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Covid-19Kliniken werden zunehmend zu Corona-Hotspots

Erst Wolfsburg, dann München und nun Potsdam: Mit der steigenden Zahl von Corona Infektionen entwickelt sich eine wachsende Zahl von Kliniken in Deutschland zu Zentren der Corona-Epidemie. Inzwischen haben sich laut RKI mehr als 2300 Ärzte und Pflegekräfte infiziert. Somit wird die Frage immer dringender, wie Kliniken dem wachsenden Personalausfall begegnen.

Krankenhausbetten
Fotolia (beerkoff)
Symbolbild

Entwickelt sich die Lage ähnlich wie in Italien, würde auch die zuletzt bundesweit erfolgte Aufstockung der Zahl von Intensivbetten den Kliniken nicht weiterhelfen – denn ohne ausreichend Pflegekräfte und Ärzte könnten die Betten nicht belegt werden. Noch ist die Lage bundesweit nicht ansatzweise vergleichbar mit Bergamo und Co., aber unter den Kliniken werde „intensiv diskutiert, wie wir mit verstärkten Ausfällen beim Personal umgehen“, sagt eine Pflegeführungskraft einer deutschen Uniklinik, die nicht genannt werden möchte. 

Wie schnell Kliniken in Schieflage geraten können, zeigen die jüngsten Entwicklungen im Potsdamer Ernst von Bergmann Klinikum (EvB). Dort eskaliert seit Tagen die Situation. Schon am 28. März stoppte das Klinikum bis auf wenige Ausnahmen die Patientenaufnahme, weil sich immer mehr Patienten sich mit dem Corona-Virus infiziert haben. Bis Mittwoch 2.4. zählte allein das kommunale Klinikum neun Tote durch Covid 19, jeder 5. stationäre Patient ist infiziert. Das RKI schickte deshalb am Freitag ein Krisenteam in die märkische Hauptstadt.

Hohe Zahl an infizierten Mitarbeitern

Besonders aufhorchen lässt jedoch die hohe Zahl von 63 infizierten Mitarbeitern (insgesamt: 2.370), die allesamt in die häusliche Quarantäne geschickt wurden. Wer ernst die Lage ist, lässt sich auch daran ablesen, dass im 1100-Betten-Haus derzeit nach Angaben der Stadt Potsdam nur 389 Patienten stationär versorgt werden. Aufgrund der hohen Infektionsraten hat sich das EvB – entgegen der aktuellen RKI-Richtlinien – dazu entschlossen, ausnahmslos alle Mitarbeiter auf Sars zu testen. Bis Stand Mittwochabend (2. April) wurden 1.124 Mitarbeiter getestet, weitere Testungen und Ergebnisse stehen jedoch noch aus. Man sei damit das „einzige Krankenhaus in Deutschland, das aufgrund der Situation selbstständig entschieden hat, sämtliche Mitarbeiter konsequent zu testen“, teilte das Klinikum mit.  

Nach Recherchen von kma gehen aber vereinzelt Kliniken schon längst dazu über, zumindest in den infektiösen Bereichen alle Mitarbeiter auch ohne Erkältungssymptome durchgehend zu testen. Im Carl-Thiem-Klinikum (CTK) in Cottbus, wo seit dem 13. März der Pandemieplan gilt, ist das schon länger Standard, wie das Haus auf kma-Anfrage erklärt. Demnach werden alle Mitarbeiter, welche sich in den infektiösen Bereichen bewegen und dort Patienten behandeln, nach jeder Schicht mittels eines Abstrichs auf Corona-SARS-2 getestet. Zu ihrem Schutz werden Mitarbeiter, welche infektiöse Patienten mit Covid-19 behandeln, zudem strikt von denen getrennt, welche mit nicht infektiösen Patienten zu tun haben. Dadurch soll eine Querinfektion vermieden werden, betont eine Sprecherin.

Angesichts der dramatischen Entwicklung könnte auch die „umgekehrte Quarantäne“ zu einer Option werden. Dabei müssten insbesondere hoch spezialisierte Mitarbeiter dauerhaft in der Klinik bleiben. Im Carl-Thiem-Klinikum wurde diese Maßnahme bereits durchgespielt und vorbereitet, wie die Sprecherin gegenüber kma erklärt. Grundsätzlich sei die umgekehrte Quarantäne für alle Mitarbeiter im infektiösen Bereich denkbar, konkret vorgesehen sei sie derzeit (3.4.) jedoch nicht.

Strikte Trennung infektiöser Patienten

Für Asklepios hingegen kommt die Frage einer Internalisierung von Pflegekräften nicht in Frage. So ein Ansatz sei „nicht denkbar, weil dafür weder entsprechende Kapazitäten in den Häusern verfügbar sind, noch kann es unser Anspruch sein, die Mitarbeiter aus ihren familiären und sozialen Strukturen herauszulösen, die gerade jetzt wichtige Stützen sind“, teilte Asklepios-Sprecher Rune Hoffmann mit.  

Zum Schutz von Mitarbeitern, welche infektiöse Patienten mit Covid-19 behandeln, werden diese im CTK Cottbus strikt von denen getrennt, welche mit nicht infektiösen Patienten zu tun haben. Dadurch soll eine Querinfektion vermieden werden, betont eine Sprecherin. Parallel würden dort seit dem 16. März alle Mitarbeiter täglich intensiv im Umgang mit persönlicher Schutzausrüstung geschult: „Diesbezüglich stehen neben der persönlichen Einweisung auch Lehrvideos zur Verfügung.“

Parallel werden demnach seit dem 16. März Pflegekräfte von Allgemeinstationen und Funktionsbereichen für den Einsatz auf Intensivstationen vorbereitet. „Dies beinhaltet insbesondere die Einweisung auf Medizingeräte wie Beatmungsgeräte und die Abläufe auf Intensivstationen“, sagt die CTK-Sprecherin. - ein Vorgehen, das derzeit deutschlandweit in zahlreichen Kliniken praktiziert wird. In Cottbus werden zudem alle Schichten mit zwei- und dreifacher Rückfallebene geplant. Dies sei möglich, weil der Routinebetrieb eingestellt worden sei und nur Notfälle und dringliche Eingriffe und Behandlungen durchgeführt würden.

Zudem versuchen Kliniken bundesweit, Ruheständler und Aussteiger zu reaktivieren. Sein Haus stehe in Kontakt mit zusätzlichen Helfern, Freiwilligen und Ehemaligen, erklärte etwa der Sprecher des Diakonieklinikums in Rotenburg. Das CTK in Cottbus hat Mitarbeiter, die in den vergangenen beiden Jahren altersbedingt ausgeschieden sind, kontaktiert und versucht zudem, Aussteiger aus den medizinischen Berufen durch Aufrufe in Zeitungen, über das Internet und die sozialen Medien zu erreichen. Für Interessierte wurde auf der Homepage die Möglichkeit geschaffen, sich unbürokratisch zu melden. „Alle Anmeldungen werden unmittelbar sofort persönlich kontaktiert und in den Pool möglicher Unterstützungskräfte aufgenommen“, sagt die Sprecherin. Die Resonanz auf diese Versuche sei allerdings „noch etwas verhalten“. Nach zwei Wochen seien so rund 50 mögliche unterstützende Mitarbeitende mit ganz unterschiedlichen beruflichen Qualifikationen gewonnen worden.  

Gemischte Erfahrungen bei der Reaktivierung von medizinischen Kräften macht auch Asklepios. „Wir sprechen aktiv Ärzte und Pflegekräfte, die in den vergangenen drei Jahren in den Ruhestand gegangen sind, an, ob sie im Bedarfsfall bereit sind, die Arbeit aufzunehmen“, schildert Sprecher Hoffmann. Die Reaktionen reichten von sofortiger Bereitschaft bis Ablehnung. „Wir gehen aber davon aus, dass bei einer deutlichen Verschärfung der Situation die Bereitschaft, zu unterstützen, wächst.“

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