Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

OrtungssystemeDas gläserne Krankenhaus

WLAN-Ortungssysteme verhindern Diebstähle, erhöhen die Sicherheit von Personal und Patienten und helfen dabei, Prozessabläufe effizienter zu gestalten. Der Einsatz will allerdings wohlüberlegt sein, denn nicht jedes Gebäude ist gleich gut geeignet.

Der Medizingerätepark im Krankenhaus wächst ständig. Das gilt auch für Kleingeräte, die das Personal für Diagnosen, den schnellen Zugriff auf Patientendaten oder Untersuchungsergebnisse einsetzt. In Zeiten optimierter Prozesse und kürzerer Verweildauern ist es schwer, den Überblick zu behalten und immer genau zu wissen, wo sich die Geräte befinden. Sie gehen kaputt, werden verlegt, aus Versehen in Kitteltaschen vergessen oder gestohlen. Ortungssysteme können hier Abhilfe schaffen, denn sie geben nicht nur deren genauen Standort an, sondern zeigen außerdem, wie oft sie im Einsatz sind. Sogar Mitarbeiter und Patienten lassen sich damit orten.

Schnelle Ortung im Notfall
Das Westküstenklinikum Heide in Schleswig-Holstein nutzt seit knapp einem Jahr ein WLAN-basiertes Ortungssystem. Um das Personal der psychiatrischen Abteilung vor potenziellen Übergriffen zu schützen, trägt jeder Mitarbeiter einen Transponder um den Hals, mit dem sich seine Position jederzeit auf den Meter genau bestimmen lässt. "In den Abendstunden sind die Mitarbeiter dort alleine. Wenn sie dann in irgendeiner Form von Patienten gefährdet werden, müssen sie schnell Alarm auslösen können”, erklärt Humayaun Kabir, IT-Leiter des Klinikums. Dazu ziehen sie an einer Lasche, woraufhin das Signal, zusammen mit der Position des Mitarbeiters, automatisch auf dem PC-Arbeitsplatz des Sicherheitspersonals erscheint. Das Ortungssystem kann von jedem beliebigen Rechner erfasst werden. So erreicht der Alarm das Sicherheitspersonal auch, wenn es gerade im Haus unterwegs ist. Sogar medizinische Geräte und sämtliche Rollstühle der Klinik sind mit solchen Transpondern, kurz TAGs, ausgestattet. "Wir wussten oft nicht, wo sich die Rollstühle befinden. Das galt auch für einzelne medizinische Geräte wie Infusionspumpen. Daher haben wir auch sie mit TAGs ausgestattet. So weiß das Personal immer genau, wo sie sind. Zeitaufwendige Suchen und Diebstähle sind seitdem deutlich zurückgegangen”, so Kabir.

Maximal ausgelastet
Die TAGs lassen sich auch mit Sensoren ausstatten, die die Temperatur oder die Bewegung messen. Ist eine Blutkonserve damit versehen, kann der Tag permanent prüfen, ob sie während des Transports zu warm geworden ist. Die Blutbank kann solche Konserven dann sofort aussortieren. Ist ein TAG mit Bewegungsmessern ausgestattet, kann ein Krankenhaus damit sogar feststellen, wie oft ein Gerät im Einsatz ist. "Wenn ein Krankenhaus heute etwa 200 Infusionspumpen einsetzt, kann man davon ausgehen, dass nicht mal die Hälfte davon wirklich ausgelastet ist – der Rest liegt nur rum. Man kann durch die Ortung also auch die Zahl der Geräte reduzieren”, sagt Wolfgang Riedel, Leiter des Instituts für Krankenhauswesen IFK in Braunschweig. Denn selbst bei einem voll ausgelasteten Medizingerätepark lassen sich die Objekte jederzeit orten und sind sofort verfügbar. Das Besondere am Echtzeit-Lokalisierungssystem ist die Art, wie die auf den Transpondern gespeicherte Information erfasst und übermittelt wird: Sie funktioniert auf WLAN-Basis. "Das erleichtert den Einsatz, denn ist ein Krankenhaus bereits mit WLAN ausgestattet, benötigt es nur die TAGs und die dazugehörende Software, dann kann es loslegen”, sagt Dirk Lenz, Regional Director Central and Eastern Europe bei der Anbieterfirma Ekahau.

Durch Schnittstellen zu Optimierungs- und Überwachungssystemen von Siemens, Carl Storz oder Magrathea kann die WLAN-Ortung zudem für die Notaufnahme oder das OP-Management genutzt werden. Die Klinik für minimalinvasive Chirurgie MIC in Berlin verwendet die WLAN-Ortung, zusammen mit der Softwarelösung Orchestrion von Carl Storz, für die optimale Ablaufsteuerung im OP. Jeder Patient erhält zwölf Stunden vor der Operation ein TAG, der ständig seine Position ortet. Bei unvorhergesehenen Verzögerungen merkt die Software sofort, dass ein Patient noch auf Station ist oder die Operation länger dauert. "Der Rechner weiß etwa, dass ein Patient immer noch im OP ist, und wird daher die Aufgaben an die Schwester, die mit dem nächsten Patient beschäftigt ist, verzögern – oder eben beschleunigen”, erklärt Omid Abri, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer der Klinik.

Fehlende WLAN als Hindernis
Auch die im Oktober 2011 neu eröffnete Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Itzehoe in Schleswig Holstein ist dabei, ihr Pflegepersonal mit WLAN-TAGs auszustatten. "Wir sind derzeit dabei, die Router zu installieren, um die genaue Ortung der TAGs zu gewährleisten”, so Thorsten Schütz, IT-Leiter am Klinikum Itzehoe. Denn die WLAN-Router, mit denen die Transponder kommunizieren, müssen in ausreichender Anzahl vorhanden sein. "Bei Ortungen auf zwei Meter genau reicht es aus, mit den normalen Routern zu arbeiten, die für die WLAN-Telefonie und Multimediainstallationen im Krankenhaus üblich sind. Hier kann man mit einem Router pro 200 bis 250 Quadratmeter rechnen”, erklärt Lenz.

Allerdings hat die WLAN-Ortung auch Nachteile. Laut Riedel sind deutsche Kliniken nur zu 30 Prozent mit WLAN ausgestattet. "Das liegt zum einen daran, dass die Klinken die Investition scheuen. Zum anderen gibt es in vielen deutschen Häusern bauliche Probleme, denn sie sind sehr alt, weshalb die Wände oft nicht für WLAN geeignet sind. Auch die vielen Stahlträger und die Betonbauweise moderner Gebäude sind oft absolut ungeeignet, weshalb man dann im Extremfall sehr viele Router positionieren muss”, gibt Riedel zu bedenken. Im Klinikum Itzehoe etwa sind das ganze 600. Wenn Personen damit ausgestattet sind, gilt es außerdem, die Vorbehalte von Mitarbeitern und Patienten auszuräumen, denn nicht jeder wird gerne ständig überwacht. Deshalb setzten Kliniken auch auf passive Ortungssysteme, die nicht mit der Funkortung arbeiten. Die passive RFID-Ortung arbeitet mit deutlich kleineren und wenige Cents teuren TAGs, die mit statischen Lesegeräten geortet werden. Die auf dem TAG gespeicherte Information kann also nur dort registriert werden, wo ein Lesegerät ist. Die Ortung über große Entfernungen ist damit nicht möglich, weshalb sich passive RFID-Systeme laut Riedel nicht für den flächendeckenden Einsatz eignen. Das Klinikum Itzehoe nutzt ein passives RFID-System, um die Zahl ihrer Wäsche- und Kleidungsstücke zu reduzieren. Die TAGs sind in jedem Wäschestück eingenäht, und das Lesegerät ist direkt vor dem Wäscheautomat angebracht. "Er erkennt anhand der RFID-TAGs, ob die ausgegebenen Wäschestücke auch alle wieder abgegeben werden. Dadurch kommt die Klinik insgesamt mit weniger Wäsche aus”, so Schütz.

Entscheidend für den Einsatz von W-Lan-Ortung im Krankenhaus ist die Frage, ob es schon mit WLAN arbeitet. Ist dem so, kostet die Ortung per WLAN etwa 100 Euro pro Person und Gerät. Passive RFID-Systeme zeichnen sich zwar durch billige TAGs aus, allerdings kostet ein einzelnes Lesegerät etwa 500 Euro. "An WLAN kommen Sie nicht vorbei, denn das ist die Technologie der Zukunft – nicht nur für Sprache und für die Datenübertragung, sondern auch für die Ortung und Alarmierung. Aber auch für passives RFID gibt es Nischen im Krankenhaus, denn oft ist es gerade bei der Materialwirtschaft preisgünstiger”, rät Riedel. Letztendlich entscheidet also vor allem das Einsatzgebiet darüber, welches System eine Klinik verwenden sollte.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen