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Operationsräume mit TAVDie Instrumente sauber halten

Die Wirksamkeit von TAV-Systemen für die Infektionsprophylaxe bei Operationen ist in Fachkreisen umstritten. Eine neue Studie weist nun einen Einfluss der Turbulenzarmen Verdrängungsströmung nicht nur auf die Reinheit der Luft, sondern vor allem auf die Keimfreiheit der Instrumente nach.

Die Diskussion über die Wirkung der „Turbulenzarmen Verdrängungsströmung” (TAV) in Operationsräumen zur Verhinderung von Infektionen bei Operationen verunsichert nicht nur Bauherren, sondern auch mit der Planung befasste Ingenieure. Selbst Kritische Krankenhaushygieniker, die in der Regel die Entscheidung über die Art der Lüftung in OPs fällen müssen, sind irritiert. Entstanden ist diese Situation vor allem durch die sogenannte „Brandtstudie” aus dem Jahr 2011 und andere empirische Arbeiten zum Pro und Kontra von Ia- und Ib-OPs, zum Beispiel aus Neuseeland. Diese Veröffentlichungen haben nun letztendlich dazu geführt, dass die Kosten für TAV-Anlagen zum Teil nicht mehr gefördert werden.

Veraltete Systeme untersucht
Jede Studie mit wissenschaftlichem Anspruch muss sicherstellen, dass das Material und die Methode reproduzierbar sind und dass die Aussagen so verifiziert werden können. Bei der „Brandtstudie” ist das aus verschiedenen Gründen nicht möglich: Die darin ausgewerteten Operationsstatistiken stammen aus den Jahren 2004 bis 2009, die untersuchten LAF-Decken aus der Zeit von 1990 bis 2004. Keine der Operationen, die in die Statistik eingeflossen sind, wurde demnach unter einer TAV durchgeführt, die der aktuellen Norm entspricht. Auch die Größe der Deckenfelder, die sowohl nach RKI (Robert Koch Institut) als auch durch die DIN 1946 Teil 4 mit 3,20 Meter x 3,20 Meter definiert ist, blieb zum Teil unberücksichtigt. Faktoren, die die Wirkung einer TAV zusätzlich beeinträchtigen können, wie zum Beispiel große, thermisch ungünstige OP-Lampen, unvollständige Bekleidung des Personals (freier Nacken der Operateure) sowie Arme von Deckenversorgungseinheiten im LAF-Feld wurden nicht dokumentiert. Das Patientengut wurde ebenfalls nicht in die Untersuchung mit einbezogen. Im Alter wird das Immunsystem meist schwächer. Eine Ursache dafür ist das allmähliche Schwinden der Stammzellen, aus denen der Körper immer neue Immunzellen bilden kann. Forscher der Universität Ulm haben jetzt gemeinsam mit Kollegen vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig den dafür verantwortlichen Mechanismus identifiziert. Sebastian Ruhs hat in seiner Dissertation herausgefunden, dass durch den Einsatz von Herz-Lungen-Maschinen die Infektionsgefahr für kardiologische Patienten besonders hoch ist. Diese Faktoren treffen in besonderer Weise auf die zahlreichen älteren und multimorbiden Patienten zu, die operiert werden. All diese Schwachstellen machen die Aussagen der „Brandtstudie” unglaubwürdig. Seit Dezember 2008 gibt es die neue DIN 1946 Teil 4, die die Anforderungen und Prüfungen an Lüftungsanlagen im OP regelt. Bei Messungen von Anlagen, die vorher entstanden sind, wird regelmäßig festgestellt, dass diese die Anforderungen der neuen Norm nicht erfüllen. Allein schon diese Erkenntnis macht die Ergebnisse der Brandtstudie unbrauchbar.

Besteck auf dem Prüftisch

Brandtstudie 2011

Diese Studie wurde auf der Basis der Infektionsdaten der Jahre 2004 bis 2009 des Kiss-Systems (Krankenhaus-Infektion-Surveillance-System) durchgeführt. Verwendet wurden Informationen über postoperative Infektionen von Endoprothetischen Operationen. Die Ergebnisse wurden nach verschiedenen Lüftungssystemen ausgewertet.

Will man die Ursachen von postoperativen Infektionen näher untersuchen, muss man die Wege, auf denen Keime in die Operationswunde gelangen können, näher untersuchen. Wenn man Läsionen von OP-Handschuhen außer Acht lässt, so bleiben als mögliche Wege für die Keime in die Operationswunde nur die Luft und die chirurgischen Instrumente. Die neue Technologie der Turbulenzarmen Verdrägungsströmung führt mit großer Sicherheit zu einer partikelfreien und damit keimfreien Luft im Bereich des Operationsfeldes. Im Rahmen der Schutzgradmessung, und nur durch diese Art der Prüfung, kann das nachvollziehbar geprüft werden. Eine weitere Möglichkeit ist das Mikrobiologische Monitoring mittels Sedimentationsplatten wie in der DIN 1946 T 4 12-2008 beschrieben. Da mit diesen beiden Methoden die Luft im Operationsfeld sehr gut analysiert und kontrolliert werden kann, war es naheliegend als weiteren Infektionsweg, die Kontamination auf den Instrumenten zu untersuchen, da diese unmittelbar in die Operationswunde eingeführt werden. Chirurgische Instrumente werden mit einem großen Aufwand aufbereitet, so dass diese mit sehr hoher Sicherheit steril sind, wenn sie in den OP gelangen. Untersuchungen, in welchem Umfang bereits beim „Richten der Instrumente” Kontaminationen erfolgen, liegen nicht vor. Betrachtet man diesen Vorgang in den Krankenhäusern, muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die Instrumente bei Operationsbeginn bereits kontaminiert sind. Um das Problem auf die Anwendung im Operationsraum einzugrenzen, haben die Verfasser der Studie den Einfluss von unterschiedlichen Lüftungssystemen auf die mikrobiologische Instrumentenreinheit untersucht. Ziel war es, den Unterschied zwischen einem Lüftungsdeckenfeld mit Turbulenzarmer Verdrängungsströmung (TAV) in der Größe von 3,2 Meter x 3,2 Meter und einem turbulent mischbelüfteten OP-Raum festzustellen.

Klare Ergebnisse
Die Untersuchungen wurden in Operationsräumen von mehreren Krankenhäusern während laufender endoprothetischer Operationen durchgeführt. Die Operationsräume mit TAV-Feld wurden mittels Schutzgradmessung nach den Prüfkriterien für die Raumklasse Ia nach DIN 1946-4: 2008 und die mischbelüfteten OPs nach denen der Raumklasse Ib erfolgreich qualifiziert. Für die Messungen der Luftkeimzahlen wurde ein Luftkeimsammler mit der Impaktionsmethode verwendet. Mit zwei Sedimentationsplatten nach Anhang F, DIN 1946-T4: 2008 ist die Keimsedimentation ermittelt worden. Die Bestimmung der Keimbelastung der Instrumente (Crile Klemmen) erfolgte mittels Bioburdenbestimmung nach DIN EN ISO 11737-1: 09-2009 (8). Bei der Versuchsanordnung im Ia-OP wurde der Instrumententisch mit der beschriebenen Ausstattung gemäß Hinweis der RKI-Empfehlung unterhalb der TAV positioniert. Ein weiterer Standort war außerhalb der TAV, um auch hier die Auswirkungen untersuchen zu können. Im Ib-OP wurde der Tisch dort positioniert, wo die Instrumententische in der Regel stehen. Als Versuchsdauer wurde die Schnitt-Naht-Zeit mit circa 70 Minuten vorgesehen. Die genaue Versuchsdauer wurde dokumentiert und die Ergebnisse auf 60 Minuten nivelliert. Bei jedem Lüftungssystem in jedem Operationsraum wurden je zehn Messungen durchgeführt. Auf diese Weise entstanden 30 Luftkeimzahlkonzentrationsmessungen, 60 Sedimentationsplatten und 150 Crile-Klemmen, die anschließend ausgewertet wurden.

Als Ergebnis kann man festhalten, dass nicht nur die Luftkeimzahl innerhalb des Schutzbereiches eines Ia-OPs deutlich geringer ist, sondern auch die Keimzahl auf den Instrumenten. Auf den Crile-Klemmen wurden unter der TAV im Durchschnitt nur 0,7 KBE/h und maximal 7,4 KBE/h aufgefunden. 69 Prozent der Klemmen waren nicht kontaminiert. Im Ib-OP liegen diese Werte im Durchschnitt bei 3,9 KBE/h und maximal bei 44,3 KBE/h. Hier waren nur 34 Prozent der Klemmen nicht kontaminiert. Bei den Luftkeimzahlkonzentrationsmessungen ergeben sich noch deutlichere Abweichungen. Hier liegt der Mittelwert im Ia-OP bei 0,4 KBE/h und im Maximum bei 2 KBE/h und im Ib-OP bei 63,5 KBE/h als Mittelwert und im Maximum 147 KBE/h.

Lidwell et al (1982)
Lidwell hat zwischen 1974 und 1979 in 19 Krankenhäusern in UK und Schweden postoperative Infektionen bei Endoprothetischen Operationen untersucht. Er hat in seine Untersuchungen sowohl Operationen in OPs mit „ultraclean air-sytem” als auch in OPs mit turbulenter Lüftung einbezogen. Weiterhin wurde eine Patientengruppe mit und eine Kontrollgruppe ohne Antibiotika-Prophylaxe operiert.

Eine weitere wichtige Erkenntnis war, dass bei einem Standort des Instrumententisches im Ia-OP außerhalb der TAV eine deutlich höhere Kontamination der Instrumente stattfindet. Die im Versuch gemessenen Werte liegen ungefähr in gleicher Höhe wie im Ib-OP. Dieses Ergebnis lässt sich dadurch erklären, dass der gerichtete Luftstrom der TAV nach dem Strömungsstabilisator nach außen breiter wird. Das könnte mit ein Grund dafür sein, dass in Statistiken auch bei Operationen in Ia-OPs Infektionen festgestellt werden.

Umdenken
Diese Ergebnisse zeigen, dass die Luftkeimzahl innerhalb des Schutzbereichs eines Ia-OPs sehr viel geringer ist als in einem Ib-OP. Die Technologie einer TAV mit hoher Luftwechselrate und gerichteter Strömung, gegebenenfalls als Differenzialflow, im Ia-OP führt die Keime sicher ab. Das wirkt sich selbstverständlich auch auf die Keimzahl auf den Instrumenten aus. Ging man bis jetzt davon aus, dass der Keimeintrag durch luftgetragene Keime in das Operationsgebiet für postoperative Infektionen verantwortlich ist, wird man jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, dass die große Anzahl erheblich kontaminierter Instrumente, die direkt in die Operationswunde eingeführt werden, einen Teil der Wundinfektionen verursacht. Weiterhin muss man berücksichtigen, dass die Ergebnisse auf eine Schnitt-Naht-Zeit von 60 Minuten bezogen sind. Große Operationen erreichen aber Schnitt-Naht-Zeiten von 120 Minuten und mehr.

Hygieniker, die sich auf der Grundlage der genannten zweifelhaften empirischen Untersuchungen der „Brandtstudie” gegen TAVs in Operationsräumen wenden, sollten auf Grund dieser Untersuchung ihre Position überprüfen. Da aus ethischen Gründen Untersuchungen ohne perioperative Antibiotika-Prophylaxe wie bei Lidwell an Patienten nicht durchgeführt werden können, sollten entsprechende Entscheidungen auf Studien aufbauen, die wissenschaftlich nachvollziehbar durchgeführt wurden.

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