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Fehlende UmsetzbarkeitSchleswig-Holstein zieht sich aus E-Rezept-Rollout zurück

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) steigt vorerst aus der Einführung des E-Rezepts aus. Als Grund nannte sie, dass eine mailbasierte Umsetzung nach dem Landesdatenschutzgesetz untersagt ist.

Auf einem Tisch liegt ein rosafarbenes Rezept, darauf und daneben verteilt liegen ein Stethoskop, ein Kugelschreiber, ein Holzspatel und eine Tastatur.
Henrik Dolle/stock.adobe.com
Symbolfoto

Rückschlag für die Einführung des digitalen Rezeptes. Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein kündigte an, sich aus der Rollout-Phase zurückzuziehen, da digitale Lösungen, die Praxen und Patienten gleichermaßen nutzen momentan nicht umsetzbar seien.

Laut KVSH-Vorstandsvorsitzender Monika Schliffke liegt der Nutzen des elektronischen Rezepts für Arztpraxen in der bürokratiearmen Erstellung und für Patienten in der Einsparung von Wegen. Beides könne momentan nicht erreicht werden. Der Landesdatenschutz habe mitgeteilt, dass vom Praxisverwaltungssystem erzeugte datenlose Transfer-QR-Codes als Gesundheitsdaten einzustufen seien, weil zu berücksichtigen sei, dass auf dem Markt frei erhältliche Apps aus dem Apothekenumfeld jeder Person, die befugt oder unbefugt im Besitz des QR-Codes ist, die Kenntnisnahme von Daten einer Verordnung ermöglicht. Beim Hochladen in die Apps würden die Daten ermittelt und dem App-Nutzenden angezeigt.

Anders als beim Papierrezept bestünde bei Missbrauch ein Haftungsrisiko für die Praxen, denn: In der analogen Welt endet die formale Arzthaftung mit der Übergabe des Rezeptes an den Patienten. Ob dieser damit Medikamente abholt oder nicht abholt, das Rezept verliert oder verkauft, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Arztes. Dies gelte nicht in der digitalen Welt, so Schliffke.

Datenschutz-Bedenken angemeldet

Die Argumentation des Datenschutzes, den die KVSH selbst eingeschaltet hatte, sei zwar formal, aber nicht inhaltlich nachvollziehbar. Sie beeinträchtige das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen und Patienten zum Umgang mit den eigenen Daten. „Das Gesetz ist offenbar so zu lesen, dass kein Versicherter einer digitalen Übertragung eines datenlosen QR-Codes an sich selbst, bzw. an einen bevollmächtigten Dritten oder an die Apotheke seiner Wahl zustimmen kann“, so die KVSH. Es sei zwar gut, wenn im Vorweg des Rollouts auch die absurdesten Problemstellungen erkannt werden, jedoch hätte dies schon in der Testphase der Gematik geschehen müssen. „Nun hoffen wir, dass nicht auch noch das von der KV Westfalen-Lippe initiierte E-GK-Verfahren dem Datenschutz zum Opfer fällt, weil auch elektronische Gesundheitskarten fehlerhaft oder missbräuchlich verwendet werden könnten“.

Es gebe jetzt noch drei Optionen digitaler Wege. Die Gematik-App könne laut KVSH momentan kaum genutzt werden, weil es aufgrund fehlender Chips an nfc-fähigen Gesundheitskarten mangelt, nur wenige Patienten die geforderten Smartphone-Typen haben und die Einrichtung der App durch Verbot des Video-Ident-Verfahrens der Krankenkassen erschwert wird. Das Einstellen in eine elektronische Patientenakte (ePA) scheitert in ihren Augen an deren minimalem Vorhandensein und die Code-Übertragung per Kommunikationsdienst KIM an Apotheken an der Tatsache, dass in Schleswig-Holstein nur eine Handvoll Apotheken bisher mit KIM-Modulen und -Adressen ausgestattet sind. Es könnten nur einzelne Praxen diesen Weg nutzen, sofern ein Patient dies gestatte. KIM in Apotheken ist keine politische Vorgabe für die Bezeichnung E-Rezept-ready.

Stockende Digitalisierung

„Das läuft auf 99 Prozent Papierausdrucke hinaus, was keinem unserer Ziele zur Digitalisierung auch nur annähernd nahekommt. Die Zählung der Gematik zu E-Rezepten zeigt dann auch keinen Digitalisierungsgrad an“, resümiert die KV-Vorsitzende Schliffke. Die KVSH wird die bereits terminierten Schulungen abschließen, ihre Erreichbarkeit zu speziellen E-Rezept-Fragen aufrechterhalten und sich ansonsten unterstützend wieder einschalten, wenn ggf. durch Gesetzesanpassungen und/oder technische Gematik-Aktivitäten eine praxis- und patientengerechte Alltagstauglichkeit absehbar ist.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Heiner Gag nannte die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung einen herben Rückschlag für die weitere Digitalisierung im Gesundheitssystem. „So nachvollziehbar die Gründe der KVSH für den vorläufigen Ausstieg sein mögen, so wenig darf sich die Landesregierung mit dieser Situation zufrieden geben“, sagte Garg, der bis zum Frühjahr in der Jamaika-Koalition Gesundheitsminister war. „Ich erwarte, dass die neue Gesundheitsministerin umgehend das Gespräch mit der KVSH, dem Datenschutz, aber vor allem auch mit dem Bund aufnimmt, um möglichst bald den problemlosen Rollout für Schleswig-Holstein unter Einbindung der KVSH sicherzustellen.“

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