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Patienten-EntertainmentEntertainment auf höchstem Niveau

Mit dem Internet sind auch die Komfort- und Servicebedürfnisse der Klinikkunden gestiegen. Die Hersteller der Entertainmentsysteme haben das längst erkannt. Das Smartphone könnte ihnen allerdings Konkurrenz machen.

Wer ins Krankenhaus muss, hat mit Ängsten zu kämpfen. Um sich von den Sorgen nicht gänzlich auffressen zu lassen, braucht es Ablenkung. Im Krankenbett ist das allerdings gar nicht so einfach, denn dort wird man auch mit dem Leid Anderer konfrontiert. Muss man sich den Wandfernseher im Zwei- oder Dreibettzimmer dann noch mit den Bettnachbarn teilen, kann das leicht in Stress ausarten – schließlich teilt nicht jeder denselben Fernsehgeschmack.

Silversurfer erobern das Netz
Laut Statistischem Bundesamt nutzen heute 40 Prozent der über 65-jährigen und ganze 85 Prozent der zwischen 45- und 65-jährigen Deutschen – die Zielgruppe der Kliniken – regelmäßig das Internet. Sie wollen auch im Krankenbett die Vorteile der modernen Kommunikation genießen. Das haben die Hersteller der Unterhaltungssysteme längst erkannt. Ihre Systeme liefern den Patienten die Unterhaltung direkt ans Bett: die Hardware der Bedside-Terminals besteht heute meist aus einem 12 bis 15 Zoll großen Tablet-PC, der entweder an der Wand, am Nachttisch oder direkt am Bett angebracht ist. Bedient werden die Geräte meist über einen Telefonhörer, mit dem sich selbstverständlich auch telefonieren lässt. Einige Hersteller bieten sogar Touchscreens, die nach dem Gebrauch in die Schublade des Beistelltischs gelegt werden können. Sie lassen sich problemlos reinigen und desinfizieren.

Passgenaue Apps
Ihre Oberfläche bietet meist den gleichen Look wie herkömmliche Betriebssysteme. Die Bedienung ist daher denkbar einfach – jede Anwendung ist dort in Form einer App zu sehen, die meist über eine Cloud bezogen und bei Bedarf angeklickt wird. Welche Anwendungen das sind, überlassen die Hersteller meist den Kliniken, die das App-Angebot passgenau auf ihr Patientenklientel zuschneiden können. Sobald sie ausgewählt ist, registriert das System die Nutzungsdauer und bucht einen entsprechenden Betrag von dem Patientenkonto ab. Kassenpatienten können die Wahlleistung auch an einem Kassenautomat buchen oder über eine Chipkarte bezahlen.

Ihre Angebote lassen praktisch keinen Unterhaltungswunsch unbefriedigt.Neben einer breiten Auswahl verschiedener Fernseh- und Radioprogramme bieten die neuesten Systeme auch PayTV und einen stets aktuell gehaltenen Pool diverser E-Books, elektronischer Zeitschriften, Serien und verschiedene Kinofilme an. Auch das Internetangebot der Geräte kann sich sehen lassen. Ganz wie am heimischen PC bieten sie den Patienten Zugang zu ihren E-Mail Konten, die Möglichkeit sich mit Angehörigen per Chat oder Videotelefonie zu unterhalten oder sich auf Onlineplattformen wie Youtube, Twitter und WhatsApp rumzutreiben.

Die Smartphone-Konkurrenz
Über das WLAN für die klinikeigenen Systeme können die Patienten sogar ihre eigenen Smartphones, Notebooks und Tablet-PCs verwenden. Allerdings stellen die selbst mitgebrachten Geräte auch eine Konkurrenz für die Entertainmentsysteme dar. „Heute hat im Prinzip jeder ein Smartphone – selbst die Oma hat eins, um mit den Enkeln über Facebook zu kommunizieren. Nach den letzten Statistiken in Deutschland, und da sind die Handys noch nicht mitgezählt, haben wir fast 40 Millionen Smartphones im Umlauf. Die Patienten haben ihr eigenes Unterhaltungsgerät also schon dabei, wenn sie in die Klinik kommen”, erklärt Michael Thoss, IT-Leiter der DRK Kliniken Berlin und Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Krankenhaus-IT Leiter (KHIT). Er rechnet vor, dass die Entertainmentsysteme inklusive Infrastruktur, Abrechnungssystem und Kassenautomaten in einem 500-Betten-Haus eine hohe fünfstellige Zahl pro Jahr kosten. Diese Summe ließe sich schlecht über die Einnahmen der Unterhaltungssysteme refinanzieren, wenn jeder Patient dafür sein eigenes Gerät benutzt. Seine Kliniken haben sich deshalb entschieden, den Patienten neben Fernsehen ausschließlich WLAN zur Verfügung zu stellen, über das sie ins Internet können. Für die wenigen Patienten, die kein Smartphone dabei haben, bieten die Berliner DRK Kliniken einfache Handys an. „Für den kleinen Pool von 25 Mobiltelefonen entstehen uns im Gegensatz zu einer 500-Betten-Versorgung fast keine Kosten”, gibt er zu bedenken. Bedside-Terminals findet man hier überwiegend auf den Wahlleistungsstationen der Kliniken.

Selbst die DKG hat dazu eine Meinung. Andreas Wagener, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft: „Auch früher hat man seinen tragbaren Fernseher oder Walkman mit ins Krankenhaus gebracht. Trotzdem verzeichnen wir nicht, dass die Nachfrage nach Entertainmentsystemen
zurückgehen würde, weil Patienten ihre eigenen Geräte mitbringen.” Auch Michael Mackerodt von der Hamburger Unternehmensberatung Partner Consult hat andere Erfahrungen gemacht: „Die Patienten messen die Krankenhausqualität erstens nach der guten ärztlichen Betreuung, zweitens nach der Pflegeleistung, drittens dem Essen und viertens nach der Unterhaltung. Da machen einige Kliniken es sich einfach. Andere sagen, wir müssen unseren Patienten eine anspruchsvolle Unterhaltung bieten können. Ob sie eigene Geräte mitbringen, bleibt ihnen überlassen.”

Raumfunktionen steuern
Auch die Anbieter sehen die Entwicklung gelassen. Sie geben zu bedenken, dass auch das WLAN-Angebot im Krankenhaus nicht kostenfrei zu haben ist – ganz abgesehen davon, dass die niedrige Übertragungsgeschwindigkeit oft nicht zulässt, Videos selbst auf dem kleinen Smartphonedisplay ruckelfrei anzuschauen. Auch sei bei ihren neuen Systemen die Unterhaltung nur ein Teil des Pakets. In der Tat bieten die Geräte auch deutliche Arbeitserleichterungen für das Klinikpersonal: Über die Terminals können Patienten ihre Essensbestellung erledigen, Raumfunktionen steuern und sogar das Pflegepersonal rufen. Das erspart den Schwestern manchen Gang ins Patientenzimmer. Einige Systeme bieten Ärzten auch den Zugang ins Krankenhausinformationssystem – und machen damit den Systemen für die mobile Visite Konkurrenz.

Die Experten raten Kliniken daher, genau hinzuschauen, bevor sie auf deren Serviceleistungen verzichten. In Zeiten des Smartphones mag das Telefon als Zusatzgeschäft nicht mehr ganz so viele Einnahmen bescheren wie früher, allerdings sollten sie gerade im Blick auf die Konkurrenz den Faktor Unterhaltung als Wettbewerbsvorteil nicht außer Acht lassen.

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