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Managed ServicesEin Heer von Helferlein

Qual der Wahl: IT ist keine Kernkompetenz der Kliniken. Was Kliniken wie und wo auslagern, ist keine leichte Entscheidung, vor allem weil die Angebote der IT-Firmen immer spezieller werden.

Lästige IT-Aufgaben kostengünstig loswerden, davon träumen viele Verantwortliche im Krankenhaus. IT-Dienstleistungen an Dritte auszulagern, könnte eine Möglichkeit sein. Ganz ohne Aufwand funktioniert aber auch das nicht, denn es beseitigt weder den Fachkräftemangel, noch ersetzt es fehlende IT-Strategien. Und auch den maßgeschneiderten Einsatz vor Ort verantworten die Anwender selbst.

Der Branchenverband Bitkom erwartete im Mai 2011 für den gesamten IT-Outsourcing-Markt ein Wachstum von 4,3 Prozent auf 19,4 Milliarden Euro. Ein Jahr später mit Blick auf 2016 prognostiziert er ein Marktvolumen von 17 Milliarden Euro. Die Zahlen für den deutschen Krankenhausmarkt, sowieso für den Managed Service-Bereich, sehen naturgemäß etwas anders aus, auch wenn die Heterogenität der Anbieter und Kunden eindeutige Marktanalysen erschweren. Bernhard Calmer, Vorsitzender des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg), wagt dennoch eine Schätzung: "Das Marktvolumen der klassischen Managed Services einschließlich Outsourcing beträgt für den gesamten Klinikmarkt in Deutschland rund 50?Millionen Euro.” In diesem Betrag fehlt jedoch der Rechenzentrumsanteil der privaten Klinikkonzerne, die nach seiner Beobachtung derzeit eine interne IT-Zentralisierung forcieren und Managed Services daher selten nachfragen.

Kosten und Risiken in Schach halten
Überhaupt scheint Managed Services vor allem etwas für Häuser zu sein, deren IT-Abteilungen klein und dementsprechend ausgelastet mit dem Betrieb der eigenen Systeme sind, oder aber für Häuser, die eine genaue Strategie und ein genaues Kalkül verfolgen. "Krankenhäuser wünschen langfristige IT-Ausgabenstabilität.” bringt Michael Thoss, Leiter der Informationstechnik der DRK Kliniken Berlin, die eigene Managed Services-Motivation auf den Punkt; er personifiziert sozusagen das derzeit einzige deutsche Beispiel für ein komplettes Outsourcing der IT-Organisation. Die Kostenkalkulierbarkeit gilt gleichermaßen für den laufenden Betrieb wie für zusätzliche Investitionen.

Horst Martin Dreyer, Director Healthcare EMEA Central Region bei CSC, erklärt: "Managed Services sind per se nicht kostengünstiger als der Eigenbetrieb.” Die Ersparnis setze seiner Meinung nach dann ein, wenn es um Neuinvestitionen geht – zum Beispiel der künftig erforderliche Archivierungsspeicherplatz. Das Gleiche gilt für die Einführung neuer Technologien. Im Mittelpunkt steht deshalb vielmehr die Verminderung von Innovations- und Investitionsrisiken: Nach akutem Bedarf IT-Dienstleistungen extern abrufen, statt auf Vorrat Speicherplatz zu kaufen oder ständig eine auf Volllast ausgelegte System-Verfügbarkeit vorzuhalten. Die Anbieter können neue Technologien en gros für viele Kunden bereitstellen und dabei Skaleneffekte nutzen.

Aber auch im Personalbereich kann das Modell nach einem amerikanischen Rechenbeispiel entlasten: Dort verwalten etwa 100 Mitarbeiter eines Managed Services-Providers rund 800 mittelgroße Krankenhäuser. Bei einer durchschnittlichen IT-Personal­ausstattung je deutsches Krankenhaus von 15 Mitarbeitern werden Effizienzreserven überdeutlich. Damit gilt laut Jürgen Kazmeier, Vice President Enterprise Services International bei Siemens Healthcare, das typische Anti-Outsourcing-Argument des Arbeitsplatzabbaus schon lange nicht mehr: "Managed Services-Angebote verdrängen keine Mitarbeiter. Vielmehr eröffnen sie Krankenhäusern den Zugriff auf zusätzliches IT-Fachpersonal.” Thoss pflichtet bei: "Kliniken sind als IT-Arbeitgeber gegenüber anderen Branchen in puncto Karriereaussichten und Gehaltsniveau nicht konkurrenzfähig.” Überdies fragmentiert sich das IT-Wissen immer mehr. Für Krankenhäuser mit einer überschaubaren IT-Mannschaft rechnet es sich nicht, für jedes neue Spezialgebiet einen Experten einzustellen, den sie dann nicht auslasten könnten und nach dem sie ohnehin vergeblich suchen. Daneben lagern Krankenhäuser gerne Standard-Betriebsprozesse aus. Stattdessen konzentriert sich ihr IT-Personal auf benutzernahe Aufgaben und die IT-Strategie.

Ein wesentliches Auslagerungsargument lautet darüber hinaus "Verlagerung von Haftungsrisiken” – für die Klinikverantwortlichen bis hin zum Arzt. Die komplexen Klinik-IT-Prozesse fordern höchste Verfügbarkeit und verbieten einen Rechnerstillstand. "Heute kann die IT-Verfügbarkeit über die Patientensicherheit entscheiden”, verdeutlicht Martina Götz, Leitung Marketing und Kommunikation DACH bei Agfa HealthCare. Thoss bestätigt, dass sich die Systemverfügbarkeit mit der
Umstellung von 98,7 auf den Höchstwert 99,9 Prozent verbesserte. Diese qualitativen Vorteile – zu denen auch eine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit gehört – lassen sich kaum in Euro und Cent bewerten.

Kliniken lieben kalkulierbare Festpreise
Kalkulationssicher und flexibel – so wünscht sich die Kundschaft das perfekte Geschäftsmodell. Calmer fasst seine Erfahrungen zusammen: "Die Krankenhäuser präferieren risikominimale Preismodelle.” Der Markt kennt drei Grundmodelle: transaktions- oder verbrauchseinheiten-abhängige Abrechnung, Festpreismodelle zum Beispiel mit monatlichen Pauschalen oder sogenannte Risk Sharing-Modelle. Bei letzteren teilen sich Kunde und Anbieter etwaige Einsparungen. Die Provider bieten häufig modulare Service-Baukästen mit entsprechenden Preiskomponenten. Um ihre IT-Kosten bestmöglich zu kontrollieren, kaufe laut bvitg die Mehrheit der Kliniken Managed Services zum Festpreis – vor allem angesichts einer unklaren Fallzahl- und Mitarbeiter-Entwicklung.

Eine historisch gewachsene Hitliste beschreibt den Auslagerungsgrad der verschiedenen IT-Bereiche. "Überall dort, wo es weitreichende Gesetzesvorgaben mit wenig individuellem Spielraum gibt, lagern die Kliniken zu fast 100 Prozent aus”, erläutert Calmer. Diese Faustregel gilt besonders für die tarifvertraglich fremdbestimmte Personalverwaltung und für weitere Enterprise Ressource Planning (ERP)-Bereiche. Im Managed Services-Ranking folgen die Systemtechnik sowie die Finanzbuchhaltung. Verbreitet sei auch das Auslagern von Archivierungsleistungen beispielsweise für PACS-Bilddateien. Bei individuellen Systemen stoßen die Managed Services auf Grenzen. Gleichzeitig beschränkt der Gesetzgeber, welche personenbezogenen Gesundheitsdaten Kliniken außer Haus geben dürfen.

Thoss sieht noch einen anderen preisunabhängigen Aspekt: die Flexibilität. Die Marktkonsolidierung zwinge die Krankenhäuser zu kurzfristigen Veränderungen in ihrer IT-Organisation. Daher sind ihnen laufzeitvariable Dienstleistungs- und Mengenanpassungen nach dem Baukastenprinzip wichtig – idealerweise mit kurzfristigen Kündigungsmöglichkeiten. Ergänzend zum Festpreisansatz können Kliniken bei einigen Anbietern Kontingente für Projekt- oder Schulungstage buchen und nach Bedarf abrufen. Verbrauchsabhängige Modi orientieren sich an der Anzahl der Arbeitsplätze, der Fälle oder Untersuchungen sowie am bewegten Datenvolumen – zum Beispiel archivierte Gigabyte.

Managed Services vorbereiten – eine Hausaufgabenliste
Angebote einholen, Managed Services-Provider beauftragen – und schon ist ein Krankenhaus lästige IT-Aufgaben kostengünstig los. So einfach ist es leider nicht. Denn ein Krankenhaus muss sich vor einer Managed Services-Umstellung über seine Unternehmens- beziehungsweise IT-Strategie im Klaren sein. Welche IT-Bereiche möchte es extern vergeben? Welche intern weiter bedienen? Nur dann kann es die interne Organisation effizient ausrichten und Externe sinnvoll einbinden. Im Idealfall orientiert sich die Klinik dabei an den IT Infrastructure Library (ITIL)-Standards, empfiehlt Götz. Danach erarbeiten Managed Services-Anbieter und -Anwender die Kooperationsgrundlagen mit Service Level Agreements (SLAs) als Fundament. Diese legen beispielsweise die Systemverfügbarkeit fest, regeln Zuständigkeiten oder definieren Service-Zeiten der Telefon-Hotline. Erfolgsentscheidend für ein Managed Services-Projekt ist auch, die Anwender rechtzeitig über Veränderungen zu informieren. Thoss erläutert am Beispiel der Helpdesk-Organisation, wie durchdachte Anwenderprozesse Kosten vermeiden können. "Anwender differenzieren technische Probleme nicht. Sie rufen in jedem Service-Fall die gleiche Telefonnummer an, auch wenn der Dienstleister die falsche Adresse ist. Diese Falschmeldungen produzieren Kosten. Effizienter ist es, ein internes Helpdesk vorzuschalten, das alle Service-Anrufe vorqualifiziert und korrekt weiterleitet.” Auch Dreyer betont den Stellenwert der "menschlichen Schnittstellen”: "Wir brauchen immer eine kompetente Brückenorganisation beim Kunden, einen strategischen Kopf.”

Neue gesetzlich verursachte IT-Richtlinien bringen Krankenhäuser personell und finanziell an ihre Grenzen. Budgetknappheit und fortschreitende Marktkonsolidierung befeuern den Zentralisierungstrend. Neue IT-Trends wie mobile Endgeräte verbreiten sich im Klinikalltag und wollen verwaltet werden. Während große Klinikbetreiber diese Veränderungen selbst meistern können, erscheint das wohlüberlegte Auslagern für manches Haus sinnvoller. Es beseitigt jedoch weder den Fachkräftemangel noch ersetzt es eine fehlende IT-Strategie. Thoss resümiert: "Managed Services sind keine eierlegenden Wollmilchsäue, genauso wenig wie in einer Cloud nur geklaut wird.” Auch wenn Managed Services IT-Leistungen "von der Stange” liefern, für den maßgeschneiderten Einsatz vor Ort sind Anwender selbst verantwortlich.

Dieser Artikel wurde in der kma-Ausgabe August veröffentlicht.

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