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RadiochirurgiePräzisionsschub

Die bildgeführten Radiochirurgie könnte Antworten geben auf die Frage: Welche Behandlungsmethode gegen Krebs ist für alte Menschen die sinnvollste? Die neuen Geräte sind vielversprechend.

Lungenkrebs ist weltweit die häufigste krebsbedingte Todesursache. Allein in Deutschland erkranken jährlich 47.000 Menschen an dieser Krankheit, deren Behandlung in den allermeisten Fällen extrem belastend, schmerzhaft und kostenintensiv ist. Und die Zahl wird weiter steigen, sind sich Experten sicher. Hinzu kommt, dass sich das Patientenalter erhöhen und die Belastbarkeit sinken wird. Da Operationen, Radio- oder Chemotherapie für viele Patienten ab einem bestimmten Alter beziehungsweise in einer bestimmten Verfassung nicht mehr zumutbar sind, müssen heute neue Therapien für morgen evaluiert werden. Eine dieser Optionen für die Behandlung von Tumoren ist die Radiochirurgie, von der sich die Radioonkologen größere Einsatzfelder als bisher versprechen.

Schmerzfrei und komplikationslos

Die Radiochirurgie ist eine ambulante, völlig schmerzfreie Methode. Das Funktionsprinzip ist ähnlich dem der Strahlentherapie, doch der Tumor wird in einer meist einmaligen Sitzung von einer wesentlich höheren, gezielteren und fokussierteren Strahlendosis getroffen, bei der seine gesamte DNA komplett zerstört wird und die Rückstände mit der Zeit vom Körper eigenständig abgebaut werden. Das umliegende gesunde Gewebe wird praktisch gar nicht in Mitleidenschaft gezogen, wodurch Nebenwirkungen, Komplikationen oder auch langfristige Schädigungen ausgeschaltet werden können.

Allerdings stellt die Methode relativ hohe Anforderungen an den Tumor. Dieser muss sich in der Bildgebung, wie der Computer- oder der Magnetresonanztomographie, klar vom gesunden Gewebe abgrenzen und darf nicht zu ausgedehnt sein. Manchmal weicht der Arzt auf eine Kombinationsbehandlung aus, in der der Tumor erst durch Chemotherapie verkleinert und danach radiochirurgisch zerstört wird. "Bislang ist die Radiochirurgie eher noch ein Sonderverfahren, das für gerade einmal zehn Prozent aller Krebspatienten in Frage kommt", gibt Jürgen Dunst, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie und Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Campus Lübeck des Uniklinikums Schleswig-Holstein, zu bedenken. Allerdings geht er davon aus, dass sich das Thema in Zukunft ? auch in Folge des demografischen Wandels ? erfolgreich weiter entwickeln wird. Nicht nur aufgrund der neuesten technologischen Entwicklungen, sondern vor allem auch, weil der durchschnittliche Behandlungspreis sehr viel wirtschaftlicher als bei konventionellen Therapien ist. Und das, obwohl der Standardbeschleuniger zwei Millionen, das Highend-Gerät um die sechs Millionen Euro kostet. Dafür werden tausende Patienten behandelt.

Deutschland ist hintendran

"Die Zahl derer, die von solchen Verfahren profitieren, wird in den kommenden Jahren enorm ansteigenden", ist sich Dunst sicher, "deswegen ist es jetzt wichtig, die Verfahren zu validieren und die Einsatzgebiete auszuloten." Radiochirurgische Verfahren werden im Kopf- und Wirbelsäulenbereich schon seit 50 Jahren angewendet. Auch heute noch ist die Behandlung von Hirnmetastasen das Haupteinsatzgebiet. Doch der Rahmen wird größer, vor allem dank der Entwicklungen auf der bildgebenden und mechanischen Seite. Anca-Ligia Grosu, Ärztliche Direktorin der Klinik für Strahlenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg, hat auf klinischer Seite maßgeblich zum Fortschritt beigetragen. "Heute können wir neben den statischen Tumoren auch solche in Angriff nehmen, die sich beispielsweise in Lunge und Leber befinden und bisher als nicht behandelbar eingestuft wurden." Der Schlüssel hierfür ist die bildgeführte computergesteuerte Positionstechnologie, die selbst atembedingte Organbewegungen berücksichtigt, sodass der Tumor, so er sich im dokumentierten Bestrahlungsfeld befindet, mit hoher Dosis bis auf unter einen Millimeter genau bestrahlt wird, während das gesunde Gewebe drumherum verschont bleibt. "Sie können sich das Ganze wie eine Art Puzzle vorstellen. Die intensitätsmodulierte Bestrahlung entwickelt die höchste Dosis direkt im Tumor, wobei der einzelne Strahl gar nicht so hoch dosiert ist, aber die Summe ihre Wirkung tut."

Schwierige Finanzierung

Probleme bereitet auch noch immer die Vergütung, da sie in Deutschland als Spezialtherapie gilt. Aus Werner Ullrichs Sicht nicht nachvollziehbar. Ullrich ist Geschäftsführer des Zentrums für Radiochirurgie und Präzisionsbestrahlung am Klinikum der Johann-Wolfgang Goethe Universität GmbH in Frankfurt am Main und führt die Verhandlungen mit den Versicherungen: "Wir haben mit verschiedenen Krankenkassen Rahmenverträge geschlossen, aber es sind noch immer zu viele Patienten, die die Behandlung eigenständig zahlen müssen." Sein Zentrum unterstützt die Anträge, wo es geht, und die Forscher sehen auch, dass erst validierte Studien für andere Indikationen vorliegen müssen. Und doch wünschten sie sich, dass es im Sinne der Patienten schneller ginge.

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