Mit der Gematik verbindet man zuerst die verschleppte Einführung der Elektronischen Gesundheitskarte und das Scharmützel zwischen Kassen und niedergelassenen Ärzten. Welche Rolle spielen für Sie derzeit die Krankenhäuser?
Seit Mitte 2014 ist klar, dass die Telematikinfrastruktur (TI) Ende 2015 kommt, und seitdem hat die Anzahl der Gespräche mit Kliniken deutlich zugenommen. Die Gematik hat bereits ein Projekt mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft, um die Krankenhäuser mit den niedergelassenen Ärzten über eine Fallakte zu vernetzen. Nun ist auch der Bundesverband deutscher Privatkliniken (BDPK) an uns herangetreten, um mit uns zu diskutieren, wie sich die TI von Kliniken nutzen lässt. Außerdem sind mehrere Versorgungsnetze bereits mit uns im Austausch. Auch Projekte, die aus dem neuen Innovationsfonds finanziert werden, könnten zukünftig die TI nutzen. Wir würden uns natürlich freuen, wenn weitere Klinikverbände mit uns ins Gespräch kämen, denn jedes Krankenhaus kann ab Mitte 2016 die TI nutzen.
Kliniken verbinden mit dem Begriff Interoperabilität eher die Assoziation einer Gelddruckmaschine für die Industrie, die sich Schnittstellen nämlich häufig mit fünfstelligen Beträgen bezahlen lässt. Was wollen und können Sie daran in naher Zukunft ändern?
Wir stellen allen Akteuren mit der TI eine kostenneutrale Infrastruktur bereit. Es erscheint mir zudem sinnvoll, IT-Anwendungen nur dann eine Zulassung zu geben, wenn sie für den sektorenübergreifenden Austausch geeignete Schnittstellen bedienen. Der Gesetzgeber könnte dazu festlegen, dass die Selbstverwaltung sich auf bestimmte Standards einigen soll. Wenn das nicht passiert, muss eine wettbewerbsneutrale Stelle die Standards festgelegen.
Die Integration offener Schnittstellen in IT-Systeme ist im Gesetzentwurf nicht als Rechtspflicht enthalten, sondern lediglich als Appell formuliert …
Nach Gesprächen mit dem Bundesgesundheitsministerium habe ich den Eindruck, diese Formulierung ist nur als erster Schritt gedacht. Die Initiative liegt nun bei der Selbstverwaltung.
Es ist der Wille des Gesetzgebers, dass die Gematik ein Interoperabilitätsverzeichnis aufbauen soll. Was wird von Ihnen erwartet?
Die Gematik achtet schon bisher darauf, dass Hardware und Software der TI herstellerübergreifend funktionieren. Laut Gesetzesvorschlag soll die Gematik nun ein Verzeichnis von technischen und semantischen Standards, Profilen und Leitfäden für IT im Gesundheitswesen erstellen. Hersteller und Anwender können dann einsehen, welche Standards empfohlen werden. Das Register ist rein deskriptiv. Basierend auf diesen Standards müssten die Verantwortlichen dann die Schnittstellen der Systeme interoperabel gestalten. Doch vieles hängt von der noch auszuarbeitenden Verfahrensordnung ab.
Das Verzeichnis soll offenbar kostenpflichtig und nicht verpflichtend sein. Wer soll sich da eintragen, wenn unklar ist, wozu das führt. Ist das Unterfangen unter diesen Voraussetzungen nicht eine Totgeburt?
Mit dem geplanten Interoperabilitätsverzeichnis bieten wir den Akteuren eine Informationsplattform, die eine wichtige Rolle als Entscheidungsgrundlage spielen wird. Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Gematik Gebühren erheben „kann”, aber nicht muss. Auch dies muss jedoch in der zu erstellenden Geschäfts- und Verfahrensordnung erst noch konkretisiert werden.
Was könnte das Gesetz und das darin geforderte Verzeichnis mittelfristig bewegen?
Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, die instituts- und sektorenübergreifende Patientenversorgung zu ermöglichen. Das wichtige Thema Interoperabilität war bisher nicht so präsent, bekommt aber durch den Gesetzentwurf deutlich mehr Relevanz. In den Entwurf sind viele Ergebnisse aus der Interoperabilitätsstudie des Bundesgesundheitsministeriums eingeflossen, die konkrete Maßnahmen vorschlägt – darunter auch dieses Verzeichnis.
Netze wie KV-Safenet haben erstmal Bestandsschutz, machen im Grunde dasselbe wie die Telematikinfrastruktur. Welche Rolle nehmen sie mittelfristig ein?
Was das KV-Safenet betrifft, gibt es ein heterogenes Bild. Einige KVen haben es flächendeckend im Einsatz, andere wie die KV-Bayern ziehen mithilfe von Prämien gerade viele Ärzte ins Safenet. In einigen KVen ist das KV-Safenet dagegen weniger verbreitet, wie beispielsweise in Schleswig-Holstein, wo KV-Safemail mehr genutzt wird. Daneben gib es andere Bestandsnetze, etwa den Verbund der KZV-Westfalen-Lippe mit 2.000 angeschlossenen Zahnärzten oder das Netz des Hausärzteverbands Baden-Württemberg mit 17.000 Mitgliedern. Ob diese Bestandsnetze vollkommen in die TI migrieren, bleibt bis auf Weiteres die Entscheidung der Bestandsnetzbetreiber. Wichtig ist zu wissen, dass der Anschluss an die TI für die Leistungserbringer kostenneutral ist.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie am vorgelegten Entwurf des E-Health-Gesetzes ändern?
Es ist wichtig, dass das Netz so schnell wie möglich für alle relevanten Akteure – zum Beispiel für die Pflegeberufe – geöffnet wird. Dies könnte im Gesetz bereits klarer geregelt sein. Auch fehlt derzeit ein konkreter Termin für eine Regelung zur Finanzierung für den bundesweiten Rollout. Es ist jedoch elementar wichtig, dass so früh wie möglich die Eckpfeiler bekannt sind, um Investitionssicherheit insbesondere auch für die Leistungserbringer zu erhalten, die kostenneutral angebunden werden sollen.


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