
Kein Wunder, schließlich ermöglicht es nicht nur flexiblere Arbeitszeiten, sondern bietet auch Patienten einen entscheidenden Mehrwert. Rund ein Jahr ist es her, seit die Telemedizin in Deutschland zugelassen ist. Damit ist der Kontakt zwischen Ärzten und Patienten per Videochat, der etwa in der Schweiz schon lange ein fester Bestandteil des Gesundheitssystems ist, auch hierzulande erlaubt. Welche neuen Möglichkeiten sich damit bieten, macht derzeit das Auguste-Viktoria-Klinikum (AVK) der kommunalen Berliner Klinikkette Vivantes vor. Hier nutzt Dr. Mandy Mangler, die Chefärztin der gynäkologischen Klinik, seit August dieses Jahres regelmäßig einen Roboter, um eine Patientenvisite vorzunehmen, wenn sie gerade nicht im Hause ist.
Im Gegensatz zu mobilen Visitewägen – mit denen die Chefarztvisite per Video ebenfalls möglich ist – lässt sich der Roboter, der aus elektrisch betriebenen Rädern und einer höhenverstellbaren Stange besteht, auf der ein Monitor befestigt ist, von dem jeweiligen Arzt selbst steuern. „Das erspart nicht nur dem Klinikpersonal unnötige Arbeitszeit, um etwa einen Visitewagen an das Krankenbett zu schieben, sondern erlaubt es auch, mich sehr flexibel und selbständig durch die Klinik zu bewegen.
So kann ich nicht nur jederzeit vor Ort am jeweiligen Krankenbett sein, sondern bekomme auch mit, was gerade auf den einzelnen Stationen passiert“, erläutert Mandy Mangler die Vorteile.
Flexiblere Arbeitszeiten
Obwohl der Roboter nach Unternehmensangaben kein Arztgespräch ersetzt, sondern lediglich die Möglichkeiten des Austauschs zwischen Arzt, Patient und Klinikpersonal erweitert, ist er deutlich mehr als ein bloßes Gadget. Schließlich ermöglicht er flexibleres Arbeiten, was gerade für vielbeschäftigte Arzte wie Mandy Mangler einen Zeitgewinn bedeutet.
In Zeiten des zunehmenden Ärztemangels, in denen sich nicht nur Frauen oft gegen diesen Beruf entscheiden oder aussteigen, sobald sich der Zeitaufwand für Beruf und Familie zu stark überschneidet, kann das entscheidend sein. So auch bei der Chefärztin der Gynäkologie und Geburtsmedizin in Berlin Schöneberg: „Wir sind nicht immer 24 Stunden im Krankenhaus, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.
Trotzdem habe ich gerne jederzeit eine nahtlose Kommunikation mit meinen Patienten. Leider gibt es aber oft Bruchstellen, und das ist ärgerlich, weil die Patienten dann in eine Warteschleife geraten. Sie werden operiert, müssen hinterher aber oft warten, um Informationen darüber zu bekommen, wie die OP denn verlaufen ist. Außerdem ist der Operateur auch nicht immer verfügbar, weshalb dann ein Kollege einspringt, der sich diese Informationen aus zweiter Hand besorgen muss.“
Navigation mit dem Smartphone
Aus dem Wunsch heraus, mit Patienten mehr zu interagieren, um sie so besser betreuen zu können, hat sich die Berliner Klinik auf die Suche nach einer geeigneten Lösung gemacht. Bei Double Robotics, einem US-amerikanischen Technologie-Startup aus Kalifornien, ist sie schließlich fündig geworden. Deren „Double Robot“ genanntes Produkt lässt sich bequem per Tablet oder Smartphone steuern, während das Geschehen vor Ort über deren Kamera zu sehen ist. Der Bediener ist dabei auf dem Monitor des wie ein Segway anmutenden Roboters zu sehen. Um das System anzuwenden, sind lediglich ein funktionierendes Wlan-Netz im Krankenhaus, ein Tablet oder Smartphone und die dazugehörende App von Nöten.
„Der Patient oder das Krankenhaus benötigen hier also keine zusätzliche Technik, um Bild und Ton der Videoübertragung am Patientenbett zu ermöglichen. Zudem kann ich damit den Patienten aus jedem beliebigen Blickwinkel erfassen, wodurch ich ihren Zustand viel besser beurteilen kann als mit einem statischen Gerät“, ergänzt Mandy Mangler.
Die ersten Erfahrungen, die die Chefärztin damit gemacht hat, machen die Vorteile deutlich: Statt etwa Freitagabends ihre Kinder auf später vertrösten zu müssen, um schnell nochmal in die Klinik zu hetzen, kann sie sich jetzt mit dem Smartphone an das Patientenbett navigieren, um den Zustand ihrer Patienten prüfen – und trotzdem bei ihrer Familie sein. Auch während eines Besuchs eines Ärztetages außerhalb Berlins konnte sie so den Augenkontakt mit Patienten während der Chefarztvisite halten – und damit ganz nebenbei nicht nur die sonst anfallenden Flugkosten sparen, sondern auch Zeit für den Austausch mit Ärztekollegen gewinnen.
Lückenlose Kommunikation mit dem Chefarzt
Für die Patienten selbst sei die Robotervisite anfangs allerdings durchaus gewöhnungsbedürftig gewesen, berichtet Mangler. Negative Reaktionen habe sie allerdings noch nicht erlebt. „Zwar gibt es hier noch keine repräsentativen Studien. Da sie keine bruchstückhafte, sondern eine lückenlose Kommunikation mit dem Behandlern haben, sind meine Patienten aber besser informiert. Mein persönlicher Eindruck ist, dass sie sich dadurch wohler fühlen, weniger Ängste haben und zufriedener mit der Behandlung sind“, so Mangler.
Schneller am Ort des Geschehens
Durch die relativ einfache Technik lassen sich Geräte wie diese auch in vielen weiteren Fachgebieten einer Klinik einsetzen. Angesichts des Facharztmangels könne das laut Mangler vor allem in ländlichen Räumen ein Zugewinn sein. Schließlich könnten Experten für ein medizinisches Spezialgebiet so jederzeit vor Ort sein – denn oft reiche es, wenn sie dort punktuell beratend tätig seien und Anleitungen geben.
„Wir müssen sehen, wie das Expertenwissen möglichst schnell an den Ort des Geschehens kommt, und gerade hier bieten solche Möglichkeiten entscheidende Vorteile“, erläutert die Chefärztin. Ganz nebenbei ist die Robotervisite auch ein Imagegewinn für die Klinik, denn sie verdeutliche laut Mandy Mangler für Laien anschaulich den Digitalisierungsgrad des Krankenhauses.
Dementsprechend würden unbeteiligte Patienten oder Besucher positiv überrascht reagieren, wenn der rund 3 000 Euro teure Roboter an ihnen vorbeifahre. Es könnte also sein, dass man solchen Robotern zukünftig öfter begegnet.





Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen