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TelekomDax-Konzern stürmt Health-IT

Die Deutsche Telekom versucht, an vielen Stellen im Gesundheitsmarkt Fuß zu fassen. Vor anderthalb Jahren hat der Bonner Konzern ein Krankenhausinformationssystem erworben. Weitere größere Zukäufe sind gut möglich.

Die Telekom gehört mit rund 151 Millionen Mobilfunk-Kunden, 30 Millionen Festnetz- und mehr als 17 Millionen Breitbandanschlüssen zu den führenden Telekommunikationsunternehmen weltweit. Doch das Geschäft mit dem Festnetz stirbt, und der Mobilfunkmarkt ist hart umkämpft – deshalb positioniert sich der Konzern seit fünf Jahren neu. Die Bereiche Energie, vernetzte Fahrzeuge und Gesundheit sollen in Zukunft für Wachstum sorgen. 2010 erklärte der damalige Telekom-Chef René Obermann, er rechne bis 2015 mit einem Umsatz von einer Milliarde Euro in den Bereichen. Vor allem in den Boom-Markt Gesundheit setzt der Bonner Konzern große Hoffnungen, schließlich ist die Gesundheitswirtschaft mit mehr als elf Prozent am Bruttoinlandsprodukt die Wachstumsbranche in Deutschland – ihre Bruttowertschöpfung liegt bei 300 Milliarden Euro, eine Studie von Roland Berger sagt bis 2030 einen Anstieg auf 400 Milliarden voraus.

Die Telekom positioniert sich derzeit an vielen Stellen im Gesundheitsmarkt, das Schlagwort lautet „Plattformanbieter”. Ein wichtiges Puzzlestück ist dabei das neu erworbene Krankenhausinformationssystem (KIS). Der Bonner Konzern hat vor anderthalb Jahren vom Unternehmen Bright One (ehemals Tieto) das KIS I-Med-One gekauft und ist damit ins Geschäft mit der medizinischen Software eingestiegen. Es ist in über 200 Kliniken installiert. Das sind im Vergleich zu den mehreren hundert Installationen der Marktführer Agfa und Cerner wenig. „Doch durch den Kauf haben wir unseren Footprint deutlich erweitert”, sagt Arndt Lorenz, Vertriebschef der Telekom Healthcare Solutions. Im KIS-Markt will das Bonner Unternehmen vor allem mit mobilen Anwendungen punkten. „Bei jedem Krankenhauskunden steht Mobility ganz oben auf der Agenda”, erläutert Lorenz, und davon profitiert die Telekom doppelt: i-Pads für Ärzte und Pfleger erfordern Vernetzung und WLAN-Struktur – und entsprechende KIS-Applikationen. Als führender SAP-Partner und Rechenzentrumbetreiber ist die Telekom bereits seit vielen Jahren im Krankenhausmarkt unterwegs. Im KIS-Markt hat das Unternehmen in den vergangenen anderthalb Jahren laut eigenen Angaben etwa zehn Prozent an Kunden hinzugewonnen. Größter Telekom-Kunde sind die sieben Knappschaftshäuser, die allein über 400 mobile Geräte einsetzen. Gemeinsam mit dem Haus in Bottrop entwickelte das damals noch zu Tieto gehörende Team die Mobile-App. Sie ermöglicht den Zugriff auf das KIS über das WLAN ebenso wie das Dokumentieren von Vitaldaten, Terminen und Aufträgen am Krankenbett.

Kein Geschäft mit den Schnittstellen
Im Gegensatz zu anderen KIS-Herstellern will die Telekom eine offene Kommunikationsplattform anbieten. „Wir liefern nicht für jede Fachabteilung ein System. Das können Spezialanbieter besser. Wir wollen auch nicht an Schnittstellen verdienen, sondern das Einbinden von Subsystemen so leicht wie möglich machen”, erklärt Lorenz. Terminverwaltung, Connectivity, Verschlüsselung und Cloud-Angebote sind für den Vertriebsleiter die Schlüsselworte. „Unser Ziel ist es auch, in absehbarer Zeit ein KIS aus der Cloud anzubieten”, verrät er. Schon jetzt lagern Kliniken Services in externe Rechenzentren aus, die Telekom ist dabei einer von mehreren Anbietern. Wann der Markt für das KIS aus der Cloud bereit ist, kann Lorenz nicht sagen. „Das wird dauern, denn derzeit befinden wir uns rechtlich in der Grauzone.” Doch er ist der Meinung, dass sich die „Blockadehaltung” der Landesdatenschützer aufweicht – einerseits durch die Einsicht, dass bezahlbare Gesundheitsversorgung vernetzte Patientendaten braucht, als auch durch die zunehmende Akzeptanz von Cloud-basierten Technologien.

Die Telekom will von mehreren Seiten in den Markt kommen
Die Krankenhäuser sind aber nur eine Komponente in der Geschäftsstrategie der Telekom. „Wir gehen von verschiedenen Seiten ins Gesundheitswesen rein”, erklärt Lorenz. Die Plattform der Telekom sei wie eine „Steckerleiste”, an die sich verschiedene Player andocken können. Ein Standbein ist die Abrechnung von Selektiv-Verträgen im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung. Für die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) übernimmt Telekom-Software den gesamten Abrechnungsprozess für Hausarztverträge – das jährliche Honorarvolumen beträgt eine Milliarde Euro. Dazu zählen auch die Verträge mit der AOK Baden-Württemberg, dem größten Deal dieser Art in Deutschland. Darüber hinaus hat die Telekom den wachsenden Teil des ambulanten Sektors im Blick, den sich Kliniken und niedergelassene Ärzte in Zukunft teilen werden – Stichwort „ambulante spezialärztliche Versorgung”. Derzeit führen die Lobbyisten von Kliniken, niedergelassenen Ärzten und Kassen noch Grabenkämpfe um den Rahmen und die Finanzierung eines gemeinsamen ambulanten Sektors – aber eine Fallpauschale wird es in absehbarer Zeit geben.

Im kommenden Jahr will das Unternehmen außerdem den „intelligenten Hausnotruf” auf den Markt bringen. Dabei überwacht ein Software-gesteuertes System die Wohnung von Senioren oder gebrechlichen Menschen. Etwaige Sturzereignisse erkennt das System über eine kamerabasierte Sensorik und sendet im Alarmfall einen Notruf an lokale Rettungsdienste. Die Überwachungskamera übertrage nur verpixelte Bilder, versichert Lorenz. Der Vertriebschef unterstreicht die Verschlüsselungs- und Datenschutzkompetenz der Telekom. Vor rund zwei Jahren hat die Telekom außerdem mit „Entertain for Hospitals” ein Angebot für stationäre Patienten entwickelt. Videos streamen, zeitversetztes Fernsehen, Patientenaufklärung, Essensauswahl, Terminverwaltung und seit Kurzem Download von Hörbüchern sind damit möglich. Weniger als zehn Installationen hat die Telekom bisher, Lorenz sieht hier „großes Wachstumspotenzial”.

Wachstum durch Zukäufe nicht ausgeschlossen
Der Gigant aus Bonn hat mit seinem bereits jetzt beachtlichen Portfolio im Gesundheitsmarkt einiges vor. „Wir haben eine Reihe von Lösungen entwickelt, mit denen wir organisch wachsen wollen”, resümiert Lorenz. Möglich sei aber auch, dass die Telekom durch weitere Zukäufe wächst.

Ein Konzernbereich voller Erwartungen

Mit der Unternehmenssparte Healthcare Solutions will die Telekom im Gesundheitswesen als „Plattformanbieter” auftreten. Die Unternehmenssparte beschäftigt weltweit rund 700 Mitarbeiter und vertreibt Software für Kliniken, niedergelassene Ärzte sowie Krankenkassen. Besonders bei den Themen Mobility und Telemonitoring positioniert sich der Konzern als Pionier. Ende 2013 hat die Telekom ein Krankenhausinformationssystem mit etwa 200 Installationen in Akutkliniken erworben. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch Patienten-Entertainmentsysteme und Ambient-Assisted-Living-Produkte an und will führende Kraft beim Aufbau der Telematikinfrastruktur sein. Organisatorisch gehört der Bereich Healthcare Solutions zu T-Systems, einer hundertprozentigen Tochter der Telekom. Die eine Hälfte seines Geschäfts macht die Healthcare-Division in Deutschland, die andere überwiegend in Österreich, der Schweiz, Spanien und Ungarn.

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