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Telematikinfrastruktur im KrankenhausTI für Kliniken: Mit dem Tanker auf der Schnellbootstrecke

Viele Vorschriften zur Anbindung und Nutzung der Telematikinfrastruktur orientieren sich an Abläufen in Arztpraxen und haben mit der Klinikrealität wenig zu tun. Doch einige Schwierigkeiten für Krankenhäuser sind hausgemacht, weil Klinikleitungen wertvolle Zeit für die Planung verstreichen lassen.

Telematikinfrastruktur an Kliniken
AdobeStock/Denys
Einführung der Telematikinfrastruktur an Kliniken: Es vergeht Zeit, bis ein Tanker auf Kursänderungen reagiert.
Martin Fiedler
MCL
Martin Fiedler, Geschäftsführer des Beratungs- und Schulungsunternehmens „Digitales Gesundheitswesen“
Dr.-Ing. André Kaeding
GMC
Dr.-Ing. André Kaeding, Geschäftsführer des Beratungs- und Schulungsunternehmens „Digitales Gesundheitswesen“

André Kaeding und Martin Fiedler vom Beratungs- und Schulungsunternehmen „Digitales Gesundheitswesen“ unterstützen Kliniken bei der Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) und bei der Einführung der TI-Anwendungen wie dem Notfalldatenmanagement und der elektronischen Patientenakte (ePA).  

Wie realistisch ist es, dass zum Jahresende 2020 alle Krankenhäuser an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sind?

Martin Fiedler: Jedes Krankenhaus kann das schaffen – dafür müssen Vorstand oder Geschäftsführung allerdings verstehen, dass sie selbst bei dem Thema mitspielen müssen und es nicht in Richtung IT-Abteilung weiterschieben dürfen. Die Anwendungen der Telematikinfrastruktur verändern Arbeitsprozesse. Das findet man im Krankenhaus aber erst heraus, wenn man sich mit den entsprechenden Vorgaben beschäftigt und merkt, dass das mit den existierenden Prozessen in der Anmeldung, auf den Stationen oder im Entlassmanagement nicht zu erreichen ist.

Woher kommt dieser große Anpassungsbedarf im Hinblick auf die Prozesse, der sich mit der Einführung der Telematikinfrastruktur im Krankenhaus verbindet?

André Kaeding: Ein Beispiel ist der künftige Umgang mit den Gesundheitskarten der Patienten. Bisher werden Daten von diesen Karten im Krankenhaus nur ausgelesen. In der Regel bei der Aufnahme. Künftig werden Krankenhäuser auch Daten auf diese Karten schreiben müssen. Das ist ein bislang nicht existierender, aber durch eine Vielzahl von Vorschriften regulierter Prozess, der auch an ganz anderen Orten als der Aufnahme – in vielen Fällen auch auf Stationen - umgesetzt werden muss.

Martin Fiedler: Eine riesige Herausforderung aus Sicht der Krankenhäuser ist, dass die technischen und organisatorischen Vorschriften für die einzelnen Anwendungen der Telematikinfrastruktur weitgehend am Betrieb einer Einzelpraxis orientiert sind: Wenn dort zwei zusätzliche Kartenterminals in den Behandlungszimmern installiert werden müssen oder sich ein paar Anzeigen im Praxisverwaltungssystem ändern, dann ist das schneller umgesetzt und allen beteiligten Mitarbeitern kommuniziert als im Krankenhaus.

Wie groß sind denn für Krankenhäuser die Probleme, die sich aus fehlenden Konnektor-Updates oder fehlenden KIS-Programmversionen für die künftigen TI-Anwendungen ergeben?

André Kaeding: Natürlich bereitet das Probleme. Aber die Auswirkungen werden umso gravierender, je später ein Krankenhaus mit Analyse und Planung der TI-Einführung beginnt. Momentan läuft es oft so, dass die Techniklieferanten den Krankenhäusern ihre Angebote unterbreiten und die Verantwortlichen dort nicht sicher sind, welchen Bedarf sie eigentlich haben und wie sie diesen ermitteln.

Haben Sie Verständnis dafür, wenn Klinikmanager beim Thema Telematikinfrastruktur lieber noch weiter abwarten wollen?

André Kaeding: Worauf warten? Ich möchte im Zusammenhang mit Krankenhäusern und niedergelassenen Praxen mal das Bild von Tankern und Schnellbooten bemühen: Natürlich ist es für eine Tankerbesatzung schwierig und nach unserer Erfahrung an vielen Punkten frustrierend, wenn sie das Schiff durch einen Kurs steuern soll, der eigentlich für Schnellboote ausgedacht wurde. Aber wer Großschiffe steuert, weiß auch, dass man für das Manövrieren mehr Hebel bewegen muss und mehr Leute involvieren muss – und dass der Tanker deutlich mehr Zeit braucht, bis er reagiert.  

Eine ausführlichere Version des Gesprächs finden Sie hier: https://digitales-gesundheitswesen.de/telematikinfrastruktur-krankenhaeuser-interview-mit-zwei-experten/