Wie kam es zu der Idee, ein fahrerloses Transportsystem in der Uniklinik Leipzig zu installieren?
Die Idee wurde geboren, als wir im Jahr 2003 das operative Zentrum bauten. Man suchte damals einen wirtschaftlichen Weg, Waren in großen Mengen zu transportieren, und zwar mit einem verlässlichen Fahrplan, der unabhängig von menschlichen Faktoren ist. Nach langen Diskussionen hat man eine pragmatische Rechnung aufgestellt – und dabei festgestellt, dass ein automatisches Transportsystem wirtschaftlich ist. Außerdem werden wir bis 2020 noch weitere Klinikgebäude bauen und diese ebenfalls zentralisieren. Damit war die Entscheidung für das System eigentlich schon klar mit Ja beantwortet. Es transportiert quasi alles, was man nicht mit der Rohrpost schicken kann: Essen, Sterilgut, Medikamente, Wäsche, Müll und Ähnliches.
Welche baulichen Maßnahmen waren dafür nötig?
Wir haben im Keller ein sehr verzweigtes Flursystem, das die drei zentralen Klinikgebäude miteinander verbindet und in denen die Fahrzeuge manövrieren. Die Keller müssen einen sehr ebenen Fußbodenbelag haben. Das ist für die Fahrzeuge sehr wichtig, denn das verhindert Vibrationen. Um in die einzelnen Stockwerke zu kommen, hat man normale Personenaufzüge umgerüstet. Außerdem haben wir eigene Räume für die Warenannahme. Da das System sehr leise arbeitet, bekommen die Nutzer davon eigentlich nichts mit. Es schafft derzeit mit 16 Wagen täglich etwa 900 Transporte.
Wie teuer ist so eine Umstellung?
Wir haben für das Gesamtsystem bis jetzt knapp 10 Millionen Euro ausgegeben. Trotzdem lohnt sich das. Zunächst spart es Personal: Wo wir vorher 40 Mann hatten, die die Container durch unsere Räume schieben mussten, und wir 60 Mann gebraucht hätten, um das komplette Klinikum zu versorgen, arbeiten jetzt lediglich 4 bis 6 Leute pro Schicht, die das gesamte System steuern. Ein zweiter Vorteil ist, dass das System immer pünktlich ist. Drittens haben wir 24 Stunden diese Leistung, es gibt also keine Ausfallzeiten.
Wie navigiert das automatische Transportsystem im Klinikum?
Jedes Fahrzeug bekommt seine Aufträge per WLAN. Zum Navigieren nutzt es eine sogenannte CAD-Karte, auf der die Grundrisse der Gebäude und Räume gespeichert ist. Zusätzlich tastet es mit Lasern die Wände ab und kontrolliert, ob seine Position mit der Karte übereinstimmt. Außerdem messen Tachogeneratoren an den Rädern die zurückgelegte Strecke. So können die Fahrzeuge autark auf den Zentimeter genau navigieren und sich ohne irgendwelche Drähte im Fussboden frei bewegen.
Sie haben im Vorfeld auch eine Simulation gemacht?
Nein, wir haben im Nachhinein eine Simulation gemacht. Wir hatten hier an verschiedenen Stellen Optimierungsbedarf und wollten uns dem nicht subjektiv nähern – da ist die Simulation die beste Variante. Daraufhin haben wir eine ansässige Hochschule beauftragt, mit uns ein Simulationsmodell zu bauen, das das reale System wiedergeben kann. Das hat uns sehr viel Geld gespart. Beispielsweise haben wir erkannt, dass das System zu nur 70 Prozent ausgelastet war. Es zeigte auch, dass wir für die Erweiterung des Systems in den neuen Klinikzentren viel weniger Fahrzeuge benötigen als zunächst gedacht. Bisher hat uns die Simulation rund 500.000 Euro gespart.
Was raten Sie Klinikmanagern, wann lohnen sich solche Systeme?
Wenn man ein neues Klinikum baut, rechnet sich das. So etwas im Bestand nachzurüsten lohnt sich nur, wenn das Krankenhaus schon vorher etwas Ähnliches hatte – die Vorgänger sind ja Hängebahnen. Die sind bei Weitem nicht so flexibel und teurer, weil sei zum Beispiel deutlich mehr mechanische Verschleißteile haben. Da ist unser automatisches Transportsystem auf jeden Fall wirtschaftlicher.
Auf der kommenden Med-Logistika halten Sie Vorträge über das System. Was werden Sie Ihrem Auditorium als Fazit mitgeben?
Ich möchte vermitteln, dass mit einer Simulation die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme besser darzustellen ist, und zwar bei einer Planung als auch bei dem Betrieb. Und zweitens will ich das generelle Bewusstsein für die Zusammengehörigkeit von Hochschule und Klinikum und die damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten wecken. In der Industrie ist sowas üblich. Hätten wir die Simulation nicht mit der Hochschule entwickelt, sondern von der Industrie kaufen müssen, hätte sie uns das 50-fache gekostet. Das sollte man sich mal vor Augen halten. Natürlich wollen wir die Simulation nicht verkaufen, aber wir sind verpflichtet, die Steuergelder und die Gelder der Krankenkassen so einzusetzen, dass wir die Bürger so wenig wie möglich belasten.


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