
Die Möglichkeiten, die digitale Technologie uns schenkt, sind fast grenzenlos. Ob Apps fürs Smartphone, Podcasts, Videos oder ähnliches – alle diese Tools können dabei unterstützen, die Patienten noch besser zu versorgen und dabei den medizinischen Arbeitsalltag zu erleichtern. Das Spektrum der medizinischen Applikationen reicht von einem simplen Notfall-Algorithmus bis zur umfangreich programmierten Künstlichen Intelligenz (KI).
Fast die Hälfte der deutschen Ärzte nutzt täglich die App „Arznei Aktuell“, eine vollständige und aktuelle Arzneimitteldatenbank, die unter anderem alle relevanten Informationen zu verschreibungs- und apothekenpflichtigen Medikamenten enthält. Auch die App des Robert Koch- Instituts „Stiko@rki“ mit Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) wird von 45 Prozent der Ärzte verwendet.
No risk, no fun?
Aber auch kommunikative Apps, die den Dialog untereinander und mit dem Patienten erleichtern, sind en vogue. Gerade um sich schnell eine Zweitmeinung zu einem Befund einzuholen, sind Apps das Mittel der Wahl. Ganze 98 Prozent der Klinikärzte nutzen laut einer repräsentativen Umfrage des Deutschen Datenschutz Instituts Messenger-Dienste – nicht wenige den Marktführer WhatsApp. Und obwohl diese App nachweislich die Behandlungsqualität verbessern kann, ist die Nutzung rechtlich nicht zulässig. Denn mit Inkrafttreten der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dürfen Ärzte und Arbeitgeber Dienste nur verwenden, wenn die Datensicherheit und der Schutz vor unberechtigten Datenzugriffen sichergestellt sind. Diese Voraussetzungen erfüllt WhatsApp, ein Mitglied der Facebook-Familie, nicht. Doch es gibt kostenfreie Alternativen, die mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung Datenschutz-konform sind wie MediOne, Siilo oder Doctorsgate.
Doctorsgate: Facebook für Ärzte
Während Facebook, Instagram, Snapchat und Co. dazu dienen, Urlaubsbilder und Selfies mit der Welt zu teilen, gibt es ein relativ neues soziales Netzwerk für Mediziner und medizinisches Fachpersonal: Doctorsgate. Wer die App nutzen will, muss sich „ausweisen“. Als Arzt kann man dies beispielsweise durch Nachweis seiner Approbationsurkunde. Seit Ende 2018 befindet sich die App mit den zwei Funktionen – einem Messenger-Service für Ärzte und Pflegekräfte sowie einem Newsfeed – auf dem Markt. Der Vorteil: Medizinisches und patientenrelevantes Wissen ist überall schnell auf Abruf verfügbar, quasi immer in der Kitteltasche dabei. Mit der App können sich die Teilnehmer sowohl allgemein fachlich beraten als auch über einen Chat Bilder von Ausschlägen, Geschwüren oder Röntgenbefunde hin und her schicken und besprechen.
Sie ist also in erster Linie ein professionelles, kostenfreies Netzwerk. Die Nutzer können im Newsfeed, ähnlich wie bei Facebook, Beiträge posten, schwierige oder nicht eindeutige Patientenfälle mit Fachexperten öffentlich im Forum diskutieren und kommentieren. Über den Messenger-Dienst, ähnlich wie bei WhatsApp, können sie beispielsweise Fotos und EKG-Daten austauschen und direkt mit einzelnen Personen oder Gruppen kommunizieren. Und das alles Datenschutz-konform. Die Daten liegen nicht wie bei anderen gängigen Messenger-Systemen auf fremden Servern. Sie sind doppelt verschlüsselt und können nur von den beiden Parteien gelesen werden, die sich gerade austauschen. Im Nachrichtenportal werden Einträge nach 30 Tagen gelöscht, die Patientendaten sind dort zudem anonymisiert.
Doctorsgate prüft darüber hinaus alle Inhalte, bevor sie online gehen. Behandlung digital – eine Vision mit Potenzial. Denn auch die Automatisierung klinischer Prozesse mittels Smartphone-basierter Software hat der Entwickler, Medizinstudent Robert Musmann, im Blick. Beispielsweise ist angedacht, dass standardmäßig Pflegekräfte in Heimen Fotos ihrer Dekubitus-Patienten über die App an den Arzt in der Klinik schicken, in die sie normalerweise ihre Patienten bringen würden. Dieser entscheidet dann, ob der Hausarzt konsultiert werden soll oder eine Einweisung in die Klinik unumgänglich ist. Damit Doctorsgate funktioniert, müssen genügend Ärzte die App heruntergeladen haben und mit ihr arbeiten. Etwa 4 000 Nutzer gibt es bereits laut Musmann. „Bis Ende des Jahres sollen es 10 000 sein.“ Ambitioniert, aber machbar, meint Musmann.
Join: Vernetzung – im wahrsten Sinne des Wortes
In ein ähnliches Horn stößt die App Join, die die Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams unterstützt, die vor allem in der Notfall- und Regelversorgung zusammenarbeiten: Mediziner sollen gerade in zeitkritischen Situationen aufgrund von Informationen und medizinischen Bildern wie MRTs oder Röntgenaufnahmen jederzeit in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen oder sich schnell und unbürokratisch eine Zweitmeinung einzuholen. Und das unter Berücksichtigung der DSGVO. Neben klassischen Messenger-Funktionen wie Textnachrichten, Voice-Messages und Videotelefonie bietet die App auch medizinische Funktionen an. So ist beispielsweise ein DICOM-Viewer integriert, mit dem sich medizinische Bilder wie CTs, MRTs oder EKGs auf das Smartphone streamen lassen.
Diese Cloud-basierte Applikation verfolgt das Ziel, Experten und Kollegen – über Krankenhaus-, Stadt- und sogar Ländergrenzen hinweg – zu vernetzen und die Patientenversorgung zu verbessern. Ein Anschluss weiterer Einrichtungen oder die Anbindung ambulanter Bereiche ist schnell und unproblematisch möglich. Eine gute Internetanbindung ist für diese App Voraussetzung. Die mobile Anwendung ist im Abomodell für Krankenhäuser zu haben. Die beiden größten Unterschiede zur vorgenannten Variante: Join kostet Geld, und Vertragspartner ist der Krankenhausbetreiber, nicht der einzelne Arzt. Dabei kann das Klinikum entscheiden, ob es Einzellizenzen für zehn Euro pro Monat und Nutzer oder Gruppenverträge, sogenannte Campuslizenzen, erwirbt.
Ein namhafter und zufriedener Nutzer der App ist zum Beispiel das Essener Uniklinikum. Im Bereich der kostenpflichtigen Smart-Service-Plattformen gibt es aber auch andere Anbieter wie das Tübinger Unternehmen Trustner. Deren digitale Kommunikationslösung für Krankenhäuser heißt „Sprechzimmer-Dienst“ und wird laut Unternehmensaussagen unter anderem vom Uniklinikum Tübingen und von der ebenfalls dort ansässigen Paul-Lechler-Tropenklinik genutzt.





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