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Einkauf von Medizinprodukten„Geiz ist geil – in Kliniken funktioniert das nicht”

In Berlin ist der 7. Beschaffungskongress der Krankenhäuser zu Ende gegangen. Auf dem Kongress warnte Pioneer-Vorstand Robert Schrödel die Kliniken davor, sich von schnäppchenhaften Kaufpreisen blenden zu lassen. Stimme die Qualität nicht, drohe die billigste Lösung schnell zur teuersten zu werden.

Ein Interview mit Robert Schrödel

Bei der Podiumsdiskussion eben haben Sie gesagt: "‚Geiz ist geil‘ – im Gesundheitswesen funktioniert das nicht." Was ist für Sie an dieser Mentalität problematisch?
Diesen Slogan erleben wir als private Verbraucher ja laufend – vom Möbelhaus bis zum Hifi-Shop. Gibt’s hier noch ein Rabattchen und dort noch ein Rabattchen? Und wir lassen uns davon verführen. Krankenhäuser mussten nach dem bisherigen Vergaberecht immer das augenscheinlich preiswerteste oder vordergründig billigste Medizinprodukt einkaufen – wobei nicht einmal genau definiert war, was "preiswert" ist. "Geiz ist geil" führt im Gesundheitswesen erfahrungsgemäß nicht zu einer auf Dauer wirtschaftlichen Lösung. Denn wenn man die Lebensdauer der eingesetzten Medizinprodukte und -technik außer Acht lässt, kann der Billigste schnell zum Teuersten werden.

Können Sie das bitte einmal anhand eines konkreten Beispiels illustrieren?
Ein Beispiel sind sogenannte Fräser für die minimalinvasive orthopädische Chirurgie - genannt Arthroskopie - mit denen man beispielsweise am Knie- oder Schultergelenk Knorpel glätten kann. Durch den Zwang, immer billiger herstellen und produzieren zu müssen, haben einige Medizinproduktehersteller zu Maßnahmen gegriffen, die – sagen wir es nett – nur suboptimal sind. Sie haben auf chinesische Hersteller und Lieferanten vertraut, die schlechte Ausgangsmaterialien verarbeiten.

Zu welchen Konsequenzen oder gar Komplikationen kann das führen?
Eine große deutsche Klinikgruppe hat bei einem US-Hersteller eingekauft, der aber in China produzieren lässt. Wir von Pioneer sollten diese Instrumente aufbereiten, damit sie wieder verwendet werden können. Aber die Stahlqualität war so schlecht, dass wir in vier von fünf Fällen die Aufbereitung ablehnen mussten. Auf der Medizinprodukteoberfläche haben wir interkristallinen Rost entdeckt und zwar an dem Teil des Medizinprodukts, welcher in den Patienten eingeführt wird! Die Klinikgruppe hat sich dann entschlossen, auf ein hochwertiges Produkt eines anderen Herstellers umzusteigen. Dieses war zwar im Einstandspreis teurer und ebenfalls ein Einwegprodukt. Aber: Wir konnten es für die Aufbereitung validieren und zum wiederholten Einsatz freigeben. Das ist ökologisch vernünftig – und wirtschaftlich sowieso. Pro Einsatz ließen sich die Kosten um 35 Prozent bei Betrachtung der gesamten Lebensdauer reduzieren.

Vorhin sprachen Sie vom "bisherigen" Vergaberecht. Tut sich das was?
Erfreulich am neuen Vergaberecht, welches Anfang 2016 in Kraft tritt, ist, dass es nachhaltiges Denken und Handeln unterstützt. Im aktuellsten Gesetzentwurf steht bereits die Orientierung am Lebenszyklus der Medizinprodukte.

Sind damit die Probleme ab 1. Januar 2016 gelöst?
Die neue Rechtslage ist ein großer Fortschritt. Aber Recht muss ja auch gelebt werden. Es wird sicher einige Zeit brauchen, bis den Verantwortlichen in den Kliniken entsprechend qualifizierte Informationen vorliegen, die dann geeignet sind, um in die Entscheidungsmatrix zur Beschaffung von Medizinprodukten aufgenommen zu werden.

Sie haben auch das Thema "Händehygiene" angesprochen. Ganz neu ist das ja nicht.
Neu ist das überhaupt nicht. Umso gravierender ist es aber, dass die Compliance, also die Mitmachquote, bei der Händedesinfektion allen Aufklärungskampagnen zum Trotz nach wie vor bei publizierten 40 Prozent liegt. Umgekehrt heißt das: In rund 60 Prozent der Fälle, wo Händedesinfektion stattfinden müsste, findet sie nicht statt. Und da reden wir über eine Dienstvorschrift, die Patienten und Mitarbeiter schützt! Pioneer bietet hierfür eine IT-Lösung an: Sie wacht darüber, ob Mitarbeiter, wenn sie kritische Räume wie Intensivstationen betreten, zum Desinfektionsspender gehen und auch genügend Desinfektionsmittel entnehmen. Das ganze geschieht anonym. Aber abteilungsbezogen können dann Probleme sichtbar gemacht und Gegenmaßnahmen ergriffen werden – Mitarbeitergespräche zum Beispiel oder Schulungen.

Ein Slogan von Pioneer lautet: "Wir entknoten den Investitionsstau". Superman und David Copperfield zusammen würden das nicht schaffen – von der Politik ganz zu schweigen. Da haben Sie sich ja einiges vorgenommen.
(lacht) Ich denke, Werbung darf schon auch mal etwas übertreiben; sie muss plakativ sein – sonst bleibt sie ja nicht hängen. Aber das ist ja auch verzeihlich, oder? Wir haben einen neuen Geschäftsbereich aufgebaut, der sich einem der Sorgenkinder der Krankenhäuser widmet: der Notfallaufnahme. Die meisten von ihnen sind defizitär – kein Wunder: Nur etwa 30 Prozent der Notfälle sind einer DRG zuzuordnen. Bei rund 70 Prozent der Fälle werden Krankenhäuser mit einer Pauschalvergütung abgespeist. Das ist niemals auskömmlich! Wir bieten Krankenhäusern die Möglichkeit, gemeinsam mit uns als privatem Partner, Joint Ventures zu gründen, mit dem Ziel, Notaufnahmen in Form von Medizinischen Versorgungszentren zu organisieren und dem Krankenhaus vorzuschalten. Diese MVZs sind dem Sektor der niedergelassenen Versorgung zuzurechnen. Ganz anders als im System der DRG-Fallpauschalen sind über den ambulanten Sektor geltenden "Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) alle Leistungen abrechnungsfähig.

Warum sollten Krankenhäuser solche Projekte zusammen mit Pioneer angehen. Können sie das nicht alleine?
Es bedarf heute generell anderer Steuerungstechniken für ein gut funktionierendes MVZ. Viele Krankenhäuser haben sich da schon eine blutige Nase geholt. Ein MVZ zu betreiben, ist ein ganz anderes Geschäft, als ist ein Krankenhaus. Pioneer als privater Kooperationspartner würde ein solches MVZ errichten, die Steuerung und Versorgung der Notfallpatienten übernehmen und dem Klinikum diejenigen zuweisen, die es wirklich abrechnen kann. Wir besitzen Konzepte und Steuerungstechniken, wie ein MVZ wirtschaftlich betrieben werden kann.

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