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Aufarbeitung des Dritten ReichsKinderpsychiatergesellschaft entschuldigt sich für Verbrechen

Die Gesellschaft der Kinder- und Jugendpsychiater Deutschlands hat sich für die von ihrem Berufsstand im Nationalsozialismus verübten Verbrechen entschuldigt.

Unter den rund 300.000 psychisch Kranken und Behinderten, die während der Nazi-Zeit ermordet wurden, waren mehr als 10.000 Kinder und Jugendliche. "Viele Psychiater waren nur allzu leicht bereit, ihre Patienten einem höheren, kaum hinterfragten Wissenschaftsideal zu opfern", sagte Frank Häßler, Direktor der Rostocker Universitätsklinik für Psychiatrie im Kindes- und Jugendalter, beim Jahreskongress der Gesellschaft in Rostock. Daran nehmen rund 1.400 Wissenschaftler teil. In "Kinderfachabteilungen" der Krankenhäuser wurden die Opfer mit Tabletten oder Injektionen getötet - oder man ließ sie verhungern. Etwa 4.000 Kinder wurden den Forschungen zufolge in die Gaskammern geschickt. Ihre Gehirne und ihr Rückenmark wurden teilweise für wissenschaftliche Zwecken genutzt. Zum Kongress hat die Gesellschaft ein 28-seitiges Memorandum herausgegeben. Damit solle der Opfer gedacht und ihnen ihre Identität und Würde zurückgeben geben, hieß es.

"Beschämend, dass 70 Jahre ins Land gehen mussten"
"Es ist beschämend, dass knapp 70 Jahre ins Land gehen mussten, bis es zu diesem Memorandum gekommen ist", sagte Häßler. Es habe zwar viel Einzelaktivitäten gegeben, aber bislang keine Erklärung zur gesellschaftlichen Verantwortung der Kinder- und Jugendpsychiater für diese Vergangenheit. Darüber hinaus habe es im Nachkriegsdeutschland keine juristische Aufarbeitung gegeben, viele der verantwortlichen Psychiater führten unbehelligt ihre Karrieren fort. Nach Worten des Rostocker Psychiaters Ekkehardt Kumbier ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Zahl der von Psychiatern zu verantwortenden Opfer noch größer ist. Viele Kliniken seien gebeten worden, ihre Archive zu öffnen. Es sei erschreckend, dass das Thema Euthanasie weiter aktuell sei, hieß es in Rostock. In einer wissenschaftlichen Literaturdatenbank seien dazu rund 13.000 Artikel neueren Datums zu finden. Das Thema sei in der Wissenschaft angekommen, nun aber unter ökonomischen Zwängen. "Wenn es einmal zum Dammbruch kommt, und die Ärzte ihren hohen ethischen Standard aufgeben, dann gibt es kein Halten mehr", sagte Häßler. Deshalb habe sich die übergroße Mehrheit der deutschen Ärzte gegen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ausgesprochen. Häßler kritisierte die Diskussion um die Frühdiagnostik auf die chromosomale Erkrankung Trisomie 21, das sogenannte Down-Syndrom. Die meisten betroffenen Eltern entschieden sich für einen Schwangerschaftsabbruch. Dabei seien meisten Menschen mit einem Down-Syndrom kaum in ihrem Leben eingeschränkt.

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