
Um eine Insolvenzwelle der Krankenhäuser, und damit eine kalte Strukturbereinigung zu verhindern, ist staatliches Handeln verfassungsrechtlich dringend geboten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Krankenhausvergütungsregulierung von Prof. Dr. Stefan Huster von der Ruhr-Universität Bochum. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte es beauftragt. Das Abwarten auf eine kalte Strukturbereinigung verletze laut Gutachten die Berufsfreiheit beziehungsweise Unternehmerfreiheit von freigemeinnützigen, kirchlichen und privaten Krankenhausträgern.
Das Gutachten, das der kma Redaktion vorliegt, bestätigt die finanziellen Probleme der Kliniken: „Festhalten lässt sich aber, dass aktuelle Prognosen zur Insolvenzgefährdung die hoch problematische wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser belegen“. Auch das Krankenhaus Barometer, das Anfang des Jahres erschienen ist, kam zu diesem Ergebnis. Die Ursachen für diese Probleme sind vielfältig, so schreibt Huster: „... die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ist nicht allein auf äußere Umstände zurückzuführen, sondern ergibt sich maßgeblich aus den krankenhausentgeltrechtlichen Beschränkungen.“
Ursachen für die Insolvenzgefahr seien die durch zum Teil pandemiebedingten Fallzahlschwankungen bedingten Schwierigkeiten bei der präzisen Kalkulation von Fallpauschalen (DRG). Hinzu kämen krisenbedingte Kostensteigerungen bei fehlender Kompensationsmöglichkeit durch beispielsweise Preiserhöhungen. Als weitere Ursache wird eine unzureichende Investitionsfinanzierung aufgeführt. Zwar konstatiert der Gutachter, dass die Berufsfreiheit die Teilhabe am Wettbewerb, aber nicht den wirtschaftlichen Erfolg sichert. Krankenhausträger seien selbstverständlich vorausschauend zu einer wirtschaftlichen Planung aufgefordert, die auch eine gewisse wirtschaftliche Resilienz erstellt.
Situation wird sich verschärfen
Das Gutachten bestätigt, dass die bestehende gesetzliche Systematik der Krankenhausfinanzierung aufgrund des Fehlens entsprechender Finanzierungsinstrumente nicht dazu in der Lage ist, adäquat auf die aktuellen Krisen und die dadurch bedingten kurzfristigen und rasanten Preissteigerungen zu reagieren. „Es ist daher zu erwarten, dass sich die Situation im Verlauf des Jahres noch verschärfen wird“, heißt es. Wenn das System der Krankenhausfinanzierung die wirtschaftliche Existenz der Krankenhäuser nicht mehr gewährleistet, dann werde die Finanzierungsuntergrenze unterschritten. Entscheidend sei dabei, dass die Krankenhausträger in unserem System nicht den unternehmerischen Handlungsspielraum haben, ihre Preise für die Patientenbehandlung an die inflationsbedingt gestiegenen Kosten anzupassen.
Es sei daher zwingend notwendig, dass der Staat handelt, um Insolvenzen und Versorgungslücken zu verhindern. „Die hoch brisante und angespannte wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser und die damit einhergehende hohe Insolvenzgefahr ist allseits anerkannt“, sagt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG . Selbst der Bundesgesundheitsminister beschreibe öffentlich die wirtschaftliche Notlage der Krankenhäuser und beziffere den Anteil der insolvenzgefährdeten Standorte auf 30 Prozent. Darauf fußend untersuchte das Gutachten basierend auf einem der zentralen Grundsätze des Krankenhausfinanzierungsgesetzes – der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser – die verfassungsrechtliche Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns, so Gaß.
Unterbleibt die Ausfinanzierung der inflationsbedingten Kosten, werden die Krankenhäuser in ihrem unternehmerischen Handeln massiv beschränkt.
Wichtig für den Gutachter ist auch, dass sich ebenfalls aus dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Grundgesetz ein verfassungsrechtliches Gebot entsteht, einen kalten Strukturwandel zu verhindern. Das Sozialstaatsprinzip verlangt die Gewährleistung eines gleichheitsgerechten Zugangs aller Menschen in diesem Land und ein Existenzminimum von Krankenhauversorgung. Ein kalter Strukturwandel könnte dazu führen, dass durch eine Mehrzahl von Insolvenzen in einem regionalen Gebiet dieser Zugang gefährdet wäre. „Unterbleibt die Ausfinanzierung der inflationsbedingten Kosten, werden die Krankenhäuser in ihrem unternehmerischen Handeln massiv beschränkt und einem ungeordneten, kalten Strukturwandel ausgesetzt. Damit wird nicht nur die verfassungsrechtlich gebotene unternehmerische Freiheit der Krankenhäuser verletzt, sondern auch die Sicherung der Patientenversorgung massiv gefährdet“, warnt Gaß.





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