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DänemarkDas Land, wo die Health-IT blüht

Während die elektronische Gesundheitsakte in Deutschland noch immer ein Thema von Visionären scheint, ist sie in Dänemark zum zentralen Dreh- und Angelpunkt im Krankenhaus herangereift: Die sogenannte EHR vereint den gesamten IT-Support für Klinik- und Verwaltungspersonal in derselben modularen Lösung.

Die IT hat bereits in den 70er Jahren mit dem ersten Patienten-Verwaltungs-System ins dänische Gesundheitswesen Einzug gehalten. Im Verlauf der 90er Jahre erschienen erstmals Systeme wie die elektronische Gesundheitsakte (EHR) und die elektronische Patientenakte (EMR) auf der Bildfläche. Dies stellte einen Paradigmenwechsel für Krankenhäuser dar, da bis zu diesem Zeitpunkt das Patienten-Verwaltungs-System das vorrangig genutzte IT-System gewesen war.

Elektronische Gesundheitsakten (EHR) wurden in dänischen Krankenhäusern als klinische Lösungen eingeführt, die speziell für die Nutzung durch Ärzte gestaltet und entwickelt wurden. Die wurde als klinische Lösung von Anfang an von jedem Arzt und jeder Krankenschwester in jeder Abteilung des Krankenhauses genutzt. Allerdings stellte sich die Frage der Integration. Bei den ersten Implementierungen von EHR war es gewöhnlich notwendig, Daten neu in die EHR einzugeben. bis gegen Ende der 90er Jahre das Konzept der Integrations-Plattformen auf dem dänischen Markt erschien.

Die EHR umfasst selbst die Krankenhauslogistik
Das Konzept der EHR-Integrations-Plattform fußt auf der Vorstellung, eine Basis-Plattform zu besitzen, die alle notwendigen Daten versammelt: also denjenigen aus Laborsystemen, aus Radiologiesystemen, aus Pathologiesystemen und – selbstverständlich – aus dem Patienten-Verwaltungs-System. Außerdem ging das Konzept der EHR-Integrations-Plattform mit einem modularen Zugang einher, in dem alle für die Ärzte wichtigen Funktionen in unterschiedlichen Modulen organisiert waren. Zu diesen Modulen zählten anfangs beispielsweise ein Modul für klinische Vermerke, ein Modul für die elektronischen Verordnungen der Ärzte (CPOE, sprich, Computerized Physician Order Entry), ein Planungsmodul und ein Medikationsmodul. Später kam auch ein Patienten-Verwaltungs-Modul hinzu. Damit wurde die EHR-Plattform tatsächlich zur wichtigsten Lösung für die Krankenhäuser, da sie seither den gesamten IT-Support sowohl für Klinik- als auch für Verwaltungspersonal in derselben modularen Lösung vereint.

Heute liefert die erfolgreichste EHR-Integrations-Plattform auf dem dänischen Markt – etwa die Columna-Lösung des dänischen Unternehmens Systematic – klinischen und administrativen IT-Support für das gesamte Klinikpersonal. Die Columna-Lösung schließt die oben genannten Module mit ein, aber ebenso auch Module zur Unterstützung der Telemedizin, der Krankenhauslogistik und der mobilen Gesundheit.

Dieser Paradigmenwechsel führte dazu, dass schon im Verlauf der 1990er Jahre viele Krankenhäuser in Dänemark und in einigen anderen skandinavischen Ländern auf Papier verzichten konnten. Die Flexibilität der modularen Integrations-Plattform förderte außerdem die allgemeine Akzeptanz von IT-Lösungen in dänischen Krankenhäusern. Nicht zuletzt verhalf sie der nationalen EHR zum Durchbruch. Alle Bürger und das gesamte Klinikpersonal in Dänemark haben einen sicheren Zugang zur nationalen EHR über das elektronische Gesundheits-Portal sundhed.dk.

Auch die Medikamentengabe ist digitalisiert
Für den Stationsalltag bedeutet dies: Es wird keine Zeit mehr mit der Suche nach Papieren verschwendet, weil die Akte an jedem Ort verfügbar ist und von mehreren Mitarbeitern gleichzeitig genutzt werden kann. Hoch integrierte IT-Lösungen erhöhen darüber hinaus die Effizienz und die Patientensicherheit – allein schon deshalb, weil viele Informationen nicht bei jeder Anordnung oder Ausführung neu eingegeben und von Person zu Person weitergegeben werden müssen. Ein Beispiel: die sogenannten Closed-loop-Medikationslösungen, die den gesamten Prozess der Medikation automatisieren. Die einzige manuelle Eintragung ist die Verschreibung mit Angaben zur Dosierung und Einnnahmezeit. Danach findet das System selbstständig die Medizin und verpackt sie. Und wenn die Krankenschwester dem Patienten das Medikament verabreicht, wird sie eine mobile Gesundheits-Einheit nutzen, um den Barcode zu lesen und zu überprüfen, ob es sich um das richtige Medikament für den richtigen Patienten zur rechten Zeit handelt.

Medikationsmodule in modernen EHR-Lösungen unterstützen auch Krankenschwestern bei der Mischung von Medikamenten, etwa wenn Flüssigkeiten für den Inhalt einer Infusion patientengerecht zu berechnen sind. Nicht zuletzt gewährleisten integrierte Lösungen eine automatische Kontrolle des Zugangs von Ärzten und Krankenschwestern zu Medizinräumen.

Die Medikationsmodule warnen auch vor Wechselwirkungen und Allergien. Der Check findet bei jedem neuen Medikament statt – unabhängig davon, ob der Klinikarzt, ein Hausarzt oder ein Spezialist die Arznei verordnet. Dies alles ist möglich, weil das EHR-Medikationsmodul Informationen über die gesamte patientenbezogene Medikation enthält, und die EHR außerdem regelmäßig durch nationale medizinische Informationen aus der nationalen Medizindatenbank aktualisiert wird.

Standardisierte und effiziente Dokumentation
Dänische Ärzte und Krankenschwestern erzeugen und aktualisieren klinische Vermerke selbst, hin und wieder werden sie dabei von Sekretärinnen unterstützt. Zur Zeiteinsparung und zur Steigerung der Effizienz arbeiten zahlreiche EHR-Lösungen mit Spracherkennung, um dem Klinikpersonal die Dokumentation zu erleichtern. Mit der Krankenhaus-EHR haben sich auch standardisierte klinische Vermerke entwickelt, zumal die Struktur des Dokuments bei modernen EHR Ärzte dazu motiviert, eine spezifische Ordnung in ihren Vermerken einzuhalten. Vor der Implementierung der EHR enthielten klinische Vermerke gewöhnlich mehr Text, auch waren die Informationen sehr viel schwieriger aufzufinden; darüber hinaus tauchten Informationen manchmal doppelt auf.

Die elektronische Verordnung (CPOE) gab es bereits vor der Einführung von EHR: Sie waren früher in das Patienten-Verwaltungssystem (PAS) eingegliedert. Heutige CPOE-Module der EHR-Lösungen sind sehr viel stärker automatisiert und voll integriert. Die Anordnung einer radiologischen, aber auch einer anderen Untersuchung kann durch eine spezifische Diagnose oder einen entsprechenden Behandlungsplan ausgelöst werden. Dies gilt in ganz ähnlicher Weise auch für Anordnung von Untersuchungen im Labor oder in der Pathologie. Für Klinikpersonal ist es ebenso möglich, Untersuchungen im Labor oder in der Pathologie als „angepasste” (oder „gepackte”) Anordnung auszuweisen, die, basierend auf einer spezifischen Diagnose, eine Reihe von Untersuchungen anstößt.

Bei wichtigen und dringenden Untersuchungen kann der Arzt entscheiden, ob er über ein mobiles Gerät über den Stand der Untersuchungen durch Statusmeldungen und Warnhinweise informiert werden möchte. Ebenso kann er Informationen über Untersuchungen und Therapien, die bei externen Spezialisten oder Organisationen stattfinden, über das nationale (MedCom) Gesundheitsdaten-Netzwerk anfordern. Alle dänischen Radiologieabteilungen haben PACS-Systeme implementiert; einige Abteilungen nutzen darüber hinaus moderne Streaming-Lösungen, die ihnen einen Zugriff auf Bilder und Rekonstruktionen von mobilen Terminals und tragbaren Geräten ermöglichen. Die mobile Technologie erlaubt es den Spezialisten, ihre Kollegen in der Diagnostik zu unterstützen und anzuleiten, selbst wenn sich der Spezialist an einem anderen Ort im Krankenhaus – oder sogar zu Hause – aufhält.

Laborergebnisse in 30 Minuten verfügbar
Die meisten Labore in Dänemark sind mit fortschrittlichen Labor-Informations-Management-Systemen (LIM) ausgestattet, die in CPOE beziehungsweise EHR sowie in automatisierten Analysegeräten für Proben integriert sind. Die fortschrittlichsten Labore nutzen voll automatisierte Testmethoden, vergleichbar der Closed-Loop-Medikation: Es handelt sich um eine Automatisierung, bei der der Labortest bis menschlichen Eingriffen unbeeinflusst bleibt – und zwar die gesamte Zeit: von der Entnahme der Probe bis zum Auftauchen des Ergebnisses im EHR. Der Vorteil der Labor-Automatisierung besteht darin, dass die Ergebnisse eines Labortests am Point-of-Care innerhalb von 30 Minuten verfügbar sind, während bei früheren Verfahren von der Entnahme einer Probe bis zur Verfügbarkeit der Ergebnisse vier bis fünf Stunden verstreichen konnten. Das hat enorme Vorteile: Das Klinikpersonal kann schneller reagieren und die notwendigen Schritte in der Behandlung früher einleiten.

Auch die CPOE für pathologische Untersuchungen wird unterstützt; zusätzlich können mithilfe der Tele-Pathologie Pathologie-Abteilungen unmittelbar einen Spezialisten zurate ziehen, um eine Probe zu analysieren, unabhängig davon, wo sich der Spezialist befindet.

Arbeitsatmosphäre ist ruhiger geworden
Im dänischen Krankenhausbetrieb hat sich die Effizienz in den vergagenen zehn Jahren um zwölf Prozent erhöht. Dies ist vor allem auf das Konzept der Krankenhauslogistik zurückzuführen. Es handelt sich um eine Just-in-Time-Koordination mit dem Ziel, die Wartezeiten auf Spezialisten, Ressourcen und Gerät zu verringern. Möglich ist dies durch eine Standortverfolgung von Patienten, Klinikpersonal und Geräte aller Art, dargestellt auf großen Bildschirmen und mobilen medizinischen Geräten. Sie sorgt dafür, dass alle Mitarbeiter im Krankenhaus auf dem Laufenden sind und sich bei Änderungen in Ablauf und Aufgaben besser koordinieren können.

Durch diese neue Art der Krankenhauslogistik entsteht für Ärzte in Dänemark eine sehr viel ruhigere Arbeitsatmosphäre: Alltägliche, frustrierende Widrigkeiten sind weniger geworden. da Änderungen im Ablauf jetzt mit sehr viel weniger Telefonaten und Unterbrechungen einhergehen.

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