Von Herzinsuffizienz sind in Deutschland schätzungsweise 3,2 Millionen Menschen betroffen – die Herzschwäche ist der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung. Auch die Kosten von rund 3,2 Milliarden Euro für das Gesundheitssystem sind ein Grund, die Behandlung der Betroffenen zu verbessern. "Gegenwärtig erleben wir dramatische Fortschritte in der medizinischen Informationstechnologie", sagt Gerd Hasenfuß DGIM-Vorsitzender und Chef der Kardiologie der Uniklinik Göttingen. "Wir werden von dieser Entwicklung quasi überrollt", ergänzt er. Die Fachgesellschaft will sich dieser Herausforderung stellen. Auf ihrem Internisten-Kongress vom 9. bis 12 April befassen sich allein elf Symposien mit dem Thema Digitale Medizin. "Außerdem planen wir regelmäßig weitere Veranstaltungen", kündigt Hasenbein an.
AMTS-Projekt setzt auf Hilfe des Innovationsfonds
Derzeit, so räumt der Kardiologe ein, werden nur wenige der Möglichkeiten ausgeschöpft. Beispiel Arzneimitteltherapiesicherheit: "Es gibt noch keinen softwaregestützten Medikamentencheck." Das Gesundheitsministerium will, dass solch einen Check mit daraus resultierenden Handlungsempfehlungen für Ärzte spätestens 2018 kommt – sicher ist das keinesfalls. Denn für alle Themen, die mit der Telematikinfrastruktur zu tun haben, lässt sich kaum noch etwas prognostizieren – das zeigt die Hängepartie mit der Elektronische Gesundheitskarte. Die DGIM plant derweil ein gemeinsames AMTS-Projekt mit der Krankenkasse Barmer-GEK zum Thema Arzneimitteltherapiesicherheit. Als Ergebnis soll eine Software entstehen, die Ärzte dabei unterstützt, in Sachen AMTS die richtigen Fragen an die Patienten zu stellen. DGIM und Barmer bewerben sich derzeit für eine Förderung des Projekts durch den Innovationsfonds.
Telemedizin: Händeschütteln nicht vergessen!
Zu den digitalen Hoffnungsträger der Kardiologen zählt auch die Telemedizin. Friedrich Köhler, Kardiologe an der Charité, gilt als Pionier des Telemonitorings von Herzpatienten. Er stellt jedoch klar: "Wichtig bei Telemedizin-Projekten ist, dass die Grundbeziehung zwischen Arzt, Patient und unter den Zuweisern funktioniert. Als Grundregel gilt: Wer gute Telemedizin machen will, muss sich untereinander mindestens einmal die Hand gegeben haben. Ein zentrales Call-Center auf der grünen Wiese ist nicht der Lebensretter, das funktioniert nicht." Wie wichtig der persönliche Kontakt sei, zeigt Köhler zufolge eine Studie über ein relativ anonym ausgeführtes Projekt in den USA. Dort hätten 30 Prozent der Patienten das telemedizinische Messgerät nicht einmal ausgepackt. Seine klare Ansage: "Telemedizin spart keine Ärzte ein." Trotzdem ließen sich vor allem Krankenhausaufenthalte reduzieren. Ein Beispiel: Mit einem büroklammergroßen Drucksensor in der Lungenstrombahn von Herzpatienten, lässt sich die Medikamentendosis tagesgenau anpassen. Das Implantat misst permanent den Blutdruck in der Lungenarterie. Die Werte überträgt der telemedizinische Sensor an den Arzt, der die Medikation anpasst. Das verbessert die Lebensqualität und die Behandlung so weit, dass ein Drittel dieser Patienten nicht wegen Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Die Kosten eines Krankenhausaufenthaltes wegen Herzinsuffizienz betragen im Durchschnitt 5.000 bis 10.000 Euro. "Insofern liegt jeder vermeidbare Krankenhausaufenthalt nicht nur sehr im Interesse der Patienten, sondern ist auch von gesundheitsökonomischer Relevanz", sagt Friedrich Köhler, Charité-Universitätsmedizin Berlin. Er leitet auch die Fontane-Studie. Darin untersuchen Forscher an 1.500 Herzpatienten, inwieweit Telemedizin die Versorgung von Herzpatienten im ländlichen Raum verbessern kann.
Google & CO wollen Daten mit medizinischem Sinn schaffen
Wichtig bei Daten, die vom Patienten generiert werden, sei vor allem, dass sie belastbar und wissenschaftlich evaluiert sind. Nur dann, so Hasenfuß, sind Daten von Smart Devices wie Smartphones oder anderer Messgeräte für Mediziner verwertbar. "Die großen IT-Tanker wie Google oder Apple haben das erkannt und setzten deshalb bereits sehr viele Wissenschaftler auf das Thema an", erklärt Ulrich Fölsch, Generalsekretär der DGIM. "Hier entsteht eine neue Kultur", unterstreicht auch Hasenfuß. Auch Diagnoseprogramme, die den Arzt bei seiner Entscheidung unterstützen, sind auf solch belastbare Daten angewiesen. "Auch das ist ein schwieriges Thema, bei dem wir im Grunde noch nicht über die Haftungsfrage hinaus gekommen sind", resümiert Hasenfuß.
Insgesamt sei es nachvollziehbar, dass darüber spekuliert wird, ob Mobile Health zukünftig den Ärztemangel auf dem Land kompensieren könne und Robotics den Pflegenotstand lindern. Heute schon sind in Deutschland 45 Millionen Smartphones in Betrieb, mit einer Smartwatch lässt sich ein komplettes Herz-Kreislauf-Profil des Trägers erstellen. "Anstatt die Werte in der Praxis vom Arzt messen zu lassen, könnten die Geräte Blutdruck, Puls, Blutzucker und weitere Parameter zukünftig kontinuierlich messen und an den Arzt übertragen", erläutert Hasenfuß.


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