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Kis-MarktZum Wachstum verdammt

Der Wettbewerb zwischen den Anbietern von Krankenhausinformationssystemen ist hart - nur wer deutlich an Klinikkunden gewinnt, wird überleben.

Als sich die Uniklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) 2007 für die Siemens-Software Soarian IC entschied, stellte das Land Hamburg sechs Millionen Euro für die IT bereit. Zusätzlich hat das Land erheblich in Schulungen des Personals investiert. "Wir haben 6.000 Leute geschult, das war ein unheimlicher Aufwand", erinnert sich Peter Gocke, IT-Chef des UKE. Anfangs waren die Mitarbeiter skeptisch, mittlerweile, so Gocke, ist die Software gut akzeptiert.

Die Installation eines neuen Krankenhausinformationssystems (Kis) ist ein Kraftakt, denn die Software ist neben dem Krankenhausbau das infrastrukturelle Rückenmark einer Klinik. Investiert ein Haus in ein Kis, ist das eine langfristige Entscheidung. Denn ein Wechsel kostet viel Geld und Zeit. Bei einer großen Uniklinik wie dem UKE fallen mehrere Millionen Euro an. In der Regel gilt: Ein Haus mit 500 Betten muss für Lizenzen, Schulung und Arbeitsausfall der zu schulenden Mitarbeiter mit einer halben bis einer Million Euro rechen. "Bei 500- bis 600-Bettenhäusern braucht man für die Einführung eines neuen Kis zwischen sechs bis zwölf Monaten. Noch einmal soviel Zeit ist nötig für den Aufbau von Know-how in den Fachbereichen und in der IT für den Support und die Weiterentwicklung auf dem Niveau des alten Kis", erklärt Dirk Herzberger, beim Klinikkonzern Helios verantwortlich für IT.

Firmen bereinigen ihr Portfolio
Laut des Verbands der Hersteller von IT für das Gesundheitswesen (VHITG), dem alle großen Kis-Anbieter angehören, ist die Wechselbereitschaft bei Kliniken gering. Ein Haus bleibt im Schnitt 10 bis 15 Jahre bei einem Anbieter. "2009 gab es 75 neue Kis-Ausschreibungen", erklärt Andreas Kassner, Geschäftsführer des VHITG. Der mit Abstand häufigste Grund für einen Wechsel ist das "Abkündigen". Das bedeutet, ein Anbieter nimmt sein Kis vom Markt. Gerade ist beispielsweise Siemens dabei Clinicom vom Markt zu nehmen, das in etwas mehr als hundert Häusern installiert war. Auch andere Unternehmen wie beispielsweise Tieto kündigen derzeit ab. Die Firmen machen das, um ihr Produkt-Portfolio zu verkleinern: Siemens betreibt beispielsweise insgesamt vier verschiedene Kis. Konkurrent Tieto besitzt immerhin noch drei. Nun nehmen die Firmen einige ihrer Kis vom Markt, in der Hoffnung, die Kunden übernehmen ein anderes ihrer Produkte. "Wenn ein Kis abgekündigt wird, wechselt etwa die Hälfte zu einem Nachfolgeprodukt des bisherigen Anbieters, die andere Hälfte geht zur Konkurrenz", sagt Christoph Becker Geschäftsbereichsleiter Akut bei der Compugroup. Das Unternehmen ist im Markt für Arztsysteme führend, hat sich aber vor zwei Jahren mit den Übernahmen von Fliegel Data und Systema in den deutschen und österreichischen Kis-Markt eingekauft. "Zwei Produktlinien im Klinikmarkt weiterlaufen zu lassen, ist nur für eine gewisse Zeit möglich", erklärt Becker.

Siemens mit Weltmarktstrategie gescheitert
Die Kis-Vielfalt der Unternehmen ist durch Zukäufe in den zurückliegenden Jahren entstanden: Hersteller schlucken Konkurrenten, um ihre Kundenbasis zu vergrößern. Das Wachstum sei überlebenswichtig sagen die Hersteller, und es sei die einzige Möglichkeit, um in einem stagnierenden Markt zu wachsen. Der nächste Schritt ist die Vereinigung der Kis zu einem oder zwei Produkten, auch das sei überlebenswichtig. Denn die Entwicklungskosten für ein Kis, so klagen die Hersteller, seien aufgrund des technologischen Fortschritts enorm. Die Konzentration auf wenige oder nur ein Kis im Portfolio sei überlebenswichtig, um die Kosten auf möglichst viele Kunden umlegen zu können. Auf der Jagd nach Kunden und großen Margen, haben einige Hersteller viel Zeit und Geld darauf verwendet, ein Kis für den Weltmarkt herzustellen - zum Beispiel Siemens. Die Software Soarian IC sollte so ein Welt-Kis werden. Doch der Versuch scheiterte, Siemens ist mit dem Produkt auf die Nase geflogen. "Wir haben die Auffassung, wir bräuchten nur ein Kis, aufgegeben", konstatiert Bernhard Calmer, bei Siemens für Gesundheits-IT verantwortlich. Die Gesundheitssysteme der einzelnen Länder sind zu verschieden, als dass eine Blaupause für alle funktioniert. Siemens setzt heute auf drei Produkte: Medico für die kleineren und mittleren Häuser in Deutschland, ISH-Med international für größere Kliniken, Soarian für "Entrepreneure auf dem Weltmarkt". Siemens beteuert, dass in Zukunft außer Clinicom kein weiteres Kis abgekündigt wird.

Wieviel Geld Siemens in Soarian gesteckt hat, will das Unternehmen nicht verraten. Nur soviel: Von allen drei Kis investiere das Unternehmen nach wie vor am meisten in Soarian. Statt Welt-Kis soll Soarian heute eher Brutstätte für Innovationen sein, die später auch in den anderen Siemens-Kis laufen können. Calmer spricht vom Phaeton-Effekt: "Im Phaeton erprobt VW alle Innovationen, zum Beispiel den Scheibenwischer dieses Modells, der automatisch wischt, wenn es regnet. Diese Innovationen stecken heute in jedem Golf und Passat." Das soll heißen: Einzelne Module von Soarian laufen bereits in Medico oder ISH-Med. Werkstätten dieser Art leisten sich auch andere Anbieter. "Wir haben ein Entwicklungs-Zentrum in Indien, wo wir Kis-Module für die Märkte in Finnland, Schweden oder Deutschland entwickeln", erklärt Andreas Lange, bei Tieto verantwortlich für das Healthcare-Geschäft in Zentraleuropa.

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der aktuellen kma-Ausgabe März. Viel Spaß beim Lesen.

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