
Der Referentenentwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ist heute durch das Bundeskabinett gegangen. Wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilt, soll damit eine bessere Behandlungsqualität und der Erhalt eines lückenlosen Klinik-Netzes bundesweit gewährleistet werden bei gleichzeitigem Büürokratieabbau. So das Versprechen.
Dann bestimmt der medizinische Bedarf die Behandlung, nicht die Ökonomie.
Herzstück des KHVVG ist die Veränderung der Finanzierungsstruktur von stationären Leistungen. Die Mehrheit der stationären Versorgung soll künftig nicht mehr via Fallpauschalen abgerechnet, sondern unabhängig von der eigentlichen Leistungserbringung vergütet werden. Künftig sollen in Zukunft 60 Prozent der Vergütung allein schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen. Außerdem sieht die Planung vor, dass Landesbehörden Kliniken künftig Leistungsgruppen zuweisen, die bestimmte Qualitätsanforderungen einhalten müssen.
Prof. Karl Lauterbach sieht im KHVVG die dringend notwendige „Notbremse“, um „in einer alternden Gesellschaft eine gute stationäre Behandlung für alle“ zu gewährleisten. „Fallpauschalen, die momentan oft das medizinische Handeln bestimmen, werden wir deshalb durch Vorhaltepauschalen und Qualitätsvorgaben ersetzen. Dann bestimmt der medizinische Bedarf die Behandlung, nicht die Ökonomie.“
Was die Krankenhausreform vorsieht:
- Bedarfsnotwendige Kliniken sollen in Zukunft mehrheitlich unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden. Dazu wird eine Vorhaltevergütung gezahlt, die ihnen den ökonomischen Druck nehmen soll.
- Zusätzliche Finanzmittel für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken und die Notfallversorgung
- Es werden Kriterien für 65 Leistungsgruppen (LG) definiert und sämtliche Leistungen der Krankenhäuser eindeutig einer der Leistungsgruppen zugewiesen. Ziel ist es, die Versorgungsqualität anzuheben.
- Die Krankenhausplanung bleibt in der Verantwortung der Länder. Es obliegt ihnen zu entscheiden, welches Krankenhaus welche Leistungsgruppen anbietet.
- Bundeseinheitliche Qualitätsstandards definieren, in welche Leistungsgruppe ein Krankenhaus fällt. Diese können auch im Rahmen von Kooperationen und Verbünden erfüllt werden.
- Um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, sind Ausnahmeregelungen geplant, die für bedarfsnotwendige Kliniken im ländlichen Raum unbefristet Anwendung finden. Zuschläge, die sie bisher bereits erhalten werden nocheinmal erhöht.
- Die schnelle Erreichbarkeit von Krankenhäusern bleibt bestehen. Ausnahmen von bis zu drei Jahren können Anwendung finden, sofern eine Klinik nicht binnen einer gesetzlich definierten Entfernung erreichbar ist (30 PKW-Min für die LG allg. Chirurgie und allg. Innere Medizin; 40 PKW-Min für alle anderen LG).
- Die Grundversorgung in Wohnortnähe bleibt gesichert. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i) stellen zusätzlich zu den bedarfsnotwendigen Krankenhäusern im ländlichen Raum ambulante und pflegerische Leistungen zur Verfügung. Sie bündeln interdisziplinäre und interprofessionelle Leistungen.
- Es wird ein Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden für die Finanzierung der struktruellen Veränderungen zur Verfügung gestellt. Diese werden über zehn Jahre ausgeschüttet.
- Die Dokumentation für Krankenhäuser wird verschlankt und das System entbürokratisiert, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Die Einführung der Vorhaltevergütung und damit verbundene Stichprobenprüfungen reduzieren den Aufwand bei Abrechnungsprüfungen.
Korrekturbedarf aus der Branche angemahnt
Der Vorsitzende des des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), Prof. Jens Scholz, begrüßt den Beschluss. „Dies ist der bedeutende Meilenstein seitens der Bundesregierung auf dem Weg zu einem Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft und zur Verbesserung der Qualität der Patientenbehandlung.“ Der Transformationsfond müsse „in erster Linie für Projekte eingesetzt werden, die eine Antwort auf die Folgen des demografischen Wandels liefern und die eine qualitativ hochwertige Versorgung in Zukunft gewährleisten.“ Laut Jens Bussmann, VUD-Generalsekretär, könne jetzt begonnen werden, regionale Patientenpfade gemeinsam zu gestalten, um die Patientinnen und Patienten in das richtige Behandlungssetting zu steuern.
Auch die Verschiebung der Abstimmung im Kabinett hat der Gesundheitsminister nicht genutzt, um das Gesetz praxistauglich zu machen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wird schon deutlicher. „Auch die jüngste Verschiebung der Abstimmung im Kabinett hat der Gesundheitsminister nicht genutzt, um noch einmal wesentlich nachzubessern und das Gesetz praxistauglich zu machen.“ Es seien inhaltlich nur marginale Änderungen seitens des Ministeriums vorgenommen worden. Die geforderte Auswirkungsanalyse der Finanzierungsreform sei vom BMG bis zum heutigen Tag nicht geliefert worden. Berechtigte Kritik, ob von Länderseite, den Krankenkassen, den Kliniken oder den Kommunen und Landkreisen, sei damit schlicht und ergreifend ignoriert worden. „Die Reform ist so versorgungsgefährdend, dass alle Bundesländer inklusive der SPD-geführten die Pläne des Parteikollegen in einer gemeinsamen Stellungnahme ablehnen.“
Dass Prof. Lauterbach die Länder nicht mitgenommen hat, stößt auch den Gesundheitsministerinnen Petra Köpping (Sachsen), Petra Grimm-Benne (Sachsen-Anhalt) und Heike Werner (Thüringen) sauer auf. „Der Bundesminister agiert wiederholt an den Ländern vorbei und findet immer wieder neue Ausreden. Das ist ein Affront.“
Die Gewerkschaft Verdi sieht deutlichen Nachbesserungsbedarf. Kritik äußern die Gewerkschafter daran, dass die Hälfte der Mittel aus dem Transformationsfond den gesetzlich Versicherten aufgebürdet wird. Bund und Länder müssten die Finanzierung aus Steuermitteln sicherstellen, so ihre Forderung.
Der Bundesminister agiert wiederholt an den Ländern vorbei und findet immer wieder neue Ausreden. Das ist ein Affront.
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) moniert: „Mit der heutigen Entscheidung bleibt dieser Dissens bestehen und wird nun in den Bundesstag und Bundesrat getragen. Die dringend benötigte Planungssicherheit für die Krankenhäuser ist weiterhin nicht gegeben“, erklärt DEKV-Vorsitzender Christoph Radbruch.
Auch die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft findet deutliche Worte. „Der von Bundesgesundheitsminister Lauterbach abgesegnete Gesetzentwurf geht vollkommen an den Bedürfnissen der Krankenhäuser, ihrer Mitarbeitenden und nicht zuletzt der Patientinnen und Patienten vorbei. Die radikalen Pläne zum Umbau der Krankenhauslandschaft sind praxisfern, fachlich unausgegoren und gefährden die hochwertige stationäre Versorgung der Bevölkerung. Bleibt es bei den vorgesehenen Regelungen sind Engpässe, lange Wartelisten und ungleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land vorprogrammiert.“, so NKG-Vorsitzender Rainer Rempe.
Und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) geht noch weiter. Sie kündigte in einer Stellungnahme an, sich an die Europäische Kommission zu wenden mit der Bitte zu prüfen, ob eine mutmaßliche EU-Beihilfeverletzung vorliegt – da der Gesetzentwurf erneut eine finanzielle Förderung ausschließlich der Krankenhäuser vorsieht. Hierdurch würden sich die ungleichen Wettbewerbsbedingungen noch einmal verschärfen und Praxen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen klar benachteiligen.






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