zum Beispiel sollte auf radiologischer Basis entschieden werden, ob ein Tumor größer oder kleiner geworden bzw. gleichgeblieben ist. Bei der Wiedergabe waren die Modelle annähernd so gut wie die Experten. Einschränkung: Wenn es Widersprüche im Text gab, zum Wo es zu 100 Pro- zent stimmen muss, zum Beispiel bei Tumoren und ande- ren medizinischen Hintergründen, ist es nicht einsetzbar. Prof. Dr. Philipp Soergel, Direktor der Universitätsklinik für Frauen- heilkunde und Geburtshilfe am Johannes Wesling Klinikum Minden Im Moment ist der Wirbel um ChatGPT ein riesen Hype, aber eine richtige Anwendung dafür gibt’s in der Kli- nik noch nicht. Prof. Dr. Jens Kleesiek Universitätsklinik Essen Beispiel, dass der Tumor zwar kleiner, die Metastasen in der Leber jedoch mehr geworden waren, dann gab es häufiger maschinelle Fehler. Für kritische Bereiche ist die KI noch zu ungenau Ähnlich äußert sich Prof. Dr. Kai Weh- kamp, Facharzt für Innere Medizin und Projektleiter für KI-basierte klinische Entscheidungsunterstützung & Risi- koerkennung am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Grund- sätzlich müsste bei den KI-Anwendungen zwischen unterschiedlichen Bereichen unterschieden werden: denen mit ho- hem medizinischen Risiko und denen mit unkritischen Informationen. „Bei einer echten medizinischen Beratung können wir ChatBot Systeme, auch ChatGPT, noch nicht einsetzen. Einfach, weil es noch nicht sicher ist“, sagt der Experte. Bei einem Arztbrief, der in einfache Spra- che übersetzt wird, könne es beispiels- weise vorkommen, dass das KI-System nicht zwischen dem Vorliegen einer Krebserkrankung und dem Ausschluss unterscheiden kann. So eine falsche In- formation hat für den Patienten aber weitgehende Konsequenzen. Solange es hier keine weitgehende Sicherheit gibt, seien diese Systeme deswegen für den unkontrollierten Einsatz in kritischen Bereichen zu risikoreich. Zu Vergleichen sind diese Systeme auch mit der KI in der Autoindustrie und beim Fliegen. Obwohl große Verkehrsmaschinen heute völlig allein starten, fliegen, landen können, sitzen immer noch zwei Piloten im Cockpit. Bei Autos, die im Prinzip selbst fahren können, wird immer wieder un- terbrochen, der Fahrer „wachgerüttelt“ und erinnert, dass er die Hände ans Lenk- rad nehmen muss. Solche Mechanismen benötigen wir auch in der Medizin, also Kontrollen, dass die Ergebnisse der KI immer wieder kritisch überprüft werden und der Mensch „wachsam“ bleibt. ChatGPT sei oberflächlich sehr über- zeugend, meint Wehkamp. Aber sobald man in der Medizin ins Detail geht, sehe man vieles, was falsch ist. Selbst dieses, als bestes System, das derzeit auf dem Markt ist, sei also noch nicht gut genug für einen Einsatz in kritischen Bereichen. Das bestätigt auch Prof. Dr. Philipp So- ergel, Direktor der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Johannes Wesling Klinikum Minden. „ChatGPT funktioniert über komplexe Wahrscheinlichkeitsrechnungen, welches Wort auf ein anderes folgen könnte. Ein Satz daraus kann deshalb logisch klingen, muss aber nicht stimmen. Das bedeutet, wo es 100 Prozent stimmen muss, zum Beispiel bei Tumoren und anderen me- dizinischen Hintergründen, ist es nicht einsetzbar.“ Kreativität bei Texten und Bildern ist schon gegeben Heute schon machbar sei aber das Ge- nerieren von Texten für die Website, für Patientenbroschüren, die Bearbeitung von Beschwerden und auch für Bewerbungen. 54 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 2 E - L L A D I K t i m l e g r e o S p p i l i h P . r D . f o r P © N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Dieses Bild wurde mit der KI DALL-E2 erstellt. Sie sollte einen Uterus im Stile Monets zeichnen. © Prof. Dr. Philipp Soergel mit KI DALL-E2 erkennt diese nicht. Dann stünde eine spannende gesellschaftliche Diskussion an: Gestehen wir Menschen uns Fehler zu und der Maschine nicht? ▬ Kathrin Reisinger Freie Journalistin bisschen Sorge habe er davor, dass die noch nicht so guten Modelle zu schnell oberflächlich genutzt werden. Dass „wir aufhören, aufmerksam zu sein“. Denn dann schleichen sich Fehler ein, die nie- mand rückgängig machen kann. Gerade in der Übergangsphase zu etwas Neuem müsse man wachsam sein. Anwendung mit Verantwortung und Augenmaß Auch bei ChatGPT geht es also um Ver- antwortung und Augenmaß – vor allem bei der Gesundheit des Menschen. „Ir- gendwann werden wir so weit sein, dass die KI mehr kann als der Mensch. Aber sie wird nicht alles können. Und dann wird es spannend. Was machen wir dann?“, fragt Wehkamp. Künstliche Intelligenz würde eben durch häufige Muster lernen. Bei den seltenen Dingen macht sie aber Fehler und Hier könne man einen Rahmen nutzen und muss „nur noch mal drüber gehen“. Auch als Vorlage für Arztbriefe, die dann aber streng kontrolliert werden müssen. „Wir probieren im Forschungsrahmen an unserer Klinik sehr viel aus und haben viele Anfragen von anderen Kliniken“, berichtet Soergel mit Blick auf den Sommer, wenn es eine neue KI von Google geben wird, die bereits weiterentwickelt ist. Eine derzeit in seiner Klinik durchgeführte Doktorarbeit zeige bei ersten Ergebnissen, dass ChatG- PT wohl das deutsche Staatsexamen für Medizin bestehen würde. Auch Patienten werden das System vermehrt nutzen und Diagnosen abfragen. Eine Nachbarappli- kation liefert sogar schon bestellte Bilder zum Thema. Und die Rede für die Weih- nachtsfeier oder das Sommerfest der Klinik kann Chat GPT allemal liefern. Erst vor kurzem hatten auch die Mediziner des UKSH ChatGPT live getestet und einen OP-Bericht eingegeben. Anschließend wurde das System gefragt, welche Blut- gefäße bei der OP durchtrennt wurden. Es nannte zum Teil die falschen. Als Laie, so Prof. Wehkamp, hätte man diese Fehler übersehen. Aber: Wehkamp geht davon aus, dass die KI eines Tages so weit ist, dass auch die Ärzte sie voll nutzen können. Viele Kollegen wünschen sich sehnlichst diese Unterstützung herbei. Oft wird den Medizinern vorgeworfen, sich dieser neuen digitalen Welt zu ver- schließen. Das kann Wehkamp überhaupt nicht bestätigen. Er selbst arbeitet an einem großen KI-Projekt mit, bei dem Industrie und Medizin gemeinsam testen und entwickeln. Dabei geht es um die frühzeitige Erkennung einer Sepsis und eines drohenden Nierenversagens. Ge- rade als Arzt müsse man größte Sorgfalt walten lassen. „Wir dürfen die Regeln der Wissenschaft nicht außer Acht lassen, sagt der Experte. Was nicht passieren dürfe, sei, dass Industrie und Politik zu den Ärzten sagen: „Macht mal KI“. Es müsse alles sorgsam geprüft werden, auch die digitalen Anwendungen. Die Ärzte seien also kritisch, aber der Technik gegenüber trotzdem aufgeschlossen. Ein 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 55

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 INNOVATIONSPARTNERSCHAFT „Wir werden gemeinsam alles digitalisieren“ Die Kooperation zwischen Nexus und der Johannesstift Diakonie steht seit Dezember 2022 in den Start- löchern. Das Novum: Statt auf Einzellizenzen setzt das Gesundheitsunternehmen auf eine Digital-Flatrate, um die zehn Krankenhausstandorte umfassend zu digitalisieren. N E G N U D N E W N A E L A T I G I D 20 Millionen Euro Fördermittel fließen aus dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in die neue Innovationspart- nerschaft zwischen der Johannesstift Diakonie, einem komplexen Sozialträ- ger im Nordosten Deutschlands, und dem Software-Anbieter Nexus. „Das gemeinsame Ziel der Zusammenarbeit ist eine umfassende Digitalisierung der zehn Krankenhäuser, die zur Johannes- stift Diakonie gehören“, erklärt Prof. Dr. Lutz Fritsche, Vorstand Medizin der Johannesstift Diakonie und Professor für Management im Gesundheitswesen an der Evangelischen Hochschule Berlin. Schon seit längerem arbeitet man vor Ort mit digitalen Medikationskurven und schreibt Arztbriefe per Spracher- kennung. Doch es gebe nach wie vor zu viele Medienbrüche, so der Vorstand. Die neue Partnerschaft, die jetzt im Rahmen des KZHG umgesetzt wird, soll daher, „alle Medienbrüche, die noch vorhanden sind, beseitigen.“ Bis heute würden Daten in einzelnen Fachberei- chen noch per USB-Stick oder CD ins KIS übertragen, bemängelt Dr. Fritsche, der als einer von drei Vorständen für die Bereiche Krankenhäuser, ambulante Medizin und IT zuständig ist. Das soll sich jetzt ändern: „Übertragen wir zum Beispiel Bilder aus dem Echo-Kardiografie- Gerät ins KIS, ist dies nicht nur fehler- anfällig, sondern auch aufwändig und nicht zuletzt aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich“, findet man bei der Johannesstift Diakonie. Und: „Es geht in der Innovationspartnerschaft mit Nexus deshalb primär darum, sämtliche Daten und Papierunterlagen zu digitalisieren und online bereitzustellen.“ i n a z a m a R s u i r a D © Partnerschaft wird ausgebaut und neu ausgerichtet Die Johannesstif t Diakonie ist mit 10 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von 800 Millionen Euro im Jahr ein sozial- medizinisches Großunternehmen mit evangelischer Tradition und weitaus mehr als der gleichnamige Krankenhausver- bund, der im Nordosten Deutschlands zehn Krankenhäuser mit eigener IT zählt: Als Komplexträger widmet sie sich Men- schen aller Altersgruppen, die auf Unter- stützung angewiesen sind – ob in Form von geburtshilflicher Unterstützung, 56 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Kindergärten, Schulen, Behindertenange- boten, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen für Ältere und Hospizen. Mit der Innovationspartnerschaft hebt der Sozialträger die bestehende Zusam- menarbeit mit Nexus jetzt auf eine neue Stufe: Seit 2011 ist Nexus als KIS-Anbieter engagiert. Das konsolidierte KIS wur- de seitdem ständig weiterentwickelt: „Im Rahmen des KHZG wollten wir viele Themen noch einmal neu denken. Das Ergebnis war die Innovationspartner- schaft, in der wir nun nicht mehr über Einzellizenzen sprechen, sondern uns den vollen Zugang zu allen Softwareproduk- ten gesichert haben.“ Vom KIS- zum Allround-Anbieter Diese Dimension ist auch für den Soft- ware-Partner ein einzigartiger Ansatz und die Chance, „einen Showroom für Best Practice Healthcare IT-Lösungen für den deutschen Markt aufzubauen“, betont Nexus-Vertriebsleiter Daniel Heine. „Das Innovative ist, dass wir unser vollständi- ges Produktportfolio öffnen und in einer einheitlichen Oberfläche bereitstellen.“ Das Unternehmen orientiert sich dabei an den internationalen Standards IHE und FHIR und will mit der Strategie auch eine der größten Herausforderungen bewältigen: die zunehmende Öffnung nach außen. „Bisher betrieben unsere Kunden ihre Systeme meist geschlossen innerhalb der Kliniken oder im Klinikver- bund“, kommentiert Heine und merkt an: „Jetzt steht die Öffnung in Richtung externe Leistungserbringer und Patienten verstärkt im Fokus.“ Auch KI-Systeme sollen verstärkt ein- gebunden werden: „Wir arbeiten mit Tiplu zusammen und sehen uns als gut gerüstet“, sagt der Nexus-Vertriebsleiter weiter. Damit arbeitet das Johannesstift konsequent an seiner Zukunftsfähigkeit: „Der aktuelle Digitalisierungsgrad um- fasst eine Menge Informationen über Patienten, die mittels KI und maschinel- lem Lernen seit über einem Jahr genutzt werden“, erklärt der Vorstand. Konkret würden die frühzeitige Erkennung von t r e n n e T l e u n a M © Das gemeinsame Ziel der Zusam- menarbeit ist eine umfassende Digita- lisierung der zehn Krankenhäuser, die zur Johannesstift Diakonie gehören. Prof. Dr. Lutz Fritsche, Vorstand Medizin der Johannesstift Diakonie Risikosituationen bei Patienten vorberei- tet, etwa bei drohender Sepsis-Gefahr, die für Ärzte vorzeitig oft nur schwer vorhersehbar sei, so Fritsche: „So können wir Maßnahmen ergreifen, um Schlim- meres zu verhindern. Der Job der KI im Krankenhaus ist es, das Gesamtbild einer sich entwickelnden Patientensituati- on im Auge zu behalten und Ärzte und Behandler auf kritische Informationen und Laborwerte hinzuweisen.“ Drei Eckziele haben die Partner für die kommenden Jahre anvisiert: Arbeitser- leichterungen für die Klinikmitarbeiter, Patienteneinbindung in digitale Prozesse und eine gemeinsame Datenbasis nebst maximaler Interoperabilität für sämtliche Einrichtungen im Klinikverbund. Dafür hat sich der Konzern eine private Cloud im eigenen Rechenzentrum eingerichtet: „In der Partnerschaft mit Nexus öffnen wir diese nun auch für externe Partner und setzen eine VNA, ein herstellerun- abhängiges Archiv, oben auf die Cloud auf.“ Die Daten seien hierdurch auch von außen zugreifbar. Dafür sei es wichtig, sie den richtigen Patienten über einen Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Master Patient Index zuzuordnen. Die Johannesstift Diakonie orientiert sich dabei am Vorgehen großer Häuser: „Wir lassen gerade für unsere Krankenhäuser den Master Patient Index entwickeln - parallel zu einem ähnlichen Projekt, das es bereits bei Charité und Vivantes gibt. So bleiben wir kompatibel.“ Neuentwicklungen nach Bedarf der Ärzteschaft Außerdem entwickelt der Sozialträger mit Nexus an seiner Seite auch neue Lösun- gen. Als Teilprojekt wird eine Plattform für Patienten und ambulant Versorgte anvisiert. „Die Menschen aus unseren Pflegeeinrichtungen kommen oft in unsere Krankenhäuser“, führt Dr. Fritsche aus. „Hierfür möchten wir den Schatz an me- dizinischen Informationen über Patienten an den Orten verfügbar machen, wo sie als nächstes benötigt werden.“ Investiert wird auch in die Weiterentwick- lung von „Advanced Reporting“ zur struk- turierten Befundung“, berichtet Nexus: „Durch die Einbindung digitaler Daten aus den Medizingeräten, gepaart mit Ergeb- nissen künstlicher Erkennungsalgorithmen (KI), werden passende Textstrukturen au- tomatisiert in Befundberichte eingefügt.“ Es sei aber noch viel Entwicklungsarbeit im KI-Bereich zu leisten. Langfristige Zusammenarbeit mit neuem Geschäftsmodell Der zeitliche Ablauf der Innovationspart- nerschaft geht über den KHZG-Förder- zeitraum bis 2024 hinaus und sieht eine Zusammenarbeit bis 2026 vor: Durch die Bündelung der Investitionen über 20 Millionen Euro für die zehn Kranken- hausstandorte werde das Digitalisierungs- projekt als Gesamtvorhaben auch für die Industrie interessanter, schlussfolgert Dr. Fritsche. „Diese Erkenntnis ist sicher für viele Klinikmanager relevant, weil so mehr Kraft in die Projekte fließt, als wenn jedes Krankenhaus seine Vorhaben allein bewerkstelligt.“ Als Projektziele bis Ende 2024 haben die Partner anvisiert, alle Medizingeräte 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 57 N E G N U D N E W N A E L A T I G I D

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 t r e n n e T l e u n a M © Visitenwagen am Martin Luther Kran- kenhaus in Berlin Schmargendorf. Sämtliche Daten sollen in Zukunft digitalisiert und bereichsübergrei- fend online bereit- gestellt werden, um Medienbrüche zu vermeiden. © Manuel Tennert N E G N U D N E W N A E L A T I G I D ohne Medienbrüche und Informations- verluste an das KIS anzubinden und alle Kommunikationsprozesse mit Patienten und medizinischen Partnern digital anzu- bieten. „Auch wenn wir möglicherweise noch nicht jede Sprechstunde und jeden Fragebogen digital umgestellt haben, wollen wir bis dahin zumindest zeigen können, wie wir mit Patienten digital über App und Internet kommunizieren.“ Als dritte Zielsetzung wurde der operative KI-Einsatz in Risikosituationen festgelegt. Eine ambitionierte Zielsetzung, die das Spannungsfeld zwischen straffen gesetz- lichen Fristen, Wünschen des Kranken- hausverbunds und dem Projektumfang öffnet. „Es gilt, die Mitarbeitenden von Anfang an mitzunehmen“, betont Daniel Heine. Auch der Vorstand bei der Johannesstift Diakonie hofft, dass die Umsetzung des „ehrgeizigen Projektbündels“ gelingt, wenn alle mitziehen. Angesichts des neuen Geschäftsmodells ist der Vorstand zuversichtlich: „In anderen Industrien ist es längst üblich, Flatrate-Tarife zu zah- len. Bei Netflix ist es selbstverständlich, nicht für jede Folge einzeln zu bezahlen. Nur der deutsche Krankenhaussektor praktiziert das noch nicht.“ Mit der Über- windung der Einzellizenzen soll sich die Digitalisierung der Kliniken administrativ radikal beschleunigen: „Wir müssen keine hundert Einzelentscheidungen mehr treffen und Budgetverhandlungen über Das Innovative ist, dass wir unser voll- ständiges Produkt- portfolio öffnen und in einer ein- heitlichen Oberflä- che bereitstellen.“ Daniel Heine Vertriebs- leiter, Nexus AG Einzelprojekte führen. Der Softwarepart- ner steht uns immer sofort zu 100 Prozent zur Verfügung“, resümiert Dr. Frische. „Das ist angesichts der Komplexität auch notwendig.“ ▬ Anna Engberg Freie Journalistin Besuchen Sie unsere Themenwelt DMEA auf kma-Online.de 58 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Schlau geplant – Lösungen für das Krankenhaus der Zukunft Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Report kma Bauen Planen Technik 2023 kma Klinik Management aktuell www.kma-online.de August 2023 ISSN: 1615-8695 / eISSN: 2510-8220 Auch als E-Paper auf kma Online! Jetzt buchen! N E G N U D N E W N A E L A T I G I D DAS RESILIENTE KRANKENHAUS Wie Kliniken auch in unsicheren Zeiten den Betrieb während eines Ausfalls der Strom- oder Wasserversorgung sicherstellen können. Revolution Roboter auf der Baustelle Planung Fachkräftemangel berücksichtigen Anzeigenschluss 19.07.2023 Erscheinungstermin 16.08.2023 Sondernewsletter Bauen Planen Technik 17.08.2023 Bauen Planen Technik Themenwelt auf kma Online m o c . e b o d a . k c o t s / y l F n a C I e v e i l e B I © The Show must go on Patienten erwarten zu Recht, dass Krankenhäuser auf einen Blackout oder den Ausfall der Wasserversorgung vorbereitet sind. Zu einem sicheren Aufenthalt in der Klinik gehören auch Trinkwasserhygiene, ein wirksamer Brandschutz und flexible Zutrittskontrollen. Gestiegene Bauzinsen sowie hohe Baukosten stellen Krankenhäuser zusätzlich vor große Herausforderungen. Bei alldem müssen die Krankenhäuser ihre Wirtschaftlichkeit im Blick behalten. Buchen Sie jetzt Ihren Medienauftritt! Setzen Sie sich mit uns in Verbindung: Lutz Benecke, Head of Advertising, lutz.benecke@thieme-media.de, Tel.: +49(0)711/89 31-954 www.kma-online.de/lp/mediadaten/ 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 59

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 PATIENTENSTEUERUNG N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Mehr Transparenz dank Teletracking Patientenströme leiten, Betten voll auslasten, OP-Kapazitäten, Reinigung und Transport in Echtzeit mana- gen. Neue digitale Workflow-Systeme erobern derzeit den Markt. In aller Munde ist dabei unter anderem „Teletracking“. Im Vordergrund stehen dabei nicht die Systeme als IT-Plattform, sondern der grundlegende Wandel, den eine Klinik dafür bereit sein muss, „in Kauf“ zu nehmen – von dezentralisierten Planungen in Abteilungen hin zur Zentralisierung im gesamten Haus. Teletracking, das ursprünglich aus Pitts- burgh (USA) stammt, wird bei der Etablie- rung in Deutschland sehr unterstützt. So auch von „passion4Health“. Der Think-Tank hilft Kliniken bei ihrer Digitalisierungsstra- tegie, prüft Software aus dem Ausland und hilft bei Anpassungen für den deutschen Gesundheitsmarkt. Wenn eine OP ver- schoben werden muss, der Patient nur im Bett liegt und nichts pas- siert, dann fungie- ren wir in diesem Moment als Hotel. Dr. Raimar Goldschmidt, CDO Klinikum Braunschweig Darüber ist auch eine Zusammenarbeit mit dem Klinikum Braunschweig zustande gekommen. Managing Director Peter Herr- mann: „Viele Kliniken stehen heute unter großem finanziellem Druck und schreiben Verluste. Mit einem System, dass von zentraler Stelle die Patientendurchläufe im Blick hat und steuert, kann man Ver- weildauern reduzieren und die Auslastung optimieren. Damit senkt man signifikant Kosten und entlastet das Personal.“ Die gesamte Patientenlogistik könne man da- mit rapide verbessern, die Wartezeiten auf ein Bett für die Patienten merklich senken und dabei die Organisationsaufgaben von Ärzteschaft und Pflegepersonal spürbar reduzieren. Im Idealfall so Hermann, gäbe es in der Klinik einen eigenen Leitstand, Termi- nals, an denen medizinisch ausgebildetes Personal das Geschehen im Krankenhaus überwacht. Experten sehen die Betten- zuordnung, die Notaufnahme, können schnell reagieren, Transporte organisie- ren, mobile medizinische Geräte orten. Vieles geschieht automatisch im Hinter- grund. Das gibt einen riesigen Schub für die Zukunft. „Wir stecken heute in den Kliniken immer noch in Organisationsformen fest, die nicht den Patienten in den Mittelpunkt stellen. Da ist von „meinen Betten“ und „meiner Station“ die Rede. Das neue System fokussiert auf die Optimierung der gesamten Einrichtung“, resümiert Herrmann. Paradigmenwechsel Zentralisierung Der Paradigmenwechsel sei die Zentra- lisierung. Transport, Reinigung, Geräte, Betten – das gehört allen zu jeder Zeit. Denn wichtig sei, die teure Ressource bestmöglich auszulasten und zu nutzen: mehr Patienten, mehr Umsatz, weniger Kosten, Verweildauer der Patienten runter. In Großbritannien und den USA ist Tele- tracking bereits vielerorts seit mehreren Jahren im Einsatz. „passion4health“ war mit deutschen Krankenhausmanagern auch dort schon vor Ort, um das System anzuschauen. In den USA etwa bewerben sich inzwischen Pflegekräfte zum Teil nur noch an Kliniken, in denen Teletracking im Einsatz ist, damit sie Zeit für ihre ei- gentlichen Aufgaben in der Pflege haben. Herrmann, der auch Sprecher des Clubs für Gesundheitswirtschaft ist, sagt: „Besucher in solchen Kliniken wundern sich oft, wie ruhig es auf der Station ist. Viele koordi- nierende Telefongespräche entfallen.“ Am Städtischen Klinikum Braunschweig ist Teletracking bereits installiert (kma berichtete). In einem ersten Schritt wurde es zur „Corona-Nachverfolgung“ auf der Kinderstation getestet, um nachvollziehen zu können, welche Patienten im Falle einer Corona Infektion miteinander Kontakt hatten. Die Testphase wurde erfolgreich abgeschlossen, mit einer Nutzungsrate von über 99 Prozent bei den Patienten. Doch diese Funktionalität ist nur ein kleiner Teil der neuen Technologie. Die heutige Herausforderung ist: Wie belege ich optimal meine Betten? Deshalb soll Teletracking in Braunschweig immer weiter ausgerollt werden. Elektivprogramm als Messlatte „Neben der Notfallversorgung muss heute im Mittelpunkt eines Maximalversorgers das zeitnahe Abarbeiten des Elektivpro- gramms stehen“, sagt Dr. Raimar Gold- schmidt, CDO Klinikum Braunschweig und Geschäftsführer von „skbs.digital“. „Eine unserer aktuellen Herausforderun- gen ist, dass zu viele Patienten aus der Notaufnahme uns bei der Bearbeitung des Elektivprogramms behindern, da Bet- tenkapazitäten fehlen.“ In Braunschweig 60 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 . s l e d o m y b d e s o P . o t o h P k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s / ff o k n e d o r o G © N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Teletracking ist vergleichbar mit einem Tower am Flughafen. Der Tower oder hier eben der Leitstand sei das Gehirn, der das Geschehen in „real time“ steuern kann. © Gorodenkoff / stock.adobe.com – Stock Photo. Posed by models. 90 Prozent durchschnittliche Auslastung am Universitätsklinikum Bonn Quelle: Dr. Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor gibt es rund 1 500 Betten, aber aufgrund einer dezentralen Belegung der Betten fehlt der zentrale Überblick über verfüg- bare Kapazitäten. Deshalb wurden und werden gute Prozess-Analysen gemacht. Wie viele OP sollen stattfinden, wie viele Ärzte der jeweiligen Fachrichtung brauche ich? Welche Ressourcen (OP, Bett, Pflege) habe ich verfügbar? Das Bett ist immer nur eine Ressource von vielen. Goldschmidt: „Wenn eine OP verschoben werden muss, der Patient nur im Bett liegt und nichts passiert, dann fungieren wir in diesem Moment als Hotel.“ Das funktioniert nicht im harten Überlebens- kampf auf dem Krankenhaus-Markt. Zehn Vollzeitkräfte sitzen deshalb ab Ende des Jahres im zentralen Leitstand des Braun- schweiger Klinikums, kümmern sich um das Transport-, Belegungs-, Reinigungs- management. Der Leitstand sieht auch, wie voll die Notaufnahme ist und passt die operative Planung immer wieder aktuell an die Kapazitäten an. Leitstand wie im Tower am Flughafen „Ready to move“, heißt es dann, wenn der Patient untersucht, geröntgt, operiert ist und in sein Zimmer auf die passende Station gebracht werden kann. Niemand sucht mehr nach dem Patienten, der ge- rade in der Notaufnahme, der Radiologie oder von der Station abgeholt werden soll. Und: wenn ein Patient entlassen wird, wird zukünftig nicht mehr die Pflegekraft das freie Bett zur Reinigung anmelden. Der Patient wird sein Armband mit Sensor bei Verlassen des Hauses in eine Box werfen. Das System weiß dann sofort, dass der Rei- nigungsdienst verständigt werden kann. So wird maximale Transparenz erzeugt. Klinische Personalressourcen werden sinnvoll eingesetzt. Man müsse sich das vorstellen, wie am To- wer am Airport Frankfurt, so Goldschmidt. Der Tower oder hier eben der Leitstand sei das Gehirn, der das Geschehen in „real time“ steuern kann. Man müsse auch schauen, was an „Gate B“ läuft. Wenn´s in der Urologie, Kardiologie oder anderswo „klemmt“, könne man schneller gegensteu- ern. Auch für die Geschäftsführer der Klinik sei das die Chance, aktiv und tagesaktuell zu agieren und nicht nur retrospektiv in Auswertungen zu schauen, was nicht lief. Der Leitstand des Klinikum Braunschweig wird sogar in einem etwas entfernten Gebäude sitzen, räumliche Nähe ist nicht nötig. 24 Stunden rund um die Uhr und das sieben Tage die Woche ist er in Betrieb. Auch nachts um drei Uhr können Patienten dann anrufen und es nimmt einer ab. Teletracking ist – im Gegensatz zu anderen Anbietern, zum Beispiel aus den Niederlan- den und einem Start-up aus Berlin – eine fertige ausgereifte Software, die es in deutscher Version gibt und die auf einer europäischen Cloud läuft. Sie muss nur noch in die Infrastruktur des jeweiligen Krankenhauses eingebettet werden, HL 7, FHIR Standards, Schnittstellen können 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 61

N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Titelthema ▶ Special DMEA 2023 genutzt werden. Es ist eine rein technische Aufgabe, Programmierung ist nicht nötig. Teletracking ist kein IT-Projekt, sondern Thema des Change-Managements. Der Erfolg gibt dem Anbieter recht. Teletracking als Workflow-Technik lässt die Angestellten anders als vorher arbeiten. Sie ändern automatisch ihre Abläufe. Auf einem Betten-Board steht die gesamte Übersicht. Eine App auf dem Klinik-Handy macht sie sichtbar für die Transport-Einheit. Aber auch als Ortungstechnologie kann das System behilflich sein. Mit kleinsten Sensoren kann bei Bedarf ermittelt wer- den: Wo befindet sich gerade der Patient, wo der dringend benötigte Oberarzt, wo sind gerade frei gewordene bewegli- che medizinische Geräte? Das reduziert unnütze Suchzeiten. In Braunschweig, als deutschlandwei- tem Vorreiter, wird Teletracking bereits mit dem Patientenportal kombiniert, auch zur Überleitung an nachsorgende Einrichtungen nach der Entlassung. „Es ist schon beeindruckend, was man alles damit machen kann.“ Jörg Meyer ist Country Leader der Teletra- cking Germany GmbH. „Unsere Aufgabe ist es, Vertrieb, Marketing und Service für den deutschen Markt zu übernehmen. Wir wollen die Kliniken mit unseren deutschen Mitarbeitern unterstützen“, sagt er. Die Kinderklinik sei das erste Pilotprojekt in Deutschland gewesen. Meyer betont: „Teletracking ist kein Wettbewerber zu KIS, hat mit Abrechnung, Medizin und Do- kumentation nichts zu tun. Es ist ein rein operatives Managementsystem.“ Derzeit interessieren sich Krankenhäuser – vom Regional-Player bis zum Maximalversor- ger – in ganz Deutschland für das System. Für die meisten sei das Problem nicht die Finanzierung, sondern dass sie randvoll mit digitalen Projekten bei gleichzeitiger personeller Überlastung sind. Auch das Universitätsklinikum Bonn (UKB), welches den dritthöchsten Case-Mix- Wir stecken heute in den Kliniken im- mer noch in Organi- sationsformen fest, die nicht den Pati- enten in den Mittel- punkt stellen. Da ist von „meinen Bet- ten“ und „meiner Station“ die Rede. Peter Herrmann, Managing Director passion4health Index in Deutschland aufweist und sogar in den Corona-Jahren Fallzahl-Zuwächse verzeichnete, hat sich dem Thema ge- widmet. Das UKB hat als eine der ersten deutschen Uni-Kliniken die elektronische Krankenakte komplett eingeführt und ein zentrales OP-Management installiert. Jetzt wird passend dazu das automatisierte Bettenmanagement realisiert. Prof. Dr. Dr. Wolfgang Holzgreve, MBA, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender sagt: „Lange haben wir die Logistik sorgfältig überprüft – jetzt werden auch wir nach einer Ausschreibung solch ein zentrales System ausrollen. Wir stehen unter stän- digem Druck mit einer durchschnittlichen Auslastung von 90 Prozent. Allein über 190 Kinder mit angeborenen Herzfeh- lern stehen beispielsweise auf unserer Warteliste für eine OP.“ Man erhoffe sich mithilfe solcher Plattform ein erfolgreiches überlappendes Arbeiten zwischen Intensiv- und Normalstation, OP-Bereich, Transportdienst und Reini- gung. Ressourcensparendes Arbeiten sei so wichtig wie nie. Und niemand wolle, so Holzgreve, dass Steuern und Kranken- kassenbeiträge steigen. Jeder im Haus hat alle Daten im Blick Als ärztlicher Chef will er, dass generell alle im Haus, jederzeit dieselben Daten auf dem Bildschirm haben. Das schaffe Trans- parenz zwischen Stationen, Abteilungen und Verwaltung. Die Vernetzung bis hin zum Entlassmanagement schaffe einen großen Zeitgewinn. Holzgreve: „Wenn eine zentrale Leitstelle den Überblick hat, können wir besser priorisieren.“ So soll ein Leitstand in Bonn dann mit eigenem qualifiziertem Personal aus dem Hause in Betrieb gehen. Stufenweise wird danach alles ausgeweitet. Dies sei gerade für eine Uni-Klinik, die sehr komplex arbeite, besonders wertvoll. Auch Jared Sebhatu, Vorstand der digi- tal health transformation eG ist von den in Deutschland noch nicht etablierten Patientenflow-Systemen überzeugt. Bei der datenbasierten Steuerung klinischer Prozesse habe Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch einen großen Aufholbedarf. Erst im letzten Jahr war Sebhatu mit einer Delegation von Genos- senschaftsmitgliedern aus Krankenhäusern und Klinikgruppen in Dänemark. Es war dort spannend zu sehen, wie Mitarbeiter interaktiv agieren und jederzeit wissen, wo im Behandlungspfad der Patient ak- tuell steht. Allein, dass man nicht stän- dig Informationen hinterhertelefonieren muss – das hat schon ein riesiges Potential. Kommunikation und Koordination werden signifikant erleichtert.“ Aber die Umsetzung brauche Zeit und vor allem Vertrauen auf Seiten des Personals. Die zentralisierte Kapazitätsplanung sei bisher oft daran gescheitert, dass die de- zentralen Bereiche keine Verantwortung abgeben wollen. Man müsse Abläufe und Verantwortungsbereiche ändern, das führe häufig zu Reibung. Es geht also um die Veränderungsbe- reitschaft und darum, dass Vorreiter wie Braunschweig und Bonn in Deutschland zeigen, was es mit dem Mehrwert für Per- sonal und Organisation auf sich hat. ▬ Kathrin Reisinger Freie Journalistin 62 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 ID GMBH & CO. KGAA Sicherheit im elektronischen Verordnungsprozess Nahezu jeder Patientenaufenthalt im Kran- kenhaus beinhaltet eine Arzneimittelthera- pie. Ob beim Informationsaustausch zwischen Behandlern, dem Verwalten der Medika- mentenbestände oder der korrekten Gabe des Medikamentes an den Patienten: die Digitalisierung dieser komplexen Prozesse kann die Qualität erhöhen und die Sicherheit verbessern. Mit einer teilautomatisierten Workflowunter- stützung begleiten ID MEDICS®, ID DIACOS® PHARMA und ID PHARMA APO Ärzt:innen, Pflegende und Apotheker:innen bei allen Tä- tigkeiten mit Bezug zur Arzneimitteltherapie zuverlässig und sinnvoll. Angefangen bei der schnellen und korrekten Umwandlung der ambulanten auf die stationäre Medikation bis zur Ermittlung der Entlassmedikation – in- klusive bundeseinheitlichem Medikationsplan (BMP) – hilft die Software dabei, Prozesse zu beschleunigen und die Versorgungsqualität zu verbessern. Alle Module sind darauf ausgerich- tet, die Medikationssicherheit zu verbessern. Deshalb beinhalten sie den Medikationscheck ID PHARMA CHECK®. Dieser prüft nicht nur die dokumentierte Medikation auf Interaktionen, sondern berücksichtigt im Hinblick auf uner- wünschte Ereignisse auch die vorhandenen Patientenparameter. Dank der ID-Produkte sind Medikationsdaten digital verfügbar. Das trägt zu einem verbes- serten interprofessionellen Austausch und somit zu optimal genutztem Know-How bei. Denn Krankenhausapotheker:innen werden mit Funktionen für die Verwaltung von Arznei- mittellisten, zur Ansteuerung von Unit-Dose- Systemen sowie zur Erfassung von Verbräuchen für die Materialwirtschaft eingebunden. Sie haben so die Möglichkeit schnell zu reagieren und fehlende Medikamente zu bestellen. Au- ßerdem sind sie bei einem Konzil schnell im Bilde und können optimal beraten. Im Rahmen der DMEA 2023 stellt ID erstmals die neue Insulinplankomponente vor. Damit © ID GmbH & Co. KGaA steht dem Anwender ein Modul zur Verfügung um die Komplexitäten einer Insulintherapie in einer Softwarelösung abzubilden. Prozesse wie die Anordnung eines Insulinplanes mit und ohne Korrekturfaktor, sowie Bearbeitung und Gabedokumentation können damit abgebildet werden. Mit der Blutzuckerverlaufskurve und der möglichen Einspeisung von Blutzucker- werten aus dem Labor sowie der händischen Eintragung behalten Anwender den Blutzu- ckerverlauf Ihres Patienten mit einem Blick & Klick im Auge. Verbessern Sie die Arzneimitteltherapiesicher- heit in Ihrem Haus mithilfe von ID-Lösungen. Sie geben Ihnen die Chance, Abläufe effizienter zu gestalten und so die Qualität des komplexen Medikationsprozesses und die Sicherheit für den Patienten zu erhöhen. Ein optimiertes Medikationsmanagement und weniger Do- kumentationsaufwand für die Behandler sind gern gesehene Nebenwirkungen. ▬ Unternehmensnachricht von ID Information und Dokumentation im Gesundheitswesen GmbH & Co.KGaA Platz vor dem Neuen Tor 2 10115 Berlin info@id-berlin.de http://www.id-berlin.de Tel.: +49 (0)30 / 246 26-0 Fax: +49 (0)30 / 246 26-111 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 63

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 DIGITALE HELFER FÜR DIE SKOLIOSETHERAPIE Therapeuten entlasten, Patienten besser betreuen Zwei neue digitale Anwendungen unterstützen Patientinnen und Patienten bei der konservativen Skoliose behandlung. Die Übungen können von ihnen zu Hause allein durchgeführt werden. N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Mit dem Begriff Skoliose wird eine struk- turelle dreidimensionale Deformität der Wirbelsäule mit Seitabweichungen und Rotation einzelner Wirbel bezeichnet. Es ist die häufigste Wirbelsäulenerkrankung bei Kindern und Jugendlichen, wobei die drei Wachstumsschübe (Geburt bis zum dritten Lebensjahr, drittes Lebensjahr bis zum Beginn der Pubertät, Pubertät) die Hochrisikophasen darstellen. Bis zu 80 Prozent aller Kinder in Deutschland haben eine Haltungsschwäche, welche sich im Laufe der Zeit zu einer Skoliose entwickeln kann. Eine Therapie ist auf- wändig, teils schmerzhaft und für die betroffenen Kinder und Jugendlichen stark belastend. Etwa 90 Prozent aller Skoliosen sind idiopathisch: trotz klini- scher und radiologischer Untersuchun- gen kann bei diesem Befund keine klare Ursache festgestellt werden. Allein in Deutschland sind über 900 000 Perso- nen betroffen. Für die Klassifizierung des Schweregrades der Krankheit wird der sogenannte Cobb-Winkel herangezogen, welcher mit Hilfe eines Röntgenbildes aus der Krümmung der Wirbelsäule in der Frontalebene errechnet wird. Die therapeutischen Maßnahmen richten sich anschließend nach der Ausprägung der Deformation. Leichte und mittlere Skoliosen bis zu einem Cobb-Winkel von 40 Grad werden vorrangig konservativ in Form von Korsetts, Physiotherapie und FED behandelt. Bei schweren Skoliosen erfolgen häufig operative Eingriffe. Digital assistiertes Skoliose- Therapiesystem Im Bereich der konservativen Therapie empfiehlt die International Society on Scoliosis Orthopaedic and Rehabilitation Treatment (SOSORT) für die Verbesserung des Gesundheitszustands (Regredienz) idiopathischer Skoliosen dreidimensionale Autokorrektur-Behandlungsverfahren. Im Zentrum dieser physiotherapeutischen Therapieverfahren steht dabei eine Hal- tungskorrektur durch aktiv vom Patienten 64 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg. U W I r e f o h n u a r F / r e b o h c S n a b a F © i Das iScoolio Interface-Modul leitet Patientinnen und Patienten für ihre Übungen an und gibt direktes Feedback. © Fabian Schober / Fraunhofer IWU Skoliose ist die häufigste Wirbel- säulenerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. 90 Prozent aller Skoliosen lassen sich nicht einer Ursache zuordnen. ausgeführte segmentale Bewegungen. Ein Beispiel für die verschiedenen Behand- lungsverfahren mit dreidimensionaler Autokorrektur ist die Schroth-Therapie, die sich insbesondere in Deutschland etabliert hat. Die durch Therapeuten angeleitete Methode basiert auf gezielten Bewegungsübungen der paravertebralen Zielmuskulatur und der so genannten Drehwinkelatmung. Ziel ist es, dass der Patient selbstständig eine aufrechte Körperhaltung erreicht. Diese aktiven Therapieübungen setzen voraus, dass die Patienten die anspruchsvollen Be- wegungsabläufe kognitiv und motorisch nachvollziehen und umsetzen können. Hierfür bedarf es bisher einer direkten Betreuung durch einen Therapeuten oder Arzt. Doch dieser Aufwand ist meist sowohl organisatorisch, logistisch als auch zeitlich zu hoch. Für den Alltag fehlen geeignete Therapiesysteme und Therapiemöglichkeiten. Insbesondere

U W I r e f o h n u a r F / e z t e i R a c i s s e J © Armablagen mit Notaus Fixationsarme Korsett Bedienpult mit mobilem Therapeuten- display und Zubehör (o.) Skolio-FED (Fixation, Elongation, Derota- tion): Besseres Feedback für Patienten, kindge- rechtes Design. © Jessica Rietze / Fraunhofer IWU (r.) iScoolio im Einsatz bei einer Skoliosethe- rapie. Abgebildet sind alle Komponenten des Systems: Das Stab-Modul (sensorische Gym- nastikstäbe), das Wearable-Modul (Weste mit- samt Sensoren), das Interface-Modul (Tablet mit App) und das Balance-Modul (sensorisches Balanceboard), welches für die visualisierte Übung nicht notwendig ist. © Fabian Schober, Lukas Boxberger / Fraunhofer IWU Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Patienten- aufhängung Schwenkarm mit Sensor und Patien- tendisplay Höhenverstellung Kompressionsarm Beckenfixierung Bodenwaage zur Messung der Gewichts- entlastung U W I r e f o h n u a r F / r e g r e b x o B s a k u L , r e b o h c S n a b a F © i N E G N U D N E W N A E L A T I G I D solche, die zu Hause, ohne großen Auf- wand und ohne therapeutische Betreuung möglich sind. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen bietet nun Möglichkeiten, diese Lücke zu schließen. Im Projekt iScoolio entwickelte das Fraunhofer-Institut für Werkzeug- maschinen und Umformtechnik IWU die technologische Basis für eine ganzheitliche und individualisierte Skoliose-Therapie mit körperlichen Übungen zum Aufbau der Körperhaltungsmuskulatur bei Skoliose. Projektpartner waren die Unternehmen Protronic Innovative Steuerungselekt- ronik und Fuzz Tech IT Solutions sowie das Universitätsklinkum Jena. Dank eines digitalen Assistenzsystems aus Hard- ware- und Softwarekomponenten er- möglicht iScoolio einen Therapieansatz, der lediglich einer Supervidierung von Ärzten und Therapeuten bedarf. Das System gewährleistet ein umfassendes Patienten-Monitoring, Echtzeitfeedback und Langzeitkontrolle über den Thera- pieerfolg. Visuelle Rückmeldungen in der App geben Patientinnen und Patien- ten die Sicherheit, ohne therapeutische Präsenz durchgeführte Übungen auch „richtig“ gemacht zu haben. Zusätzlich steigern ein digitales Nutzerprofil und Gamification-Elemente die Motivation. Bei ihren Übungen tragen Patienten eine mit Sensoren bestückte Weste. Die Senso- ren übernehmen das Motion Tracking und überwachen die Atmung. Für das Nachvoll- ziehen der Bewegungsabläufe ist also kein Kamerasystem erforderlich. Konzipiert ist iScoolio für die eigenständige Heim- therapie von Skoliose-Patientinnen und -Patienten. Zusätzlich könnte es aber in physiotherapeutischen Praxen eingesetzt werden, um zum einen die Motivation zu steigern, zum anderen eine sichere und parallele Betreuung von mehreren Patientinnen und Patienten durch einen Therapeuten zu ermöglichen. Therapiegerät und Simulations- plattform Bei geringem Haltungsschaden kann der Patient durch aktive Therapien, wie bei- spielsweise eine angepasste Kranken- gymnastik und eine Haltungs- und Ver- haltensschulung, die Aufrichtung seiner Wirbelsäule trainieren. Passive Unterstüt- zungsformen wie etwa die Korsettbehand- lung sind notwendig, wenn die Skoliose schon weiter fortgeschritten ist. In einigen 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 65

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Ländern wie Polen und Spanien hat sich die geräteunterstütze FED-Methode (Fixation, Elongation, Derotation) aufgrund guter Behandlungsergebnisse durchgesetzt. Hierbei wird die skoliotische Wirbelsäu- lenverkrümmung durch intervallartige Druck- und Entlastungsphasen korrigiert. Der Patient nimmt die erzielte Aufrichtung bewusst wahr und soll sie in den Druck- pausen selbstständig halten. Damit ist die Therapie eine Kombination aus passiver und aktiver Behandlung und verkürzt ins- gesamt die Dauer konservativer (physio- therapeutischer) Therapiemethoden. In KiTS (Kindgerechtes Therapiegerät und Simulationsplattform für die Skoli- osebehandlung), einem Projekt mit dem Institut für Biomedizinische Technik der Technischen Universität Dresden und dem Institut für Physiotherapie des Universi- tätsklinikums Jena, hat das Fraunhofer IWU nun ein neuartiges multifunktionales therapeutisch-diagnostisches System entwickelt, das besonders junge Patienten im Fokus hat. Im Projekt ist auf Grundlage der verwendeten Systeme in Polen und Spanien ein neues ansprechendes funk- tionelles Design entstanden, welches die Akzeptanz mit integriertem visuellem Feedback verbessern soll. Die Umsetzung N E G N U D N E W N A E L A T I G I D Visuelle Rückmel- dungen in der App geben Patientinnen und Patienten die Sicherheit, ohne therapeutische Präsenz durch- geführte Übungen auch „richtig“ gemacht zu haben. Grundlage einer FED-Visualisierung kann der Arzt somit eine auf die Bedürfnisse des Patienten angepasste Therapie entwi- ckeln. Wie iScoolio gibt auch Skolio-FED Patienten visuelles Trainingsfeedback und stärkt über Gamification-Funktionen die Motivation – ein wichtige Voraussetzung für den Therapieerfolg gerade bei sehr jungen Patientinnen und Patienten. ▬ erfolgte durch die Entwicklung von platz- sparenden aktorischen Pushern, druckaus- lösende Arme für die Haltungskorrektur mit integrierten Sensoren, die Rückmel- dung über die Haltungskorrektur in den Druckpausen geben. Durch die Konzep- tionierung des weiterentwickelten FED- Gerätes als Baukastensystem, bietet es die Möglichkeit zur Erweiterung der Funk- tionalität und Nutzung als Simulations- und Messplattform zur Neuanpassung von Skoliose-Korsetten. Über Sensoren registrierte Bewegungen des Patienten schaffen außerdem die Datenbasis für Therapieempfehlungen: Auf Florian Günther M.Sc., Wissenschaft- licher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschi- nen und Umform- technik IWU, Dresden. © Florain Günther / Fraunhofer IWU Marcel Müller M.Eng., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschi- nen und Umform- technik IWU, Dresden. © Marcel Müller / Fraunhofer IWU Abonnieren Sie den kostenlosen kma Newsletter! 1/3 Seite quer, linke Seite 177x80mm, im Satzspiegel Kunde: AZ_kma Newsletter ABO_177x80_141021 Die wichtigsten News per E-Mail; 1X pro Woche; Jederzeit kündbar Mit dem kma Newsletter erhalten Sie jeden Mittwoch kostenlos die aktuellen Nachrichten und Personal- meldungen aus der Gesundheits- wirtschaft – von der Redaktion ausgewählt und zusammengetragen mit Blick auf Ihr Klinikmanagement. muss mit >> kann an einer anderen Stalle platziert werden https://lp.thieme.de/newsletter/kma/ 66 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg. Infos und Datenschutzerklärungen: https://newsletter.kma-online.de/frm/?cam-paign=kmaonline; Devices: © Halyna / stock.adobe.com – Edit by Thieme

DATENMANAGEMENT & DATENSCHUTZ Titelthema ▶ Special DMEA 2023 m o c . e b o d a . k c o t s / n o m a A © ANONYMISIERUNG KI-Systeme sicherer machen Im Kompetenzcluster AnoMed entwickelt ein Konsortium neuartige anonymitätsbewahrende Datenver- arbeitungsverfahren sowie eine öffentlich zugängliche Plattform, mit der Entwickler von KI-Systemen ihre verwendeten Anonymisierungsverfahren testen können. Ob Prophylaxe, Diagnosestellung, Therapie oder Nachsorge – in allen Bereichen der Medizin fallen inzwischen riesige Men- gen von Patientendaten an, die nicht nur gespeichert und verwaltet, son- dern – das Einverständnis der Patienten vorausgesetzt – auch für die Forschung verwendet werden. Falls die Patienten ihr Einverständnis unter der Voraussetzung geben, dass eine anonymitätsbewahrende Datenverarbeitung erfolgt, müssen die Forscherinnen und Forscher sicherstel- len, dass die veröffentlichte Studie keine Rückschlüsse auf personenbezogene Patientendaten zulässt. Eine klassische Anonymisierung der Patientendaten aber lässt solche Rückschlüsse zu, zum Beispiel durch Querreferenzierung mit anderen Daten, was nicht mehr dem Stand der Forschung entspricht. Deshalb entwickelt ein Konsortium im Kompetenzcluster An- oMed neuartige anonymitätsbewahrende Datenverarbeitungsverfahren sowie eine öffentlich zugängliche Plattform mit einer Reihe an medinischen Testaufgaben und De-Anonymisierungsangriffen, um Ano- nymisierungsverfahren für medizinische Anwendungen zu testen. AnoMed ist eines von fünf Kompetenzclus- tern des Forschungsnetzwerks Anonymi- sierung für eine sichere Datennutzung, das seit Ende 2022 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird (siehe Kasten). Die riesigen Mengen an anonymisierten Patientendaten wer- den vor allem für die Entwicklung von Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI) benötigt. Beim Maschinellen Lernen zum Beispiel trainieren Wissenschaftler Algorithmen mit Röntgenbildern und weiteren medizinischen Informationen, damit sie Tumore auf den Aufnahmen 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 67

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 DREI FRAGEN AN ... Prof. Dr. Esfandiar Mohammadi Wie können Unbefugte über einen Algorithmus an personenbezogene Daten gelangen? Die jüngste Forschung hat eine Reihe neuartiger Angriffe auf KI- Techniken gefunden. Bei einem maschinellen Lernalgorithmus zum Beispiel versuchen Angreifer, Infor- mationen über die Trainingsdaten aus dem Maschinenlernmodell zu extrahieren. Falls die Trainingsda- ten Patientendaten beinhalten, können sie dadurch Rückschlüsse auf Patientendaten ziehen. Prof. Dr. Esfandiar Mohammadi, Institut für IT-Sicherheit der Universität zu Lübeck, ist wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzclusters AnoMed. Z T U H C S N E T A D & T N E M E G A N A M N E T A D © Raphael Reischuk Gibt es Techniken, um diese Angriffe zu verhindern? Ja, die gibt es. Neuartige anony- mitätsbewahrende Lernalgorith- men lernen nur sehr vorsichtig aus einzelnen Datenpunkten und lernen daher nur Effekte, für die es nicht nur Evidenz von einzelnen Personen gibt, und von Ausreißern wird nur mäßig gelernt. Dazu müssen wir die Lernalgorithmen entsprechend anpassen. Bei kleinen Datensätzen kann dieses Vorgehen problematisch sein. Deswegen entwickeln wir komplementär dazu sichere verteilte Lernverfahren, die sicherstellen, dass ver- schiedene medizinische Institutionen, die gemeinsam Studien durchführen, gemeinsam sicher ein Modell lernen können: Jede Partei lernt dabei nur das finale Modell, nichts über die Daten der anderen Parteien. Wie realistisch ist es überhaupt, dass ein Angreifer Daten aus einem Algorithmus extrahiert? Wir sind aktuell noch in einer Phase der IT-Sicherheit, in der Angriffe zwar bekannt sind, es aber noch keine organisierten kriminellen Strukturen gibt, die das ausnutzt. In dieser Phase war das Internet vor 20 Jahren. Heutzutage gibt es organisierte Kriminalität, die die Schwachstellen im Internet ausnutzt, um zum Beispiel Krankenhäuser anzugreifen und zu erpressen. Wir sollten darauf vorbereitet sein, dass sich die organisierte Kriminalität früher oder später den medizinischen Algorithmen ▬ widmet. Das Interview führte Dr. Michael Lang, freier Journalist. k u h c s i e R l e a h p a R © Heute gibt es organisierte Kriminalität, die die Schwach- stellen im Internet ausnutzt, um Krankenhäuser anzugreifen und zu erpressen. Wir sollten darauf vorbereitet sein, dass sich die organisierte Kriminalität früher oder später den medizi- nischen Algorithmen widmet. Prof. Dr. Esfandiar Mohammadi, Institut für IT-Sicherheit der Universität zu Lübeck mittels Mustererkennung identifizieren können. Da es theoretisch möglich ist, aus dem Algorithmus Informationen über die Röntgenbilder zu extrahieren und Rückschlüsse auf individuelle Patienten zu ziehen, sollen Entwickler die Plattform nutzen können, um ihre Algorithmen gegen Datenlecks abzusichern. Testplattform für Algorithmen Aktuell bauen die beteiligten Forsche- rinnen und Forscher die Infrastruktur für die Testplattform mit einem rechnungs- starken GPU-Cluster auf – einem auf KI- Verfahren ausgelegter Rechnerverbund; im Projekt sollen auch Algorithmen un- tersucht werden, die medizinische Bilder analysieren. Außerdem implementieren die Sicherheitsexperten von AnoMed Anonymitäts- und Nützlichkeitstests. Geplant ist, dass Entwickler aus aller Welt ihre Anonymisierungslösung in Form von Algorithmen auf die Plattform hochla- den. Die Experten von AnoMed unter- suchen dann im Rahmen von Studien mit simulierten Angriffen, ob der zur Prüfung eingereichte Algorithmus den De-Anonymisierungsangriffen standhält und falls nicht, wo die Schwachstellen lie- gen. Damit die De-Anonymisierungstests einmal vollautomatisch ablaufen kön- nen, werden die Experten von AnoMed auch untersuchen, welche indirekten Rückschlüsse sie aus den resultierenden Studien ziehen können, und wie poten- zielle Angreifer sogenannte Seitenkanal- information dabei nutzen könnten, um 68 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Projekt AnoMed Koordinator: Universität zu Lübeck Projektpartner: Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz, Kiel Eppdata, Hamburg Ingrano Solutions, Berlin Perfood, Lübeck UniTransferKlinik Lübeck DFKI, Kaiserslautern Universität Hamburg Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck Fraunhofer IMTE, Lübeck Volumen: rund 10 Millionen Euro Laufzeit: November 2022 bis November 2025 Lösungen, relevant. Deshalb beschäftigt sich AnoMed auch mit medizintechnischen Prüfungen. In diesem Rahmen stellt Ano- Med FPGA-Hardware (Field Programmable Gate Array) zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um programmierbare integrier- te Schaltkreise, die zum Beispiel für die Echtzeitverarbeitung von Algorithmen verwendet werden. KI-Entwickler sollen so die Effizienz ihrer Hardware beurteilen können – ob zum Beispiel ein Medizin- gerät eine gute Batterielaufzeit hat und trotzdem noch eine gute Nützlichkeit und Anonymisierung hinbekommt. Komplementär zu den technischen Be- trachtungen wird sich AnoMed mit den rechtlichen Fragestellungen beschäftigen, die im Zusammenhang mit den anonymi- tätsbewahrenden Lernverfahren auftreten. Die am Projekt Beteiligten wollen so ein tieferes Verständnis der rechtlichen Aus- wirkungen der neuartigen technischen Lösungen erarbeiten. Zum Beispiel wollen die Fachleute das Restrisiko im Kontext der aktuellen Gesetzte diskutieren. ▬ Dr. Michael Lang Freier Journalist #DMEA 2023 25. bis 27. April Thieme in Halle 4.2, Stand C-106 Besuchen Sie unsere Themenwelt DMEA auf kma-Online.de sensible Daten zu extrahieren. Bei einer Seitenkanalattacke wird der Algorithmus nicht direkt angegriffen. Stattdessen nutzt der Angreifer Erkenntnisse, die er aus beobachtbaren physikalischen Effekten bei der Verarbeitung der Daten gewinnt. Darüber hinaus überprüfen die Forsche- rinnen und Forscher, ob der Algorithmus nach der Anonymisierung noch brauchbare Ergebnisse liefert. Geplant sind auch Tests mit den Daten von MMIC-III, einer weltweit frei zugäng- lichen Datenbank mit standardisierten medizinischen Informationen von über 40 000 Patienten, die zwischen 2001 und 2012 auf der Intensivstation des Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston, Massachusetts, behandelt wurden. MMIC-III enthält unter anderem Daten zu Demografie, Vitalparametern, Laborergebnissen, Medikamenten und zur Sterblichkeit. Alle Daten wurden vor Auf- nahme in die Datenbank de-identifiziert, indem beispielsweise personenbezogene Daten gelöscht und Datumsangaben in die Zukunft verschoben wurden. Bessere Anonymisierungslösungen Eine zweite Säule von AnoMed befasst sich mit der Verbesserung von Anonymi- sierungslösungen. Dabei wollen die For- scherinnen und Forscher insgesamt sieben Klassen von medizinischen Algorithmen so verändern, dass sie Daten nur noch spärlich verwenden und so den Schutz der Privatsphäre nach dem Stand der Technik bewahren. Die zu entwickelnden Lösungen reichen von anonymitätsbewahrenden Lernverfahren, über spezielle Hardware- gestützte Berechnungsverfahren auf verschlüsselten Daten und die Härtung des Systems bis hin zur automatischen Informationsflussanalyse. Anonymitäts- bewahrende Lernverfahren zum Beispiel lernen nur sehr wenig von Ausreißern und mehr von Effekten, für die es nicht nur Evidenz von einzelnen Personen gibt. Für Medizinprodukte ist nicht nur die Entwicklung neuartiger Algorithmen, sondern auch die Entwicklung neuer Me- dizintechnik, inklusive neuer Hardware- 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 69 Z T U H C S N E T A D & T N E M E G A N A M N E T A D

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 IT-SICHERHEIT m o c . e b o d a . k c o t s / 8 6 1 o r i h c n e k © IT-SICHERHEIT IN KRANKENHÄUSERN Mehr als nur Auflagen und Regulatorik Bei den Anforderungen an die IT-Sicherheit kritischer Infrastrukturen ist Deutschland europaweit Vor- reiter. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen Entscheiderinnen und Entscheider aber nicht nur das regulatorische Umfeld verstehen, sondern IT-Sicherheit auch als integralen Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle begreifen. Ein erhöhtes Bedrohungspotenzial durch den Krieg in der Ukraine, immer straffer organisiertere Cyberkriminalität und eine durch Digitalisierung bedingt wachsende Angriffsfläche – nie war das Risiko für ela- borierte Cyberattacken auf Krankenhäuser so hoch wie in der heutigen Zeit. Nicht nur, weil die Krankenhäuser in entsprechenden Kreisen unter dem Ruf leiden, Lösegelder für die Freigabe verschlüsselter Daten und Systeme zu zahlen – sondern auch, weil die prekäre Lage der IT-Sicherheit deutscher Gesundheitseinrichtungen in einschlägigen Kreisen längst bekannt ist. Zwischen fünf und sieben Prozent des IT- Budgets sollen gängigen Best Practices zufolge in die Cyber Security fließen. In Deutschland investieren Krankenhäuser aber nur ein Bruchteil davon tatsächlich in entsprechende Strukturen. Das spüren auch die Angestellten: Bei einer Studie des Digitalverbands Bitkom aus dem Jahr 2022 gaben 74 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte an, dass Kranken- häuser in Deutschland ihrer Meinung nach häufig nicht genügend vor Cyberangriffen geschützt sind. 70 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 allem innerbetriebliche Faktoren betrach- ten, adressiert die Kritis-Gesetzgebung die Versorgungssicherheit der Bürgerin- nen und Bürger. Daraus leiten sich auch die konkreten Pflichten ab: Während ein gewöhnliches Unternehmen beispiels- weise abwägen kann, ob es in eine neue Firewall investiert oder nicht, müssen Kritis-Betreiber stets sicherstellen, dass die Folgen eines Hackerangriffes nicht die Versorgungssicherheit gefährden. Um diese Risiken zu vermeiden, müssen sie Investitionen in Cybersicherheit tätigen. Das gilt auch für die sogenannten Systeme zur Angriffserkennung (SzA), die Kritis- Betreiber ab dem 1. Mai nachweisen müs- sen. Dabei handelt es sich nach Definition des BSI um organisatorisch-technische Lösungen, die „geeignete Parameter und Merkmale aus dem laufenden Betrieb kontinuierlich und automatisch erfassen und auswerten“. Diese sollen dazu in der Lage sein, fortwährend Bedrohungen zu identifizieren und zu vermeiden sowie für eingetretene Störungen geeignete Beseitigungsmaßnahmen einzuleiten. Für Krankenhäuser bedeutet das: deutlich aufrüsten – zum Beispiel, indem sie ein Se- curity Information and Event Management (SIEM) implementieren. Dabei handelt es sich um eine Lösung, die kontinuierlich Daten aus IT, Netzwerk und operativen Betriebstechnologien (OT) sammelt, um Sicherheitsereignisse aus verschiedenen Quellen in Echtzeit zu analysieren. Da- durch kann sie Bedrohungen automatisch erkennen und Alarm auslösen, um eine schnelle Reaktion auf Sicherheitsvorfälle zu ermöglichen. Der Nachweis der SzA muss ab dem 1. Mai alle zwei Jahre erfol- gen. Die Qualität der eingesetzten Sys- teme gemäß Paragraf 8a Absatz 1a BSIG lässt sich von erfahrenen Kritis-Prüfern mit Hilfe eines Umsetzungsgradmodells bewerten und in einer durchgeführten Nachweisprüfung testieren. Um die Prüfung der SzA – und auch darüber hinaus – müssen sich Kritis- Betreiber selbstständig kümmern, sonst drohen hohe Strafen. Darüber hinaus kann das BSI zu jeder Zeit – mit oder ohne (Gesetz über das Bundesamt für Sicher- heit in der Informationstechnik) treffen die Betreiber kritischer Infrastrukturen umfangreiche Pflichten zum Schutz ihrer informationstechnischen Systeme. Davon sind Krankenhäuser betroffen, die die in der Kritis-Verordnung genannten Schwellenwerte von 30 000 vollstationären Fällen pro Jahr überschreiten. Proble- matisch: Solche harten Schwellenwerte führen im Zweifel zu Verzerrungen – etwa, wenn durch Freihaltepauschalen nicht die vollen Behandlungskapazitäten der Krankenhäuser erfasst werden. Ein Grund mehr dafür, dass IT-Sicherheit auch ohne direkte Auflagen ganz oben auf die Agenda der jeweiligen Geschäftsleitungen gehört. Sobald die NIS-2-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt ist, werden Krankenhaus- betreiber − unabhängig vom Erreichen der Schwellenwerte − betroffen sein, wenn sie mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen oder der Jahresumsatz oder die Bilanzsumme 10 Millionen Euro überschreiten. Branchenspezifischer Sicherheitsstandard (B3S) Unterstützung und Orientierung bei der Umsetzung der Regularien bietet derweil der branchenspezifische Sicher- heitsstandard (B3S) für Krankenhäuser. Er definiert Maßnahmen und Vorkehrungen, die Krankenhäuser für eine resiliente In- formationstechnik treffen müssen. Der Standard hilft den Verantwortlichen, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Da- rüber hinaus kann er kleineren Häusern bei der Umsetzung einer belastbaren IT-Sicherheitspraxis helfen, dient er doch der Patientensicherheit im Allgemeinen. Umfangreiche Nachweise erforderlich Obwohl sich der „B3S Krankenhaus“ an etablierten Sicherheitsstandards wie der ISO 27001 orientiert, ersetzt eine entspre- chende Zertifizierung nicht die Erfüllung der Vorgaben aus dem BSI-Gesetz, das durch das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 im Jahr 2021 für die Zertifizierung an entschei- denden Stellen geändert wurde. Denn während Normen und Zertifizierungen vor T I E H R E H C I S - T I 74 Prozent der Ärztinnen und Ärzte sind der Meinung, dass deutsche Kranken- häuser häufig nicht genügend vor Cyberangriffen geschützt sind. Quelle: Bitkom 2022 Kritis-Betreiber müssen stets sicher stellen, dass die Folgen eines Hacker angriffes nicht die Ver- sorgungssicher- heit gefährden. Regulatorisches Umfeld gewinnt an Dynamik Um das Risiko gefährlicher, IT-bedingter Betriebsunterbrechungen zu minimieren und damit die Versorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, gibt der Gesetzgeber eine Reihe von Min- deststandards für die IT-Sicherheit vor. Auf europäischer Ebene bildet die neue Richtlinie zur Sicherheit von Netz- und Informationssystemen (NIS 2) die aktuelle Grundlage dafür. Mit der Richtlinie gibt die EU eine Reihe von Pflichten vor, die dem Schutz von Systemen und Netzwerken kritischer Infrastrukturen dienen. Die NIS-2-Richtlinie ist noch nicht in deut- sches Recht umgesetzt worden. Trotzdem gibt es schon heute verbindliche Vorgaben für die IT-Sicherheit in Krankenhäusern in Deutschland. Gemäß Paragraf 8a BSIG 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 71

T I E H R E H C I S - T I Titelthema ▶ Special DMEA 2023 Sektoren und Schwellenwerte - Auszug Sektor Anlage Bemessungskriterium Schwellenwert Energie Wasser Ernährung Zentrale Anlage oder System für den Stromhandel Abgewickeltes Handelsvolumen in TWh/Jahr Gewinnungsanlage Gewonnene Wassermenge in Millionen m3/Jahr 3,7 22 Anlage zur Herstellung von Lebensmitteln Hergestellte Lebensmittel außer Getränke in Tonnen/Jahr 434 500 ITK und Telekommunikation Zugangsnetz Gesundheit Krankenhaus Teilnehmeranschlüsse des Zugangsnetzes nach Paragraf 3 Nummer 58 TKG 100 000 Stationäre medizinische Versorgung Vollstationäre Fallzahl/Jahr Laboratoriumsdiagnostik (kumulierte Anzahl der) Aufträge (im Verbund)/Jahr Finanz- und Versicherungen System zur Annahme einer Überweisung oder Lastschrift Anzahl der Transaktionen/Jahr oder Lastschrift Transport und Verkehr Infrastrukturbetrieb eines Flugplatzes Anzahl der Passagiere/Jahr Die Schwellenwerte für Krankenhäuser richten sich nach der Anzahl der jährlichen vollstationären Fallzahlen. © 2023 PwC Deutschland 30 000 1 500 000 100 000 000 20 000 000 Anlass – Sonderprüfungen vornehmen. Weil die Prüfungsqualität je nach Dienst- leister stark schwanken kann, sollten betroffene Krankenhausbetreiber auf etwaige Warnsignale achten. So deuten beispielsweise unverhältnismäßig niedrige Kosten oder sehr knappe Abschlussbe- richte auf eine Prüfungstiefe hin, die den BSI-Standards im Zweifel nicht standhält. Digitalisierung sorgt für stetig wachsende Angriffsfläche Weil sich die Krankenhaus-IT immer mehr von einer unterstützenden Rolle zu einer betriebskritischen Funktion wandelt, kön- nen Betreiber die Sicherheit ihrer Patien- tinnen und Patienten nur über eine sichere Digitalisierung gewährleisten. Schon jetzt arbeitet das medizinische Fachpersonal mit modernen OP-Robotern zusammen oder nutzt Augmented-Reality-Headsets, um wichtige Vitalfunktionen während der Operation im Blick zu behalten. Die- ser Digitalisierungsgrad wird in Zukunft deutlich fortschreiten und damit auch die Angriffsfläche für Cyberkriminelle erhöhen. Dazu trägt nicht zuletzt auch der große Anteil von OT (Operational Technology; Betriebstechnologie) in Krankenhäusern bei, die durch die Digitalisierung zuneh- mend mit der IT vernetzt wird. Beispiel: Die Steuerungssysteme von medizinischen Geräten und der Gebäudeinfrastruktur, die als Einfallstore für gezielte Cyberangriffe dienen können oder auch Schwachstellen für zufällige Kollateral-Infektionen mit Schadsoftware bieten. Damit werden für die Cyber Security wiederum Nor- men aus dem Umfeld der Prozess- und Automatisierungsindustrie relevant, zum Beispiel die IEC 62443. Dabei handelt es sich um eine Reihe von internationalen Standards für die sichere Konfiguration und den Betrieb von industriellen Kontroll- und Automatisierungssystemen. Diese Standards definieren die Anforderungen an die Cybersicherheit, um die Systeme angemessen vor Angriffen auf IT-Systeme und Prozesse zu schützen. Wie in anderen Branchen werden auch in deutschen Kliniken und Krankenhäusern immer mehr digitale, intelligente und automatisierte Dienste wichtige Aufgaben übernehmen. Ein hohes Schutzniveau für diese Infrastrukturen ist daher längst auch eine Frage der Patientensicherheit. Resi- liente IT-Systeme werden damit zu einem integralen Bestandteil der Geschäftsmo- delle und sollten dementsprechend nicht als reines IT-Compliance- oder Regulie- rungsthema missverstanden werden. Vielmehr braucht es ein Umdenken in den Geschäftsleitungen, Cyber Security auch aus eigener Motivation heraus möglichst robust aufzustellen. ▬ André Glenzer, Partner, Leiter KRITIS Center of Excellence bei PwC Deutschland. © PwC Jörg Asma, Part- ner, Leiter Digital Healthcare bei PwC Deutschland. © PwC 72 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 CYBERSICHERHEIT VON MEDIZINGERÄTEN Fundamental unsicher Das Verbundprojekt „MITSicherheit.NRW“ hat neue Instrumente zur Schwachstellenanalyse medizini- scher IT-Strukturen in Krankenhäusern entwickelt. Mit ihrer Hilfe haben die Experten der Fachhochschule Münster gravierende Sicherheitslücken aufgedeckt. 200 Arztpraxen mit offen aus dem Internet erreich- baren TI-Konnektoren haben die Forscher entdeckt. Wir haben Scans gemacht, bei denen plötzlich Medizin- geräte ausgestie- gen sind. Das darf natürlich im Kli- nikumfeld einfach nicht passieren – man denke etwa an ein wichtiges Medizingerät, das sich während einer OP aufgrund eines Scans ausschaltet. Sebastian Schinzel, Professor für Cybersicherheit im Fachbereich Elektrotechnik und Informatik der Fachhochschule Münster. T I E H R E H C I S - T I Laut des Security Report 2023 von Check Point Software Technologies, einem an der US-Börse gelisteten internationalen Unternehmen mit Stammsitz in Israel, sind Cyberangriffe im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr weltweit um 38 Prozent ge- stiegen, Angriffe auf den Gesundheitssek- tor sogar um 74 Prozent. In Deutschland gab es bereits diverse Cyberattacken, erst Ende Januar dieses Jahres etwa haben Hacker mehrere Krankenhäuser in Franken attackiert, unter anderem in Gerolzhofen und Schwabach. Vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Konflikts warnt das Bundesamt für Sicherheit in der In- formationstechnik (BSI) immer wieder vor einem erhöhten Risiko durch gezielte Cyberangriffe. Insbesondere sogenannte Unternehmen der kritischen Infrastruktur (Kritis), zu denen auch Krankenhäuser zählen, sind demnach gefährdet. Fast alle Cyberangriffe zielen bisher darauf ab, Angriffspunkte in der Microsoft Office- Infrastruktur zu finden, um darüber in die Verwaltungs-IT eines Klinikums einzudrin- gen. In Krankenhausnetzwerken befinden sich indes, neben der Verwaltungs-IT, auch Medizingeräte. Die von ihnen produzier- ten Daten existieren zunächst in unter- schiedlichen Formaten. In der klinischen Praxis müssen medizinische Systeme aber einheitlich miteinander kommuni- zieren und Daten austauschen können. Am häufigsten geschieht dies zwischen RIS, PACS, LIS und KIS, der Austausch muss allerdings auch zwischen Kliniken und sogar sämtlichen Institutionen des Gesundheitswesens stattfinden können. Dazu dienen die Standard-Kommunikati- onsprotokolle DICOM und HL7. Sie ermög- lichen zum Beispiel eine Standardisierung der Administration von Patientendaten, der Übermittlung von Befunden, aber auch des Materialmanagements und der Ressourcenplanung. Bezogen auf ein Krankenhausnetz heißt das somit, dass nicht nur die Server für die Verwaltungs- IT, sondern auch DICOM und HL7 Server über das Internet zugänglich sind – und dementsprechend Angriffspunkte für Cyberattacken bieten. Angriffspunkte aus dem Internet „Normalerweise werden zur Identifizie- rung von Sicherheitslücken sogenann- te Penetrationstests durchgeführt, bei denen ein System gezielt angegriffen wird. Netzwerkscanner suchen dabei verwundbare Geräte. Für medizinische Geräte gab es bislang jedoch noch keine zuverlässigen Scanner“, postuliert Prof. Sebastian Schinzel, Experte für Krypto- grafie, Cybersicherheit und Sicherheit medizinischer IT am Institut für Gesell- schaft und Digitales der Fachhochschule FH Münster. Diesem Manko widmete sich das durch den europäischen Fonds für regionale Entwicklung geförderte nordrhein-westfälische Verbundprojekt „MITSicherheit.NRW“. Die Forschungs- gruppe unter der Leitung von Sebastian Schinzel hat insgesamt drei Instrumente zur Verbesserung der Cybersicherheit ent- wickelt. Zunächst fokussierte sie sich auf den sogenannten Large-Scale-Scanner, mit dem sich zahlreiche Angriffspunkte aus dem Internet identifizieren lassen. Zudem erstellten sie den Scanner „Me- dVAS“, der einen Verwundbarkeitsscan der IT-Infrastruktur in Krankenhäusern bei laufendem Betrieb ermöglicht – sowie die Testumgebung „MedFUZZ“ für die medi- zinischen Standardprotokolle DICOM und 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 73

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 . l e d o m a y b d e s o P . o t o h P k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s / y n n a D s i o h W © T I E H R E H C I S - T I Stand heute gibt es weltweit etwa 700 bis 800 DICOM- Server im Internet, auf die man zugrei- fen und Daten her- unterladen kann. Christoph Saatjohann, Doktorand und Mitarbeiter des Labors für IT-Sicherheit der FH Münster HL7, mit der Medizintechnikunternehmen Sicherheitslücken oder Instabilitäten der eigenen Software testen können. Offene TI-Konnektoren Mit Hilfe des Large-Scale-Scanners wur- de das gesamte Internet gezielt nach verschiedenen Kommunikationsproto- kollen durchsucht. Dabei zeigte sich, dass diverse DICOM und HL7 Webserver und TI-Konnektoren ohne Schutz und Sicherheitsmaßnahmen zugänglich sind. Angesichts der steigenden Gefahr von Cyberangriffen auf den Gesund- heitssektor gilt es, auch die Standard-Kommunikationsprotokolle DICOM und HL7 besser gegen Hackerattacken abzusichern. © Who is Danny / stock.adobe.com – Stock Photo. Posed by a model. So fanden die Forscher etwa bundesweit 200 Arztpraxen, deren TI-Konnektoren aus dem Internet erreichbar waren. Die- se Sicherheitslücken konnten durch die Kooperation mit den zuständigen Be- hörden geschlossen werden. Dabei blieb es allerdings nicht: „Stand heute gibt es weltweit etwa 700 bis 800 DICOM-Server im Internet, auf die man zugreifen und Daten herunterladen kann. Man erhält die IP-Adresse, sie laden sich dann einen DICOM-Viewer herunter, geben die IP- Adresse dort ein und sehen live Patien- tendaten etwa aus Vietnam, Brasilien oder den USA“, berichtet Christoph Saatjohann, Doktorand und Mitarbeiter des Labors für IT-Sicherheit der FH Münster. Die Betreiber der Server in Deutschland haben darauf reagiert und die Schwachstellen behoben. Bei den ausländischen DICOM-Serverbe- treibenden war das Interesse indes nicht ganz so groß: „Da gibt es Länder, die sich einfach nicht dafür interessieren. Wir ha- ben das den entsprechenden Behörden gemeldet, aber teilweise gab es da null Feedback.“ Medizingeräte schließen Netzwerk- schnittstelle Den Scanner „MedVAS“, mit dem sich krankenhausinterne Netze auf Schwach- stellen überprüfen lassen, haben die Forscher vor Ort eingesetzt und ebenfalls Sicherheitslücken gefunden. „Wir haben Netzwerkscans gemacht, bei denen plötzlich Medizingeräte ausgestiegen sind. Da waren Sicherheitsprogramme in den Medizingeräten, die nach Erken- nung des Scans ihre Netzwerkschnitt- stelle geschlossen haben. Die werten so einen Scan als Angriff und stellen sich dann tot. Erst, wenn der Hersteller das Gerät auf seine Werkseinstellung zurück- setzt, funktioniert es wieder. Das darf 74 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Titelthema ▶ Special DMEA 2023 „Perspektivisch ist es sinnvoll, dass diese Standards in Richtung Sicherheit weiter- entwickelt werden. Sie beinhalten bereits wesentliche Elemente hierfür. Die werden von den Modalitätenherstellenden aber nicht unterstützt. Ein weiteres Problem ist die Verwaltung der Schlüsselzertifikate, um verschlüsselte DICOM-Kommunikation in der Praxis flächendeckend einsetzen zu können. Es wäre wünschenswert, hier eine Verbindlichkeit für Herstellende fest- zulegen und nach einer Übergangsfrist nur noch solche Modalitäten zuzulassen, welche die Sicherheitsanforderungen unterstützen“, unterstreicht Sebastian Schinzel. Denn angesichts der steigenden Gefahr von Cyberangriffen auf den Gesund- heitssektor dürfte man sich nicht dar- auf verlassen, dass Hacker ihre Attacken ausschließlich gegen die Verwaltungs-IT fahren. „Der Angriffsfokus liegt bisher auf der unzureichenden Absicherung der Microsoft Windows Netzwerke und noch nicht auf der Medizintechnik. Das ist eine reine Geschäftsentscheidung der Angreifer – bisher sind sie hier offenbar mit dem Fokus auf Windows-Komponen- ten besser gefahren. Das kann sich aber ändern, sobald man die Windowsnetz- werke besser abgesichert hat“, warnt der Experte. ▬ Martin Kucera T I E H R E H C I S - T I natürlich im Klinikumfeld einfach nicht passieren – man denke etwa an ein wich- tiges Medizingerät, das sich während einer OP aufgrund eines Scans ausschal- tet“, berichtet Sebastian Schinzel. Au- ßerdem wurden dabei, neben älteren Medizingeräten, deren Software veraltet oder bei deren Authentifizierung nur Standardbenutzernahmen und Passwör- ter hinterlegt waren, auch Server ent- deckt, die dort eigentlich gar nicht sein sollten. „Uns wurde etwa seitens einer Klinik gesagt, dass in einem speziellen Netzwerkbereich eigentlich überhaupt kein medizinischer Server stehen dürfte, wir haben dann aber tatsächlich einen HL7 Server gefunden, der dort nicht sein sollte“, so der Experte. DICOM und HL7 Das drängendste Problem, dass die For- scher mit diesen Methoden entdeckt haben, ist allerdings keines, das einzelne Krankenhäuser oder Medizintechnikher- steller beheben können. Es hängt damit zusammen, dass Krankenhausnetzwerke und damit auch DICOM und HL7 historisch gewachsen sind. Sie wurden Ende der 80er Jahre entwickelt – zu dieser Zeit konnte der Ottonormaluser noch nicht ins Internet, die Sicherheitslage war also eine ganz andere. „Heutzutage werden diese Protokolle aber im Grunde wie vor 20 oder 30 Jahren benutzt. Oft ist erstmal nicht vorgesehen, dass es da eine Authen- tifizierung und Transportverschlüsselung im krankenhausinternen Netz gibt, die Bilder sind oftmals für jeden zugänglich, der in der Lage ist, sein Netzwerkkabel in die richtige Buchse zu stecken. Und in wenigen Fällen sogar über das Internet. Die herstellerübergreifende Kommuni- kation ist insofern fundamental unsicher. Sobald Angreifer im Netzwerk vorhanden sind, können sie diese Daten lesen oder auch löschen und verschlüsseln. DICOM und HL7 haben wenige Funktionalitäten, um das zu verhindern“, gibt Sebastian Schinzel zu bedenken. Virtuelle Simulation der IT-Struktur Um die IT-Sicherheit von Medizingerä- ten innerhalb von Krankenhäusern zu Sobald Angreifer im Netzwerk vorhan- den sind, können sie diese Daten lesen oder auch löschen und verschlüsseln. DICOM und HL7 ha- ben wenige Funk- tionalitäten, um das zu verhindern. Sebastian Schinzel, Professor für Cybersicherheit im Fachbereich Elektrotechnik und Informatik der Fachhochschule Münster. erhöhen, widmet sich das im März letzten Jahres gestartete Nachfolgeprojekt von „MITSicherheit.NRW“, was die FH Münster in Zusammenarbeit mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) durchführt, der Entwicklung neuer Tools und Maßnahmen zur Detektion und vor allem Reaktion von Cyberangriffe gegen Krankenhäuser. Die Grundannahme ist hier, dass eine reine Prävention angesichts der zahlreichen erfolgreichen Cyberan- griffe gegen Krankenhäuser nicht mehr ausreicht. „Daher machen wir uns im Projekt MedMAX Gedanken darüber, wie man Cyberangriffe früh erkennen kann und mit welchen Mitteln sich die Resilienz von Kliniknetzen erhöhen lässt. Unter anderem werden wir daher eine virtuelle Kopie eines Teilsystems der Krankenhaus- IT-Struktur entwickeln, gegen das sich dann etwa Sicherheitsanalysen fahren lassen. Wir machen das also nicht am Produktivsystem mit seinen eigentlichen Medizingeräten, sondern simulieren diese Geräte und Gerätestruktur“ berichtet Christoph Saatjohann. Verbindlichkeit für Hersteller gefordert Was das Problem der fundamental un- sicheren herstellerübergreifende Kom- munikation mit DICOM und HL7 betrifft, geben die Experten die Handlungsemp- fehlung, jene Standards mit ausreichen- den Verschlüsselungs- und Authenti- fizierungsmöglichkeiten zu versehen. 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 75

Politik und Recht DOCTOLIB GMBH 5 Tipps für Ihre KHZG-Ausschreibung © istock/ipopba Stock-Fotografie-ID:1182619274 Seit Inkrafttreten des KHZG, geht ein Digitali- sierungsruck durch die deutsche Krankenhaus- landschaft. Motiviert von der Dynamik im Markt und der finanziellen Unterstützung durch Bund und Länder, führen viele Krankenhäuser erstmals Ausschreibungen in diesem Bereich durch, was Mitarbeitende aufgrund komplexer Vorgaben in der Vergabeordnung vor Herausforderungen stellt. Gleichzeitig besteht mit der Pflicht zur Umsetzung der Digitalisierungsvorhaben bis Ende 2024 zeitlicher Druck. Mit den Erfah- rungswerten aus mehr als 50 Ausschreibungen haben wir für Sie Tipps zusammengestellt, als Hilfestellung für Ihre Ausschreibungen. 1. Mut zu State-of-the-Art Technologie Aus Angst vor Fehlern wird in Ausschreibun- gen oft das bestellt, was bereits bekannt oder im Krankenhaus etabliert ist. Deutlich wird das zum Beispiel bei der Forderung nach “on- premise”-Lösungen, also der Installation von Servern und Software in den Räumlichkeiten der Klinik. Grundlage der Forderung ist oft die Annahme, dass die Software einfacher zu warten ist und Daten in diesem Setup sicherer sind. Jedoch ist meist das Gegenteil der Fall: Fortschrittliche Software-as-a-Service (SaaS)- Anbieter nutzen für ihre Lösungen zertifizierte Server in Europa, die datenschutzkonform sind, rund um die Uhr bewacht werden und auf das Hosting medizinischer Daten spezialisiert sind. Dieses Level an Sicherheit ist für Krankenhäuser on-premise so gut wie unmöglich umzusetzen. Auch die Wartung der Software und die Einspie- lung von Updates und neuen Features läuft bei SaaS-Lösungen automatisiert. Darüber hinaus bieten viele Anbieter innovative Lösungen mit modernen Benutzeroberflächen und speziali- sierte Systeme, die teilweise bessere Workflows ermöglichen als einfache Erweiterungen des bestehenden KIS. Es lohnt also, während der Markterkundung einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und eine DSGVO-konforme Lösung auszuschreiben, die technologisch den meisten Mehrwert liefert. 2. Fokus auf Umsetzungskompetenz Im noch jungen Markt der Patientenportale überbieten sich aktuell viele Hersteller mit den versprochenen Leistungen, tatsächlich überprüf- bar ist das selten. Wichtiger denn je ist es also, die tatsächliche Umsetzungsfähigkeit der Her- steller zu überprüfen. Die Einführung digitaler Innovationen gelingt nur mit einem erfahrenen Projektteam des Bieters. Zusätzlich sollte die finanzielle und personelle Leistungsfähigkeit ausreichend sein, um auch in schwierigen Situ- ationen den Erfolg des Projektes beim Kunden sicherzustellen. Kriterien wie ausreichende und transparente Umsätze oder Mitarbeiteranzahl können dafür genutzt werden. 3. Bündelung von Leistungen entlang der offiziellen KHZG-Anforderungen Viele Krankenhäuser teilen die einzelnen KHZG- Fördertatbestände in Lose auf, um bspw. den 76 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Politik und Recht besten Anbieter für jedes einzelne Paket aus- zuwählen. Das Portal sollte aus Patientenpers- pektive Ende-zu-Ende betrachtet werden. Wenn mehrere Lose gewünscht sind, ist es sinnvoll, diese Lose entlang der KHZG-Logik aufzutei- len, um ein hohes Maß an Standardisierung zu erreichen. Empfehlenswert wäre hier: Fördertatbestand 2 – Patientenportal: a) Aufnahmemanagement b) Behandlungsmanagement c) Entlassmanagement Viele Anbieter richten ihr Angebot entlang der offiziellen KHZG Kriterien aus. Verwenden Sie die gleiche Sortierung, können Bieter ihre Lösungen zum besten Preis und in der optima- len Qualität ins Rennen schicken. Andernfalls müssten Sonderlösungen entwickelt werden, was zu weniger Wettbewerb, höheren Preisen und längeren Umsetzungszeiten führt. 4. Volle Preistransparenz einfordern Manchmal ist es für den Auftraggeber schwierig sicherzustellen, dass im Angebot alles Benötigte inkludiert ist – und auch im Preis enthalten ist. Hier besteht das Risiko, dass Zusatzleistungen wie vollständige Umsetzung, Kundensupport nach der Einführung oder SMS-Kosten für Ter- minerinnerungen nicht oder nur unvollständig im Angebotspreis enthalten sind oder extra bepreist werden. Sie zahlen dann drauf, wenn Sie eigentlich gewünschte Leistungen abrufen möchten. Erfolgskritische Komponenten wie die telefonische Erreichbarkeit des Supports und vorab festgelegte Service Level Agreements vermeiden unnötigen Ärger. 5. Nicht in Muss- & Kann-Kriterien denken, sondern nachhaltige Mehrwerte ausschrei- ben Anstatt nur Muss- und Kann-Kriterien abzu- fragen, sollten Sie sich überlegen, was Sie im Rahmen eines Fördertatbestandes langfristig erreichen möchten. Sie sollten das KHZG nicht nur als IT- oder Compliance-Projekt sehen, sondern auch Input der Krankenhausleitung einfließen lassen: Wie steht das Krankenhaus im Markt da? Was sind die größten Herausforde- rungen? Und am Beispiel des Patientenportals: Geht es nur darum, den Fördertatbestand 2 zu erfüllen und den Patient:innen einen guten Service zu bieten? Oder möchten Sie mithilfe des Portals auch Neupatient:innen gewinnen, Netzwerke in der Region ausbauen, Kosten reduzieren und die Nutzung von Zusatzleis- tungen erhöhen? Wenn dies der Fall ist, dann sollten auch diese Anforderungen den Weg in die Ausschreibung finden. Viele Kriterien lassen sich schnell und handfest überprüfen. Wenn Sie bspw. über das Patientenportal den Zugang zu mehr Patient:innen erhalten möchten, lohnt ein Blick auf die aktiven Patient:innen der Anbieterpor- tale. Wenn die meisten der Patient:innen über Zuweiser in Ihr Krankenhaus kommen, sollten Sie auf eine Kompatibilität der Lösung mit dem niedergelassenen Sektor bestehen. Das KHZG ist eine einzigartige Chance, die Verpflichtung zur Digitalisierung und die zur Verfügung gestellten Fördermittel zu nutzen, um bestehende Herausforderungen anzuge- hen. In der Rolle der Auftraggeber empfiehlt es sich generell, bei der Ausschreibung kritisch zu hinterfragen und die wichtigsten Punkte für das eigene Krankenhaus bei der Fülle der Anbieter und Angebote nicht aus dem Blick zu verlieren. ▬ ‣ Weitere Informationen Sie wünschen Informationen zu Doctolib Hospital – dem Patientenportal für die digitale Vernetzung aller Akteure im und um das Krankenhaus? Dann laden Sie sich unsere Produktbroschüre herunter: doctolib.info/kma-hospital oder vereinbaren Sie gerne ein unverbindliches Beratungsgespräch unter doctolib.info/kma-kontakt Unternehmensnachricht von Doctolib GmbH Mehringdamm 51 10961 Berlin doctolib.info/kma-kontakt 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 77

Politik und Recht KRANKENHAUSREFORM Bund und Länder auf Konfrontationskurs Der Ton zwischen Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) und den Ländern über die geplante Krankenhausreform wird schärfer. Drei Länder lassen per Rechtsgutachten die Verfassungsmäßigkeit der Reformpläne prüfen. Das BMG dagegen lehnt Öffnungsklauseln bei Leistungsgruppen ab. Auf dem Krankenhausgipfel am 13. März schien es kurzzeitig so, als hätten sich alle Beteiligten wieder lieb. Trotz aller inhalt- lichen Gegensätze bemühten sich Karl Lauterbach und NRW-Gesundheitssminis- ter Karl-Josef Laumann (CDU) um einen versöhnlichen Tonfall. Kurz danach war der verbale Burgfrieden schon wieder beendet. Laumann ging nur einen Tag später mit einem Schreiben an die NRW- Krankenhäuser erneut auf Konfrontations- kurs. In dem Schreiben, das der „Rheini- sche Post“ vorlag, beharrte Laumann auf die Planungshoheit der Länder und verbat sich Aussagen von Lauterbach, die im Grundsatz den NRW-Krankenhausplan in Frage stellten. Für den CDU-Minister wäre es „unverantwortlich, den in Nordrhein- Westfalen über mehrere Jahre gut vor- bereiteten Reformprozess abzubrechen“, appellierte er an die Krankenhausträger. Gemeinsam mit seinen Amtskollegen in Bayern und Schleswig-Holstein will Laumann die geplante Reform jetzt auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Die drei Landesregierungen for- derten dafür ein Rechtsgutachten bei Prof. Ferdinand Wollenschläger an, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europa- recht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität Augsburg. Es soll klären, ob die geplante Reform zu weit in die Kompetenz der Bundesländer eingreift. Das Ergebnis der Prüfung soll noch im Frühjahr vorliegen. Im Grundsatz tobt der Streit über die Frage, ob der Bund bei der Klinikreform grundlegende Strukturvorgaben, etwa bei den geplanten Versorgungsstufen und Leistungsgruppen, vorgeben kann t t e b n e k n a r K : s e g a m i i g n w o l l i o f g n i s u e m e h T y b d e s o p m o c s a w e g a m m o c . e b o d a . k c o t s / n n a p a r p © e d n ä H ; m o c . e b o d a . k c o t s / r e y a B m o T © i e h T Intensives Fingerhakeln: Zwischen den Ländern und Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach sind Kernpunkte der Reform weiter umstritten. Erste Kompromisse zeichnen sich aber ab. The image was composed by Thieme using following images: Krankenbett © Tom Bayer / stock.adobe.com; Hände © prapann / stock.adobe.com oder damit unzulässig in die verfassungs- rechtlich zugesicherte Planungshoheit der Länder eingreift. Seit Beginn der Gesprä- che hatten die Länder deswegen immer wieder von Lauterbach weitreichende Öff- nungsklauseln und Ausnahmetatbestände eingefordert, weil die Versorgungsstruk- turen in den Ländern heterogen seien. So stehen Flächenstaaten aus Sicht der Länder vor ganz anderen Herausforderungen als Stadtstaaten, ebenso wie ländliche Räume im Vergleich zu Ballungsgebie- ten. Laumann formuliert deutlich: „Die Länder dürfen im Krankenhausbereich nicht zur reinen Umsetzungsbehörde des Bundesgesundheitsministers wer- den.“ Der Gesundheitsminister müsse sich entscheiden: „Will er eine Krankenhaus- reform umsetzen, die quasi alleine unter wissenschaftlichen Laborbedingungen entworfen worden ist, oder will er die Expertise der Praktiker mit einbeziehen und aus den Erfahrungen anderer lernen.“ Um seine Reform inhaltlich durchsetzen zu können, muss der Bund hingegen grundle- gende Vorgaben machen, u.a. weil durch durch die Reform die bisherigen Fallpau- schalen durch ein neues System von Vor- haltepauschalen und Versorgungsstufen geregelt wird. Es dürfe nicht sein, „dass in einem Bundesland die Nephrologie anders definiert wird als in anderen Bundeslän- dern. Und dann soll eine ‚Billignephrologie‘ mit weniger Ausstattung die gleichen Vorhaltepauschalen bekommen wie ein Krankenhaus, dass diesen Bereich deutlich besser ausstattet? Das geht nicht.“ Dabei hatten sich zuvor erste Kompro- misslinien abgezeichnet. Bei ihrem ersten Fortsetzung auf Seite 80 78 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

NOTFALLVERSORGUNG So wollen Experten die Notfallversorgung organisieren Die Expertenkommission der Bundesregierung hat inzwischen Empfehlungen für die Notfallversorgung vorgelegt. Notfallzentren und integrierte Leitstellen sollen danach künftig eine schnellere und effektivere Versorgung garantieren. Die Reaktionen darauf fallen gemischt aus. Im vergangenen Jahr hatten viele Notaufnahmen und Rettungs- dienste über Überlastung geklagt. Auch die Kommissionsmitglie- der kommen in ihrer Stellungnahme zu dem Fazit: „Insgesamt bedingen die momentanen Strukturen eine unnötige Gefährdung der Patientinnen - und Patientensicherheit bei gleichzeitig subopti- maler Effizienz des Ressourceneinsatzes.“ Auch der Hartmannbund mahnt, dass die Notfallreform längst überfällig sei. „Die Tatsache, dass bereits seit 2020 ein – damals auf Basis einer Empfehlung des Sachverständigenrates Gesundheit entstandener – Referentenent- wurf zur Reform der Notfallversorgung ungenutzt in den Schub- laden des Gesundheitsministeriums schlummert, sollte Mahnung genug sein“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Prof. Dr. Anke Lesinski-Schiedat. Laut Empfehlungen der Kommission sollen Patienten in Deutschland künftig durch neue Leitstellen und Notfallzentren versorgt werden, wodurch die oft unter großer Belastung arbeitenden Notaufnahmen der Krankenhäuser sowie die Rettungsdienste entlastet werden sollen. Die Versorgung solle dort stattfinden, wo sie medizinisch sinnvoll sei. Die Vorschläge sehen unter anderem den Aufbau neuer integrierter Leitstellen (ILS) vor. Dabei sollen Patienten künftig durch so eine Leitstelle eine telefonische oder telemedizinische Erstein- schätzung bekommen. Auf deren Basis sollen sie einer passenden Notfallbehandlung zugewiesen werden. Ergänzend sollen auch sogenannte integrierte Notfallzentren (INZ) geschaffen werden, die aus einer Notaufnahme eines Kran- kenhauses sowie einer Notfallpraxis niedergelassener Ärzte bestehen soll. Die Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung als auch der Krankenhäuser am INZ sei verpflichtend. Damit sei sichergestellt, dass die Lasten gleich verteilt werden. Die Praxen sollen unter anderem an Werktagen von 14 bis 22 Uhr besetzt sein, was die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kritisiert. So fragt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen, wann die Ärzte dann noch ihre eigenen Praxen betreiben sollen. Aus Sicht der KBV seien bei den Empfehlungen zwar brauchbare Ansätze dabei, vieles erscheine aber unrealistisch. Der Verband der Universitätsklinika Deutschland (VUD) verweist darauf, dass die Notfallzentren in der Regel an den Krankenhäusern mit den G-BA-Notfallstufen 2 und 3 andocken sollen. „Denn dort wird die interdisziplinäre Politik und Recht . s l e d o m y b d e s o P . o t o h P k c o t S – m o c . e b o d a . k c o t s / a x i p u © Durch die Notfallreform sollen die oft unter großer Belastung arbeiten- den Notaufnahmen entlastet werden. © upixa / stock.adobe.com – Stock Photo. Posed by models. Kompetenz gebündelt vorgehalten“, sagt Prof. Jens Scholz, 1. Vorsitzender des VUD. „Alter Wein in neuen Schläuchen“, kommentiert der Präsident der Landesärztekammer Hessen, Dr. Edgar Pinkowski, die Reformvor- schläge. Seit März 2022 gebe es bereits das hessische Modellprojekt „Sektorenübergreifende ambulante Notfallversorgung“, das von „Praktikern für Praktiker“ gemacht wurde. „Im Gegensatz zur Reform, die im Elfenbeinturm von Ministerium und beratenden Kommissi- onen entstanden ist“, sagt Pinkowski. Mit den Reformvorschlägen wolle die Politik eine personalintensive Struktur einrichten, wobei unklar ist, wo das Personal herkommt und wer es bezahlen wird. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verweist darauf, dass es bei den Planungen darum gehen müsse, realistische Mindest- standards festzulegen. Im Ergebnis müsse eine flächendeckende Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung gewährleistet sein. „Diese Notfallreform ist die große Chance, wirklich neu zu denken“, sagt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß. Schon jetzt würden vielerorts KVen und Krankenhäuser eng zusammenar- beiten, dies sollte künftig flächendeckend stattfinden. Unabdingbar sei jedoch, dass die geforderten Leistungen und Vorhaltungen in vollem Umfang refinanziert werden. „Verbesserungen sind nicht durch bloße Umverteilungen im System erreichbar“, so Gaß. ▬ Luisa-Maria Hollmig 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 79

Politik und Recht G M B / e k c E s a m o h T © g a t s e d n u B r e h c s t u e D / k t s t h c a h c S g n n n e H © i Gesundheitsminister Karl Lauterbach fordert einheitliche Kriterien für Leistungsgruppen.© Thomas Ecke / BBMG Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) fordert weitge- hende Öffnungsklauseln. © Henning Schacht stk / Deutscher Bundestag Fortsetzung von Seite 78 inhaltlichen Arbeitstreffen Anfang Februar hatten sich der Minister und seine Amts- kollegen aus den Ländern grundsätzlich auf die Möglichkeit von Öffnungsklauseln und Ausnahmetatbeständen verständigt, vor allem bei der Frage der geplanten Versorgungslevel. Bei dem Thema sig- nalisierte der Bund zumindest teilweise Kompromissbereitschaft, als Reaktion auf die heftigen Reaktionen in den Län- dern auf eine von der DKG beauftragten Auswirkungsanalyse der Reform. In der Studie des Hamburger Institute for Health Care Business (HCB) hat eine Forschergruppe unter Leitung des Gesund- heitsökonomen und HCB-Geschäftsführers Prof. Boris Augurzky die Auswirkungen der geplanten Klinikreform simuliert. Bei scharfer Auslegung der Reformvor- schläge wären laut der Analyse von den 1 700 deutschen Krankenhausstandorten hunderte Klinikstandorte der Grundver- sorgung in ihrer jetzigen Form von der Schließung bedroht. Zudem müssten auch viele mittelgroße Krankenhäuser ihre große Geburtsklinik schließen, wenn sie bestimmte andere Abteilungen wie zum Beispiel eine Stroke-Unit nicht vorhalten. Ferner würden die Pläne laut Analyse zu einem erheblichen Mehraufwand für Es kann nicht sein, dass in einem Bundesland die Nephrologie anders definiert wird als in anderen Bundesländern. Prof. Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister Patienten führen, weil es bei vielen Krank- heitsbildern zu einer Verschiebung zahlrei- cher medizinischer Leistungen an andere Standorte kommen würde. So müssten sich 52 Prozent aller werdenden Mütter einen neuen Standort für die Geburt su- chen, 56 Prozent der Patientinnen und Patienten in der interventionellen Kardio- logie müssten das Krankenhaus wechseln. Beim BMG weist man die Ergebnisse der Analyse jedoch vehement zurück. Diese seien ungerechtfertigte „Panikzahlen“ der Krankenhäuser, sagt Lauterbach. Der Minister kündigte inzwischen eine eigene Auswirkungsanalyse an. Mehr Flexibilität durch Öffnungsklauseln Um die Wogen zu glätten, ist Lauterbach nicht grundsätzlich gegen mehr Flexibi- lität durch Öffnungsklauseln, besonders bei der Frage der Versorgungslevel. So könnte laut Minister möglicherweise von der Auflage, eine Abteilung für Gy- näkologie und Geburtshilfe und eine Schlaganfalleinheit („Stroke Unit“) zu unterhalten, um einen Versorgungslevel zu erreichen, abgesehen werden. Nämlich dann, wenn ein benachbartes Haus diese Stroke Unit auch anbiete. Dennoch ist der Minister strikt gegen weitreichende und großflächige Öffnungsklauseln. Noch größer war bei Redaktionsschluss der Dissens beim Thema Leistungsgruppen. Nach den Vorschlägen der Kommission soll zukünftig über definierte Leistungsgrup- pen den Krankenhäusern vorgeschrieben werden, welche Mindestanforderungen sie in den einzelnen Fachabteilungen vorhal- ten müssen. Häuser, die das nicht können, dürfen die jeweiligen Leistungen nicht mehr anbieten. Im Ansatz folgt die Kom- mission damit eigentlich den Plänen, wie sie Nordrhein-Westfalen mit dem eigenen neuen Krankenhausplan umsetzen will. Besonders Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) pocht jedoch bei den Leistungsgruppen auf weitgehende Öffnungsklauseln für die Länder.▬ Guntram Doelfs 80 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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Politik und Recht l a t i p s o H y t i s r e v i n U s u h r a A © Das neue Aarhus Universitätshospital wurde 2019 fertiggestellt. © Aarhus University Hospital VORBILD DÄNEMARK Qualität vor lokaler Nähe Unter dem Namen „Danish Super Hospital Programme“ investiert Dänemark seit 2007 rund sieben Milliarden Euro in 16 neue Krankenhaus-Standorte. Martin Nyrop Holgersen vom dänischen Gesundheits- ministerium erklärt, was es mit der Zentralisierung des dortigen Gesundheitswesens auf sich hat. Seit 15 Jahren widmet sich das „Danish Super Hospital Programme“ dem Bau zentralisierter Krankenhausstandorte in Dänemark: „Einige der 16 Projekte sind neue Bauvorhaben, andere Erweiterun- gen von bestehenden Kliniken“, erklärt Martin Nyrop Holgersen, Team Lead bei Data, Infrastructure and Cyber Security (DAICY) im dänischen Gesundheitsmi- nisterium. Holgersen beaufsichtigt die neuen, klinischen Bauprojekte in den fünf dänischen Regionen Nord- und Mitteljüt- land, Süddänemark, der Hauptstadtregi- on und Seeland. Er weiß: „Im dänischen Gesundheitssystem herrscht derzeit ein Bauboom und das Super-Krankenhaus- Programm ist ein Teil davon.“ Das vom dänischen Staat zu 60 Prozent finanzierte Programm ist in die nationa- le Strategie für das Gesundheitswesen eingebunden und zielt nicht, wie viele vermuten, auf Kosteneinsparungen und schicke Bauten, sondern auf eine grund- sätzliche Umstrukturierung auf organisa- torischer Ebene. Ein Expertengremium aus Gesundheitsökonomen erarbeitete das neue Konzept, das auf eine bessere Patien- tenversorgung bei gleichzeitig sinkenden Patientenzahlen abzielt. 2007 wurden die 13 dänischen Bezirke auf fünf Regionen reduziert: „Es war eine politische Entschei- dung, eine neue Krankenhausstruktur zu schaffen und diese mit staatlichen Mitteln zu unterstützen.“ Sieben Milliarden Euro für das Upgrade Die eingesetzten Mittel belaufen sich auf eine Fördersumme von sieben Milliarden Euro. Ein großer Teil hier- von ist bereits in Informations- und 82 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Politik und Recht j m a e T t c e o r P l a t i p s o H e s n e d O © Das neue Universitätshospital Odense bietet auf 247 000 Quadratmetern Platz für 855 Betten. Eine Photovoltaikanlage auf 25 000 Quadratmetern produziert 4,5 Millionen kWh pro Jahr. © Odense Hospital Project Team Kommunikationstechnologien sowie Medizintechnik geflossen. Das erklärte Ziel der dänischen Regierung: Die neuen Standorte sollen nach ihrer Eröffnung vier bis acht Prozent effizienter sein als zuvor. Kann das gelingen? Tatsächlich hätten einige Krankenhäuser ihre spezifische Zielvorgabe schon erreicht, berichtet der Experte. Doch wie ist der Status Quo in Däne- mark? Die geplanten Projekte aus dem Super-Krankenhaus-Programm seien zu 74 Prozent technisch abgeschlossen, so der Zwischenstand im dänischen Gesund- heitsministerium im September 2022. Von den 79 Krankenhausstandorten im Jahr 2007 werden bis zum Jahr 2026 nur noch 53 Standorte vorhanden sein – eine er- hebliche Reduktion mit klarer Zielsetzung, denn es geht in zweiter Instanz natürlich auch um Kostenreduktion, vor allem aber um Qualität- und Effizienzsteigerungen. Ambulante Versorgung wird ansteigen „Krankenhäuser zahlen häufig sehr viel für die Bereitstellung von Ressourcen, die am Ende gar nicht benötigt werden“, beschreibt Holgersen die Lage der Klini- ken. Das habe auch Auswirkungen auf die Patientenversorgung: „Gerade ältere, multimorbide Patienten erhalten oft eine eher unbefriedigende Behandlung bei teils ganz unterschiedlichen Behandlern. Mit dem Super-Krankenhaus-Programm wollen wir deshalb zugleich auch die Kohä- renz zwischen den Sektoren verbessern.“ Dazu gehört in Dänemark die Vision ge- meinsamer Notaufnahmen, die in den vergangenen Jahren sukzessive umgesetzt wurde: „Das Land ist von 45 Kranken- häusern mit mehreren Notaufnahmen im Jahr 2005 auf 21 Krankenhäuser mit gemeinsamen Notaufnahmen im Jahr 2018 übergegangen“, erklärt der Ministeriums- sprecher. Acht weitere Krankenhäuser seien außerhalb vom Super-Krankenhaus- Programm ebenfalls am Zusammenschluss der Notaufnahmen involviert. Zusätzlich zur geografischen Konzentration werde der Zugang zu den gemeinsamen Notauf- nahmen eingeschränkt, indem dänische Patienten für die klinische Behandlung nun eine Überweisung des Hausarztes benötigen. Weil ein Großteil derjenigen, die bis dato eingewiesen wurden, in den zusammengeführten Notaufnahmen jetzt eine schnellere Diagnose erhalten, nach Hause fahren und dort ambulant behandelt werden können, rechnet das Ministerium damit, dass die ambulante Versorgung um 50 Prozent ansteigen wird. Nationale Planung für medizinische Fachgebiete Umgestaltet wird auch die Fachmedizin Dänemarks: Ziel sind effizientere Patien- tenströme. In den gemeinsamen Notauf- nahmen erhalten Patienten hochspeziali- sierte Behandlungen für eine Vielzahl von medizinischen Fachgebieten, gebündelt an einem Ort. Das dürfte zukünftig gerade für mehrfach erkrankte Patienten, die zwischen Fachgebieten wechseln müssen, eine Erleichterung darstellen. Die nationale Gesundheitsbehörde ent- scheidet außerdem, wo welche kritischen medizinischen Fachgebiete und Funktio- nen angesiedelt werden dürfen. So gebe es für einige Fachbereiche in Zukunft nur noch ein bis drei klinische Standorte, diese jedoch mit höchster Fachkompetenz. Den Zweifeln angesichts der gesellschafts- politischen Debatte um die Einschrump- fung der Kliniklandschaft begegnet die dänische Politik nun zusätzlich mit dem Konzept der „Tageskliniken“: „Bei diesem Element unserer Gesundheitsreform, testen wir Krankenhäuser ohne Betten, erklärt Holgersen und fügt hinzu: „Ziel dieser rund zehn bis zwanzig ambulanten Kliniken ist es, die fehlende Nähe zum Krankenhaus nach der Zentralisierung wiederherzustellen.“ Ob die Idee gut sei, bleibe abzuwarten. Attraktivere Arbeitsumgebung Tatsächlich gibt es abseits der veralteten Gebäudestrukturen aus den 60er und 70er Jahren handfeste Gründe, welche die Neubauten und die nationale Umstruk- turierung der Kliniken als notwendig und das Super-Krankenhaus-Programm als überaus sinnvoll erscheinen lassen: „Der Personalmangel ist ein großes Problem im dänischen Gesundheitssystem. Er zeigt sich vor allem in der Recruitingkrise. Wir können die offenen Stellen in den Kliniken nicht ausreichend besetzen“, fasst das Ministerium die Problematik zusammen. Damit verbunden sei das Problem, nicht ausreichend Ärzte mit passender Expertise 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 83

Politik und Recht 53 Standorte werden bis zum Jahr 2026 nur noch vorhanden sein. Im Jahr 2007 waren es noch 79. 10 der 16 Superkrankenhäuser wurden bereits vollständig in Betrieb genommen. Krankenhäuser zahlen häufig sehr viel für die Bereitstellung von Ressourcen, die am Ende gar nicht benötigt werden. Martin Nyrop Holgersen, Team Lead bei Data, Infrastructure and Cyber Security (DAICY) im däni- schen Gesundheitsministerium an allen Standorten zu haben. „Die meis- ten Ärzte möchten lieber innerhalb der größeren, dänischen Städte wohnen“, berichtet Holgersen. Durch die Zentralisie- rung der 21 Notfallkrankenhäuser könne man eine attraktivere Arbeitsumgebung für die dänischen Ärzte schaffen. Patientenströme umlenken Auch deshalb sollen die Hausärzte in den Regionen zukünftig als „gate keeper“ fun- gieren und die Patienten bereits in der Pri- märversorgung adäquat versorgen. Durch diese Verlagerung hofft man, die Kosten im Gesundheitswesen kleinzuhalten und die Patientenströme zunehmend in die Primärversorgung umzulenken. So gebe es nicht zuletzt auch weniger Abhängigkeiten von den klinischen Arbeitskräften, heißt es im Ministerium. Die Umstrukturierung ist auch der demografischen Entwicklung Dänemarks geschuldet: weniger Steuer- zahler und Gesundheitsfachkräfte, dafür steigende Bevölkerungszahlen im oberen Alterssegment ab 65 Jahren. Durch eine neue Arbeitsteilung in der Gesundheitsversorgung soll nun verstärkt auf die bisherigen regionalen Unterschiede reagiert werden: „Mit der Umgestaltung des dänischen Gesundheitswesens, zu der auch das Super-Krankenhaus-Programm gehört, setzen wir auf eine stärkere vorkli- nische Notfallversorgung, mehr Kohärenz zwischen den Sektoren und eine neue Schlüsselrolle für den Primärsektor“, fasst Holgersen die Visionen des Gesundheits- ministeriums zusammen. Patient im Fokus Das Super-Krankenhaus-Programm ist somit Teil eines breiteren Konzepts, das auf der digitalen Transformation fußt, die seit 2003 durch die nationale IT-Strategie unterstützt wird und darauf abzielt, eine digitale Infrastruktur mit gemeinsamen Standards, sicheren Plattformen und Werkzeugen zur Unterstützung einer sicheren Gesundheitsversorgung in allen Sektoren aufzubauen. Holgersen zeigt auf: „Die neueste Strategie aus dem Jahr 2018 heißt Coherent and Trustworthy Health Network. Mit dieser wollen wir die Patienten gezielt unterstützen und befähigen, an ihrer eigenen Behandlung teilzunehmen“, so sein Credo. Wie steht es nun um die einzelnen Kli- nikstandorte im Super-Krankenhaus- Programm? Laut Ministerium wurden zehn der 16 Projekte bereits vollständig in Betrieb genommen, drei teilweise: „Einige Projekte verzögern sich weiter, da sie mit ernsten Problemen konfrontiert sind.“ So verzögert sich beispielsweise derzeit die Finalisierung am Standort Aalborg. RFID-Projekt in Aarhus Andere Standorte wie Herlev und Aarhus sind bereits im Echtbetrieb. Einige Kliniken haben technische Pionierprojekte einge- führt, deren Spektrum von Robotik bei der Sterilgutversorgung bis zum KI-Einsatz reicht: Nominiert und ausgezeichnet wurde beispielsweise das RFID-Projekt am Universitätskrankenhaus Aarhus, das auf eine logistische Tracking-Installation setzt, um trotz seiner riesigen Fläche im Stadtformat noch effizient zu sein. So können Ressourcen aller Art – Betten, Ausstattung, Patienten und Klinikper- sonal – schnell geortet und gefunden werden. Zusätzlich verwendet Aarhus eine App-Lösung für Handheld-Geräte, die es erlaubt, Bedarfsspitzen besser zu bewältigen. Technologie leistet an den dänischen Krankenhäusern bereits ein Vielfaches mehr von dem, was in Deutschland gän- gige Praxis ist und unterstützt sowohl den Patientenweg als auch die Effizienz im Krankenhaus: „Wir haben in allen fünf Regionen einen digitalen Patientenweg eingeführt, der direkt am Point of Care beginnt, mitunter also bereits im Kran- kenwagen“, so Holgersen stolz. „Diagnose und Messungen werden unterwegs direkt digital gespeichert. Es gibt einen nahtlosen Austausch zwischen unserem Ambulanz- system und den Krankenhäusern.“ Bürger bevorzugten lokale Versorger Gab es auch Hürden auf dem Weg? Die Schließung der lokalen Krankenhäuser war Holgersen zufolge in der dänischen Bevölkerung anfänglich wenig populär: „Die Bürger empfanden es als sicherer, lokale Versorger zu haben. Deshalb haben wir die staatliche Finanzierung vom regi- onalen Engagement für die strukturelle Reform abhängig gemacht.“ Eine schlaue Idee der dänischen Regierung, denn so wurde in der praktischen Ausführung aus der Top-Down-Reform schließlich doch ein Bottom-Up-Ansatz: „Um Geld zu bekommen, mussten die fünf Regio- nen für die Krankenhäuser, die sie bauen wollten, Bewerbungen einreichen und sich dahingehend selbstverpflichten, beste- hende Häuser der Region zu schließen“, berichtet Holgersen über das Framework. Finanzen im Blick Mit der Budgetverwaltung wartete beim Super-Krankenhaus-Programm gleich die 84 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

nächste Herausforderung auf ihre Bewäl- tigung: Wie bei allen klinischen Großpro- jekten bestand auch hier die Gefahr, das Budget mit der Zeit zu überschreiten. Die Lösung der Dänen: „Wir legen für jedes Projekt Budgets fest, die wir quartalsweise überprüfen. Eine wichtige Entscheidung, wie sich gezeigt hat“, zieht Holgersen Bilanz. Das Expertengremium habe sich dabei an vergleichbaren Auslandsprojekten orientiert und den durchschnittlichen Preis pro Krankenhausquadratmeter be- rücksichtigt, der bei knapp 5 000 Euro pro Quadratmeter Krankenhaus liegt. Verantwortlich für die Budgeteinhaltung seien dabei jeweils die Regionen. Fester Bestandteil für die Effizienzstei- gerung an den dänischen Kliniken ist die anvisierte Abnahme der Bettentage, realisiert durch eine Reduzierung der Wiedereinweisungen und die Zunahme ambulanter Behandlungen: „Dadurch, dass wir jetzt schneller diagnostizieren und schon beim ersten Patientenkontakt die richtige Behandlung identifizieren, ergibt sich eine positive Kreislauf-Dynamik, die den gesamten Prozess beschleunigt“, erklärt Holgersen. In Folge würden perso- nelle Ressourcen frei und Betten flexibel nutzbar. Einzelzimmer seien schon längst Standard in dem neuen Konzept. Was Deutschland vom dänischen Ansatz lernen kann Ist das dänische Konzept auch für Deutsch- land tragfähig? DAICY-Experte Holgersen meint: „Nur bedingt. Dänemark ist im Vergleich zu Deutschland, nicht zuletzt auf Grund seiner überschaubaren Größe, auf staatlicher Ebene ziemlich zentralisiert – sei es bei der Gesetzgebung, der nati- onalen Gesundheitspolitik einschließlich des wirtschaftlichen Rahmens bis hin zu den Zielen des Gesundheitswesens.“ bislang eindrucksvoll zeigen, sind bessere Krankenhäuser mit weniger Betten kein Widerspruch, wenn den Baumaßnahmen ein durchdachter Expertenkonsens zu Grunde liegt. Auch in puncto Technologie könnte sich Deutschland vielerorts eine Scheibe ab- schneiden: Statt auf weiße Tafeln setzt man in den dänischen Kliniken einheitlich auf elektronische Anmeldetafeln, um die Patientenströme zu verwalten. So wissen die Kliniker sofort, welche Patienten sich wo befinden und welche Fälle besonders kritisch sind. Vollständig digitalisiert und vernetzt Außerhalb der Klinikwände ist Deutsch- lands Nachbar ebenfalls bestrebt das eigene Gesundheitssystem besser zu machen, vor allem in der Interaktion zwi- schen Krankenhäusern, Primärsektor und Gemeinden. Für die neuen Häuser gilt: Die Patienten sollen möglichst gar nicht erst eingewiesen werden oder nach der Einweisung so schnell wie möglich wieder nach Hause gehen. Wo Patienten früher wochenlang verweilten, gehen sie heute direkt nach Hause und erhalten Nachsorge durch eine häusliche Krankenschwester, welche die im Krankenhaus begonne- ne Behandlung nahtlos fortführt. „Das erfordert Fortschritte bei der digitalen Infrastruktur, um Informationen zwischen den Sektoren zu teilen“, stellt Holgersen klar. Und das ist den Dänen bis dato par excellence gelungen. Ob Medikation oder Laborergebnisse – das dänische Gesund- heitssystem ist vollständig digitalisiert und vernetzt. Deutschland als noch verhalten digitalisierte Gesellschaft tut sich, abseits von elektronischen Gesundheitsakten, hier noch schwer, würde aber nachhaltig von einer Digitalisierung auf allen Ebenen profitieren. Obgleich dem Experten zufolge ein solcher Top-Down-Ansatz hierzulande wenig umsetzbar erscheint, könnten die Bün- delung der Ambulanzen und die natio- nale Planung medizinischer Fachgebiete in den Regionen durchaus zum Leitbild für Deutschland werden. Wie die Dänen Auch der dänische Zugriff auf medizini- sches Fachwissen über telemedizinische Services hat Vorbildfunktion, denn er läuft in ausgewählten Bereichen – anders als hierzulande – zentralisiert ab. Das wiede- rum reduziert den Zeitaufwand für Wege und Transporte: Ärzte können sich auf Politik und Recht Wir haben in allen fünf Regionen einen digitalen Patienten- weg eingeführt, der direkt am Point of Care beginnt, mit- unter also bereits im Krankenwagen. Martin Nyrop Holgersen, Team Lead bei Data, Infrastructure and Cyber Security (DAICY) im dä- nischen Gesundheitsministerium Patienten konzentrieren, die eine spezielle Behandlung benötigen und Patienten sind grundsätzlich zufriedener, weil sie ihre Zeit für andere Dinge nutzen können. Rolle der Krankenhäuser neu denken Da wundert es nicht, dass Martin Nyrop Holgersen von einem Paradigmenwech- sel im Krankenhaussystem spricht: „Das herkömmliche Krankenhaus war einer Kathedrale gleich, der zentrale Ort für die Versorgung: Es gab universelle Lösungen für alle und man war nur in ihrem Inneren sicher.“ Die modernen dänischen Kranken- häuser seien dagegen wie Leuchttürme, betont er und plädiert: „Wir müssen die Rolle der Krankenhäuser neu denken: Leuchttürme leiten Patienten und geben ihnen auch auf Distanz ein Gefühl der Sicherheit.“ Zwar gehe der Wandel zur Verbesserung von Qualität und Effizienz zu einem gewis- sen Grad auf Kosten der Nähe. Die digitale Transformation mache den Zugang zur Versorgung jedoch weitgehend unab- hängig von Mobilität und der Nähe zu einem Krankenhaus: „In Dänemark kann man heute zuhause sein und trotzdem von hochspezialisierten Ärzten im eige- nen Wohnzimmer gesehen werden. Die Nutzung der digitalen Infrastrukturen fördert diese Kohärenz. Dafür braucht es gemeinsame Standards und Plattformen, die alle zusammenarbeiten.“ ▬ Anna Engberg Freie Journalistin 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 85

Politik und Recht LIEFERKETTENGESETZ Neue Sorgfaltspflichten für das Klinikmanagement Nachhaltiges Wirtschaften ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Dabei geht es nicht nur um die Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf Natur und Umwelt, sondern auch um soziale Verantwortung und nachhaltige Governance-Strukturen, wie der Dreiklang aus Environmental, Social und Governance (ESG) deutlich macht. Insbesondere soziale Verantwortung rückt durch das zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Lieferkettensorgfalts- pflichtengesetz (LkSG) in den Mittelpunkt. Es gilt seitdem für Unternehmen – und damit auch Krankenhäuser – mit mehr als 3 000 Mitarbeitenden in Deutschland, die hierzulande ihren Sitz haben. Ab 2024 müssen außerdem kleinere Häuser ab 1 000 Mitarbeitenden die Sorgfaltspflichten erfüllen. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen dazu, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verhindern, dass Menschen bei der Produktion oder Lieferung der von ihnen eingekauften Produkte und Dienstleis- tungen zu Schaden kommen. Sie müssen außerdem dafür Sorge tragen, dass es die Möglichkeit gibt, Beschwerden zu äußern. Der Fokus liegt dabei nicht nur, wie der Name suggeriert, auf der Lieferkette; vielmehr müssen die Sorgfaltspflichten auch im eigenen Geschäftsbereich berück- sichtigt werden. Die möglichen Rechtsver- letzungen umfassen dabei unter anderem die Bereiche Kinder- und Zwangsarbeit, Arbeitssicherheit, Vereinigungsfreiheit, Diskriminierung, aber auch Umweltas- pekte wie die Nutzung von Quecksilber oder die nicht fachgerechte Entsorgung gefährlicher Abfälle. Was bedeutet das für Krankenhäuser? In der Realität sind die vorhandenen Stan- dards der Unternehmen in Deutschland meist ausreichend. Denn bestehende Gesetze stellen oft vergleichbare oder verwandte Anforderungen, insbesondere Die neuen Sorgfaltspflichten umfassen insbesondere die: • Definition von Verantwortlichkeiten • Einrichtung eines Risikomanagements • Durchführung einer Risikoanalyse • Veröffentlichung einer Grundsatzerklärung • Verankerung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens • Einrichtung einer Wirksamkeitsprüfung • Veröffentlichung einer jährlichen Berichterstattung • Dokumentation der Sorgfaltspflichtenerfüllung (Archivie- rung für mindestens 7 Jahre) in hochregulierten Branchen wie im Gesundheitswesen, der Pharmaindustrie oder der Medizintechnik. Hier ist bei- spielsweise das Thema Arbeitssicherheit ein elementarer Bestandteil und bedarf zur Erfüllung des LkSG lediglich einer Erweiterung der bestehenden Prozesse. Die Herausforderungen liegen jedoch oft im Detail und Menschen- und Umwelt- rechte wurden bislang nicht oder nur indirekt adressiert. Das gilt vor allem für Lieferanten, die sich in sogenannten Hoch- risikoländern befinden, oder Subunterneh- mer, die gefährliche Abfälle über Dritt- länder entsorgen. Praktiken wie diese zu unterbinden ist eine wesentliche Intention des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. LkSG bedeutet lediglich eine Erweite- rung bestehender Systeme. Dies kann die Erweiterung des Risikomanage- ments um die vom LkSG vorgegebenen geschützten Rechtsbereiche sein. Für Organisationen, die sich jetzt auf den Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit machen oder ab 2024 unter die Berichtspflicht der europäischen Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD) fallen, bietet das LkSG die Chance, Nachhaltigkeit als ganzheitlichen Prozess zu verstehen und neue, effiziente Strukturen aufzubauen. Damit erfüllen sie nicht nur die regulato- rischen Anforderungen, sondern beugen Menschenrechtsverletzung vor und tragen zur Einhaltung von sozialen Mindeststan- dards in Deutschland und weltweit bei. Je nach Reifegrad einer Organisation sind Prozesse oder Strukturen oft schon vorhanden und eine Umsetzung des Bei der Implementierung der geforderten Systeme spielen das Risikomanagement und der Einkauf eine besondere Rolle, da 86 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

sie unmittelbare Verbesserungen er- möglichen. Hier können Mindestlohn- verstöße im Facility Management oder der Einkauf von Risiken zum Beispiel in der Beschaffung eines MRT-Geräts oder dem Bau neuer Klinikbereiche vermie- den werden. Die Erweiterung der Liefe- rantenbewertungen um ESG-Kriterien ermöglicht eine gezielte Auswahl von Dienstleistern, die den Ansprüchen des LkSG, aber auch der gesellschaftlichen Verantwortung des Gesundheitswe- sens entsprechen. Lieferanten, die diese Anforderungen erfüllen, liegen meist in Ländern mit einem gut funktionierenden Rechtssystem. Dadurch verschiebt sich das Lieferantenportfolio vielfach nach Europa, was sich nicht selten positiv auf die Versorgungssicherheit auswirkt. Inventur bestehender Maßnahmen Seit Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar müssen größere Unternehmen mit mehr als 3 000 Mitarbeitenden fol- gende Sorgfaltspflichten implementiert haben: • Benennung von Verantwortlichkeiten, wie beispielsweise eines Menschen- rechtsbeauftragten • ein öffentlich zugänglicher Beschwer- demechanismus • geeignete Dokumentationsprozesse Weitere Sorgfaltspflichten können noch bis zur ersten Berichtspflicht (abhängig von dem individuellen Geschäftsjahres- ende) erarbeitet werden. Hierbei handelt es sich um die • Einrichtung eines Risikomanagements • Durchführung einer Risikoanalyse • Veröffentlichung einer Grundsatz- erklärung • Verankerung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen • Einrichtung einer Wirksamkeits- prüfung • Veröffentlichung einer jährlichen Berichterstattung Für die Vorbereitung auf die vollstän- dige Umsetzung des LkSG bietet sich ein Readiness Assessment an. Dabei wird abgeglichen, inwieweit gesetzli- che Anforderungen bereits adressiert werden, welche Lücken es gibt und welche bestehenden Prozesse sich für eine Integration eignen. Zusätzlich können Krankenhäuser bereits erste Daten für die Risikoanalyse sammeln und relevante Stakeholder zur Erfüllung der Sorgfalts- pflichten identifizieren. Basierend auf den Ergebnissen lassen sich Maßnahmen zur Schließung bestehender Lücken entwi- ckeln. Eine zielorientierte Priorisierung dieser Maßnahmen ermöglicht eine effizi- ente Erfüllung der LkSG-Anforderungen. Die Frage nach den unternehmerischen Sorgfaltspflichten wird viele Krankenhäu- ser auch in Zukunft beschäftigen. Die EU Politik und Recht arbeitet derzeit an einer Richtline, die an einigen Stellen voraussichtlich über die Anforderungen des LkSG hinausgehen wird. Hierauf und auf die kommenden Anforderungen der CSRD-Berichtspflicht sollten sich Krankenhäuser frühzeitig ein- stellen und vorbereiten. ▬ Felix Moseler ist Senior Consultant im Lieferketten-Manage- ment mit dem Schwerpunkt Nach- haltigkeit. © Deloitte Professor Dr. Udo Janßen ist Partner bei Deloitte im Bereich Life Science & Health Care. © Deloitte n e g n u r e f e i L i e B . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P n e t s o k d n a s r e V n e d n e l l i a f n a e d n e d r e w ] D l [ b a h r e ß u a d n u - z t i S , G K g a l r e V e m e h T g r o e G i . t e n h c e r e b r e t i e w . 9 9 4 3 A R H , t r a g t t u t S r e t s i g e r s l e d n a H „Medizinisch“ sprechen und verstehen! Mit diesem Lehr- und Arbeitsbuch haben Sie alle nötigen Fachtermini schnell drauf. Medizinische Terminologie Caspar 2020. 3., vollst. überarb. Aufl. 224 S., 10 Abb., kart. ISBN 978 3 13 243338 0 31,99 € [D] shop.thieme.de 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 87

Organisieren und Führen SCHUTZSCHIRMVERFAHREN Probates Verfahren zur geregelten Kliniksanierung Viele Krankenhäuser haben derzeit mit der Thematik der Kosten-Erlös-Schere zu kämpfen. Ihnen drohen erhebliche Liquiditätsprobleme, die ohne zusätzliche Gelder und Maßnahmen zu einer Insolvenz des Krankenhauses führen können. Das sogenannte Schutzschirmverfahren erlaubt eine geregelte Sanierung, bevor es zur Zahlungsunfähigkeit des Hauses kommt. Die Sanierung im Rahmen eines so- genannten Schutzschirmverfahrens setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht noch keine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hat. Es darf allenfalls eine drohende Zahlungsun- fähigkeit oder eine (insolvenzrechtliche) Überschuldung zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Daneben bedarf es einer so- genannten Schutzschirmbescheinigung eines qualifizierten Bescheinigers – das kann ein Steuerberater, Wirtschaftsprü- fer oder Rechtsanwalt sein – wonach drohende Zahlungsunfähigkeit, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offen- sichtlich aussichtslos ist. Dabei wird anhand eines Prognosezeit- raums bewertet, ob das Unternehmen zahlungsunfähig wird. Aktuell gilt, dass für die insolvenzrechtliche Überschuldung nur ein viermonatiger Prognosezeitraum gegeben sein muss. Das heißt, sofern für die auf den laufenden Monat folgenden vier Monate eine positive Fortführungs- prognose gegeben ist und keine insolvenz- rechtliche Überschuldung vorliegt, ist das Schutzschirmverfahren anwendbar. Der viermonatige Prognosezeitraum gilt allerdings nur bis zum 31. Dezember 2023. Er wurde Anfang 2022 mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eingeführt, um dadurch hervorgerufe- ne Belastungen abzumildern und eine Insolvenzwelle zu vermeiden. Ab dem Jahr 2024 wird wieder die zwölfmonatige Prognosefrist gelten, sodass ab Septem- ber 2023 die Geschäftsführung bereits wieder den Zwölf-Monatszeitraum im Auge haben muss. m o c . e b o d a . k c o t s / v o p o P y e r d n A © Das Schutzschirmverfahrens bietet die Möglichkeit, unter Erhalt des Rechtsträgers tiefgreifende erforderliche Sanierungsmaßnahmen kurzfristig umzusetzen und hierbei normierten Sonderrechte aus dem Insolvenzrecht zu nutzen. © Andrey Popov / stock.adobe.com Ohne positive Forführungsprognose ist der Weg verschlossen Demgegenüber besteht insbesondere für kommunale Träger die Problematik, dass die Haushalte immer nur für ein Haushalts- jahr verabschiedet werden und insofern teilweise nicht einmal über Zuschüsse, die das folgende Haushaltsjahr betreffen, entschieden werden kann. Hier muss die Geschäftsführung, um nicht selbst in die Haftung zu kommen, zumindest eine belastbare Zusage ihres Gesellschafters dahingehend erlangen, dass eine Patro- natserklärung abgegeben wird, dass auch für die möglichen Verluste des Folgejahres der Gesellschafter durch Zurverfügung- stellung weiterer Mittel im künftigen Haushalt Sorge tragen wird. Anderenfalls wird eine positive Fortführungsprogno- se nicht bejaht werden können. Die Ge- schäftsführung muss beachten, dass bei einer mangelnden Durchfinanzierung der Klinik für den Zeitraum von vier bzw. zwölf Monaten keine positive Fortführungs- prognose gegeben ist und für diesen Fall bei der Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung ein Überschuldungsstatus nach Liquidationswerten aufzustellen ist. Dies hat zur Folge, dass das Krankenhaus dann regelmäßig insolvenzrechtlich über- schuldet und somit antragspflichtig ist. Gelingt es nicht, die insolvenzrechtliche Überschuldung binnen einer Höchstfrist von acht Wochen zu beseitigen, ist ein Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht zu stellen. Anderenfalls begeben sich die Geschäftsleitung und Aufsichtsorgane der Gefahr, sowohl zivil- als auch strafrechtlich Haftungsansprüchen ausgesetzt zu sein (Insolvenzverschleppungshaftung). InsO-Sonderregeln sind anwendbar Die Sanierung im Rahmen eines Schutz- schirmverfahrens bietet im Gegenzug zur außergerichtlichen Sanierung auch 88 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

diverse Vorteile und gewährt Rechtssi- cherheit, da auf die Sonderregelungen der Insolvenzordnung (InsO) zurückgegriffen werden kann. Leitet die Geschäftsführung ein Schutzschirmverfahren rechtzeitig ein, gewährt der Gesetzgeber die Mög- lichkeit, dass das Verfahren in Händen der Geschäftsleitung bleibt. Diese wird ergänzt um einen sanierungserfahrenen Sanierungsberater, in der Regel als Gene- ralbevollmächtigten. Vom Gericht wird an Stelle eines Insolvenzverwalters ein sogenannter Sachwalter bestellt, dessen Aufgabe es ist zu überwachen, dass die insolvenzrechtlichen Vorschriften ein- gehalten werden und die Interessen der Gläubiger gewahrt werden. Operativ ist die Geschäftsleitung jedoch weiterhin vollumfänglich handlungsfähig. Der Vorteil eines derartigen Verfahrens gegenüber der nunmehr vielbeschwo- renen ungeregelten Insolvenz (Regel- insolvenzverfahren) liegt nicht nur in der Kontinuität der Geschäftsleitung, sondern dass durch die geregelte Sanierung eine Zerschlagung des Rechtsträgers vermie- den werden kann. Es bedarf keiner Neuauf- nahme in den Krankenhausplan. Bei einer Sanierung außerhalb eines Schutzschirm- verfahrens ist dies erfahrungsgemäß nur über einen langen Zeitraum möglich, der mit erheblichen Kosten verbunden ist. Bis zur tatsächlichen Umsetzung fallen fortlaufend weitere Verluste an. Im Rahmen des Schutzschirmverfahrens können derartige Maßnahmen mit Hilfe der insolvenzrechtlichen Sonderregeln zü- gig umgesetzt werden, insbesondere kann sich von ungünstigen Verträgen mit einer Frist von maximal drei Monaten getrennt werden. Hierzu gehören Mietverträge, Leasingverträge, Finanzierungsverträge etc. Sofern Personalanpassungsmaßnah- men durchgeführt werden müssen, sind die arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen auf höchstens drei Monate beschränkt, die Sozialplankosten auf höchstens 2,5 Monatsgehälter und Pensionsverpflichtun- gen werden lediglich quotal befriedigt. Ein weiterer Vorteil ist der Erhalt der Zulassung durch die Sozialversicherungsträger und Während des Schutzschirm- verfahrens bleibt operativ die Ge- schäftsführung vollumfänglich handlungsfähig. dass keine problematische Weitergabe der Patientendaten erfolgen muss, da der Rechtsträger anders als beim Asset Deal, bei dem Vermögenswerte an einen Dritten übertragen werden, erhalten bleibt. Über das Insolvenzausfallgeld können zudem für den Zeitraum von bis zu drei Mona- ten die Personalkosten bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze abgedeckt werden. Hierdurch kann das Krankenhaus einen Liquiditätsgewinn erzielen und Mittel ansammeln, um die Sanierung erfolgreich durchzuführen. Wichtig ist ein klares Sanierungsziel Flankiert werden sollte das Schutzschirm- verfahren durch eine abgestimmte Kom- munikationsstrategie sowohl nach innen als auch nach außen. Es ist nicht zu ver- leugnen, dass ein Schutzschirmverfahren eines Krankenhausträgers in der Regel aus- führlich durch die lokalen Medien begleitet wird und auch innerhalb der Belegschaft zu Verunsicherungen führt. Insofern ist es umso wichtiger, dass bevor der Gang in ein Schutzschirmverfahren erfolgt, das Leitbild des sanierten Unternehmens vorher ausgearbeitet und validiert worden ist, um aktiv kommunizieren zu können, wie das Sanierungsverfahren abläuft und was die Ziele des Sanierungsverfahrens sind. Hierbei sind auch die Mitarbeiter über ihre Betriebsräte und turnusgemäße Mitarbeiterversammlungen rechtzeitig zu informieren. Insofern ist die Geschäftsführung gut beraten, vorab ein Sanierungskonzept auszuarbeiten und ein Sanierungsleitbild, wie das Krankenhaus nach Abschluss des Verfahrens idealerweise aussehen be- ziehungsweise sich darstellen soll. Die Organisieren und Führen Geschäftsführung sollte sich rechtzeitig mit diesen Thematiken befassen, da sie in einem Spannungsverhältnis dahingehend steht, dass es in der aktuellen Situation häufig der Fall ist, dass eine langfristige Durchfinanzierung der Krankenhausge- sellschaft nicht gegeben ist. Das Aufzeigen der verschiedenen Sanie- rungsmöglichkeiten, insbesondere einer Sanierung im Rahmen eines Schutzschirm- verfahrens, kann auch als Argumentations- hilfe gegenüber dem Gesellschafter für die Zurverfügungstellung weiterer Mittel genutzt werden. Die identifizierten Maß- nahmen können im Rahmen des Schutz- schirmverfahrens schnell und tiefgreifend umgesetzt werden. Die Sanierung kann in der Regel innerhalb eines Zeitraumes von insgesamt neun Monaten durchge- führt werden. Wichtig ist hierbei eine gute Vorbereitung. Win-Win für alle Beteiligten Im Ergebnis bietet das gesetzlich vor- gesehene Sanierungsmittel des Schutz- schirmverfahrens die Möglichkeit, unter Erhalt des Rechtsträgers tiefgreifende erforderliche Sanierungsmaßnahmen kurzfristig umzusetzen und hierbei die in der Insolvenzordnung normierten Son- derrechte (verkürzte Kündigungsfristen, quotale Befriedigung der Altgläubiger, Beschränkung Sozialplankosten, quotale Befriedigung Pensionsverpflichtungen) zu nutzen. Nach Abschluss eines derartigen Verfahrens und bei Umsetzung der geplan- ten Maßnahmen kann der Träger dann wieder effektiv am Markt agieren. ▬ Lars Knipper ist Fach- anwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei ECKERT Rechts- anwälte Hamburg Partnerschaftsgesell- schaft mbB. © Eckert.law 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. 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Organisieren und Führen INKLUSIVE MEDIZIN Überforderung auf allen Seiten Die medizinische Versorgung von Menschen mit Komplexen Behinderungen ist in Krankenhäusern noch keine Selbstverständlichkeit. Personal- und Zeitmangel sowie fehlendes Wissen in der Ärzteschaft wie bei Pflegekräften erschweren einen Klinikaufenthalt. Ein inklusives Pflegemodell sowie die erste Professur für „Medizin für Menschen mit Behinderung“ sollen das ändern. Sprachlosigkeit, Unsicherheit, mangelnde Empathie und fehlendes Wissen – wird das Thema medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen angespro- chen, klingen die Beschreibungen aus dem Alltag in Krankenhäusern trostlos. „Man wird in eine Schublade gesteckt. Die Kommunikation findet schnell über einen hinweg statt. Die Selbstbestimmung wird einem aus der Hand genommen“, sagt Michael Biesewinkel. Der Diakon und Sozialarbeiter ist seit seiner Geburt körperbehindert, sitzt mit Tetraspastik im Rollstuhl. Und erlebt immer wieder, dass ihm im Krankenhaus nicht auf Augenhö- he begegnet wird. Sei es, weil statt mit ihm nur mit seinen Angehörigen gespro- chen wird, ihm keine Terminänderungen mitgeteilt werden oder er ohne weitere Erklärung von einer Pflegekraft in seinem Rollstuhl an eine andere Stelle gefah- ren wird. „Obwohl ich kognitiv fit bin, verursacht ein Krankenhausaufenthalt mir Stress. Es ist körperlicher Stress. Die Spastik wirkt sich dann auf bestimmte Un- tersuchungserfolge aus. Das müsste nicht sein, wenn klarer kommuniziert würde und auch Abläufe verlässlicher funktionieren würden“, sagt Biesewinkel. Für Menschen mit Behinderungen seien solche Erlebnisse wie die von ihm geschilderten allerdings fast durchgängig die Regel. Dabei ist die UN-Behindertenrechts- konvention seit 2009 geltendes Recht in Deutschland. „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskrimi- nierung aufgrund von Behinderung“, heißt es in Artikel 25. Jeder Mensch – egal ob mit m o c . e b o d a . k c o t s / n a p e e M e e t a N © i Die Kliniken sind nicht oder nur zu wenig auf die Versor gung von Menschen mit kom- plexer Behinderung eingestellt. Das wird schon daran sichtbar, dass dieser Part in der Pflege ausbildung nur einen kleinen Stel- lenwert einnimmt. Prof. Dr. Doris Tacke, Fachhochschule der Diakonie oder ohne Behinderung – soll eine Gesund- heitsversorgung gleicher Qualität erhalten. Inklusive Medizin ist in den Allgemein- krankenhäusern aber noch längst nicht zur Selbstverständlichkeit geworden. Vor allem die Bedürfnisse von Menschen mit komplexen Behinderungen werden nicht im ausreichenden Maß berücksichtigt. Es sind Menschen, die kognitiv beeinträchtigt sein sowie körperliche Mehrfachbehinde- rungen aufweisen können und dadurch nur begrenzt in der Lage sind, sich auf neue Situationen einzustellen oder mit anderen zu kommunizieren. Sie haben dadurch oft Angst und werden gleichzeitig kaum in Entscheidungen eingebunden. Gerade im Krankenhaus, in unbekannter Umgebung mit fremden Menschen, medizinischen Ge- räten und Maßnahmen konfrontiert, führt das zu Herausforderungen, die schnell in Überforderung enden können – sowohl auf Seiten dieser Patientengruppe als auch des Klinikpersonals. „Durch den Zeitdruck, der im heutigen Gesundheitswesen herrscht, bleibt für 90 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

e k c a T s i r o D © Man muss das Sys- tem Krankenhaus komplett umden- ken, das ist bis jetzt aber noch nicht verstanden worden. Prof. Dr. Doris Tacke, Fachhochschule der Diakonie Sich nicht verstän- digen zu können, aber agieren zu müssen führt häufig dazu, dass Maßnah- men am Patienten vorgenommen werden, ohne vor- her um ihre Einwil- ligung zu bitten. Prof. Dr. Doris Tacke, Fachhochschule der Diakonie individuelle Begleitung kaum Platz. Auch bedingt dadurch fehlt bei vielen Mitarbeitenden in der Klinik die nötige Sensibilität und Empathie“, berichtet Mi- chael Biesewinkel. Der Klinikbetrieb ist beherrscht von engen Zeittaktungen und strukturierten Behandlungspfaden, über all dem steht ein Personalmangel. Alles, was aus eingespielten Routinen fällt, wird dann als Störung wahrgenommen. „Man muss das System Krankenhaus komplett umdenken, das ist bis jetzt aber noch nicht verstanden worden“, urteilt Prof. Dr. Doris Tacke. Sie lehrt Pflegewissenschaft an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld, einer ihrer Forschungsschwerpunkte liegt in der Pflege von Menschen mit Behinde- rungen. Für sie ist es unerlässlich, dass das Gesundheitswesen sich nach den Bedürfnissen der Menschen mit Behinde- rungen ausrichten muss statt weiterhin zu erwarten, dass diese sich an dessen Strukturen anpassen. Schmerzen häufig nicht adäquat behandelt Dass sich etwas ändern muss, haben Studien gezeigt: Menschen mit Behin- derungen müssen sich häufiger im Kran- kenhaus behandeln lassen als Menschen ohne Behinderung. Zudem kommen bei ihnen Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Stoffwechsel- sowie Hauterkrankungen häufiger vor, ebenso Veränderungen des Bewegungsapparates und Knochen- brüche. Werden Menschen mit Behin- derungen im Krankenhaus behandelt, fällt die Zahl der Komplikationen und Versorgungsabbrüche bei ihnen höher aus, diagnostische Maßnahmen können entweder nicht durchgeführt werden oder es braucht mehrere Anläufe dafür. Dadurch verlängern sich die Aufenthalts- zeiten in Kliniken beziehungsweise die Patienten werden frühzeitig entlassen und müssen zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgenommen werden. Krankhei- ten werden in der Folge nicht erkannt, zu spät therapiert oder es werden Fehlbe- handlungen eingeleitet. Das alles wirkt sich nicht nur auf die Gesundheit der Patienten, sondern auch auf die Kosten des Gesundheitswesens aus. Es wurde zudem erforscht, dass die Le- benserwartung von Menschen mit kog- nitiven Einschränkungen etwa 20 Jahre niedriger ist als bei Menschen ohne Be- hinderung. „Es gibt Untersuchungen, die gezeigt haben, dass 30 bis 50 Prozent der Todesfälle durch eine optimierte Gesund- heitsversorgung vermeidbar wären. Oft gehen die Betroffenen aufgrund schlech- ter Erfahrungen gar nicht erst zum Arzt, wodurch die Behandlung deutlich verzö- gert wird. Oder die Zugangswege in die medizinische Versorgung sind erschwert. Organisieren und Führen Bundesweit erster Qualitätsvertrag Für die langfristige Verbesserung der stationären Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinde- rungen wurde bereits im Oktober 2020 der bundesweit erste Qua- litätsvertrag abgeschlossen. Das Evangelische Krankenhaus Alster- dorf erarbeitete dafür gemeinsam mit der AOK Hamburg /Rheinland ein Konzept. Dabei konnte von der jahrzehntelangen Erfahrung der unterschiedlichen Fachbereiche und Berufsgruppen im Umgang mit dieser Patientengruppe profitiert werden – das Evangelische Kran- kenhaus Alsterdorf hat als einzige Klinik in Hamburg einen besonderen Auftrag zur Versorgung von Men- schen mit komplexer Behinderung. Das Konzept sieht zwei Inklusions- Lotsinnen vor, die vor einem ge- planten Krankenhausaufenthalt wichtige Informationen über den Patienten sammeln und diese an Ärzte und Pflegepersonal übermit- teln. Alle Berufsgruppen im Kran- kenhaus werden zudem geschult, beispielsweise in Unterstützter Kommunikation oder Spezialwissen zu Krankheitsbildern. Die Lotsinnen sind feste Ansprechpartnerinnen, begleiten die Patienten während des Aufenthalts und erkundigen sich auch nach der Entlassung nach deren Wohlbefinden. Die Kosten für diese Begleitung werden von der Krankenkasse übernommen. Mittlerweile haben sich weitere Krankenkassen dem Qualitätsver- trag angeschlossen. Im Septem- ber vergangenen Jahres wurde der Qualitätsvertrag mit dem zweiten Platz des MSD-Gesundheitspreises ausgezeichnet. Dieser ehrt heraus- ragende Gesundheitslösungen für eine bessere Patientenversorgung. 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 91

Organisieren und Führen Auch die Behandlung selbst wird teilweise weniger umfassend durchgeführt als bei Menschen ohne Behinderungen“, sagt Prof. Dr. Tanja Sappok, Fachärztin für Neurologie, Nervenheilkunde und Psychiatrie und Psychotherapie. Zudem leiden Menschen mit Behinderungen häufig an Schmerzen, die nicht adäquat versorgt werden. „Entweder, weil die Ursache der Schmerzen nicht behandelt wird oder die Schmerzbehandlung selbst nicht ausreichend ist.“ Parallelarbeiten der Fachabteilungen aufheben Zwar hat sich die ambulante Versorgung seit 2015 mit der Einführung von Medizini- schen Behandlungszentren für Erwachsene mit Behinderung verbessert – mehr als 50 dieser Einrichtungen gibt es mittler- weile bundesweit. Doch im stationären Sektor konnte diese Entwicklung nicht Schritt halten. Um die 30 spezialisierte Abteilungen in Krankenhäusern gibt es, die auf die Behandlung von Menschen mit kognitiven Einschränkungen und kom- plexen Mehrfachbehinderungen ausge- richtet sind, schätzt Sappok. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Zumal die Abteilungen meist lediglich auf einzelne Krankheitsbilder spezialisiert sind. Etwa eine halbe bis eine Million Menschen in Deutschland haben eine geistige oder komplexe Mehrfachbehinderung. Nahezu alle von ihnen weisen weitere körperliche Krankheiten auf. Jeder Dritte hat eine psychische Krankheit, die behandlungs- bedürftig ist. Und die meisten haben acht bis zehn weitere Krankheitsbilder, führt Sappok aus. „Es handelt sich um eine multimorbide Patientengruppe.“ Deshalb will sie neue Wege beschreiten – seit Anfang dieses Jahres hat sie an der Universität Bielefeld die erste Professur für „Medizin für Menschen mit Behinderung, Schwerpunkt psychische Gesundheit“ inne. Zudem ist sie Direktorin der neuen Universitätsklinik für Inklusive Medizin am Krankenhaus Mara. Bislang wurden dort ausschließlich Personen mit internistischen und chirurgischen Krankheitsbildern be- handelt, künftig wird das Spektrum um s p ö h c S e k l E © Es gibt Unter- suchungen, die gezeigt haben, dass 30 bis 50 Prozent der Todesfälle durch eine optimierte Gesundheitsversor- gung vermeidbar wären. Oft gehen die Betroffenen aufgrund schlech- ter Erfahrungen gar nicht erst zum Arzt, wodurch die Behandlung deut- lich verzögert wird. Prof. Dr. Tanja Sappok; Univer- sität Bielefeld und Direktorin der Universitätsklinik Inklusive Medizin am Krankenhaus Mara psychiatrische Krankheitsbilder erweitert. Ihr Ziel ist es, in dieser Klinik den Men- schen in den Mittelpunkt zu stellen und die drei Fachrichtungen um ihn herum anzuordnen – gemeinsame Visiten, Fall- konferenzen, Fortbildungen und Projekte sollen organisiert werden. „Ich möchte das Parallelarbeiten der verschiedenen Fachrichtungen im Krankenhauswesen aufhebeln, so dass man gemeinsam an einem Fall arbeitet und die Behandlungs- planung durchführt.“ Inklusive Medizin noch Randthema Auch wenn in einzelnen Abteilungen unter anderem mit spezialisiertem Fachpersonal auf die Bedürfnisse der Patienten eingegangen wird, Einzelzim- mer zur Verfügung stehen oder auch die Möglichkeit gegeben ist, dass enge Bezugspersonen im selben Zimmer über- nachten können – die inklusive Medizin ist noch ein Randthema. Das hat auch mit der medizinischen Ausbildung zu tun. „Medizin für Menschen mit Behin- derung ist kein eigenes Fachgebiet und es gibt daher auch an den Universitäten wissenschaftlich und von der Ausbildung her bisher keinen Raum dafür. Dabei ist es erforderlich, eine gute Ausbildung sicherzustellen – denn jeder Arzt, jede Ärztin begegnet Menschen mit Behin- derungen“, so Sappok. In der Folge führe dies zu Unsicherheiten bei den Versorgenden. Vielen Ärztin- nen und Ärzten fehlen unter anderem Grundkenntnisse in der Leichten Spra- che und Unterstützten Kommunikation. Als Universitätsprofessorin möchte sie das ändern und nicht nur ein fundiertes Lehrkonzept entwickeln, das in den Mo- dellstudiengang für Medizin integriert wird, sondern auch Begegnungsräume schaffen, damit Medizinstudierende Be- rührungsängste abbauen und Sicherheit im Umgang mit Menschen mit Behinde- rungen gewinnen können. Der Campus für diesen Lehrbereich wird daher direkt ans Krankenhaus Mara gelegt, wo eben- falls Seminarräume entstehen. Der Deutsche Ärztetag hat dieses Thema im vergangenen Jahr ebenfalls aufgegrif- fen und beschlossen, dass Medizin für Menschen mit geistiger und komplexer Mehrfachbehinderung an Universitäten stärker gefördert werden sollte. Ange- hende Ärztinnen und Ärzte sollten an allen Universitäten auf die spezifischen Herausforderungen vorbereitet wer- den und die Erkenntnisse über einen adäquaten ärztlichen Umgang damit durch Forschung vorangetrieben werden, hieß es. Es besteht noch Nachholbedarf in diesem Bereich. „Es gibt viele Ärzte, die zwar wissen, was eine Behinderung medizinisch bedeutet, aber nicht, was sie strukturell und persönlich erfordert – da ist der beste Experte immer noch der 92 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Betroffene selbst. Wenn ich aber Ärzte vor einer Behandlung auf bestimmte Dinge hinweise, die für mich speziell wichtig sind, reagieren sie teilweise so, als wollte ich ihnen die fachliche Kompetenz ab- sprechen“, erzählt Biesewinkel, der seine Erfahrungen der klinischen Versorgung in eine Studie der Fachhochschule der Diakonie hat einfließen lassen, in der ein neues Pflegemodell konzipiert wurde. Denn nicht nur in der Medizin, auch in der Pflege kommt das Thema noch zu kurz. „Die Kliniken sind nicht oder nur zu wenig auf die Versorgung von Menschen mit komplexer Behinderung eingestellt. Das wird schon daran sichtbar, dass dieser Part in der Pflegeausbildung nur einen kleinen Stellenwert einnimmt“, sagt Doris Tacke. Die Folge sei, dass sich Pflegefach- kräfte im Klinikalltag im Umgang mit dieser Patientengruppe oft unzureichend qualifiziert fühlten: „Sich nicht verständi- gen zu können, aber agieren zu müssen, führt häufig dazu, dass Maßnahmen am Patienten vorgenommen werden, ohne vorher um ihre Einwilligung zu bitten.“ Dabei spielen gerade Pflegefachkräfte eine wesentliche Rolle in der Versorgung von Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus, wie Tacke mit der Studie „Prästationäre Besuche zur barrierearmen und bedürfnisorientierten Versorgung lern- und körperbehinderter Patienten“ zeigen konnte. Aus diesem Projekt wur- de das Pflegemodell „Klinik Inklusiv“ entwickelt. Klinische Pflegeexpertinnen sind Schutzschild und Sprachrohr Ziel der Studie war es, herauszufinden, wie Diagnostik und Therapie im Kran- kenhaus in einer für die Patienten er- träglichen Weise durchgeführt werden können. Von April 2018 bis März 2019 begleiteten dafür zwei Klinische Pfle- geexpertinnen – erfahrene Pflegende mit Bachelorabschluss – 22 erwachsene Patienten mit komplexen Behinderungen bei geplanten Eingriffen in zwei Kranken- häusern. Um Vertrauen zu den Menschen aufbauen zu können und möglichst viele und zentrale Informationen über ihre f o H - l i i e t S - g w d u L g n u t f i t S e h c s i l e g n a v E © Durch den Zeit- druck, der im heu- tigen Gesundheits- wesen herrscht, bleibt für indivi- duelle Begleitung kaum Platz. Auch bedingt dadurch fehlt bei vielen Mitarbeitenden in der Klinik die nötige Sensibilität und Empathie. Michael Biesewinkel Bedürfnisse, Grenzen und Kommunika- tionswege zu erfahren, besuchten sie diese vor dem stationären Aufenthalt in deren Zuhause. Damit wurde eine ähnliche Herangehensweise verfolgt, wie sie bereits in Großbritannien, in den Niederlanden sowie in skandinavischen Ländern üblich ist. Die Informationen gaben die Pflegeexper- tinnen ans pflegerische und ärztliche Team weiter, planten Krankenhausaufenthalt und Untersuchungen. Während des ge- samten Klinikaufenthalts überwachten sie die Prozesse, begleiteten die Patienten und sorgten dafür, dass zum Beispiel bei ersten Anzeichen einer drohenden Überforderung Pausen eingelegt wurden. Dafür mussten sie sich gegenüber anderen Berufsgruppen durchsetzen, was im hierarchiegeprägten Klinikbetrieb herausfordernd sein kann und Durchsetzungsvermögen erfordert. Sie traten gewissermaßen als Schutzschild Organisieren und Führen und Sprachrohr der Patienten auf. Dieses Vorgehen – patientenzentriert und mit Be- zugspersonensystem – hat sich bewährt: Ängste konnten genommen werden und die Patienten ließen sich auf unbekannte Situationen ein, die Kommunikation mit ihnen gelang besser, ihre Schmerzen konn- ten erkannt und behandelt werden. Von insgesamt 109 Untersuchungen wurden 100 ohne Planänderungen durchgeführt. Bei keinem der Patienten fiel der Kran- kenhausaufenthalt länger als vorgesehen aus. An der Fachhochschule der Diako- nie wurde aus diesen Erkenntnissen die in Deutschland erste Weiterbildung für klinisch Pflegende – „Versorgung und Begleitung von Menschen mit Komplexer Behinderung im Krankenhaus“ – kon- zipiert. Am Krankenhaus Mara ist das Modell in der Praxis angekommen, die beiden Klinischen Pflegeexpertinnen sind dort weiterhin beschäftigt. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bezeichnet „Kli- nik Inklusiv“ als wegweisendes Modell zur Weiterentwicklung der Pflege im Krankenhaus. Für Doris Tacke gibt es nur zwei Möglich- keiten, wie es in Zukunft weitergehen wird: „Entweder die aktuelle Situation wird weiterhin toleriert, Behandlungen werden abgebrochen, Patienten fixiert, Krankheiten möglicherweise nicht er- kannt. Oder es geht in die andere Rich- tung: Die Prozesse im Krankenhaus ori- entieren sich an den Möglichkeiten und Grenzen von Menschen mit komplexer Behinderung.“ Für diese Haltungs- und Systemänderung brauche es aber Exper- ten: Pflegeexperten mit akademischem Abschluss und Pflegepersonen mit ent- sprechender Weiterbildung, die, wie zum Beispiel bereits bei der Wundversorgung etabliert, in allen Fachbereichen mit ihrer Expertise bereitstehen. ▬ Aileen Hohnstein ‣ Infos auf kma Online Ein ausführliches Interview zum Thema mit Prof. Tanja Sappok können Sie auf kma online lesen: https://t1p.de/InklusiveMedizin 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 93

Unternehmen und Märkte KLINIKEN KÖLN Gegen die Finanznot hilft nur eine Zentralisierung Lange hat die Stadt Köln zugesehen, wie die Verluste bei den Kliniken Köln stiegen. Entscheidende Strukturreformen blieben im politischen Gezerre stecken, die Entscheidung über eine Fusion mit dem Uniklinikum kommt nicht vom Fleck. Jetzt soll ein Zukunftskonzept her. Wenn neue Chefs in krisengebeutelten Unternehmen starten, dann treten sie gerne die Flucht nach vorn an. Nach dem Motto ‚alles muss raus‘ wird jeder Stein umgedreht, nach versteckten Risiken gesucht, die Situation schonungslos beschrieben. Schließlich ist die neue Mannschaft noch nicht Schuld, sie ist ja zum Aufräumen gekommen. Auch die Ge- schäftsführung der Kölner Städtischen Kli- niken um die erst im November installierte Sylvia Langer und den Mediziner Prof. Axel Goßmann hat erst einmal die Lage bewertet: „Im Ergebnis dieser Analyse zeigt sich ein dramatisch verschlechtertes Lagebild, aus dem Handlungsbedarf er- wächst“, bilanziert sie erwartungsgemäß und lässt die Katze lieber gleich aus dem Sack. Auf rund 90 Millionen Euro werde sich der Fehlbetrag im laufenden Jahr summieren, spekulieren Kölner Medien inzwischen. Für gewöhnlich reklamieren die neuen Chefs erst einmal eine gewisse Schonfrist, um den Änderungsprozess in Gang zu bringen, der Besserung bringen soll. Aber hier hat Langer, zuvor Kaufmännische Direktorin am Universitätsklinikum Ulm, Pech. Die Geduld des städtischen Trägers ist zu strapaziert, die Kölner Oberbürger- meisterin Henriette Reker zieht die Reiß- leine: „Die von den Kliniken der Stadt Köln prognostizierten zukünftigen Verluste gehen über das finanzwirtschaftlich durch den Haushalt der Stadt Köln dauerhaft leistbare Maß hinaus“, betont sie. Aus drei mach eins: Die Zusammenlegung eines Großteils der medizinischen Leistungen am Standort Merheim ist das favorisierte Konzept für die Lösung der Finanznot bei den Städtischen Kliniken Köln. © Kliniken der Stadt Köln gGmbH notwendigen Investitionen umfassen und die aktuellen gesundheitspoliti- schen Entwicklungen berücksichtigen, zum Beispiel den Krankenhausplan für Nordrhein-Westfalen (NRW) sowie die Krankenhausreform des Bundes. Und das Konzept müsse geeignet sein, das Defizit (EBITDA) der Kliniken Köln deut- lich zu senken, betont die Stadt. „Der Verlust muss runter auf maximal zehn Millionen Euro im Jahr, das hat die Ober- bürgermeisterin sehr deutlich gemacht“ , bestätigt Aufsichtsratschef Dr. Ralf Unna Medienberichte. Die Stadt will die Fusion Ein Zukunftskonzept muss her und zwar gleich. Dieser Strategieplan müsse die Auf 48 Millionen Euro summierten sich die Verluste der Städtischen Kliniken bereits im Jahr 2020, 62 Millionen Euro l H b m G g n ö K t d a t S r e d n e k n i i l K © Das wiederholt in den Medien geäu- ßerte Gerücht über eine mögliche Privatisierung ist reine Spekulation. Geschäftsführung Kliniken der Stadt Köln waren es dann 2022. Innerhalb weniger Wochen war bereits im März letzten Jahres beinahe die komplette Führungs- spitze ausgetauscht worden. Die Stadt Köln muss endlich eine Lösung finden. Die Oberbürgermeisterin werde das Zukunfts- modell nach Beratung im Aufsichtsrat der Kliniken Köln dem Rat der Stadt Köln zur Entscheidung vorlegen, erklärt ihr Sprecher. „Nach entsprechender Bera- tung und Beschlussfassung werden die nächsten Schritte feststehen“. 94 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Unternehmen und Märkte Komplette Neuaufstellung Seit November ist die Gesundheitsökonomin Sylvia Langer die neue Spitzenmanagerin der Kliniken Köln. Sie führt das Haus zusammen mit dem Mediziner Prof. Axel Goßmann. Als anerkannte Expertin für Klinik-Management bezeichnet sie der Aufsichtsratsvorsitzende Ralf Unna. So habe sie beispielsweise das BG Klinikum in Hamburg erfolgreich neu aufgestellt. Daneben kenne sie sich im Bereich der Hoch- schulmedizin gut aus. Ein Jahr lang, bis zum Juni 2021, war die gebürtige Thüringerin Kaufmännische Direktorin am Universitätsklinikum Ulm. Die Neubesetzung an der Spitze war notwendig geworden, nachdem im vergangenen Frühjahr vor dem Hintergrund des anhaltenden wirtschaftlichen Drucks binnen weniger Wochen beinahe die komplette Führungsspitze ausgetauscht worden war. Während Geschäftsführer Holger Baumann offenbar aus persönlichen Gründen ausschied, gingen auch Finanzchef Daniel Brozowski und der Klinische Direktor Prof. Horst Kierdorf. Neben Axel Goßmann, zunächst als neuer Klinischer Direktor, wurde auch der vom Klinik-Beratungsunternehmen Consus entsandte Manuel Berger als Interims-Chief Restruc- turing Officer neu verpflichtet. Der Verlust muss runter auf maxi- mal zehn Millionen Euro im Jahr, das hat die Oberbür- germeisterin sehr deutlich gemacht. Dr. Ralf Unna, Aufsichtsratsvorsit- zender der Kliniken der Stadt Köln Ein Zukunftskonzept soll es lösen In einem ersten Schritt habe die Geschäfts- führung dem Aufsichtsrat Eckpunkte verschiedener Szenarien mit ihren Aus- wirkungen auf die Gesundheitsversor- gung, die wirtschaftlichen Ergebnisse und des Finanzmittelbedarfs der Kliniken dargestellt, teilte Langer im Februar mit. Der Aufsichtsrat habe die Möglichkei- ten diskutiert und beleuchtet, welche Optionen – auch vor dem Hintergrund der Krankenhausplanung des Landes NRW und der geplanten Krankenhaus- reform der Bundesregierung – erfolg- versprechend seien. „Das vorteilhafteste Szenario soll in ein Zukunftsprogramm ausgearbeitet und der Oberbürger- meisterin Henriet te Reker in ihrer Funktion als Gesellschaftervertrete- rin vorgestellt werden“, so die Klinik- Geschäftsführung. Neben der seit Jahren schwelenden Dis- kussion über ein Zusammengehen mit dem Kölner Uniklinikum ist es vor allem die schwierige Standortstruktur, die zu Reformen zwingt. Zum schwer lösbaren Problem entwickelte sich die Rivalität der Standorte Merheim und Holweide: Beide sind nur etwas über einen Kilometer voneinander entfernt und nicht ausgelas- tet. Die Gründe sind in beiden Häusern ähnlich: Der Trend zur Ambulantisierung, Eine Entscheidung muss her, vor allem mit Blick auf die seit Jahren ergebnislos durch- diskutierte Fusion mit dem Kölner Uniklini- kum. Die Stadt will den Zusammenschluss unbedingt und noch immer. Durch ihn entstünde mit knapp 3 000 Betten und mehr als 15 000 Mitarbeitenden eines der größten Krankenhäuser Deutschlands. Bereits im Herbst 2017 hatte sich OB Reker für ein Zusammengehen ausge- sprochen. Von einem Leuchtturmprojekt, einem schlagkräftigen Forschungsver- bund, Synergien in der Beschaffung und leichterer Drittmittelakquise schwärmen Befürworter seit drei Jahren. Kritiker aller- dings warnen vor der schieren Größe und Unregierbarkeit solcher Konglomerate. Wer soll das bezahlen? Die Hängepartie erschwere die Personalak- quise und die strategische Weiterentwick- lung, klagte bereits Langers Vorgänger Holger Baumann im Frühjahr 2022: „Wir brauchen eine Perspektive, der Warte- stand zermürbt“. Doch NRW kann sich noch immer nicht zu einer Entscheidung durchringen. Natürlich geht es vor allem um die Frage, wer die Sanierung und die anschwellenden Defizite bezahlen soll. Es drohen neue Belastungen für den Haus- halt. Und es geht um die Frage, welche Probleme eine Fusion wirklich lösen würde. Die Landesregierung habe der Stadt Köln und dem Universitätsklinikum Köln eine ergebnisoffene Prüfung der Pläne für das „Universitäre Gesundheitscluster Köln“ unter Berücksichtigung der Chancen so- wie der finanziellen und wirtschaftlichen Risiken zugesagt, bestätigt ein Sprecher des NRW-Wissenschaftsministeriums. Unverbindlicher geht es kaum. Zumal sich seit Beginn der Fusions-Debatte Gutachten auf Gutachten türmt. „Im Herbst 2019 hat der Rat der Stadt Köln die Verhandlungen der OB mit dem Land NRW über das Konzept zum Kli- nikverbund gebilligt“, kritisiert Unna. „Es gibt unverändert diesen Verhand- lungsauftrag des Stadtrats. Wir haben bis heute aber keine belastbare Antwort aus Düsseldorf erhalten.“ 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 95

Unternehmen und Märkte Konzeptfavorit: Gesundheitscampus Merheim Fristgerecht, betont sie, habe die neue Geschäftsführung um die seit November amtierende Sylvia Langer und Axel Goßmann die von Oberbürgermeisterin Henriette Reker geforderte Strukturanalyse vorgelegt. Eine Überraschung ist das Ergebnis wohl für die wenigsten. Von allen fünf in Betracht gezogenen und bewerteten Modellen komme am ehesten die Zusammenlegung eines Großteils der medizinischen Leis- tungen am Standort Merheim in Frage, teilt das Klinikum in dürren Worten mit. Dieses Modell - der „Gesundheitscampus Merheim“ - entspreche am ehesten den geforderten Kriterien. Danach sollen alle medizinischen Leistungen mit Ausnahme der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Merheim zu- sammengeführt werden. Neu sei dieser Ansatz nicht, sagt Daniel Kolle, Verdi-Bezirks- geschäftsführer für Köln-Bonn-Leverkusen: „Auch die aktuell noch gültigen Beschlussfassungen sahen eine Verlagerung von Klinikbereichen von Holweide nach Merheim vor“. Sollte das favorisierte Konzept den Zuschlag bekommen, würden für die bisher in Holweide und Riehl angesiedelten Fachabteilungen Neubauten entstehen, so das Klinikmanagement. Eine schnelle Lösung wäre auch das nicht: „Stand heute gehen die Kliniken Köln von einer möglichen Umsetzung bis 2031 aus“, meldet das Klinikum. Auch wird in der Mitteilung nichts gesagt über mögliche Kosten für Neubauten und Umzug. Auch die Frage, in welchem Umfang und wann diese Maßnahmen zum geforderten Abbau des immensen Defizits beitragen werden, wird nicht erklärt. Die Klinikleitung spricht lediglich davon, dass „sehr hohe Investitionen“ notwendig wären. „Die Zentralisierung auf einen Standort entledigt zunächst nur von den Investi- tionskosten an den Standorten Holweide und Amsterdamer Straße und den Betriebskosten für die Gebäude“, sagt Verdi- Mann Kolle. „Die Investitionsbedarfe in Merheim bleiben und der Betrieb muss auch an einem Standort soweit profitabel sein, dass die Kosten gedeckt sind. Dafür braucht es mehr als nur eine Zentralisierung“. Dennoch findet das Modell breite Zustimmung. Oberbürgermeisterin und der Stadtvorstand hätten sich „überaus positiv“ zum Gesundheitscampus Merheim und zur Zentralisierung geäußert, heißt es. Keine Fraktion im Rat der Stadt Köln habe Widerstand angekündigt. Und auch Aufsichtsratschef Unna gibt diesem Szenario die besten Chan- cen. „Alle anderen Szenarien wirken politisch nahezu nicht beschlussfähig und unrealistisch“, sagt auch Kolle. Immerhin: eine Privatisierung scheint politisch kaum durchsetz- bar. Daran lässt auch OB Reker keinen Zweifel aufkommen. Am wenigsten geeignet ist wohl der Erhalt aller drei Standorte. Die Stadt Köln allein könnte das Investitionsvolumen dafür nicht aufbringen, glaubt Kolle. „Dafür ist die Substanz nicht mehr da.“ der Mangel an Pflegekräften, die bauliche Situation. Allerdings verfügt Merheim über einen Neubau und damit die bessere Infrastruk- tur. Die Gebäudesubstanz am Standort Holweide ist sanierungsbedürftig, zu groß für die Nachfrage und produziert deshalb hohe Betriebskosten. Immer wieder wer- den Lösungsansätze diskutiert, die eine Verlagerung der klinischen Versorgung nach Merheim vorsehen. Vor allem SPD und Linke stemmen sich gegen eine Aus- dünnung des Versorgungsangebots auf der sozial schwächeren rechten Rheinseite. „Immer wieder werden Lösungsansät- ze diskutiert, die eine Verlagerung der klinischen Versorgung nach Merheim vorsehen“, sagt Aufsichtsrat Unna. „Die Gesundheitspolitiker aller demokratischen Parteien laufen aber Sturm gegen eine Ausdünnung des Versorgungsangebots auf der rechten Rheinseite – bis auf die CDU und FDP sind alle Fraktionen im Rat der Stadt Köln gegen eine mögliche Privatisie- rung“, so Unna. „Wir werden erneut eine intensive Struktur- und Standortdebatte bekommen“, befürchtet er vor dem Hin- tergrund der voraussichtlich notwendigen Verlagerungen und Zentralisierungen von medizinischen Leistungen. Viel Beachtung erlebten zuletzt Gerüchte um einen möglichen Einstieg privater Investoren als Ersatz für den zaudernden Wunsch-Fusionspartner. Doch damit kann sich Reker offenbar nicht anfreunden: „Die Oberbürgermeisterin strebt einen Klinikverbund der Kliniken der Stadt Köln im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft an“, erklärt ein Sprecher. „Dies schließt eine Privatisierung der Kli- niken der Stadt Köln aus“. Auch die neue Geschäftsführung wiegelt ab: „Das wie- derholt in den Medien geäußerte Gerücht über eine mögliche Privatisierung ist rei- ne Spekulation. Gespräche mit privaten Anbietern sind kein Teil der aktuellen Überlegungen und Planungen; derartige Gespräche finden nicht statt“. ▬ Sabine Rößing Freie Journalistin 96 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

Gestalten Sie das Krankenhaus der Zukunft aktiv mit! Unternehmen und Märkte kma Special HAUPTSTADT KONGRESS 2 0 2 3 Jetzt buchen! Auch als E-Paper auf kma Online! Mit dem kma Special Hauptstadtkongress 2023 erreichen Sie die relevanten Entscheider im Krankenhaus Anzeigenschluss 28.04.2023 Erscheinungstermin 01.06.2023 Sondernewsletter Hauptstadtkongress 01.06.2023 Seien Sie dabei und Präsentieren Sie Ihre Lösungen im kma Special Hauptstadtkongress 2023, auf kma Online und im kma Newsletter. Die Medien der kma begleiten mit einem Heftspecial, Sondernewsletter und einer Themenwelt auf kma Online den Hauptstadtkongress und bieten ein vielfältiges Umfeld für Ihre Kommunikation an die Entscheider im Krankenhaus. Setzen Sie sich mit uns in Verbindung und buchen Sie jetzt Ihren Medien auftritt: Lutz Benecke, Head of Advertising, lutz.benecke@thieme-media.de, Tel.: +49(0)711/89 31-954 i e m e h T / e k c i h c S a u s r U © l www.kma-online.de/lp/mediadaten/ 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 97

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Branche kompakt K I N H C E T N I Z I D E M m o c . e b o d a . k c o t s / t e s a m o r BR ANCHE KOMPAKT © INNOVATIONEN MADE IN GERMANY Deutsche Medizintechnikunterneh- men erwirtschaften fast die Hälfte des gesamten Branchenumsatzes in Europa. Zwei Drittel der Produk- te gehen in den Export. Am Anfang dieses Erfolgs stehen Forschung und Entwicklung. Nur wenn ständig In- novationen nachkommen, kann die Branche ihre starke Stellung weiter- hin behaupten. Auf den folgenden Seiten stellen wir solche Innovationen vor: Nachwachsende Herzklappen aus dem 3D-Drucker und dem Web- stuhl – und maschinelle Lernalgo- rithmen, die eine bessere Steuerung von myoelektrischen Handprothesen ermöglichen werden. INHALTE 99 Nachwachsende Herzklappen 102 105 Langlebig und dicht Intelligente Medizinprodukte Prothesen lernen nie aus Branche in Zahlen © romaset / stock.adobe.com 98 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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Branche kompakt NACHWACHSENDE HERZKLAPPEN Langlebig und dicht Beim in situ Tissue Engineering erzeugen Forscher künstliche Herzklappen, die von Zellen des Prothesen- trägers besiedelt werden. Das ursprüngliche Klappenmaterial löst sich mit der Zeit auf. Die Klappe besteht dann nur noch aus körpereigenen Zellen. Die Menschen werden immer älter. In der Folge werden Herzerkrankungen in Zukunft zunehmen. Viele Menschen benötigen schon heute einen Herzklap- penersatz. Herkömmliche künstliche Herzklappen halten jedoch nur rund 20 Jahre und sind mit der lebenslangen Einnahme von blutverdünnenden Me- dikamenten verbunden. Die Forschung arbeitet deshalb an langlebigen Alterna- tiven. Im Trend liegen Herzklappen aus körpereigenem Gewebe. Diese neuartigen Implantate haben den großen Vorteil, dass sie mitwachsen können. Für herzkranke Kindern hat diese neue Technik den Vor- teil, dass ihnen während des Wachstums des Herzens der Austausch der Herzklappe gegen ein größeres Modell erspart bleibt. Vergleichsweise weit fortgeschritten ist ein Verfahren, das in den vergange- nen Jahren am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und an der Charité in Berlin entwickelt wurde. Dabei entnehmen die Forscher Gewebe aus dem Herzbeutel eines Patienten und formen daraus eine neue Herzklappe. Die genauen Abmessungen des Implantats erhalten die Forscher aus MRT- und CT- Daten der Patienten. Nachdem sich das Verfahren im Tierversuch an Schafen mit Lungenklappen bewährt hat, läuft aktuell eine Unbedenklichkeitsstudie. Mehreren jungen Patienten mit einem angeborenen Herzklappendefekt wurde minimalinvasiv ein Herzklappenersatz aus körpereigenem Gewebe implantiert. In einem Zeitraum von fünf Jahren nach dem Eingriff sol- len die Probanden im vierteljährlichen Abstand untersucht werden. Bei einem Erfolg der Studie sind weiterführende Studien geplant. D U T / M T I © K I N H C E T N I Z I D E M 5 bis 40 Mikrometer dünne Fasern erzeugen die Forscher mit dem von ihnen entwickelten 3D-Drucker. Neuer Trend: In situ Tissue Engineering Noch im Entwicklungsstadium befinden sich Herzklappen auf der Basis des soge- nannten in situ Tissue Engineerings. Bei diesem Verfahren wird die Herzklappe nicht im Labor aus körpereigenen Zellen geformt. Stattdessen kommen künstli- che Herzklappen aus einem abbaubaren Trägermaterial zum Einsatz, welche durch körpereigene Zellen besiedelt werden sollen. Die Idee: Im Körper wächst so eine neue Herzklappe nach, während mit der Zeit das Trägermaterial abgebaut wird. Eine neuartige gewebte textile Herzklappen- prothese © ITM / TUD. Eine interessante in situ Tissue Enginee- ring Strategie wurde an der Technischen Universität München (TUM) entwickelt. Die künstliche Herzklappe besteht in diesem Fall aus einem röhrenförmigen Konstrukt, das mit einem additiven Fer- tigungsverfahren hergestellt wird. Damit sich die Zellen an der Oberfläche ansiedeln können, müssen diese in der Lage sein, die mit dem 3D-Drucker erzeugten Fa- sern zu umschließen. Ein 3D-Drucker für den Heimgebrauch eignet sich für dieses Vorhaben nicht, weil seine Düsen nicht fein genug sind. Die von ihm erzeugten Fasern erreichen einen Durchmesser von etwa 400 Mikrometern. Sie sind damit teilweise bis zu 40 Mal dicker als die Zel- len. Die Forscher setzen deshalb das Melt Electrowriting als 3D Druckverfahren ein, mit dem sie deutlich feinere Fasern mit einer Stärke von 5 bis 40 Mikrometer herstellen können. Bei dem Verfahren 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 99

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K I N H C E T N I Z I D E M Branche kompakt wird ein Polymer in der Kartusche des 3D-Druckers erhitzt und geschmolzen. Die Forscher steuern den Durchmesser der Faser über die Druckluft, mit der sie das geschmolzene Polymer als flüssigen Strahl aus der Kartusche pressen. Ein zwischen der Düse und dem Druckbett angelegtes elektrisches Hochspannungsfeld sorgt nicht nur dafür, dass der Polymerstrahl verstreckt und damit signifikant verdünnt wird, sondern auch für eine Stabilisierung des Strahls, damit beim 3D-Druck prä- zise Muster gedruckt werden können. Diese Muster sind erforderlich, um die Beschaffenheit einer natürlichen Herz- klappe nachzuahmen. „Das natürliche Vorbild ist sehr komplex“, erklärt Prof. Dr. Petra Mela, Leiterin des Lehrstuhls für Medizintechnische Materialien und Implantate an der TUM. „Wir suchen uns die wirklich wichtigen Elemente heraus und transferieren sie in den Designan- satz für das bioinspirierte Produkt.“ Das Klappenelement einer körpereigenen Herzklappe enthält zum Beispiel wellen- förmige Fasern, welche durch die Struktur der Kollagenfasern inspiriert sind. Diese Wellenform, die für die Dehnbarkeit der Klappe wichtig ist, erzeugen die Forscher mittels 3D-Druck. Ein weiteres Element betrifft den Übergang der Herzklappe zur Aortenwand. Dieses Designelement haben die Forscher mit einem Rautenmus- ter nachgeahmt, welches es der Klappe erlaubt, durch Durchmesseränderungen auf die Druckbedingungen des Blutflusses zu reagieren. Herzklappen dicht machen Das Ergebnis des 3D-Drucks ist eine makroporöse Faserstruktur mit Loch- faserabständen von mehreren 10 bis 100 Mikrometern. In diese Makropo- ren spritzen die Forscher mit einer Art Spritzgussverfahren ein Elastin-ähnliches Biomaterial – Elastinfasern bewirken die Elastizität der menschlichen Herzklappe. Dadurch werden die Makroporen wasser- beziehungsweise blutdicht. Zusätzlich erzeugen die Forscher mit dem Elastin- ähnlichen Polymer über ein Schäumungs- verfahren eine Mikroporosität in einer Grö- ßenordnung, in der sich Zellen ansiedeln M U T / t t o g r e d d e H s a e r d n A © (o.) Der Blick auf den Objektträger zeigt bei- spielhaft, dass eine Struktur in Sinuswellen auf die Glasplatte gedruckt wurde. Dieses Muster erzeugt eine Biomechanik wie eine Herzklappe unter Zugbelastung. (r.) Ein fertig gedrucktes strukturelles Gerüst für eine Herzklappe in Nahaufnahme. Gut zu erkennen sind die unterschiedlichen Struktu- ren, die für eine passende Biomechanik sorgen. © Andreas Heddergott / TUM können. „Diese Zellen sollen sich dann vermehren und eine mechanische Fes- tigkeit und Umgebung aufbauen, wie sie in einer natürlichen Herzklappe besteht“, erläutert Mela. Die Forscherinnen und Forscher haben für ihren Klappenersatz abbaubare Kunststoffe gewählt, die mit der Zeit aus dem Körper verschwinden. Im Labor wurde die Herzklappe aus dem 3D-Drucker mit einem künstlichen Kreis- laufsystem bereits nach einem standardi- sierten Verfahren getestet. Im nächsten Schritt stehen Tierversuche an, für die das Forschungsteam auf interdisziplinäre Kooperation angewiesen ist. Herzklappe vom Webstuhl Forschern vom Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der Technischen Universität Dresden ist es erstmals gelungen, eine dreidimensi- onale Herzklappe inklusive Ventil an einem Stück zu weben. Das textile Implantat, das einmal minimalinvasiv eingesetzt wer- den soll, enthält keine weiteren Bestand- teile, die beispielsweise durch Nähen hinzugefügt wurden. Gewebeimplantate haben von Haus aus eine hohe mechanische Festigkeit und kommen schon lange in der Medizin zum Einsatz. „Unser Verfahren ist so ausgelegt, dass wir materialunabhängig arbeiten“, erklärt Forschungsgruppenleiterin Dr. Dilbar Aibibu. „Wenn wir etwas weben, können wir für den Soforteinsatz bewähr- tes Material wie Polyester verwenden, das als Gefäßprothese oder Anulusring (Halte- apparat der Herzklappen) bereits seit Jahr- zehnten in der Herzchirurgie eingesetzt wird.“ Auch Garne aus Teflon eignen sich wegen ihrer hohen Inertheit als Sofor- timplantate, erklärt sie. Für die textilen Herzklappen setzen die Forscherinnen und Forscher auf resorbierbares Material zur Herstellung von nachwachsenden Herz- klappenprothesen für Kinder, sodass diese als Zellträger im Labor mit körpereigenen Zellen kultiviert und anschließend dem Empfänger transplantiert werden können. Die Dresdner Forscher arbeiten deshalb nicht nur an einer neuen Webtechnologie für textile Herzklappen, sondern forschen auch an geeigneten Biomaterialien für ihr Verfahren. Die Materialien sollen eine 100 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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Branche kompakt M U T / t t o g r e d d e H s a e r d n A © K I N H C E T N I Z I D E M Sie benötigen ein gutes Vorstellungs- vermögen, um ein solches ‚Origami‘ herzustellen. Dr. Dilbar Aibibu, ITM Wir suchen uns die wirklich wichtigen Elemente heraus und transferieren sie in den Designan- satz für das bioin- spirierte Produkt. Prof. Dr. Petra Mela, TUM Verfahrens. Denn die Forscher stellen nur die Innovation zur Verfügung. Die textilen Herzklappen sollen einmal von verschie- denen Anbietern produziert werden, wes- halb das Verfahren mit unterschiedlichen Webmaschinen funktionieren muss. ▬ Aktuell beschäftigen sich die Dresdner Textilspezialisten mit der Maschinenent- wicklung und der Reproduzierbarkeit ihres Dr. Michael Lang Freier Journalist 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 101 Kilian Müller, Doktorand am Lehrstuhl für Medizintechnische Materialien und Implantate, begutachtet eine 3D gedruckte Herzklappenstruktur, die in einer Melt Electrowriting (MEW)-Anlage gefertigt wurde. © Andreas Heddergott / TUM bestimmte mechanische Belastung auf- nehmen können und ihre Resorptionszeit muss sich an das Wirtsgewebe anpassen lassen. „Ich kann mir gut vorstellen, auch Seide als Trägermaterial für Herzklap- pen zu verwenden“, sagt Aibibu. „Seide ist ein bekanntes Biomaterial mit einer hohen Festigkeit, das etwas langsamer abgebaut wird.“ Bevor die Dresdner Forscherinnen und Forscher mit dem Weben beginnen konn- ten, haben sie mit einem Computerto- mographen ein 3D-Modell der Herzklap- pe er stellt und die Daten an eine Webmaschine übertragen. Da es sich zunächst um eine Machbarkeitsstudie handelte, wurde der Prototyp mit sehr groben Fasern gewoben. Mit diesem Verfahren lassen sich Herzklappen sowohl mit zwei als auch mit drei Segeln herstel- len. Durch die Verwendung des groben Garns war die erste textile Herzklappe noch nicht blut- und wasserdicht. Das wollen die Forscher im nächsten Schritt durch den Einsatz extrem feiner Garne realisieren. Gefaltet wie ein Origami Die große Herausforderung für die For- scherinnen und Forscher bestand darin, in einem Arbeitsgang aus einer Webma- schine, die flaches Gewebe erzeugt, eine komplexe dreidimensionale Struktur zu berechnen und zu weben. Dieses Gewebe wurde dann in mehrere Schichten gefaltet. „Sie benötigen ein gutes Vorstellungsver- mögen, um ein solches ‚Origami‘ herzu- stellen,“ erklärt Aibibu. Bei der Planung mussten die Textilexperten außerdem die Entwicklung der Gewebestruktur berück- sichtigen und dies für die Webmaschine übersetzen. Keine leichte Aufgabe: Zum Weben wurden hunderte verschiedener Fäden verwendet, und jeder einzelne Faden musste anders bewegt werden. Für ihre Entwicklung haben die Dresdner Forscher 2022 den Techtextil Innovation Award in der Kategorie „New Product“ auf der internationalen Fachmesse Techtextil 2022 erhalten.

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Branche kompakt INTELLIGENTE MEDIZINPRODUKTE Prothesen lernen nie aus K I N H C E T N I Z I D E M Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg arbeiten an einem Verfahren, das mit maschinellem Lernen die Steuerung von Prothesen verbessern soll. Wir haben mit ihnen über die Hin- tergründe und die zukünftige Entwicklung von Prothesensteuerungen gesprochen. Sie entwickeln eine künstliche Intelli- genz für die Steuerung von Prothesen. Welche Prothesen kommen dafür in- frage? Prof. Dr. Caludio Castellini: Wir ent- wickeln nicht eine große künstliche In- telligenz, sondern nutzen verschiedene Methoden des maschinellen Lernens, um Prothesen anhand von Biosignalen des Benutzers – etwa Muskelsignale – zu steuern. Unsere Algorithmen werden sich in angepasster Form zur Steuerung von Arm- oder Beinprothesen verwen- den lassen. Wie muss eine Prothese beschaffen sein, damit sie sich mit künstlicher In- telligenz steuern lässt? Fabio Egle: Für unsere Art der Steuerung kommen myoelektrische Prothesen in- frage, keine mechanischen. Worin besteht der Unterschied? Egle: Die mechanische Prothese wird über einen Kabelzug gesteuert, der an einem anderen Körperteil angebracht ist. Wenn zum Beispiel ein solcher Kabelzug von der Schulter bis zu einer Handprothese verläuft, kann der Nutzer diese künstliche Hand auf- und zumachen, indem er die Schulter auf eine bestimmte Art und Weise bewegt. Mechanische Prothesen ermöglichen eine proportionale Steu- erung. Der Nutzer oder die Nutzerin kann über die Schulterbewegung die Hand ein bisschen öffnen und schließen. Ein weiterer Vorteil der mechanischen Prothese ist das sensorische Feedback, das die Person erhält, sobald er oder sie am Kabelzug zieht. Diese Prothesenart kommt ohne externe Stromversorgung aus und ist insgesamt sehr zuverlässig. Castellini: Die myoelektrischen Prothe- sen, die wir verwenden, gibt es schon seit vielen Jahren. Bei der klassischen Elektromyographie führt die vom Benut- zer geplante Bewegung der Prothese zu einer Muskelaktivität in den Gliedmaßen. Oberflächen-Elektromyographie-Senso- ren (sEMG) messen die Muskelaktivität In der Regel genügen ein paar Sekunden, um un- sere Prothesensteu- erung initial mit den Muskelsignalen zu trainieren. Fabio Egle auf der Hautoberfläche. Als nächstes läuft eine Reihe von Schritten ab, um das gemessene Rohsignal zu prozessie- ren. Die Steuerung erfolgt in unserem Fall durch Methoden des maschinellen Lernens, die auf Basis der prozessier- ten Signale vorhersagen, in welche Richtung sich die Prothese elektrisch bewegen soll. Die Bewegung der Prothese erfolgt dann mittels batteriebetriebener Motoren. Welche Vorteile hat die myoelektrische Prothese? Egle: Mechanische Prothesen bieten ihrem Träger oder ihrer Trägerin nur einen Freiheitsgrad zur gleichen Zeit. Er kann zum Beispiel seine Hand öffnen und schließen. Myoelektrische Prothesen dagegen haben mehrere Freiheitsgrade. Dadurch sind zum Beispiel auch Rotationen ähnlich einer Drehung des Handgelenks möglich. Für eine Prothese mit mehreren Freiheitsgraden werden mehrere Motoren benötigt. Der Nutzer oder die Nutzerin muss diese Freiheitsgrade gleichzeitig steuern können. Das funktioniert nur mit einer myoelektrischen Prothese. Was ist bei den myoelektrischen Prothe- sen State of the Art? Egle: Die Prothesen, die aktuell mit künst- licher Intelligenz oder maschinellen Lern- methoden betrieben werden, können eine Hand auf- oder zumachen oder eine andere Pose einnehmen, aber nur ganz oder gar nicht. Es ist aktuell kaum möglich, die Hand nur zu 20 Prozent zu schließen und gleichzeitig intuitiv um 30 Prozent zu drehen. Unser Ziel ist, diese natürliche, proportionale Kontrolle über verschiedene Freiheitsgrade zu ermöglichen. Studien zufolge brechen fast die Hälfte aller Träger von myoelektrischen Pro- thesen die Benutzung ab und kehren zur mechanischen Prothese zurück. Castellini: Die myoelektrischen Prothesen bieten noch nicht die Zuverlässigkeit, den Komfort und die Funktionen, die sich viele Menschen mit Amputation erhoffen. Aufgrund der Motoren und Batterien sind diese Prothesen vielen Nutzern zu schwer. Es gibt bereits viele myoelektrische Prothesen. Wurde am Markt vorbei entwickelt? Castellini: Ja und nein. Die Prothesen haben sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Sie sind aber noch nicht 102 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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2 2 0 2 n e g n a l r E e n i l des Prothesenträgers trainiert wird. Letzt- endlich ist unsere Prothesensteuerung eine Spezialanfertigung, genauso wie die Prothese. Branche kompakt l i w o s a G o d u t s o t o F © i o d u t S © Zur Person Fabio Egle arbeitet seit Januar 2022 als Doktorand am Assistive Intelligent Robotics Lab. Er forscht an der Ana- lyse von Biosignalen, maschinellen Lernmethoden und virtueller Realität für Assistenzrobotik. Zuvor hat er ein Masterstudium der Medizintechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) absolviert. auf dem Niveau, dass sie Funktionen bie- ten würden, die die Nutzer und Nutzerin- nen gerne hätten. In den letzten Jahren sind neue Möglichkeiten entstanden, etwa durch leistungsfähige Mikrocontroller, leichtere Batterien mit einer höheren Leistungsfähigkeit und mehr Kapazität. Diese neuen Entwicklungen werden jetzt bei der Prothesenentwicklung Stück für Stück umgesetzt. Was für einen Algorithmus entwickeln Sie im Projekt „IntelliMan“? Castellini: Wir entwickeln lernfähige Algorithmen, die durch das Training an individuellen Daten auf jeden Prothesen- träger speziell zugeschnitten sind. Hierfür erhalten wir von der Person Biosignale, mit denen wir unsere Algorithmen trai- nieren. So wie der Schaft einer Prothese genau an den Stumpf angepasst werden muss, funktioniert auch die Steuerung nur, wenn der Algorithmus mit den Daten Wie viel Training benötigt der Algorith- mus, und wie wird trainiert? Egle: Ein stundenlanger Trainingszyklus des Algorithmus wäre viel zu anstren- gend für die Prothesenträger. In der Regel genügen ein paar Sekunden, um unsere Prothesensteuerung initial mit den Muskelsignalen zu trainieren. Wir haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, mit möglichst wenig Daten pro Probanden auszukommen. Castellini: Unsere Prothesensteuerung lernt dann kontinuierlich am Probanden weiter. Dies kann Wochen oder Monate fortgeführt werden, wobei die Steuerung immer weiter angepasst und optimiert wird. Für die Probanden bedeutet das, dass sie zu bestimmten Zeiten immer wieder ins Labor kommen. Je nach Imple- mentierung wäre es aber auch möglich, diese Trainingsprozesse von zu Hause durchzuführen. Zur Testung und Validation von neuen Algorithmen im Rahmen von Studien steuern die Probanden entweder eine reale oder eine virtuelle Prothese bei uns im Labor. Wie kann man sich einen Test mit virtu- ellen Prothesen vorstellen? Egle: Der Proband bekommt eine Virtual- Reality-Brille aufgesetzt und sieht eine Prothese anstatt seiner eigenen Hand oder Amputation, mit der er in der virtu- ellen Realität interagieren kann. Er kann in dieser virtuellen Realität Dinge greifen oder bearbeiten, indem er die Prothese in der virtuellen Welt steuert. Castellini: Interessanter für uns ist das, was anschließend unsere Partner machen. Denn der eigentliche Praxistest unse- res Algorithmus findet in Bologna statt. Dort befindet sich ein Prothetikzentrum, das INAIL Centro Protesi, eines der bes- ten Zentren in der Europäischen Union. Zur Person Prof. Dr. Claudio Castellini ist Pro- fessor für Medizinrobotik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, wo er seit 2021 das Assistive Intelligent Robotics Lab (AIROB) leitet, sowie Senior Re- searcher beim Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Er ist spezialisiert auf Mensch-Maschine-Schnittstellen und maschinelles Lernen für Rehabi- litationsroboter. Professor Castellini hat an der Universität Genua Elek- trotechnik studiert und an der Uni- versität Edinburgh über künstliche Intelligenz promoviert. K I N H C E T N I Z I D E M Patienten aus aller Welt kommen dorthin, um sich eine maßgeschneiderte Prothese anpassen zu lassen. Könnten die Probanden den Algorith- mus auch zuhause trainieren und an- passen? Castellini: Wir überlegen tatsächlich, in einem weiteren Schritt die Prothe- se mit unseren Algorithmen an Bord direkt an die Probanden zu liefern, die dann zuhause das Training durchfüh- ren können. Aber wir sind derzeit noch nicht in der Lage, eine solche Studie durchzuführen. 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 103

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Branche kompakt n e f o h n e ff a f p r e b O R L D 8 1 0 2 © (o.) Das Training des Algorithmus kann auch mit einer virtuellen Prothese stattfinden. © 2018 DLR Oberpfaffenhofen B O R I A U A F © K I N H C E T N I Z I D E M (l.) Die Forscher am AIROB verwenden zur Entwicklung der Algorithmen im Projekt Intel- liMan eine Armprothese aus dem 3D-Drucker auf Basis des Open Source-Projekts InMoov. © FAU AIROB Bei einer Prothe- se hingegen passt sich nicht nur der Träger an, sondern auch die Prothese. Dieses Konzept der Ko-Adaption ist noch relativ neu. Prof. Dr. Claudio Castellini Warum ist es überhaupt erforderlich, den Algorithmus über einen längeren Zeitraum anzupassen? Castellini: Durch weiteres Training des Algorithmus wird die Prothesensteue- rung noch weiter auf den Einzelnen zu- geschnitten und verbessert. Das ist zum Beispiel dann erforderlich, wenn der Pati- ent bemerkt, dass sich die Muskelsignale verändern. Dann benötigt die Prothese sozusagen ein Update. Ein Update? Castellini: Es ist wie bei einem Motor- rad. Wenn Sie zum ersten Mal mit einem Motorrad fahren, müssen Sie lernen, es zu steuern. Das Motorrad kann sich nicht an Sie anpassen, indem es zum Beispiel die Sitzhöhe automatisch einstellt. Sie müssen sich an das Motorrad anpassen. Bei einer Prothese hingegen passt sich nicht nur der Träger an, sondern auch die Prothese. Dieses Konzept der Ko-Adaption ist noch relativ neu. Daran wird seit etwa fünf Jahren geforscht. Berücksichtigen Sie diese Ko-Adaption bereits bei der Entwicklung des Algo- rithmus? Egle: Der Algorithmus muss die Mög- lichkeit zulassen, dass man im Update interaktiv mehr Daten hinzufügt und er weiterlernen kann. Das ist im Algorithmus auch so vorgesehen. Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wie werden Prothesen in 20 Jahren ar- beiten? Projekt IntelliMan Name: IntelliMan – AI-Powered Manipulation System for Advanced Robotic Service, Manufacturing and Prosthetics Projektkoordinator: Alma Mater Stu- diorum Università di Bologna, Italien Projektteilnehmer: 13, darunter Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg und Bayerische Forschungsallianz Gesamtfördersumme: 6 Millionen Euro (EU-Programm Horizon) Laufzeit: September 2022 bis März 2026 Castellini: Ich könnte mir folgendes Szenario vorstellen: Ein Patient erhält nach einer Amputation eine Prothese. Nachdem er sie vier Wochen getragen hat, ist die Steuerung perfekt und die Prothese funktioniert wie eine Brille. Der Patient stellt sie abends vor dem Schlafen ab und setzen sie am nächsten Morgen wieder auf. Das funktioniert zuverlässig an jedem Tag. Und wenn die Prothese ihn nicht mehr versteht, weil sich Biosignale geändert haben, macht er ein Update. Das Updaten funktioniert dann per Knopfdruck auf dem Smartphone. Der Prothesenträger gibt an, welche Bewegung er updaten möchte und fügt neue Daten hinzu. Die Prothese führt dann eigenständig das Update durch. ▬ Das Interview führte Dr. Michael Lang, freier Journalist 104 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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BRANCHE IN ZAHLEN Medizintechnik in Europa Anteil am Gesamtumsatz 2019 (oder letzverfügbares Jahr) 43,49 % Deutschland 1,72 % Schweden 1,79 % Niederlande Branche kompakt 2,33 % Spanien 2,09 % Belgien 1,81 % Österreich 13,42 % Italien 12,16 % Frankreich 3,75 % Dänemark 1,64 % Polen 0,92 % Tschechien 0,97 % Ungarn Quelle: Spectaris Jahrbuch 2022/2023 66,5 Prozent 65,8 Prozent Umsatzentwicklung der weltweiten Medizintechnikindustrie 2005 bis 2024 in Milliarden US-Dollar K I N H C E T N I Z I D E M Medizintechnikbranche im Überblick Umsätze 2020 bis 2021 36,41 Mrd. Euro 34,25 Mrd. Euro 24,20 Mrd. Euro 22,53 Mrd. Euro 12,21 Mrd. Euro 11,72 Mrd. Euro Gesamtumsatz Inlandsumsatz Auslandsumsatz Exportquote 2021 2020 Quelle: Spectaris Jahrbuch 2022/2023 Zahlen zur MedTech-Branche 12 000 Kleinst unter- nehmen Export- quote rund 66 % rund 500 000 verschiedene Medizinprodukte auf dem deutschen Markt über 36,4 Mrd. Euro Branchen- umsatz über 250 000 Arbeitsplätze 1 450 Betriebe über 20 Mitarbeiter 15,4 Mrd. Wertschöpfung Euro 9 % des Umsatzes werden in F&E investiert 93% KMUs Jahr 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 Umsatz 219 241 274 303 308 326 352,9 362,1 369,8 379,7 371,2 387,5 405 433,7 457,4 483,8 510,9 538,4 566,3 594,5 Quelle: MedTech-Marktpräsentation des BVMed vom 14. November 2022 Quelle: Statista 2023 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 105

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Facility Management A D B . n e t k e t i h c r A . u a D i . r e d e m h c S © UKSH-MOBILITÄTSSTATION Millionen für die Zweiräder Auf seinem Kieler Campus investiert das UKSH mehr als 14 Millionen Euro für eine dreigeschossige Fahrrad-Mobilitätsstation mit rund 1 340 Plätzen. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach soll kostenlosen Ladestrom für E-Bikes liefern. Im LinkedIn-Profil des Universitätsklini- kums Schleswig-Holstein (UKSH) hat- te das Projekt schon kurz nach seiner Präsentation Dutzende „Gefällt mir“- Reaktionen eingeheimst – dabei liegt die Verwirklichung der ambitionierten Pläne noch ziemlich weit in der Zukunft. Auf seinem Campus Kiel plant das UKSH eine Fahrrad-Mobilitätsstation für Mit- arbeitende und Studierende mit rund 1 340 Zweirad-Stellplätzen. Der Bau des markanten Gebäudes soll im November dieses Jahres starten, die Fertigstellung ist für Januar 2026 geplant. Die Fahrradstation sei ein Pionierprojekt für emissionsfreie Mobilität in Schleswig- Holstein, sagte Landesfinanzministerin Monika Heinold, als die Pläne für den dreistöckigen Neubau vorgestellt wur- den. Und UKSH-Vorstandschef Prof. Dr. Dr. Jens Scholz schwärmte: „Mit dieser Mobilitätsstation setzt das UKSH einmal mehr Maßstäbe für den Klimaschutz.“ Das UKSH habe sich die Klimaneutralität bis 2030 zum Ziel gesetzt, so Scholz. Das Gebäude mit einer Photovoltaikan- lage auf dem Dach und teilbegrünter Fassade wird unter der Leitung der Ge- bäudemanagement Schleswig-Holstein AöR errichtet. Die Gesamtkosten betragen nach Angaben des UKSH rund 14,65 Mil- lionen Euro. Rund 6,28 Millionen Euro davon steuere das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aus dem Klima- und Transformationsfonds bei. Die weiteren Baukosten in Höhe von rund 8,37 Millionen Euro seien im Rahmen des „Zukunftspaktes UKSH“ abgebildet, der unter anderem Mittel für Investitionen in Höhe von insgesamt rund 650 Millionen Euro vorsehe. 106 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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Krankenhäuser können erheblich zur CO2-Reduktion beitragen. Deshalb ist Nachhaltigkeit zu einem festen Bestandteil unserer Unternehmens- kultur geworden. Prof. Dr. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des UKSH So soll sie einmal aussehen: Visualisierung der geplanten Mobilitätsstation am Kieler Campus des UKSH. © Schmieder. Dau. Architekten. BDA Facility Management Nachhaltig mobil • Im Bereich Mobilität hat das UKSH bereits einige Maßnah- men umgesetzt, um die CO2-Emissionen zu reduzieren: • Ladestationen – An beiden Standorten gibt es je 20 La- destationen für E-Autos. • ÖPNV – Seit Januar 2022 können UKSH-Beschäftigte das Jobticket des Nahverkehrsverbunds Schleswig-Holstein (NAH.SH) nutzen. Neben der höchsten Rabattstufe von monatlich 30 Euro gibt es einen zusätzlichen Rabatt von 20 Euro des NAH.SH. Derzeit bestehen am UKSH mehr als 5 000 Verträge. • Bike-Sharing – Am Hauptportal des Campus Kiel hat das Fahrradverleihsystem „SprottenFlotte“ Räder stationiert. 2022 wurden 5 532 Ausleihen und Rückgaben verzeichnet. • Betriebliche Mitfahrzentrale – Über die Comovee-App schließen sich UKSH-Beschäftigte zu Fahrgemeinschaften zum Arbeitsplatz zusammen. • Projekt Klimaretter – Seit 2019 nehmen 659 Beschäftigte teil und haben bisher insgesamt 118 800 Kilogramm CO2 eingespart, unter anderem durch Radfahren: 2020 wurden zum Beispiel 76 692 Kilometer geradelt, wodurch allein 13 038 Kilogramm CO2 vermieden wurden. • Rohrpostsystem – Die geplante Anlage soll verschiedene Transportfahrten überflüssig machen, unter anderem mehr als 10 000 hinzugekaufte Taxi-Fahrten pro Jahr. 280 Plätze mit E-Lademöglichkeit Auf einer Grundfläche von 1 600 Qua- dratmetern soll die Mobilitätsstation Stellplätze für verschiedene Fahrradarten bieten, darunter 63 Flächen für Lasten- räder sowie 280 Stellplätze mit E-Lade- möglichkeit, heißt es in Kiel weiter. Für entnehmbare Akkus werden demnach zusätzlich 240 abschließbare Ladefächer angeboten. Die Aufladung sei genau wie die Nutzung des Gebäudes für die Mitar- beitenden und Studierenden kostenlos. Neben 540 Spindschränken sei zudem ein Serviceraum geplant, der sowohl als Selbsthilfewerkstatt diene als auch zur Übergabe eines Rades zur Reparatur durch einen Dienstleister. Ein Ziel der Station ist es, den Ausstoß von CO2 um jährlich mehr als 1 000 Tonnen zu senken und die lokalen Schadstoff- emissionen zu verringern. Zudem erhofft sich das UKSH durch die Förderung des Radverkehrs auch positive Effekte für die Gesundheit der Beschäftigten und den Infektionsschutz auf dem Weg zur Arbeit. Zudem gewährleiste der Radverkehr durch seine räumliche und zeitliche Flexi- bilität in hohem Maße die Erreichbarkeit des Klinik-Campus und trage dazu bei, den Betrieb jederzeit aufrecht erhalten zu können. Plan für weitere Abstellflächen Die Station entsteht in der Rosalind- Franklin-Straße im Zentrum des UKSH- Campus in direkter Nähe zum Hauptein- gang. Der Ladestrom für die E-Bikes wird vor Ort im Gebäude in einer Photovolta- ikanlage auf der Dachfläche gewonnen. Das Bauvorhaben ist dem UKSH zufolge Teil eines Mobilitätskonzeptes im Rah- men des Baulichen Masterplans auf dem Campus Kiel, das die umweltverträgliche und sichere Erreichbarkeit des Universi- tätsklinikums verbessern soll. Auf dem Baufeld, auf dem die neue Mo- bilitätsstation entstehen wird, sind als Übergangslösung bereits jetzt 600 zusätz- liche Stellplätze für Fahrräder geschaffen worden – sie können seit der Präsentation der Stations-Pläne genutzt werden, so das Klinikum. Insgesamt seien im Baulichen Masterplan in den Außenbereichen des Campus Kiel 2 000 weitere Abstellflächen vorgesehen, so dass perspektivisch fast 3 500 Stellplätze zur Verfügung stehen sollen. ▬ Jens Kohrs Freier Journalist 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 107

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Verbandsnachrichten ▶ DGIV DIGITALE PATIENTENPFADE Zukunftsmodell für intersektorale Versorgung Klinische Behandlungspfade enden in der Regel nach der stationären Behandlung. Eine kontinuierliche und sektorenübergreifende Weiterbehandlung ist jedoch entscheidend, um eine Rehospitalisierung zu vermei- den. Digitalisierte Patientenpfade ermöglichen eine intersektorale und patientenzentrierte Versorgung. Das Konzept der Patientenpfade (oder: klinische Behandlungspfade) wurde bereits in den 1980er Jahren als organisationale Antwort auf die Forderung nach einer stärker patientenzentrierten Versorgung eingeführt. Durch die zunehmende Di- gitalisierung wurden softwarebasierte Anwendungen für klinische Patientenpfade entwickelt, um die Nachteile einer papier- basierten Dokumentation zu beheben und die Integration von Daten in bereits bestehende Dokumentationssysteme zu ermöglichen. Infolgedessen konnten bei der Verwendung im stationären Bereich die Adhärenz gesteigert und weitere Prozes- sindikatoren wie die Dauer des stationären Aufenthalts, die Zeitnähe der Behandlung und die Reduktion nicht notwendiger Untersuchungen verbessert werden. Problematisch ist hierbei, dass digitale Patientenpfade vor allem für den statio- nären Bereich konzipiert werden und nach der stationären Behandlung enden. Eine kontinuierliche und sektorenübergreifen- de Weiterbehandlung ist jedoch bei der zunehmenden Anzahl von Patient:innen mit erhöhtem Behandlungsbedarf und komplexen Erkrankungen entscheidend, um akute Verschlechterungen sowie er- neute Rehospitalisierungen zu vermeiden. Die Trennung der Sektoren und die damit einhergehenden unterschiedlichen Ver- gütungs- und Zuständigkeitsbereiche sowie divergierende Dokumentations- systeme erschweren eine ganzheitliche, koordinierte und kontinuierliche Betreu- ung der Patient:innen. Durch fehlende Kommunikationsplattformen und die unzureichende Möglichkeit zur struk- turierten Datenerfassung kommt es zu Brüchen in Patientenpfaden. Entlang des Patientenpfades existieren demnach „zahl- reiche Interaktions-, Informations- und Integrationsaufgaben“ die in der Vergan- genheit kaum gelöst werden konnten. Durch Standards wie HL7 FHIR und die bundesweite Telematikinfrastruktur mit der ePA wurden jedoch Möglichkeiten ge- schaffen, diese Hindernisse zu überwinden und den Datenaustausch zukünftig auch zwischen den Sektoren zu ermöglichen. Sektorenübergreifende, digitalisierte Patientenpfade können eine technisch realisierbare Möglichkeit darstellen, den Patienten bzw. die Patientin wieder in den Mittelpunkt zu stellen und dem An- spruch einer patientenzentrierten Versor- gung gerecht zu werden. Die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung e.V. (DGIV) nennt deshalb in ihrem Po- sitionspapier zur Digitalisierung digital unterstützte, leitlinienorientierte und regional adaptierte „Patient Journeys“ als ein Zielbild integrierter Versorgung. Dabei unterscheidet die DGIV deutlich zwischen dem gläsernen Patienten und dem anvisierten „gläsernen Krankheits- verlauf“, der durch das digitale Abbild eines bestimmten Krankheitspfades zu besserer Versorgungsqualität führen soll. Dass hierzu in Deutschland noch viel un- ausgeschöpftes Potenzial besteht, zeigen bspw. die Ergebnisse des DigitalRadar 2022, der ersten nationalen Reifegrad- messung hinsichtlich der Digitalisierung. Der Bereich „Patientenpartizipation“, d.h. der Zugang zu Informationen für Patient:innen und Partizipationsmög- lichkeiten sowie der Bereich „Telehealth“ schnitten in den Krankenhäusern am schlechtesten ab. In nordischen Ländern dagegen werden digitale Patientenakten und elektronische Serviceplattformen wie das dänische e-Health-Portal „sundhed.dk“ bereits flächendeckend in der Versorgung einge- setzt und ermöglichen somit die Grund- lage für eine kontinuierlichere Versor- gung und den sektorenübergreifenden Zugriff auf Patientendaten. Bereits vor einem stationären Aufenthalt können in Dänemark wichtige Daten in Form von Patient Reported Outcomes (PROs) von Patient:innen zuhause eingegeben und somit Personalressourcen im Kranken- haus eingespart werden. Elektronische Fall- oder Patientenakten gewährleisten den Datenaustausch und können zudem als Kommunikationsplattform zwischen den Leistungserbringern genutzt wer- den. Durch die Schaffung von eHealth- Schnittstellen und einer verbesserten Interoperabilität können Patienten- und Behandlungsdaten zwischen dem sta- tionären und dem ambulanten Bereich ausgetauscht werden. Beschäftigte im Gesundheitswesen können einen besseren Überblick über den Gesundheitszustand ihrer Patient:innen gewinnen und behand- lungsintensiven Patient:innen mehr Zeit widmen. Daraus ergibt sich wiederum ein Potenzial zur besseren Steuerung und Priorisierung von Patient:innen und zur Verbesserung der Effizienz. Für Patient:innen bieten web- oder appba- sierte Anwendungen die Möglichkeit wohn- ort- und zeitunabhängig gezielte Infor- mationen zu ihrer Erkrankung kombiniert mit individualisierten Inhalten zu erhalten (siehe Abbildung 1). Die Kommunikation zwischen Patient:innen und Leistungs- erbringern wird durch telemedizinische 108 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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Digitale Patientenpfade in der sektorenübergreifenden Versorgung Abb. 1 Elektroni- sche Fallakte/ Patientenakte Patienten- partizipation Ambulante Versorgung Telekonsile und Teletherapie App-/ Web basierte Anwendungen für Patient:innen Stationäre Versorgung Monitoring von Gesundheits- daten Individuelles digitales Medi- kations- und Therapie- management © Wisniowski / Kurscheid Anwendungen direkt und niedrigschwel- lig. Durch virtuelle Coachingsysteme, edukative Inhalte oder Medikations- und Therapiemanagement können das Selbst- management der Patient:innen sowie die Adhärenz und Gesundheitskompetenz gestärkt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, anhand der Vitaldaten von medizinischen Wearables den Gesundheits- zustand der Patient:innen zu beobachten, sodass bei akuter Verschlechterung von Vitaldaten Maßnahmen eingeleitet wer- den können. Durch die Vielzahl an digitalen Anwen- dungen auf dem Patientenpfad ergibt sich eine Abgrenzung zur elektronischen Fallakte als reine digitale Dokumenten- sammlung für Leistungserbringer. Indem Patient:innen stärker in den Fokus gerückt werden, können sie auf ihrem Weg durch das Gesundheitssystem und die verschie- denen Sektoren begleitet und versorgt werden. Dies ist nicht nur durch die Zu- nahme von älteren und multimorbiden Patient:innen notwendig. Die Ansprüche von Patient:innen werden sich in der Zu- kunft weiterentwickeln. Dementsprechend wird ein niedrigschwelliger Zugang über digitale Anwendungen, ebenso wie eine direktere Einbindung und Einflussnahme der Patient:innen unabhängig von Sekto- rengrenzen an Bedeutung gewinnen. Auch wenn digitale Patientenpfade im Versor- gungsalltag in Deutschland aktuell noch eine untergeordnete Rolle spielen, gibt es bereits positive Beispiele zur Anwendung in innovativen nationalen Projekten. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fördert im Rahmen des Innovationsfonds mehrere Projekte zu diesem Thema. In eliPfad („Personalisierter, interdiszipli- närer Patientenpfad zur sektorenüber- greifenden Versorgung multimorbider Patientinnen und Patienten“) wird eine Patientenanwendung mit einer digitalen Fallakte verknüpft und die Daten über eine FHIR-Schnittstelle übertragen. Stationär behandelte Patient:innen erhalten nach der sektorenübergreifenden Erstellung eines individuellen Behandlungsplans auf einem digitalen Endgerät ein individuelles Verbandsnachrichten ▶ DGIV Medikations- und Therapiemanagement. Ihre Vitaldaten werden von Medical De- vices automatisch auf das digitale Endge- rät übertragen. Falls sich die Werte einer Patientin oder eines Patienten nach ihrer Entlassung akut verschlechtern, kann ein sektorenübergreifendes Telekonsil einberufen werden. Weitere Beispiele für nationale, innovative Projekte zu an- deren Patientengruppen sind bspw. das „Pfadgestützte Qualitätsmanagement in der MS-Versorgung (QPATH4MS)“ oder „KoCoN-IT-gestützte sektorenübergrei- fende Patientenpfade für die Versorgung von Kindern mit KOmplex-ChrOnischen Neurologischen Erkrankungen“.Diese inno- vativen Projekte und Beispiele aus anderen Ländern zeigen, wie sinnvoll eingesetzte digitale Anwendungen Patient:innen auf ihren Wegen durch das Gesundheitssys- tem unterstützen und Arbeitende im Gesundheitssystem entlasten können. Die erforderlichen organisatorischen, regula- torischen und strukturellen Veränderun- gen zur Etablierung von digitalen Patien- tenpfaden könnten auch in Deutschland als Katalysator wirken, um Patient:innen wieder in den Mittelpunkt der Behandlung zu setzen und effektivere Abläufe für eine kontinuierliche und sektorenübergreifende Versorgung zu generieren. ▬ Nora Wisniowski, MPH und Prof. Dr. Clarissa Kurscheid, figus GmbH Priv. Forschungsinstitut für Gesundheits- und Systemgestaltung, Köln. ‣ Literatur kann bei den Autorinnen erfragt werden V.i.S.d.P. für die DGIV Dr. Albrecht Kloepfer, Geschäfts- führender Vorstand DGIV e.V.: info@dgiv.org ‣ Weitere Verbandsnachrichten www.kma-online.de/unternehmen/ dgiv/ 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 109

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Stellenmarkt Das Universitätsklinikum Jena ist das einzige Universitätsklini kum Thüringens und mit über 5.600 Mitarbeitenden der größte Arbeitgeber der Region. Im Jenaer Universitätsklinikum stehen den Patient:innen in 29 Kliniken insgesamt 1.411 Betten zur Verfügung. Jährlich werden ca. 53.600 Patient:innen stationär betreut und über 475.000 ambulante Konsultationen durch geführt. Das Klinikum bietet medizinische Versorgung, modernste Diagnostik und umfassende Therapie mit höchstem internationalem Standard. Seit 2007 ist das UKJ im Rahmen eines Integrationsmodells eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts und zugleich Teilkörperschaft der FriedrichSchillerUniversität Jena. In einer der modernsten Klinikneubauten Deutschlands wurden in den vergangenen Jahren fast alle klinischen Disziplinen, nahezu alle klinisch relevanten Diagnostikleistungen und ein großer Teil der klinischen Forschung am Standort in JenaLobeda vereint. Die Leitung des Universitätsklinikums Jena obliegt einem drei köpfigen Klinikumsvorstand. Zum 01.04.2024 suchen wir eine ausgewiesene Führungspersönlichkeit, als hauptamtliche/r Kaufmännische Vorständin/ Kaufmännischer Vorstand (m|w|d) Der Vorstand plant, koordiniert und überwacht den Betrieb des Klinikums und seiner Einrichtungen, um die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit zu erhalten und zu optimieren. Die Ver- waltung des Universitätsklinikums versteht sich als Dienstleister für die Kliniken und Institute. Ein modernes Management ermög- licht es den Mitarbeitenden, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und eine optimale Patientenversorgung zu leisten sowie erstklassige Ergebnisse in Forschung und Lehre sicher- zustellen. Sie verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit kaufmännischer oder einschlägiger Qualifikation. Darüber hinaus besitzen Sie mehrjährige Berufs- und Leitungserfahrung, vorzugs- weise in einer Universitätsklinik oder in der Maximalversorgung, und haben in dieser Rolle herausragende, betriebswirtschaftlich geprägte Managementfähigkeiten unter Beweis gestellt. Erfah- rung in der Steuerung von großen Bau- und Investitionsmaß- nahmen und im Personalmanagement bringen Sie ebenso mit wie Erfahrung mit Veränderungsprojekten, Compliance-Themen und Digitalisierungskompetenz. Den komplexen Herausforderungen der aktuellen Gesundheits- wirtschaft, speziell auch die der Universitätsmedizin, Forschung und Lehre, begegnen Sie mit innovativem unternehmerischem Handeln, ökonomischem Verständnis und Dienstleistungsorien- tierung. Zudem verfügen Sie über eine souveräne, selbstbewus- ste, aber auch wertschätzende Persönlichkeit, die nicht nur durchsetzungs- und überzeugungsstark, sondern auch entschei- dungsfreudig ist. Sie zeichnen sich durch sehr gute Kommuni- kationsfähigkeit sowie umfassende Erfahrung im Umgang mit Partnern im Gesundheitswesen, im Wissenschaftsbereich sowie auf politischer Ebene aus. Die Bestellung erfolgt für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren, die Wiederbestellung ist möglich. Die Bewerbung von entsprechend qualifizierten Frauen wird ausdrücklich begrüßt. Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Für weitere Fragen stehen Ihnen Sabine Dreißig unter der Rufnummer +49 172 910 60 76 und Dr. med. Florian Wenzel- Hazelzet unter der Rufnummer +49 172 260 89 78 zur Verfügung. Diskretion ist selbstverständlich. Bewerben Sie sich bitte bis zum 11.04.2023 über Kienbaum Jobs (jobs.kienbaum.com) mit Ihren aussagefähigen Bewerbungs- unterlagen unter der Kennziffer 25351. Informationen zu unserem Umgang mit Ihren Daten erhalten Sie unter: https://career.kienbaum.com/de/datenschutz Kienbaum Consultants International GmbH www.kienbaum.com 33 Medien Medien ein Preis ein Preis farbig inklusive farbig inklusive kma Online.de kma Newsletter und kma kma Stellenmarkt-Info Nutzen Sie die Reichweite des kma Mediennetzwerkes für Ihren Recruting- Erfolg! Manager im Krankenhausmangement crossmedial ansprechen! ▶ TERMINE Monat Juni August Oktober ▶ PREISE GÜLTIG FÜR 2023 Anzeigenschluss 28.04.2023 19.07.2023 04.09.2023 Erscheinung 01.06.2023 16.08.2023 04.10.2023 Nur 5 Euro / mm Höhe (Spaltenbreite: 90 mm) Nur 10 Euro / mm Höhe (Spaltenbreite: 185 mm) Georg Thieme Verlag KG | Lutz Benecke | Tel.: +49 (0)711/89 31-954 | E-Mail:Lutz.Benecke@thieme-media.de | www.thieme-media.de 110 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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Stellenmarkt Die Klinikum Bayreuth GmbH ist die Gesellschaft des Krankenhauszweckverbands Bayreuth, dessen Träger Stadt und Landkreis Bayreuth sind. Als Maximalversorger mit 27 Fachkliniken, 1040 Betten und hochwertiger Diagnostik und Therapie sowie Forschung und Lehre bietet die Klinikum Bayreuth GmbH mit ihren rd. 3.500 Mitarbeitern umfassende Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau. Mit unseren zwei Standorten in Bayreuth, dem Klinikum und der Klinik Hohe Warte, sind wir eine renommierte Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten aus einem regionalen und überregionalen Einzugsbereich. Für eine zukunftsweisende Weiterentwicklung des Unternehmens konnten wir im vergangenen Jahr wichtige Weichen stellen: § Gemeinsam mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, dem Universitätsklinikum Erlangen und der Universität Bayreuth hat die Klinikum Bayreuth GmbH den Medizincampus Oberfranken (MCO) ins Leben gerufen, an dem seit 2022 Medizinstudierende den klinischen Teil ihres Studiums absolvieren. § Mit der Bedarfsfeststellung durch den Freistaat Bayern für eine umfassende bauliche Erneuerung des Klinikums Bayreuth in den kommenden Jahren ist die Grundlage für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Infrastruktur geschaffen. Auf der Basis unserer Unternehmenswerte, allem voran der medizinischen Qualität, Innovation, sozialen Verantwortung und Weltoffenheit, wollen wir die Herausforderungen der Zukunft aktiv als Chance nutzen und mit einer neu aufzustellenden Klinikleitung im Rahmen eines geordneten Nachfolge- prozesses unser Unternehmen zielstrebig weiterentwickeln. Dazu suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen / eine GESCHÄFTSFÜHRER(IN) (M/W/D) IHRE AUFGABEN § Sie erarbeiten in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat Konzepte für die strategische Ausrichtung und wirtschaftlich solide Basis der beiden Standorte und setzen maßgebliche Impulse für deren Umsetzung. § Neben der strategischen Ausrichtung steuern und koordinieren Sie die operative Weiterentwicklung und wichtige Veränderungsprozesse sowie die betriebs- wirtschaftliche Führung der Klinik. § Als unternehmerisch und charakterlich überzeugende Persönlichkeit vertreten Sie das Unternehmen gegenüber den Trägergremien, in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit. § Sie repräsentieren und fördern ein wertschätzendes, kollegiales Klima und ausgeprägten Teamgeist im Unternehmen. § Mit der Aufgabe verbunden werden die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften, wie MedZentrum Klinikum Bayreuth GmbH, Klinikum Bayreuth Dienst- leistungsgesellschaft mbH, Klinikum Bayreuth Energie GmbH sowie die Geschäftsleitung des Krankenhauszweckverbandes. IHR PROFIL idealerweise darüber hinaus über medizinische Kenntnisse. § Sie verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Wirtschaftswissenschaften bzw. der Gesundheitsökonomie / des Gesundheitsmanagements, § Sie besitzen gründliche und umfassende Kenntnisse des Krankenhausrechts und des Gesundheitswesens und haben ein ausgeprägtes Verständnis für gesundheitspolitische Zusammenhänge und Entwicklungen. § Sie verfügen über mehrjährige Führungserfahrung im Klinikmanagement vorzugsweise einer großen Klinik der Schwerpunkt- oder Maximalversorgung und haben idealerweise Kenntnisse über die Regularien einer an die medizinische Fakultät einer Universität angegliederten Klinik sowie Erfahrungen bei der Umsetzung von (Neu-)Bauprojekten. § Soziale Kompetenz, eine ausgeprägte Fähigkeit, zu kommunizieren und zu motivieren sowie einen kooperativen Führungsstil der interdisziplinären Zusammen- arbeit mit Führungskräften setzen wir voraus. § Strategische Sichtweise, Gestaltungskraft, Verhandlungsgeschick und wirtschaftliches Handeln sowie souveränes Auftreten gehören zu Ihrem Persönlichkeitsbild. IHRE VORTEILE § Eine attraktive Führungsposition – geplant als Einzelgeschäftsführer/in - mit großem Gestaltungspotenzial mit der Gelegenheit, eröffnete Weiterentwicklungs- möglichkeiten zielgerichtet fortzuentwickeln und umzusetzen. § Qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. § Eine der Bedeutung der Position angemessene Vergütung. § Dienstort in einer aufstrebenden Region mit vielfältigen Kultur- und Bildungsangeboten sowie mit herausragendem Preis-Leistungsverhältnis und sehr hohem Freizeitwert zwischen Fichtelgebirge und Fränkischer Schweiz. § Die Vertragslaufzeit beträgt fünf Jahre. Wir wünschen uns eine engagierte Persönlichkeit, die sich nachhaltig mit dem Unternehmen und der Region identifiziert; deshalb ist eine Verlängerung grundsätzlich erwünscht. IHR KONTAKT Ihre Bewerbung mit aussagefähigen Unterlagen und Ihrer Gehaltsvorstellung richten Sie bitte – ausschließlich per E-Mail – bis spätestens 31.03.2023 an den Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Herrn Oberbürgermeister Thomas Ebersberger, E-Mail: oberbuergermeister@stadt.bayreuth.de Unser mit dem Auswahlprozess betrautes Aufsichtsratsmitglied, Herr Siegfried Hasenbein, beantwortet Ihnen Fragen zur Ausschreibung gerne unter E-Mail: gf.bewerbung.bt@gmx.de oder Tel. 0177 414 233 7 Klinikum Bayreuth GmbH · Preuschwitzer Straße 101 · 95445 Bayreuth 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 111

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Stellenmarkt Das selbständige Kommunalunternehmen Kreiskliniken Günzburg- Krumbach betreibt zwei Kliniken der Versorgungstufe I im Landkreis Günzburg an den Standorten Günzburg & Krumbach sowie ein Tochterunternehmen für den ambulanten Bereich. In der Klinik Krumbach werden jährlich über 9.000 Patienten stationär und rund 20.000 Patienten ambulant und notfallmäßig versorgt. Am Standort arbeiten rund 500 Mitarbeiter und er verfügt über 164 Betten im Landeskrankenhaus-Plan. Wir suchen zum nächst möglichen Zeit- punkt in Nachfolgeregelung für den Standort Krumbach einen DIREKTOR KLINIKMANAGEMENT (W/M/D) Das erwartet Sie: Als Direktor Klinikmanagement übernehmen Sie die Standortverant- wortung für die Patientenversorgung sowie für die Um setzung der Restrukturierung und Weiterentwicklung der Klinik. Bei Ihrer Tätig keit werden Sie von den Zentralen internen Dienstleistungen (Personal, Finanzen & IT etc.) unterstützt und berichten direkt an den Vorstand. Dabei gehört zu Ihren Aufgaben u.a.: Verantwortung für die organisatorische sowie wirtschaftliche Führung und Entwicklung der Klinik Bauliche Entwicklung des Standorts Operative Betriebsplanung Umsetzung von Restrukturierungs- und Entwicklungs maß nahmen und Maßnahmen der Medizinentwicklung (z.B. Zentrumsbildung) Umsetzung Ergebnisverbesserungsprogramm Führung und Entwicklung der Mitarbeitenden am Standort Gestaltung der Patientenversorgung in der Vernetzung von ambulanten und stationären Leistungen sowie Intensivierung der horizontalen Zusammenarbeit mit unseren Medizinischen Versorgungszentren in enger Abstimmung der Geschäfts führung des Tochterunternehmens Weiterentwicklung der Kooperation und Vernetzung mit nieder- gelassenen Ärzten und Partnern Mitwirkung bei unserer angestrebten Akkreditierung als Akademi- sches Lehrkrankenhaus Proﬁ l: Abgeschlossenes betriebswirtschaftliches Studium oder eine vergleichbare Ausbildung Sie verfügen über mehrjährige Führungserfahrung im Gesundheits- wesen, wünschenswerterweise im Krankenhaus Erfahrung im Projektmanagement und in medizinischen Restruktu- rierungsprozessen wünschenswert Prozessorientiertes und wirtschaftliches Denken Selbständigkeit, Hands-On-Mentalität Lust die Zukunft des Standorts und die Patientenversorgung aktiv zu gestalten Hohe Verantwortungs- und Einsatzbereitschaft Sie fördern eine kollegiale Zusammengehörigkeit und werte- orientierten Teamgeist Wir bieten: Eine attraktive leistungsorientierte Vergütung Unbefristetes Arbeitsverhältnis Überdurchschnittlicher Gestaltungsspielraum und umfassende Entscheidungsmöglichkeiten Einbindung in die Führung des Kommunalunternehmens Betriebliche Altersvorsorge Wohn- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten Haben wir Ihr Interesse geweckt? Die Fragen rund um den neuen Arbeitsplatz beantwortet Ihnen der Vorstand Robert Wieland gerne. Telefon 08221/9676-1021. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung bis zum 30.04.2023 an: Kreiskliniken Günzburg-Krumbach, Personalabteilung, Lindenallee 1, 89312 Günzburg Schwerbehinderte Bewerber (w/m/d) werden bei gleicher Eignung vorrangig eingestellt. Zu besetzen ist die Position der/ des Leiter/in Personalmanagement (m/w/d) des Kreiskrankenhaus in 54439 Saarburg. Diese Aufgabe der Personalleitung beinhaltet es, nicht nur die Personalabteilung zu leiten, sondern auch den Übergang auf einen neuen Träger umfassend zu begleiten. In dieser Übergangsphase kommt der Personalabteilung eine zentrale Rolle zu. Dies schlägt sich auch in den Konditionen der Position nieder. Die personelle Ausstattung der Abteilung lässt es zu, dass diese Position auch in Teilzeit ausgeübt werden kann. So kann die Aufgabe sowohl als Entwicklungs- position für jüngere, als auch als Aufgabe für erfahrene Kräfte aus dem Gesundheitsmanagement den Übergang in den Ruhestand gesehen werden. Gern senden wir weitere Informationen zu. MYLIUS Consulting, Frau Stefanie Franke Hubertushof 11, 50259 Pulheim 0 21 83 44 18 99 franke@mylius.de, www.mylius.de Medizinsprache lernen Fachsprache Medizin im Schnellkurs Karenberg 2021. 6., überarb. Aufl. 272 S., 60 Abb., kart. ISBN 978 3 13 243942 9 36,99 € [D] . n e t l a h e b r o v r e m ü t r r I d n u n e g n u r e d n ä s i e r P shop.thieme.de 112 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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Herausgeber Dr. Olaf Bornemeier Vorstandsvorsitzender der Mühlenkreis- kliniken © Mühlenkreiskliniken Professor Dr. Axel Ekkernkamp Geschäftsführer Medizin der BG Kliniken und Ärztlicher Direktor des BG Klinikums Unfallkrankenhaus Berlin © Nolte / Ottobock Global Foundation Dr. Peter Gocke Chief Digital Officer (CDO), Leiter Stabsstelle Digitale Transformation Charité – Universitätsmedizin Berlin © Scott MacDonald Barbara Napp Pflegerische Zentrumsleitung Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf © UKE Beirat Andreas G. Henkel, Leiter Informationstechnologie, Universitäts klinikum Jena Thomas Kleemann, Leiter Informationstechnologie, Klinikum Ingolstadt IMPRESSUM kma Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jahrgang Die kma erscheint mit 8 Ausgaben in 6 Heften pro Jahr. ISSN (Print): 1439-3514; eISSN: 2197-621 Herausgeber Dr. Olaf Bornemeier, Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Dr. Peter Gocke, Barbara Napp Verlag Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 301120, 70451 Stuttgart Tel.: 0711/89 31-0, Fax: 0711/89 31-298 www.thieme.de, www.thieme.de/kma www.thieme-connect.de/products Web-App: www.thieme.de/eref-app Redaktion Georg Thieme Verlag KG Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin Tel.: 030/33 09 19-0, Fax: 030/33 09 19-29 E-Mail: redaktion-kma@thieme.de V.i.S.d.P.: Anna Herrschelmann (hna): anna.herrschelmann@thieme.de Redaktion: Guntram Doelfs (dsg), Susann Eilers (ess), Aileen Hohnstein (hoh), Luisa-Maria Hollmig (hgl), Julia Gassmann (gnj), Lisa-Marie Hofmann (hnl), Martin Kucera (mk), Jens Kohrs (koj), Julia Keller Grafik: Ina Naradowskaja, Ursula Schicke, Christina Weineich Produktionsmanagement Ursula Schicke Verantwortlich für den Anzeigenteil Thieme Media Pharmedia Anzeigen- und Verlagsservice GmbH Lutz Benecke, Tel.: 0711/89 31-954, lutz.benecke@thieme-media.de Es gilt die Anzeigen-Preisliste Nr. 28 vom 1.1.2023 Abonnentenservice Tel.: +49 711/89 31-321, Fax: +49 711/89 31-422, https://kundenservice.thieme.de Die Inhalte der Zeitschrift stehen online in Thieme connect zur Verfügung (www.thieme-connect.de/ products). Der Zugang ist für persönliche Abonnen- ten im Preis enthalten. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind für die Dauer des Urheberrechts geschützt. Jede Verwertung außer- halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung und Verbreitung in gedruckter Form, Übersetzung, Übertragung und Bearbeitung in andere Sprachen oder Fassungen sowie die Einspeicherung und Verbreitung in elektronischen Medienformen (z. B. CD-Rom, DVD, USB-Speicher, Datenbank, cloud- basierter Dienst, e-book und sonstige Formen des electronic publishing) und auch öffentlicher Zugäng- lichmachung (z. B. Internet, Intranet oder andere lei- tungsgebundene oder -ungebundene Datennetze), u. a. durch Wiedergabe auf stationären oder mobilen Empfangsgeräten, Monitoren, Smartphones, Tablets oder sonstigen Empfangsgeräten per Download (z. B. PDF, ePub, App) oder Abruf in sonstiger Form etc. Printed in Germany / Druck und Bindung Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Gewerbering West 27, 39240 Calbe (Saale) Bildnachweis Cover © The image was composed by Thieme using following images: Waben © pixtumz88/ stock.adobe.com; Wellen © phyZick / stock.adobe.com Organ folgender Fachgesellschaften und Verbände: Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen e.V. (DGIV); Arbeitskreis für Gesundheitsökono mie und -management e.V. (AK- GM); Deutsche Gesellschaft für Führung und Markt- orientierung in der medizinischen und pflegerischen Versorgung e.V. (DGFM e.V.); CAMBAlumni e.V. Verbandsnachrichten und Fachbeiträge Die Nachrichten und Fachbeiträge auf den Verbands- seiten unterliegen der Verantwortung der benannten Person der jeweiligen Gesellschaft. Datenschutz Wo datenschutzrechtlich erforderlich, wurden die Namen und weitere Daten von Personen redaktionell verändert (Tarnnamen). Dies ist grundsätzlich der Fall bei Patienten, ihren Angehörigen und Freunden, z. T. auch bei weiteren Personen, die z.B. in die Behand- lung von Patienten eingebunden sind. Preise 2023 pro Jahr (inkl. gesetzl. MwSt.) Persönlicher Jahresbezugspreis: 135 €, IJBP: 913 €, Studenten/Schüler: 63 €, Einzelheftpreis: 23 €, Versandkosten Inland: 8,30 €, Versandkosten Europa/ Übersee: 36,90 € Der institutionelle Jahresbezugspreis inkludiert den Online-Zugriff für den gesamten Standort. Abon- nements können mit einer Frist von 3 Monaten zum Kalenderjahresende gekündigt werden. Zur Wahrung der Frist genügt das rechtzeitige Absenden der Kün- digung. Nicht rechtzeitig gekündigte Abo nne ments verlängern sich um ein weiteres Kalenderjahr. Deutsche Gesellschaft für Führung und Marktorientierung Eigentümer & Copyright Wenn nicht anders angegeben: © 2023. Thieme. All rights reserved. Die Zeitschrift kma Klinik Management aktuell ist Eigentum von Thieme. Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Ausblick ▪ Impressum Die nächste kma erscheint am 1. Juni 2023 u.a. mit folgenden Themen: Lösungen für den Fachkräftemangel kma widmet sich in der nächsten Ausgabe den Ursachen des Fachkräftemangels und der Frage, wie ihm zu begegnen ist, ohne Abstriche beim Versorgungsstandard hinnehmen zu müssen. In einer Serie zu dem Thema stellen wir in den kommenden Ausgaben der kma digitale Lösun- gen vor, die Ärzte und Pflegekräfte entlasten und zeigen, wie ein veränderter Führungsstil die Fachkräfteflucht verringern kann. Außerdem beleuchten wir neue Wege bei der Mitarbeiter- gewinnung im In- und Ausland und erläutern, wie es gelingt, ausländisches Fachpersonal schnell zu integrieren. Rückblick: Die Arbeit des Innovationsfonds 160 Millionen Euro Fördersumme stehen dem G-BA für die Jahre 2020 bis 2024 zur Förderung und Entwicklung neuer digitaler Versorgungs- formen zur Verfügung. kma blickt auf die Ergebnisse und erfolgreiche Projekte aus der ersten Halbzeit. kma Special zum Hauptstadt- kongress 2023 Wir stimmen ein zum größten deutschen Branchentreff der Gesundheitswirtschaft. In der nächsten kma lesen Sie in Branche kompakt: Die Universitätsmedizin Mannheim testet eine mobile Anwendung, die dabei hilft, Patienten noch besser zu versorgen und Pflegekräfte zu entlasten. Über eine App können Patien- ten genau kommunizieren, was sie gerade benötigen: ein Glas Wasser, ein Schmerzmittel . l – m o c . e b o d a . k c o t s / r e g o R © e d o m a y b d e s o P . o t o h P k c o t S oder Hilfe beim Toilettengang. So können Pflegekräfte Aufgaben besser strukturieren, priorisieren und Laufwege einsparen. kma stellt die Lösung vor. Wir berichten außerdem über neue Trends im Bereich Patientenverpflegung und fragen, was ein gutes Bettenmanagement auszeichnet. kma 308 Ausgabe ‣ AZ 28.04.2023 ‣ DU 03.05.2023 ‣ ET 01.06.2023 28. Jg. | März / April 2023 Klinik Management aktuell © 2023. Thieme. All rights reserved. 113

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Lichtblick Als Kliniknannys geben Medizinstudierende in Rostock ihr Bestes, um Kindern die Zeit im Krankenhaus angenehmer zu gestalten. Vereinsvorsitzende Jana David hält ihren Schützling, die damals acht Monate alte Clara. © Diana Meyer An dieser Stelle erzählen wir über Menschen und Projekte, die Versorgung anders denken und mit Herz gestalten. In dieser Ausgabe: Das Rostocker Projekt „Tommy nicht allein“. r e y e M a n a D © i Lachen ist die beste Medizin Schlager, sehr laut gespielter Schlager, und vorgelesene Märchen – wenn Luisa Grabe an ihren ersten Einsatz als sogenannte Kliniknanny zurückdenkt, fällt ihr sofort ein, womit sie damals für gute Laune sorgen konnte. Die 22-jährige Medizinstudentin wollte einem Jungen mit geistigen Einschränkungen den Aufenthalt auf der Intensivsta- tion angenehmer machen. Also erfüllte sie ihm bei regelmäßigen Besuchen diese beiden Wünsche. „Sein Lachen war das schönste für mich“, sagt Luisa Grabe. Heute, vier Jahre später, engagiert sie sich weiterhin beim ehrenamtlichen Projekt „Tommy nicht allein“, das 2015 an der Universitätsmedizin Rostock ins Leben gerufen wurde. Alles fing mit dem sechs Monate alten Tommy an, der allein in der Rostocker Uniklinik behandelt wurde. Er war ständig unruhig, weinte. Vier Medizinstudentinnen im Blockpraktikum stellten fest, dass er aufblühte, sobald sich jemand um ihn kümmerte. Fortan übernahmen sie als Kliniknannys wechselweise die Betreuung. Das sollte kein Einzelfall bleiben. Deshalb wird das Projekt seit der Gründung am Simulations- und Notfallausbildungszentrum der Universitätsmedizin Rostock professionell koordiniert. Des- sen Leiter Dr. Gernot Rücker stellte dafür die nötige Infrastruktur bereit, um beispielsweise die 24-Stunden-Telefonerreichbarkeit zu gewährleisten. Mittlerweile spielen, basteln oder unterhalten sich gut 110 Medizinstudierende mit Kindern, die entweder als Akutfälle in der Klinik behandelt beziehungsweise dort aufgrund von Krebserkrankungen und chronischen Erkrankungen länger stationär aufgenommen werden. Etwa 250 Kinder wurden bereits in enger Absprache mit der Klinik und den Familien betreut. Das entlastet Eltern, weil sie wissen, dass ihr Kind nicht allein ist, selbst wenn sie nicht zu Besuch kommen können – zum Beispiel, weil das Krankenhaus so weit entfernt ist oder sie sich zu Hause um weitere Kinder kümmern müssen. Gleichzeitig sorgt es für Entspannung auf Station, wenn Kinder gestresst sind, weil ihre Angehörigen nicht da sind. „Wir sind, was das Personal angeht, extrem knapp in der gesamten Gesundheitswirtschaft aufgestellt. Niemand hat eine Stunde Zeit, um zu spielen“, erläutert Gernot Rücker. Me- dizinstudierende hingegen können sich ohne Zeitdruck auf ihre Schützlinge fokussieren. Das Konzept geht auf und wurde vielfach ausgezeichnet, auch mit der höchsten Ehrung – dem Deutschen Engagementpreis. Das Projekt soll nun bundesweit an Universitätskliniken etabliert wer- den, im Dezember 2021 wurde deshalb der Verein „Tommy nicht allein Deutschland e.V.“ gegründet. In Greifswald läuft es bereits, in Dresden und München ist der Start in Vorbereitung. „Am liebsten wäre es mir, wenn unser Projekt sofort in alle Städte und Kliniken in Deutschland kommen könnte. Damit wir möglichst vielen Kin- dern helfen“, meint Luisa Grabe. Gernot Rücker hat sich dafür ein grobes Ziel gesteckt: „Tommy nicht allein“ soll bis 2030 in allen Universitätskliniken fester Bestandteil sein. ▬ Aileen Hohnstein 114 © 2023. Thieme. All rights reserved. Klinik Management aktuell März / April 2023 | 28. Jg.

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HSK GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 GESUNDHEITSMANAGEMENTKONGRESS2023 UNSER GESUNDHEITS- MANAGEMENT BRAUCHT MUTIGE HERZEN. FÜR DIE LÖSUNGEN VON MORGEN. Der Gesundheitsmanagementkongress 2023 | 14.–16. Juni | hub27 | Messe Berlin Jetzt Tickets sichern: hauptstadtkongress.de

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LUPENREINE REINIGUNG. Hygiene steht in allen Bereichen des klinischen Betriebs an erster Stelle: gleichermaßen im OP, Eingangsbereich oder Patientenzimmer. Egal ob Hartboden, Holz- und Fliesenﬂächen oder sogar verwinkelte Ecken – wir bieten für unterschiedlichste Oberﬂächen die passende Reinigungslösung. Dabei gilt es, wirtschaftlichen Ansprüchen sowie komplexen Reinigungsanforderungen gerecht zu werden und einen reibungslosen Klinikbetrieb zu gewährleisten. Das alles gelingt mit unserem breiten Spektrum an Dampf - reinigern, manuellem Reinigungsequipment und Reinigungsgeräten sowie mit unseren perfekt darauf abgestimmten Reinigungsmitteln! kaercher.de/gesundheitswesen