
Auch die dritte Pandemiewelle zeichnete sich durch Fallzahlrückgänge bei vielen klinischen Behandlungen aus, jedoch wirkte sich dieser Dämpfer nicht ganz so stark wie in den ersten beiden Hoch-Phasen aus. Das ergab eine Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) auf Basis der Daten von stationär behandelten AOK-Versicherten.
Danach lag die Gesamt-Fallzahl in diesem Frühjahr (März bis Mai 2021) um 16 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum 2019. Im Juni 2021 bewegten sich die Fallzahlen nur noch fünf Prozent unter dem Niveau von Juni 2019. In der zweiten Welle (Oktober 2020 bis Februar 2021) betrug der Rückgang noch minus 20 Prozent, in der ersten Welle im Frühjahr 2020 (März bis Mai) sogar minus 27 Prozent.
Auffällig ist die Entwicklung bei den sogenannten ambulant-sensitiven Krankheitsbildern. Wido-Geschäftsführer Jürgen Klauber kommentiert die Situation in deutschen Krankenhäusern: "Bei Krankenhausbehandlungen zu Indikationen wie Diabetes, Herzinsuffizienz oder der chronischen Lungenerkrankung COPD, die auch von entsprechend qualifizierten niedergelassenen Ärzten behandelt werden können, sehen wir weiterhin sehr starke Einbrüche von bis zu 50 Prozent."
Aus der neuen Auswertung geht hervor, dass auch das Durchschnittsalter der Patientinnen und Patienten mit Covid-19, die zu Beginn der dritten Welle in den deutschen Kliniken behandelt wurden, im Vergleich zu den vorangegangenen Pandemiewellen gesunken ist.
Unterschiedlich starke Veränderungen der Fallzahlen
Verschiedene Behandlungen sind von dieser Tendenz unterschiedlich betroffen. So ist bei den Brustkrebs-Operationen in der dritten Welle von März bis Mai 2021 eine weitgehende Rückkehr zu den Fallzahlen vor der Pandemie festzustellen. Bei den Darmkrebs-Operationen beobachtet Wido dagegen erneut einen Rückgang: Hier lagen die Fallzahlen in diesem Zeitraum immer noch 13 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum 2019. In der ersten Pandemiewelle von März bis Mai 2020 war bei den Darmkrebs-Operationen ein Minus von 17 Prozent gegenüber 2019 zu verzeichnen gewesen, in der zweiten Welle waren es minus 18 Prozent.
Eine Erklärung dafür bietet Jürgen Klauber: "Wir vermuten, dass der Rückgang der Darmkrebs-Operationen mit reduzierter vorgelagerter Diagnostik im ambulanten Bereich zusammenhängt. Koloskopien zur Erkennung von Darmkrebs wurden in der ersten Pandemiewelle deutlich seltener durchgeführt. Für die Folgewellen liegen uns die Zahlen aus der ambulanten Versorgung allerdings noch nicht vor."
Auch die Fallzahlen für die Behandlung von Notfällen wie Schlaganfällen und Herzinfarkten liegen in der dritten Pandemiewelle weiterhin unter dem Niveau der Vorpandemiezeit (minus 11 Prozent bei Herzinfarkten, minus 8 Prozent bei Schlaganfällen).
Deutlich geringere Rückgänge bei planbaren Operationen
Bei den planbaren Operationen gab es in der dritten Welle deutlich geringere Rückgänge als in den beiden ersten Wellen. Wegen der politisch verordneten Verschiebung von weniger dringlichen Eingriffen waren die Fallzahlen hier zu Beginn der Pandemie sehr stark eingebrochen. "Bei den Hüftimplantationen beispielsweise sehen wir zuletzt nur noch einen Rückgang von 13 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Frühjahr 2019." In der ersten Pandemiewelle waren es noch minus 44 Prozent, in der zweiten Welle minus 22 Prozent.
Umso bemerkenswerter ist die Entwicklung bei den ambulant-sensitiven Diagnosen: Bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD ist in der dritten Welle wieder ein Einbruch von 45 Prozent zu verzeichnen - ähnlich wie in der zweiten Welle (minus 51 Prozent). Vergleichbar starke Fallzahlrückgänge gab es bei der Behandlung von Asthma. Bei Diabetes und Herzinsuffizienz lagen die Rückgänge in der dritten Welle bei 22 beziehungsweise 16 Prozent und damit etwas geringer als in der zweiten Welle (minus 27 beziehungsweise 23 Prozent).
"Die Zahlen sind ja schon zu Beginn der Pandemie deutlich gesunken und haben selbst im letzten Sommer trotz des sehr niedrigen Infektionsgeschehens nicht mehr das Niveau des Jahres 2019 erreicht", sagt Jürgen Klauber. "Möglicherweise befördert die Pandemie hier einen grundlegenden Strukturwandel in der Versorgung ambulant-sensitiver Fälle. Deutschland hat im europäischen Vergleich einen sehr hohen Anteil solcher Fälle, die im Krankenhaus behandelt werden, während dies in anderen Ländern schon deutlich länger ambulant funktioniert."


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