Die elektronische Gesundheitskarte (EGK) hat alle Beteiligten zermürbt. Die Ausgabe der Karten hat zwar Ende 2009 – mit fast vier Jahren Verspätung – in der Kassenregion Nordrhein begonnen. Doch schon in Westfalen, wo sie als Nächstes eingeführt werden soll, stocken die Verhandlungen zwischen Kassen und Ärzten um die Finanzierung. "Wenn die Karte Ende 2010 nicht deutlich sichtbar ausgerollt ist, und damit meine ich, dass mindestens fünf Millionen Karten im Feld sind, dann werden mehrere Unternehmen, die Komponenten für die Gesundheitskarte entwickeln, abspringen", sagt Pablo Mentzinis, verantwortlich für den öffentlichen Sektor beim Industrieverband Bitkom. Siemens ist im vergangenen Jahr bereits abgesprungen. Steigen weitere Unternehmen aus, könnte das der Todesstoß für das EGK-Projekt und damit für den Einstieg in eine moderne Patientendatenverwaltung sein.
Geschichte der Negativschlagzeilen
Wir befinden uns im IT-Zeitalter, doch momentan sieht es aus, als ob wir noch eine Weile in der Karteikarten-Ära bleiben. Nicht nur die Karte, sondern auch die elektronische Patientenakte, eigentlich das Herzstück der Telematik-Infrastruktur, hinkt dem Zeitplan hinterher. Frühestens in fünf Jahren ist mit ihr zu rechnen, sagen Fachleute. Weitere Anwendungen wie der Arztbrief haben sich als noch nicht praxistauglich erwiesen. Zuletzt schickte Gesundheitsminister Philipp Rösler das E-Rezept, das im Feldtest scheiterte, "zurück in die Werkstatt". Die Gesellschaft für Telematik-Anwendungen der Gesundheitskarte, kurz Gematik, musste im Laufe ihres fast fünfjährigen Bestehens reihenweise Projektvorgaben einkassieren. Verantwortlich dafür sind in erster Linie ihre Gesellschafter, die Verbände von Krankenkassen, Ärzten, Krankenhäusern und Apothekern – die sogenannte Selbstverwaltung. Die Lobbygruppen machen die Gematik nahezu beschlussunfähig, weil sie sich in zentralen Fragen nicht einigen.
Damit hat die Selbstverwaltung nicht nur das zurzeit wichtigste Projekt im Gesundheitswesen in den Sand gesetzt, sondern – wieder einmal – die Frage aufgeworfen, warum man ihr in Zukunft noch Verantwortung übertragen sollte. Kritik kommt von allen Seiten. "Die Entscheidungsprozeduren der gemeinsamen Selbstverwaltung sind für ein solches Großprojekt zu schwerfällig, die gegenseitige Blockade wird allzu häufig belohnt", sagt Susanne Mauersberg, Referentin der Verbraucherzentrale Bundesverband und Mitglied des Gematik-Beirats. Bertram Häussler vom Berliner Iges-Institut wird noch deutlicher: "Die Selbstverwaltung ist nicht die richtige Adresse, um eine solche Infrastruktur aufzubauen. Ein Public-Private-Partnership-Modell nach dem Vorbild von Toll Collect, bei dem der Staat ausschreibt, die Industrie durchführt und dafür einen Anteil bekommt, wäre zielführender."
Kompetenzen klarer verteilt
Auch die neue schwarz-gelbe Bundesregierung stellt das "Organisationsmodell der Gematik" in ihrem Koalitionsvertrag infrage. Mitte März hat sich Rösler mit der Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, und Carl-Heinz Müller, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), in seinem Ministerium getroffen und eine Umstrukturierung auf den Weg gebracht: Die Zuständigkeiten sollen zum Teil zurück zu den Gesellschaftern wandern. Das heißt, die Ärzte sind federführend für die Projekte Arztbrief und Notfalldaten verantwortlich und die GKV für den Stammdatenabgleich. Die Gematik als Organisation wird abgespeckt und soll sich um Infrastrukturfragen kümmern. "Die Beteiligten können jetzt nicht mehr der Gematik den Schwarzen Peter zuschieben. Es gibt Projektleiter, die persönlich verantwortlich sind", sagt Mentzinis von Bitkom.
Er begrüßt die neue Struktur, denn auch die Industrie soll in Zukunft mehr Einfluss bekommen. Die Gesellschafterversammlung am 19. April muss die neue Struktur der Gematik noch absegnen. Ob diese Neuordnung der große Wurf ist, bezweifeln aber viele. Zwar sind die Kompetenzen jetzt klarer verteilt, die Interessenkonflikte der Selbstverwaltung bleiben aber weiter im Projekt. Blockadepolitik ist weiter möglich. "Zumindest können jetzt nicht mehr alle überall mitreden", sagt Hermann Bärenfänger, Sprecher der Techniker Krankenkasse. <...>
Den kompletten Artikel können Sie in der April-Ausgabe der kma lesen. Außerdem finden Sie in dieser Ausgabe unter anderem Artikel zum GKV-Spitzenverband ("Hinter den Kulissen"), zur Einführung des Health Vault von Microsoft in Deutschland ("Am Puls der Zeit"), zur Personalrekrutierung ("MBA entzaubert") und ein Porträt des "Mr DRG" Frank Heimig, Chef des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (Inek).
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