Selten ist der Name eines Veranstaltungsorts so passend: Im Berliner Schmelzwerk sind sie im letzten September zusammen gekommen, dem ehemaligen Fabrikgebäude des Schokoladenherstellers Sarotti und heutigem Tagungszentrum. 40 Gesundheitsexperten, aus Politik, Klinik-IT, Medizin und Pflege, sollten hier in wenigen Stunden genau das tun: Ein Programm zusammenschmelzen aus IT-Themen aller Segmente des Gesundheitswesens, möglichst breit, „damit auch viele Besucher kommen”, wie Professor Paul Schmücker, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, offen sagt. „Ich denke, das haben wir geschafft.”
Klinikleiter besonders hofiert
Das conhIT-Kongressprogramm bietet 18 Sessions mit je vier Vorträgen und anschließender Diskussion und spannt dabei einen Bogen von Standards und Sicherheit über den Einsatz von IT in Pflege und Therapie bis hin zu Mobile Health und IT-Nutzenmessung. „Wir wollten zwar mit unserem Programm jeden ansprechen”, sagt Kongresspräsident Schmücker – besonders aber diesmal, so lässt er durchblicken, die Entscheidungsriege in Kliniken. „IT-Leiter informieren sich, sondieren die Möglichkeiten – aber Klinikleiter sind die, die den Kaufvertrag unterschreiben.” Das wissen natürlich auch die Aussteller – und wünschen sich ein ebensolches Klientel an ihren Ständen. Klinikleiter werden auf der diesjährigen conhIT deshalb auch besonders hofiert, werden nach Messeschluss extra an vereinzelte, ausgesuchte Stände geführt und erhalten eine Einladung zum Gala-Abend des Veranstalters, des Bundesverbands Gesundheits-IT (BVITG). Aber auch ein eigener Programmpunkt richtet sich an diese Zielgruppe: „Die Geschäftsleiter-Session haben wir im letzten Jahr eingeführt und wollen sie beibehalten, weil sie gut anlief”, so Schmücker. Die Geschäftsführer vor Ort zu haben, davon erhofft er sich einen Lerneffekt. Noch immer sei in vielen Klinik-Vorstandsetagen nicht angekommen, dass in IT investiert werden müsse. „Die IT hält in den Kliniken gerade mal 1,9 Prozent am Gesamtbudget – im besten Fall”, beklagt er. „Damit kann man keine Bäume ausreißen.” Zu sehr konkurrierten IT-Systeme mit anderen Produkten, die es einzukaufen gilt, vor allem mit Großgeräten. „Dabei müssen Kliniken versuchen, ihre Prozesse und Strukturen möglichst digital abzubilden.” Das sei die Zukunft, wenn auch eine ferne, wie er meint: „Einer unserer Programmpunkte lautet zwar Health 4.0”, sagt Schmücker. „Hier soll diskutiert werden, unter anderem vom UKE Hamburg, was die Gesundheitswirtschaft in Sachen Digitalisierung von der Industrie lernen kann. Aber ganz ehrlich: Wir haben ja noch nicht mal Health 2.0.”
IT-Erfolg soll messbar werden
Die conhIT wolle das ändern, der Klinik-IT ein Gesicht und eine Stimme geben – eine kräftige: In der Geschäftsführer-Session werden Themen aufgegriffen, die die Entscheiderriege berühren sollen: Vivantes zeigt, wie gefangen sich die IT fühlt zwischen Pflicht und Kür, auch die Uniklinik Göttingen berichtet über ihre Herausforderungen, und die RWTH Aachen stellt Auswirkungen aktueller Fördervorhaben auf die Klinik-IT vor. Doch Schmücker, der bis 2001 selbst IT-Projekte in den Unikliniken Gießen und Heidelberg geleitet hat, ahnt, dass das nicht reicht. „Noch wird viel zu wenig der Mehrwert von IT-Projekten nachgewiesen”, so der Kongresspräsident. Er habe sich deshalb in der Beiratssitzung für eine neue Benchmarking-Session eingesetzt. „Wir müssen die Erfolgsstories erzählen – und zwar quantifizierbar, also unterlegt mit validen Daten. Dann bewegen wir vielleicht auch mehr Geschäftsführer, in die IT zu investieren.” Die Unikliniken Leipzig, Erlangen und Göttingen, aber auch das kommunale Klinikum Nürnberg kommen in der Session zu Wort, berichten über Messmethoden. Auch die Himss stellt ihr Modell Emram vor, ein Beitrag, für den Schmücker im Schmelzwerk besonders argumentieren musste. „In der IT-Welt wird das Modell ja kontrovers diskutiert, es passe nicht für Deutschland, wird oft gesagt, aber ich habe in unserer Sitzung darauf gedrungen, dass wir sie anhören müssen.”
Das conhIT-Programm, verrät Schmücker, entsteht in drei Runden: In der ersten stellen sich die Beiratsmitglieder vor, dann üben sie Manöverkritik an der Vorjahresmesse – und schließlich stellen sie Themen für die kommende Ausgabe vor. Daraus entwickelten Beiratsleiter ein Themenraster, legen das vor – und diskutieren es im Plenum. „Bis auf ein oder zwei Änderungen ging diesmal alles durch.” Frisch im Programm diesmal: IT-Sicherheit. „Natürlich haben wir das Thema schon immer auf der Agenda gehabt, aber ein eigener Kongresspunkt dazu ist neu”, so Schmücker. Erschreckt habe ihn ein Vortrag auf der letzten conhIT, als ein Referent demonstrierte, wie leicht es sich in Krankenhaussysteme und Apps einhacken ließe. Auch Penetrationstests zeigten immer wieder, wie schnell Krankenhaussysteme, zum Beispiel Herzkatheterlabore, zu knacken seien. „Da bestehen Riesenlücken, und Einrichtungen müssen sich darauf einstellen.” Auf der conhIT berichtet unter anderem die Uniklinik Schleswig-Holstein, wie sie ihre IT-Sicherheit gewährleisten will.
Kongressmotto: Patient im Fokus
Auch das Motto des Kongresses „Patient im Fokus” ist im Beirat entstanden, nachdem die Mitglieder Vorschläge eingereicht hatten. Nicht ein wenig lau, gar abgegriffen, Herr Schmücker? „Gar nicht”, verteidigt sich der Kongresspräsident. „Schauen Sie sich die Kongresse in der Gesundheits-IT an: Da geht es um Technik und um Architekturen – und man hat das Gefühl, so etwas wie ein Patient existiere gar nicht.” In Berlin nun stattdessen: IT in der Pflege, in der Entscheidungsfindung für Therapien, und sogar: „Patient Empowerment”. Außerdem will sich die Messe als Plattform für den Nachwuchs aufstellen, in Exkursionen 400 IT-Studenten auf die Messe bringen. Schmücker: „Kliniken brauchen heute andere IT-Mitarbeiter als früher, strategisch denkende Leute, Projektmanager.” Auf der conhIT sollen sie nun zusammenfinden: Und zusammen die Erfolgsgeschichten schreiben, über die alle später reden können.


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