Interview mit Karlheinz Seitz
Herr Seitz, was können wir in den nächsten Jahren vom Ultraschall erwarten?
Der technische Fortschritt ist im Ultraschall (US) kontinuierlich und kleinschrittig. Den beinahe jährlichen „Breakthrough-Meldungen“ der Gerätehersteller ist mit gesunder Skepsis zu begegnen. Wirklich große Entwicklungsstufen erfolgen eher im Abstand von acht bis zehn Jahren. Die letzten großen Entwicklungsschritte waren die Einführung der Kontrastmittel, die Gerätehersteller waren danach gut fünf Jahre damit beschäftigt, die Geräte an diese neuen Erfordernisse anzupassen. Ähnliches gilt für die Elastographie.
Bisher steht für die Sonographie nur ein einziges Kontrastmittel zur Verfügung, weitere und unterschiedliche Kontrastmittel stehen vor der klinischen Anwendung. Was wird durch die neuen Mittel möglich?
Die Kontrastmittel, die aus Mikrobläschen mit der Größe von roten Blutkörperchen bestehen, können in Zukunft mit Antigenen und Medikamenten beladen werden oder als Viren- und Genfähren dienen. Das Freisetzen ihrer Beladung durch Ultraschallimpulse wird eine gezielte lokalisierte Therapie ermöglichen Da im Prinzip einzelne Kontrastmittelbläschen dargestellt werden können wird ein „molecular imaging“ mit bisher unvorstellbarer Auflösung einzelner Zielmoleküle möglich werden. Die praktische Anwendung in der klinischen Routine ist derzeit noch nicht absehbar.
Ein anderes Feld ist die Miniaturisierung der Ultraschallgeräte. Was muss man sich darunter vorstellen?
Ultraschallgeräte für den Hausbesuch und den raschen, orientierenden Blick auf Herz und Bauchorgane sind bereits möglich. Nach den ersten kabellosen Schallköpfen ist zu erwarten, dass in der Zukunft Ultraschallgerät und Schallkopf „verschmelzen“ und die Datenausgabe statt auf einem Monitor, dem derzeitige Schwachpunkt der aktuell verfügbaren Pocketgeräte, über ein Head-up-display vergleichbar dem Google Glass erfolgt.
Derzeit läuft in vielen Disziplinen ein heißes Rennen zwischen Ultraschall CT und MRT um den Goldstandard in der Diagnostik.
Wegen der unterschiedlichen physikalischen Grundlagen und den Kontraindikationen bei CT und MRT wird kein Verfahren prinzipiell das andere komplett ersetzen können. Allerdings sind neue, durch enormen aber bezahlbaren Rechneraufwand gestützte Ultraschalltechniken in Entwicklung die bis zu 4.000 Bilder pro Sekunde in nah gewesener Auflösung erwarten lassen. Dort wo Ultraschall einsetzbar wird er vom Bild her überlegen sein.
Wann lohnt sich für Kliniken in Ultraschalltechnik zu investieren? Nach welchen Kriterien sollten Klinikmanager entscheiden?
Die bei den Herstellern verfügbaren Plattformen werden über etwa 10 Jahre verkauft, Ist eine Plattform erst 1-2 Jahre am Markt ist sie sozusagen „noch in Entwicklung“, es ist für die Investition entscheidend, was man von dem Gerätehersteller in den nächsten Jahren erwarten kann. Dies ist nicht immer eine einfach zu erkennen, der Geschäftsführer hat dafür jedenfalls nicht die Kompetenz, Medizintechniker auch nicht, Nur in wenigen größeren Kliniken gibt es entsprechendes Know how, erfahrene US-Diagnostiker entscheiden sich nach Probestellungen von Geräten nach praktischen Gesichtspunkten, wie Bildqualität, Bedienerfreundlichkeit u. Ä.. Am Ende der Laufzeit einer Plattform sind oft ordentliche Rabatte zu erzielen. Ein solcher Kauf ist nur sinnvoll, wenn dieses Gerät exakt zu den klinischen Anforderungen passt. Auch kommt es darauf an was die neue Gerätegeneration zu bieten hat, über die gesamte Laufzeit einer Plattform sind technische Updates erhältlich, es empfiehlt sich jedoch nicht jedes der nicht immer billigen Updates zu kaufen.
Generell verlieren die mit Elektronik vollgestopften Geräte meist nach etwa sechs Jahren an Bildqualität, nach acht Jahren ist der Qualitätsverlust zuweilen deutlich. Der Verlust an Bildqualität geht langsam und kontinuierlich von statten, so dass es der Besucher oft gar nicht wahrnimmt.
Wie kann eine Klinik sicherstellen, dass die Anwender für Ultraschallgeräte gut geschult sind?
Eine schwierige Frage, generell gilt, wenn der Chirurg dem Sonographiker glaubt, so dass er ohne weitere Diagnostik operieren kann, dann ist der Diagnostiker versiert. Eine Abteilung ist aber nur wirklich gut, wenn mehrere Ärzte kompetente US-Diagnostik betreiben und wenn Ärzte bereits früh in ihrer Ausbildung kontinuierlich geschult und vor allem supervisioniert werden.
Lässt sich Ultraschall auch in einigen Bereichen von Pflegekräften übernehmen, gibt es dafür gute Erfahrungen im Ausland?
In Ländern mit angelsächsischer medizinscher Tradition wird der Ultraschall fast ausschließlich von Radiologen durchgeführt, so zum Beispiel in den USA sogar der gynäkologische Ultraschall. Röntgenleistungen sind ganz überwiegend technische Leistungen und Radiologen sind gewohnt dies an MTAs zu delegieren. In den USA gibt es den Beruf des Sonographers, der die US-Bilder erstellt, die der Röntgenarzt danach beurteilt. In Deutschland wird dagegen die Sonographie als klinische Leistung und nicht als Institutsleistung erbracht. Wir halten unsere Vorgehensweise für wesentlich effektiver. Neuerdings nehmen sogar Ärzte in den USA in den Aufnahmestationen, den sog. „Emergencies“ den Schallkopf selbst in die Hand, weil sie mit 40 Jahren Verspätung den Wert der klinischen Sonographie entdeckt haben, es herrscht dort jetzt ein regelrechter Ultraschall-Boom.
Zurück zum Ausgangspunkt der Frage, es gibt bei uns keinen Ausbildungsberuf des Sonographers, der in etwa einem Medizin-Bachelor zugeordnet werden kann. Möglich wären oder sind bei uns sicherlich einfache sonographische Untersuchungen nach entsprechender Anleitung wir Restharnbestimmung oder cw-Doppler-Blutdruckmessungen schon jetzt zu delegieren. Die neue amerikanische Entwicklung zeigt jedoch, dass das Verfahren am besten beim am Patienten tätigen Arzt aufgehoben ist.
In der aktuellen kma-Novemberausgabe kritisiert Karlheinz Seitz in einem Gastbeitrag den Umgang mit Ultraschall in Kliniken deutlich.


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