Fällt die zentrale Sterilgutaufbereitung (ZSVA) aus, kann kein Krankenhaus seinen Operationsbetrieb länger als 24 Stunden aufrechterhalten. Eine reibungslos funktionierende Sterilgutabteilung ist deshalb für jedes Krankenhaus unerlässlich. Zumal Instrumente für die minimalinvasive Chirurgie heute deutlich mehr Sorgfalt bei der Reinigung, Desinfektion und Sterilisation erfordern als das klassische OP-Instrumentarium. Dafür braucht es nicht nur gut geschultes Personal, sondern auch eine moderne Ausstattung. Beides ist teuer. Deshalb werden nötige Investitionen oft aufgeschoben und Mängel in diesen Abteilungen erst beseitigt, wenn die Öffentlichkeit davon Wind bekommt.
Millionenschwere Hygienemängel
Die Folgen solcher Mängel können gravierend sein. Das zeigten die Sterilgutskandale der letzten Jahre. Im städtischen Klinikum München-Bogenhausen hatte das örtliche Gesundheitsamt die zuständige ZSVA bereits Mitte 2010 schließen lassen, nachdem es feststellte, dass verdrecktes Operationsbesteck aus der Sterilisation zurück in den OP gelangt war. Der Skandal kostete den Steuerzahler 19 Millionen Euro, denn der OP-Betrieb musste anschließend zweieinhalb Monate lang ruhen. Auch drei der vier früheren Geschäftsführer mussten gehen. Nach München-Bogenhausen kam das Klinikum Fulda wegen Hygienemängel in die Schlagzeilen. Dort wurden im Frühjahr 2011 rund ein Dutzend Patienten mit nicht korrekt gereinigtem OP-Besteck behandelt. Daraufhin musste der Operationsbetrieb für mehrere Monate schließen. Das kostete die größte Klinik Osthessens rund zwölf Millionen Euro. Der Fuldaer Skandal hatte kurz darauf auch für das Klinikum Kassel unangenehme Folgen. Nach dem Ausfall der Sterilgutabteilung hatte sich Fulda sterile Instrumente aus der Kasseler ZSVA ausgeliehen – worauf die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums auch dort Ablagerungen an den Edelstahl-Bestecken entdeckten. Daraufhin legte die Klinik sämtliche Sterilisationseinheiten still. Auch hier entstand schwerer Schaden: Allein die externe Aufbereitung der Instrumente kostete rund zwei Millionen Euro. Erst im vergangenen Jahr hatte die Uniklinik Mannheim Probleme mit der Sterilgutabteilung. Nachdem dort offenbar mit verschmutztem Besteck operiert worden ist, musste die Klinikleitung ihren OP-Betrieb nach tagelangen Ermittlungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe auf ein Minimalprogramm herunterfahren und konnte nur noch Notfall-Operationen durchführen. Der Skandal kostete ebenfalls Führungspersonal die Position: Klinikchef Alfred Dänzer, der pikanterweise auch Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) war, musste wegen der Affäre seinen Hut nehmen. Die Mannheimer Klinik geht bislang davon aus, dass die Einnahmeausfälle im „mittleren einstelligen Millionenbereich“ liegen.
Für viele Teil des Kerngeschäfts
Es fällt auf, dass diese Kliniken ihre Sterilgutversorgung vor den Skandalen selbst betrieben haben. Bei fast allen wird das auch in Zukunft so sein. Die Abteilung in Mannheim ist unter den neuen Geschäftsführern Frederik Wenz und Jörg Blattmann zentralisiert worden. Dafür haben sie für zwei Jahre 23 Mitarbeiter des externen Dienstleisters Orgamed engagiert. Das eigene Mitarbeiterteam wird danach aber wieder Herr im Haus sein. Orgamed hatte auch in Fulda den Betrieb der ZSVA übernommen und neu aufgebaut. Im Februar 2013 gab das Unternehmen die Sterilgutabteilung inklusive Personal dann wieder in die Hände der Klinik. Das Städtische Klinikum München setzt ebenfalls auf den Eigenbetrieb. „Bestimmte Kernleistungen, und die Sterilgutversorgung ist so eine Kernleistung eines Krankenhauses, sollten besser in Eigenregie durchgeführt werden“, erklärt Hans-Jürgen Hennes, ehemaliger Geschäftsführer der städtischen Kliniken Münchens und heute medizinischer Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Karlsruhe.
Eine Alternative zu der krankenhauseigenen ZSVA sind externe Dienstleister. Sie bereiten das Sterilgut außerhalb der Klinik auf und liefern es anschließen zurück. Für diese Option hat sich zum Beispiel die St. Lukas Klinik in Solingen entschieden. „Unsere Zentrale Sterilgutversorgung war eigentlich ausgerichtet auf unsere Klinik und ein weiteres kleineres Haus. Dann kamen aber noch zwei weitere Krankenhäuser hinzu. Der Platz reichte einfach nicht mehr, selbst nachdem wir den Betrieb auf drei Schichten ausgeweitet hatten“, so Gregor Hellmons, Geschäftsführer der K-Plus-Gruppe. Sie betreibt die Krankenhäuser in Solingen, Haan, Hilden und Leverkusen. „Wir haben eine genaue Kalkulation aufgestellt – unter Berücksichtigung der Investitionskosten – und kamen zu dem Schluss, dass die Vergabe nach draußen pro Sterilisationseinheit 40 Prozent günstiger sein würde als in einer eigenen ZSVA. Den Wert haben wir nicht ganz erreicht, aber es ist jetzt immer noch bedeutend günstiger“, sagt Hellmons.
Die große Mehrheit bereitet selbst auf
Die große Mehrheit der deutschen Krankenhäuser schrecken allerdings vor diesem Schritt zurück. 90 bis 95 Prozent wird immer noch Inhouse gemacht, schätzt etwa Marcus Bracklo, der Vorstandvorsitzende von Vanguard. „In letzte Zeit hat der Trend zum Outsourcing zwar zugenommen – allerdings nicht so viel, wie man das vor dem Hintergrund der Skandale erwarten würde.“ Das liegt aber nicht nur daran, dass die Mehrheit den eigenen Steri nach wie vor als Kernprozess einer Klinik sieht. Geben sie diese Leistung raus, fällt dafür Mehrwertsteuer an – die Krankenhäuser im Gegensatz zu anderen Unternehmen aber nicht gegenrechnen können. Zum anderen wird die Logistikkette bei gewissen Entfernungen zu lang.
„Es wird schwieriger, die Logistikkosten durch positive Skaleneffekte wett zu machen, wenn der Dienstleister weiter als 100 Kilometer entfernt ist“, so Bracklo. Deutlich größer ist daher der Anteil jener Kliniken, die ihre hauseigenen ZSVA zusammen mit externen Dienstleistern in eigenen Servicegesellschaften ausgegliedert haben. „Insgesamt lassen ungefähr 20 Prozent der Kliniken ihre Sterilgutversorgung durch externe Dienstleister versorgen – in den unterschiedlichen Formen die es gibt“, schätzt Klaus Sellinghoff, Geschäftsführer von Cleanpart Healthcare. Zu ihnen zählt auch das Klinikum Kassel, das bei der Aufbereitung von OP-Instrumenten jetzt mit dem Krankenhausdienstleister Vamed kooperiert. Die neuen Partner haben zum 1.1.2015 eine gemeinsame Servicegesellschaft gegründet („Casalis Facility Services“), an der das Klinikum mit 51 Prozent und Vamed mit 49 Prozent beteiligt sind.
Klinikmanager sind sensibliisiert
Ganz aus der Hand wollen die meisten Kliniken ihre ZSVA also trotz der Skandale nicht geben. „Ich habe den Eindruck, dass sie nicht dazu tendieren, vermehrt auszulagern. Es ist eher umgekehrt: Viele Krankenhäuser machen es wieder selbst, weil sie die Wichtigkeit dieser Prozesse erkennen“, sagt Maik Roitsch, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung (DGSV). Diese Konsequenz sei auch der einzig richtige Rückschluss aus den Skandalen, sagt Rainer Grabow, Geschäftsführer des Hamburger Instituts zur Qualitätssicherung der Sterilgutaufbereitung „Steripartner“. „Es ist in der Tat zu verzeichnen, dass die Klinikmanager sensibilisiert sind und sich dem Thema stellen – auch wenn die Wahrheit in ZSVAs vieler Kliniken in den ersten sechs Monaten vielleicht etwas bitter ist.“ Nichtsdestotrotz sei es sehr wichtig, sich den Problemen in der eigenen ZSVA zu stellen. Die passendeen Lösungen dafür sind jedenfalls auf dem Markt erhältlich, sowohl intern als auch extern.


Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen