
Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben womöglich ein neues, leistungsstarkes Antibiotikum entdeckt. In Labortests wirke die Substanz sogar gegen einige Bakterienstämme, die gegen alle bekannten Antibiotika resistent sind, gaben die Bostoner Forscher vor wenigen Wochen bekannt. Möglich machte die bahnbrechende Entwicklung ein Algorithmus für maschinelles Lernen, so das MIT (siehe dazu S. 13, „KI findet neues Antibiotikum“).
Diese Ankündigung erreicht die Medizinwelt in einer Zeit, in der die Antibiotika-Entwicklung praktisch auf der Stelle zu treten scheint und in der vor allem Krankenhäuser mit den Folgen von Antibiotika-Resistenzen kämpfen. Screeningverfahren sind teuer und langwierig, und sie beschränken sich zumeist auf ein enges Wirkungsspektrum. Algorithmen dagegen können in kurzer Zeit eine Vielzahl an Merkmalen miteinander ins Verhältnis setzen.
Aus unzähligen Korrelationen entstehen Muster, das System lernt. Dieser Lernvorgang als Ergebnis eines ultraschnellen Datenabgleichs, auf dem auch KI-basierte Mustererkennungssysteme in der Diagnostik aufbauen, wird zunehmend zur Herausforderung für die Marktzulassung von Medizinprodukten. Die Industrie befürchtet Engpässe und Verzögerungen im Zulassungsprozess.
Experten sehen in KI ein riesiges Wachstumspotenzial
Im vergangenen Sommer konnte Siemens Healthineers immerhin die Zulassung einer Software zur Klassifizierung radiologischer Befunde für den europäischen Markt bekannt geben. Der „AI-Rad Companion Chest CT“ habe die CE-Kennzeichnung erhalten, meldete der Konzern. Der neue digitale Assistent könne CT-Aufnahmen des Brustkorbs auswerten, pathologische Auffälligkeiten kennzeichnen und vermessen. Siemens wolle künftig mehr intelligente Algorithmen für weitere Organe zur Verfügung stellen und sein Portfolio an KI-basierter Software zur Unterstützung klinischer Entscheidungen erweitern.
Mit diesem Vorsatz stehen die Süddeutschen nicht allein. An KI knüpfen sich immense Erwartungen, es entwickelt sich ein riesiger Markt: Der auf Basis neuronaler Netze arbeitenden Analytik-Technologie „Deep Learning“ schrieb die Beratungsgesellschaft McKinsey bereits vor knapp zwei Jahren ein jährliches Wertschöpfungspotenzial von bis zu 5,8 Billionen US-Dollar weltweit zu. Das Veränderungspotenzial übersteige das der Dampfmaschine. KI ist als Begriff positiv besetzt und für die Vermarktung von hohem Wert.
Zertifizierung weiterentwickeln
Doch dem erheblichen wirtschaftlichen und medizinischen Potenzial steht zunächst ein beträchtlicher Zertifizierungsaufwand gegenüber. Präzision und Zuverlässigkeit KI-basierter Entscheidungsunterstützungssysteme sind in hohem Maße abhängig von der Methodik und der Qualität der dem Training der Algorithmen zugrunde liegenden Daten. Beide sind für die Zertifizierer schwierig einzusehen. Die Prüfer, monieren Kritiker des Verfahrens, richteten ihr Augenmerk deshalb zu sehr auf formale Aspekte: „Die Qualität der Datensätze und die einem Algorithmus zugrunde liegende Methodik sind für die Prüfer häufig eine Blackbox“, sagt Christoph von Kalle, Chair für Klinisch-Translationale Wissenschaften am Berlin Institute of Health und der Charité. Der Einfluss neuer Technologien erfordere eine ständige Weiterentwicklung auch der Zertifizierungsprozesse.
Nachweispflicht für Hersteller nimmt erheblich zu
Dabei kämpfen die staatlich autorisierten Prüfungseinrichtungen, die so genannten Benannten Stellen, ohnehin schon mit einer überbordenden Aufgabenpalette – unter anderem auf dem Gebiet der Cybersicherheit – und zunehmender technischer Komplexität. Ab Ende Mai gilt überdies die neue Medical Device Regulation (MDR) der Europäischen Union (EU). Die für alle EU-Staaten rechtswirksame Verordnung wurde 2017 mit einer dreijährigen Übergangsfrist in Kraft gesetzt, um die Sicherheit von Medizinprodukten sowie ihre Zulassung zu verbessern. Das neue Regelwerk verschärft die Nachweispflichten der Hersteller erheblich.




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