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Europäischer GesundheitskongressNach der Krise ist vor der Krise

Intensivmediziner Prof. Dr. Christian Karagiannidis zog auf dem diesjährigen Europäischen Gesundheitskongress in München eine Bilanz aus der Corona-Krise. Vor allem lobt er die hohe Transparenz des DIVI-Intensivregisters – mahnt aber auch vor weiteren Herausforderungen des Gesundheitswesens. 

Europäischer Gesundheitskongress 2022
Klaus D. Wolf
Auf dem 21. Europäischen Gesundheitskongress in München zieht Prof. Dr. Christian Karagiannidis Bilanz.
Europäischer Gesundheitskongress 2022
Klaus D. Wolf
Die eigentliche Krise steht dem Gesundheitssystem laut Prof. Karagiannidis noch bevor (Folie: symbolische Darstellung).

Den ersten Versuch ein solches Intensivregister zu etablieren, gab es bereits 2010 mit der H1N1-Pandemie, auch 2018 als es eine weitere starke Welle mit mehr als 3000 Intensivpatienten in der Spitze gab. Das Projekt scheiterte damals an der Finanzierung. Mit der Coronapandemie konnte das Register nun an den Start gehen. Dass es eine hohe Transparenz über die Lage auf den Intensivstationen in den mehr als 1200 Krankenhäusern mit sich brachte, hält Karagiannidis für eine gute Entscheidung. Denn dies sei alles andere als selbstverständlich in Deutschland, da geringe Kapazitäten der Politik entgegenschlagen würden. Dennoch waren sich alle Beteiligen – das Bundesgesundheitsministerium, das Robert-Koch-Institut und die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin einig, dass Transparenz das Gebot der Stunde ist. Diskussionsthema war jedoch die Frage nach dem Bett selbst. „Es nützt nichts, Betten zu zählen, die im Landeskrankenhausplan verankert sind oder dem InEK gemeldet werden“, so Karagiannidis. Vielmehr gehe es um das Bett, das betreibbar ist. 

Chance für die Ambulantisierung

Auch die Zusammenarbeit habe gut funktioniert. So herrschte vor der Pandemie vor allem ein Konkurrenzdenken zwischen den Häusern, währenddessen bildeten sich vielerorts jedoch regionale Versorgungsnetzwerke wie beispielsweise in Berlin. Problematisch sei aber die heterogene qualitative Gesundheitsversorgung, was an der Krankenhausdichte liegt. Ein Bashing gegen kleine Kliniken oder deren Schließung lehnt Karagiannidis aber ab – sie sollten als Chance gesehen werden. „Gerade die kleinen Krankenhäuser können die Ambulantisierung machen – sie müssen sich aber wandeln“, so Karagiannidis. Es sollte ein Wandel zu ambulanten Zentren „high touch, low technical care“ erfolgen. Dadurch könnten ambulant und stationär gut miteinander verzahnt werden. Was noch fehlt, sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dass im Gesundheitswesen jeder Akteur alles machen dürfe, sei weder ökonomisch noch qualitativ zielführend. 

Weniger Personal, mehr Patienten

Problematisch ist das Problem der Kapazitäten – denn mehr Patienten gebe es derzeit nicht. „Uns schwinden die Kapazitäten, weil wir kein Personal mehr haben“, sagt der Intensivmediziner. Seine Prognose: „Der demographische Wandel ist die eigentliche Krise, die uns bevorsteht“. Mehrere hunderttausend Arbeitnehmer werden ab dem kommenden Jahr aus dem Beruf ausscheiden, um die 500 000 Personen werden fehlen, so die Schätzung. „Der demographische Wandel bedeutet nicht nur weniger Personal – und es ist völlig illusorisch zu denken, dass wir mehr haben werden. Sondern es werden mehr Patienten und weniger Beitragszahler“, führt er weiter aus. Schwierig sei auch, dass zwar auch Personal nachkomme, dies aber nicht mehr so lange im Beruf bleibe. „Wir müssen ad-hoc mehr ambulant machen“, fordert Karagiannidis. Ebenso appelliert er für mehr mutige Entscheidungen. Dass der Mut fehlt zeigte zuletzt beispielsweise der Gegenwind bei den Tagesbehandlungen. Die Idee: Ab spätestens 1. Januar 2023 ist es Krankenhäusern gestattet, sämtliche bisher vollstationären Behandlungen auch als Tagesbehandlungen durchzuführen, sofern das medizinisch vertretbar ist. Kritik gab es zum Beispiel seitens der Kassen, die die Tagesbehandlungen nicht als Problemlöser sehen. 

In der anschließenden Diskussionsrunde spracht Karagiannidis auch die Telemedizin an. Diese sei sicherlich ein Zugewinn – doch vieles lässt sich telemedizinisch nicht lösen. Das Hauptproblem bleibe die Versorgung.
 

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