


Die Corona-Pandemie hat vieles verändert. Auch die Herzmedizin?
Ja, weil sie einen direkten Einfluss auf das Elektivgeschäft hat. Aus medizinischer Sicht nicht dringend notwendige Behandlungen wurden phasenweise verschoben. Das gilt auch für kardiologische Interventionen. Außerdem sank die Zahl der Menschen, die mit akuten Herzbeschwerden in die Kliniken kamen. Mit den fehlenden Patientinnen und Patienten bleiben wichtige Einnahmen aus, die sich mit den Ausgleichszahlungen aus dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz nur begrenzt auffangen lassen. Eine weitere Folge der Pandemie zeigen erste Studien, wie die des Universitätsklinikums Frankfurt. Sie kommt zu dem Schluss, dass selbst eine mild verlaufende SARS-CoV-2-Infektion das Herz dauerhaft schädigen kann. Das ist eine Entwicklung, die möglicherweise langfristige Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Versorgung haben wird. Grundsätzlich sind die Trends aber unverändert. Das zeigt auch der gerade erschienene 31. Deutsche Herzbericht.
Was ist Ihnen besonders ins Auge gefallen?
Augenfällig war der deutliche Rückgang an Herznotfällen in Krankenhäusern. Eine Studie des Universitätsklinikums Gießen liefert eine mögliche Erklärung. Sie zeigt den Anstieg der kardialen Todesfälle während des Lockdowns in Hessen. Aus Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 nehmen Menschen also offenbar seltener Hilfe in Anspruch und riskieren damit lebensbedrohliche Komplikationen oder sogar den vorzeitigen Tod. Dem gilt es entgegenzuwirken. Darüber hinaus wird aus dem diesjährigen Herzbericht erneut deutlich, dass wir uns auf steigende Patientenzahlen und einen zunehmenden Bedarf an immer komplexer werdenden Eingriffen einstellen müssen. Dieser Entwicklung stehen viele offene Stellen und fehlendes medizinisches Personal gegenüber.
Welchen Einfluss hat das auf die Kardiologie und die Herzchirurgie?
Es muss insgesamt darüber nachgedacht werden, wie Standardversorgung sektorenübergreifend besser organisiert wird. Für die einzelnen Krankenhäuser gilt es, ihr Profil klar herauszuarbeiten, um im Wettbewerb um Fachkräfte und klinische Exzellenz zu bestehen. Wir sehen zum Beispiel, dass sich die interventionelle Kardiologie rasant entwickelt. Hier rede ich von der Transkatheter-Aortenklappenintervention, kurz TAVI, oder von katheterbasierten Eingriffen an Mitral- und zunehmend auch Trikuspidalklappen. Die Prozeduren sind hochkomplex und brauchen meist Intervention und Chirurgie in einem interdisziplinären Setting. Das macht den Bereich sehr attraktiv. Aber auch das breite Spektrum an elektrophysiologischen beziehungsweise ablativen Eingriffen sowie die Prozeduren zur Entfernung von altem Sondenmaterial nehmen zu. Hier kann es sich ebenfalls lohnen, sich gut aufzustellen. Philips hat in dem Bereich eine starke Expertise und kann als Partner sowohl aus technologischer Sicht als auch prozessual mit Know-how zu Seite stehen, um die Weichen für langfristigen Erfolg zu stellen.
Fangen wir technologieseitig an. Was bringt Philips hier ein?
Zum Beispiel unsere Angiographieplattform Azurion. Sie basiert auf einer völlig neu entwickelten Systemarchitektur, in der neben der Angiographie als diagnostisches Verfahren wichtige kardiovaskuläre Werkzeuge wie die iFR oder der intravaskuläre Ultraschall integriert sind. Alles wird über das Bedienpanel im Katheterlabor oder Hybrid-OP gesteuert. Diese Lösung reduziert Arbeitsschritte, schont Personalkapazitäten und sichert die Qualität über standardisierte Workflows. Auch erwähnt sei das kardiologische Bildgebungs- und Mapping-System KODEX-EPD. Es ist als offene Plattform konzipiert, die es erlaubt, mit jedem validierten EP-Katheter zu arbeiten. Durch die schnelle und kontaktlose 3D-Darstellung des Herzens kann die Strahlen- und Kontrastmitteldosis reduziert werden. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt unseres breiten Kardiologie-Portfolios, das von entsprechender IT begleitet wird. Forschungskooperationen stellen sicher, dass wir den technologischen Fortschritt aktiv mitgestalten. Technologie ist allerdings nur dann ein Gewinn, wenn sie richtig genutzt und eingebettet ist. Gerade in der Standardversorgung ist diese optimierte Nutzung entscheidend.
Und wie lassen sich die Prozesse mit Philips verbessern?
Bei einer guten kardiologischen Versorgung greift vieles ineinander. Darum analysieren wir alle Aspekte mit unserem QuickScan. Er betrachtet neben der Medizintechnik- und IT-Ausstattung die vor- und nachgelagerten klinischen und operativen Prozesse und erfasst die personelle Struktur und Qualifikation. Eine Markt- und Wettbewerbsanalyse unterstützt die Ausrichtung der klinischen Schwerpunkte. Aus all diesen Daten wird ein auf das jeweilige Haus zugeschnittenes Konzept entwickelt, das beispielsweise eine Risikoteilung auf Grundlage sogenannter Key-Performance-Indikatoren zum Beispiel für die Verbesserung der Geräteauslastung beinhalten kann. Werden die gesteckten Ziele erreicht, ist das für beide Seiten ein wirtschaftlicher Erfolg. Mit diesem Vorgehen bieten wir Krankenhäusern langfristige Planungssicherheit. So entstehen finanzielle und personelle Handlungsspielräume, die es ermöglichen, eine qualitativ hochwertige und bedürfnisorientierte Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.
Welchen zusätzlichen Mehrwert schafft die sektorenübergreifende Versorgung?
Eine sektorenübergreifende kardiovaskuläre Versorgung ist äußerst sinnvoll – und noch deutlich ausbaufähig. Hier lohnt sich ein Blick in die USA, wo Katheterlabore im niedergelassenen Bereich, sogenannte Office Based Labs, in den vergangenen Jahren unheimlich stark gewachsen sind. Sie sorgen für eine stärkere Ambulantisierung und entlasten Krankenhäuser in der Standardversorgung. In Deutschland gibt es aktuell leider noch zu wenig Anreize. So ist die Anzahl der KV-Zulassungen für die interventionelle Versorgung noch sehr gering und die Vergütungsstruktur ist nicht einheitlich geregelt. Ich bin davon überzeugt, dass auch Krankenhäuser in Deutschland von diesem Weg profitieren könnten. Würden angeschlossene angiologische und kardiologische Praxen anteilig die Diagnostik und interventionelle Behandlung von Patientinnen und Patienten übernehmen, dann ließe sich beispielsweise der Case Mix Index der Häuser erhöhen.
Mehr Informationen dazu, wie Philips Daten, Technologien und Menschen vernetzt, finden Sie unter philips.de/healthcare
