
Als ausgewiesenen Sanierer sieht sich Holger Baumann nicht. Lieber „gestalte ich Change-Prozesse“, sagt der Geschäftsführer der Kliniken Köln. Mit diesem Anspruch habe er im August 2018 bei den Städtischen Kliniken angeheuert, zunächst für zwei Jahre, dann bis August 2023. Baumann wollte was verändern – doch nun beendet er seinen Vertrag bereits zum September 2022. Mit Frustration über jahrelange und bislang ergebnislose Gedankenspiele zu einer Fusion mit der Kölner Uniklinik, oder klammen Finanzen habe sein Abgang von der operativen Führungsspitze nichts zu tun, versichert er. Verantwortlich dafür seien persönliche Gründe. Allerdings: Auch Finanzchef Daniel Brozowski und der Klinische Direktor Prof. Dr. Horst Kierdorf haben die Kliniken inzwischen verlassen, in beiderseitigem Einvernehmen, sagt Aufsichtsratschef Ralf Unna. Mit der Berufung von Prof. Dr. Axel Goßmann als neuem Klinischen Direktor und dem vom Klinik-Beratungsunternehmen Consus entsandten Manuel Berger als Interims-Chief Restructuring Officer sind bereits neue Spitzenkräfte kommissarisch an Bord.
Die Vorgänge sind vermutlich ein Zeichen dafür, dass der Druck wächst. Das Warten auf die dringend notwendigen Entscheidungen zerrt offenbar an den Nerven vieler Beteiligter. Die Hängepartie bei den kommunalen Kliniken der Stadt Köln erschwere die Personalakquise und die strategische Weiterentwicklung, sagt Baumann. „Wir brauchen eine Perspektive, der Wartestand zermürbt“. Es muss endlich eine Lösung gefunden werden, die die Zukunft der hoch defizitären Häuser absichert.
Kliniken am Wendepunkt
Falls die angedachte Fusion nicht zustande komme, müsse die Reißleine gezogen und ein harter Sanierungskurs gefahren werden, warnt er. Dafür sei er nicht der Richtige, sagt Baumann: „Die notwendige Neuaufstellung braucht Menschen, die den schwierigen Prozess über die gesamte Dauer begleiten können“. „Wir sind an einem Wendepunkt“, unterstreicht Aufsichtsratschef Unna.
Auf 48 Millionen Euro summierten sich die Verluste der Städtischen Kliniken im Jahr 2020, schnelle Besserung ist erst einmal nicht in Sicht. Die in einem früheren Sanierungsgutachten zu Grunde gelegte Leistungssteigerung um acht Prozent wurde nicht erreicht: „In den Strukturen, in denen wir arbeiten, ist das von vornherein ein unglaublich ambitioniertes Ziel“, sagt Baumann. Stattdessen sinken die Patientenzahlen: Von 57 000 stationären Fällen im Jahr 2019 auf zuletzt 48 500.
Teilweise ist dafür auch die Pandemie verantwortlich, viele planbare Operationen konnten nicht stattfinden. Doch waren die Städtischen Kliniken auch Covid-Schwerpunktzentrum: Der Chef des ECMO Zentrums am Standort Merheim, Prof. Dr. Christian Karagiannidis, ist Sprecher und wissenschaftlicher Leiter des DIVI Intensivregisters und Mitglied des Expert*innenrats der Bundesregierung und der neuen Regierungskommission von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach.
Schwierige Standortstruktur
Zwei Dauerbaustellen gibt es, die den Kliniken der Stadt Köln zu schaffen machen: neben der seit Jahren schwelenden Diskussion über ein Zusammengehen mit dem Kölner Uniklinikum ist es vor allem die schwierige Standortstruktur, die zu Reformen zwingt. Doch beide Projekte sind hoch politisch und heftig umkämpft.
Zum schwer lösbaren Problem entwickelte sich die Rivalität der Standorte Merheim und Holweide: Beide sind nur etwas über einen Kilometer voneinander entfernt und nicht ausgelastet. Der Trend zur Ambulantisierung, die Pandemie, der Mangel an Pflegekräften, die bauliche Situation: die Gründe sind in beiden Häusern ähnlich. Allerdings verfügt Merheim über einen Neubau und damit die bessere Infrastruktur. Die Gebäudesubstanz am Standort Holweide ist sanierungsbedürftig, zu groß für die Nachfrage und produziert deshalb hohe Betriebskosten. Dennoch ist eine Verlagerung der klinischen Versorgung ein Politikum. SPD und Linke bemängeln die Aufgabe der klinischen Vollversorgung vor Ort. Damit würden vor allem sozial schwächere Kölner Stadtteile weiter benachteiligt.
Holweide soll Ärztehaus werden
Nach der bisherigen Planung soll das mit rund 800 Betten knapp doppelt so große Merheim bleiben und den stationären Betrieb des Nachbarhauses weitgehend aufnehmen. Holweide würde umfunktioniert in ein Ärztehaus mit angeschlossener Notaufnahme und eventuell einem altersmedizinischen Schwerpunkt. „Die Zusammenführung der beiden Standorte in Merheim ist eine vernünftige und notwendige Lösung“, sagt Baumann. Das Konzept tauge sogar als Referenzmodell für andere städtische Ballungsräume mit hoher Klinikdichte. Ein Antrag zur Förderung der notwendigen Umbaumaßnahmen aus dem Krankenhaus-Strukturfonds sei gestellt. Bis Oktober werde die Raumplanung fertig sein.
Auch mit weiteren Sanierungsprojekten sieht sich die Geschäftsführung im Zeitplan: „Wir haben einen großen Change- und Strategiefindungsprozess in Gang gesetzt“, sagt Baumann. Dazu gehöre ein neues Medizinkonzept mit einer stärkeren Ausrichtung in interdisziplinären Zentren: Anders als üblich habe man diesen Zentren bewusst auch eine gewisse kaufmännischen Autonomie zugestanden. Die Arbeitsorganisation solle sich eng an den Erfordernissen der jeweiligen Kliniken orientieren. Im Jahr 2020 wurde eine Betriebsvereinbarung unterzeichnet.
Inzwischen sind das Zentrum für Interdisziplinäre Viszeralmedizin und das Zentrum für Unfallchirurgie und Sportmedizin sowie Plastische- und Wiederherstellungschirurgie in Betrieb. Die Vorbereitung für zwei weitere Zentren sei so gut wie abgeschlossen, im September steht die Gründung eines vierten an: „Dann sind etwa 50 Prozent des medizinischen Leistungsspektrums in Zentren organisiert“, betont Baumann.
Stadt will Fusion mit Uniklinik
Noch kaum weitergekommen sind die Kölner dagegen in der Dauer-Fusionsdebatte. Die Stadt Köln als Trägerin der Städtischen Kliniken will den Zusammenschluss unbedingt. Sie sieht die Rheinmetropole bereits zu einem nationalen Leuchtturmstandort der Medizin und Gesundheitswirtschaft avancieren. Durch die Fusion entstünde mit knapp 3000 Betten und mehr als 15 000 Mitarbeitern eines der größten Krankenhäuser Deutschlands. Kritiker halten den Verbund damit schlicht für zu groß und unregierbar.
Bereits im Herbst 2017 hatte sich die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker für ein Zusammengehen ausgesprochen. „Die personellen Änderungen in der Geschäftsleitung der Kliniken der Stadt Köln haben keine Auswirkungen auf das Bestreben der Stadt Köln, die Kliniken der Stadt Köln und das Universitätsklinikum Köln zu einem Klinikverbund zusammenzuführen,“ formuliert ein Sprecher nun. Die Entscheidung liege aber beim Land Nordrhein-Westfalen.
Die Landesregierung ist aber noch unschlüssig. Unter anderem geht es um die Frage, wer die Sanierung bezahlen soll. Immer wieder hatte die Stadt in der jüngeren Vergangenheit Bankkredite ablösen und Verluste abfangen müssen. Es drohen somit neue Belastungen für den Landeshaushalt. Das Ergebnis der Fusionsverhandlungen wird darüber hinaus auch in anderen NRW-Großstädten wie Münster oder Essen mit einiger Spannung verfolgt. Und am 15. Mai 2022 sind Landtagswahlen.
Die Betrachtung der Risiken konzentriere sich zu Unrecht und einseitig auf die Finanzen der Kliniken der Stadt, heißt es aus deren Umfeld. „Das Defizit des Uniklinikums ist beinahe doppelt so hoch wie das der Kliniken Köln – beide sind Maximalversorger in Köln“ betont auch Aufsichtsratschef Unna: „Das Uniklinikum hat für Investitionen ein Vielfaches mehr bekommen als die Städtischen Kliniken“. Dabei sei das Land für die investive Ausstattung beider Häuser zuständig.
Wissenschaftsrat warnt
Das Uniklinikum verspricht sich von einer Fusion eine breitere Patienten- und Forschungsbasis und dadurch hohe Synergien vor allem im Einkauf und in der Einwerbung von Studien und Drittmitteln. Eine Machbarkeitsstudie im Auftrag der Stadt ermittelte ein jährliches Synergiepotenzial von 42,7 Millionen Euro, das nach fünf Jahren voll realisiert würde. Allerdings warnte der Wissenschaftsrat, der Bundes- und Länderregierungen zur Hochschul- und Forschungspolitik berät, vor möglicherweise erheblichen finanziellen Folgen für die Uniklinik.
Der geplante Klinikverbund sei eine gute Sache, sagt Geschäftsführer Baumann. Doch die Diskussion ziehe sich inzwischen zu lange hin. „Im Herbst 2019 hat der Rat der Stadt Köln das Konzept zum Klinikverbund mit großer Mehrheit gebilligt“, kritisiert Unna. „Wir haben bis heute keine Antwort erhalten. Seit zweieinhalb Jahren hat sich die Landesregierung nicht erklärt und es gibt keinen Kabinettsbeschluss.“
Eine Due Diligence-Bewertung im Auftrag des Landes sei derweil fertig. Die Finanzierungssituation und die Bewertung der Bauten und IT-Ausstattung seien ebenso betrachtet worden wie die Personalsituation, sagt Baumann: „Man sieht Chancen und auch Risiken“.
„Der Klinikverbund muss nach den Wahlen in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden, sonst ist der Drops gelutscht“, betont Aufsichtsratschef Unna. In diesem Fall würde vermutlich auch der Druck auf die Stadt enorm zunehmen. Als Alternativen stehen entweder eine Sanierung in Eigenregie oder die Suche nach einem anderen Kooperationspartner im Raum. „Die Kliniken setzen den eingeschlagenen Weg der Sanierung mit einer neu aufgestellten Geschäftsleitung fort“, formuliert zunächst der Sprecher der Bürgermeisterin. Mit einer Entscheidung des Landes rechnet Geschäftsführer Baumann frühestens Ende des Jahres.





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