Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

GeomarketingZoom auf den Gesundheitsmarkt

Das Softwareunternehmen KMS möchte mit einer neuen Internetplattform ein Informationsportal für Kliniken, Patienten und die Industrie aufbauen. Dafür braucht das Unternehmen viele Krankenhäuser, die mitmachen.

Google Maps ist aus dem Leben vieler Menschen kaum noch wegzudenken. Auf der Suche nach dem richtigen Weg zoomt man sich in die gewünschte Region und findet Straßen, Hausnummern, Nahverkehrsnetze, Hotels, dazu je nach Wunsch viele weitere Informationen. Was relevant ist, klickt der Nutzer an und bekommt, wenn vorhanden, weitere Informationen angezeigt. Alois G. Steidel, dessen Unternehmen KMS Marktführer für Datawarehouses im Krankenhaus ist, möchte einen solchen Service jetzt für das Gesundheitswesen aufbauen. Unter dem Markennamen "Eye on Health" soll ein Webdienst ähnlich wie Google Maps entstehen - gespickt mit Informationen aus der Gesundheitswirtschaft. Geomarketing nennt sich das in Fachkreisen.

Kliniken können auf Eye on Health sowohl Informationen über Zuweiser von niedergelassenen Ärzten sehen, also auch Daten, die Benchmarks mit anderen Kliniken erlauben und sozioökonomische Zahlen ausgewählter Regionen. Über das Portal, so verspricht Steidel, lassen sich eigene mit externen Daten verknüpfen und so verschiedene Fragestellungen beantworten: Etwa, wo bestimmte Patientengruppen eines Hauses herkommen und wie weit die Marktausschöpfung des Hauses für eine Indikation in einer bestimmten Region ist. Oder ein Krankenhausträger kann sehen, welcher Einweiser welche Patienten in welche seiner Einrichtungen sendet. Wie könnte eine Nachversorgung aussehen? Welche Reha oder Heim-Einrichtungen eignen sich für eine Kooperation? Wieviele meiner Patienten sind Privatpatienten, und wie hoch ist die Kaufkraft in meiner Region, beziehungsweise die Zahl möglicher Patienten, die eine Zusatzversorgung in Anspruch nehmen? Antworten soll das Portal nach wenigen Klicks ausspucken.

Die Informationen für solche Analysen stammen aus verschiedenen Quellen. KMS füttert die Plattform teilweise mit frei verfügbaren Daten wie veröffentlichten Qualitätsberichten, Krankenhaus- und Ärzteadressen, Betten- und Fallzahlen oder Erhebungen des Statistischen Bundesamts. Das Unternehmen kauft aber auch Daten ein - etwa Statistiken zur Kaufkraft, demografische Kennzahlen, Informationen zum Einkommen von Regionen und Gruppen. Die dritte Informationsquelle sollen Daten aus Krankenhäusern sein, die die Häuser eigentlich unter Verschluss halten. KMS garantiert deren Anonymisierung und bietet als Gegenleistung Zugriff auf aggregierte Krankenhausdaten, anhand derer sich die Kliniken, die mitmachen, mit dem Wettbewerb vergleichen können. Das Prinzip ist einfach: Wer Daten zur Verfügung stellt, bekommt kostenlosen Zugriff auf Benchmarks. Wer nicht einwilligt, muss dafür bezahlen. Je mehr Kliniken mitmachen, desto erfolgreicher wird das Projekt. Da KMS in mehr als 400 Kliniken mit Installationen vertreten ist, kommt den KMS-Kunden in der Startphase eine wichtige Rolle zu. Das Portal baue auf der Kliniksoftware von KMS auf, so Steidel. KMS hat Eye on Health deshalb für alle seine Kunden freigeschaltet. Die müssen jetzt entscheiden, ob sie mitmachen - also Daten freigeben.

Microsoft stellt Datensicherheit her

Um Kliniken von solch einem Projekt zu überzeugen, muss das Unternehmen die Frage nach dem Datenschutz befriedigend beantworten, denn die Daten lagern teilweise im Internet. KMS unterscheidet dabei zwischen privaten und öffentlichen Daten. Private Daten verlassen weiterhin nie die Klinik. Der Kunde hat die Kontrolle darüber, wo seine Daten sind: in der Regel in der eigenen IT-Abteilung. "Alles, was öffentlich bereit gestellt wird, können je nach Berechtigung oder teilnehmenden Benutzergruppen auch andere einsehen - allerdings anonymisiert", so Steidel. KMS vertraut dabei auf die Internetwolke Azure von Microsoft. Zum jeweiligen Zeitpunkt einer Onlineabfrage findet eine kurzfristige Verknüpfung von privaten und öffentlichen Daten auf dem Rechner des jeweiligen Benutzers statt.

Das Projekt ist bisher einzigartig. Dass ein solcher Informationsgigant einen echten Mehrwert bringt, bezweifelt jedoch Thomas Brehm, Geschäftsführer des Datawarehouse-Anbieters Cedavis."Für Kliniken sind momentan vor allem Einweiser-Daten von Interesse", so Brehm. "Welcher Arzt hat welche Fälle in welcher Zeit eingewiesen, und wie hat sich das Einweiseverhalten über die Zeit verändert? Denn eine Klinik muss in erster Linie ihre Kunden im Blick haben, also die Institutionen, die dafür sorgen, dass Patienten kommen." Dafür sei ein Portal wie Eye on Health nicht nötig. Eher gehe es darum, die Datenqualität zu optimieren. "Trotz Vergabe von lebenslanger Arztnummer und Betriebsstättennummer sind Einweiser mehrfach in verschiedener Schreibweise vorhanden, bisweilen fehlen Einweiserdaten vollständig, oder interne Ärzte werden als Einweiser ausgewiesen", so Brehm. Cedavis hat bisher Anfragen zum Thema Geomarketing nur von Häusern aus Ballungsgebieten erhalten, wo großer Konkurrenzdruck herrscht. "Es ist ganz nett, sich durch Informationen durchzuklicken, die man nicht braucht, aber nötig ist das oft nicht", resümiert Brehm. In ein Projekt wie Eye on Health investiert Cedavis nicht. Vorstellen kann sich Brehm, dass sein Unternehmen einzelne Projekte anbietet. "Ein entsprechendes Vorhaben für den OP-Bereich wird diskutiert." Das Prinzip wäre ähnlich wie bei KMS: Kliniken geben Daten frei und bekommen im Gegenzug Benchmarks.

20 Häuser sind bisher dabei

KMS setzt auf die Mitarbeit unabhängiger Institute. "So werden Stammdaten der Ärzte nicht von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geliefert, sondern wir arbeiten mit einem Institut zusammen, das diese Daten für Versicherungen und Banken zur Bewertung von Praxen benötigt und jedes Jahr aktualisiert", verrät Steidel. "Wir betreiben hier Pionierarbeit." Denn eine zentrale Wissensplattform für die Gesundheitswirtschaft gibt es bisher nicht. Mit dem Portal hat Steidel Großes vor. Es soll nicht nur Informationen für Klinikmanager liefern, sondern auch ein Service für Patienten werden. Sie sehen Adressen, Qualitätszahlen oder Erfahrungsberichte von Gesundheitseinrichtungen. Neben Patienten und Kliniken soll das Tool auch für die Industrie einen Mehrwert schaffen. "Die Industrie bekommt Daten für ihre Geschäftsaktivitäten, Marktanalysen und Marktpotenziale - unter anderem zur Absicherung von Investitionen", so Steidel. Wenn es funktioniert, könnte das Projekt eine mächtige Informationsmaschine fürs Gesundheitswesen werden. Erfolgreich ist das Projekt nur, wenn viele Kliniken mitmachen. Bisher haben allerdings erst rund zwanzig Kliniken ihre Daten freigeschaltet.

Diesen und weitere interessante Beiträge lesen Sie in der aktuellen kma-Ausgabe Februar 2011.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen