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Krankenhaus-MordserieKlinikum Oldenburg im Visier der Ermittler

Vor einem Jahr verurteilten die Richter den Krankenpfleger Niels H. zu lebenslanger Haft. Er hatte am Klinikum Delmenhorst Patienten eine Überdosis eines Herzmedikamentes gespritzt. Viele überlebten nicht. Eine Sonderkommission der Polizei überprüft immer noch mehr als 200 Verdachtsfälle an früheren Arbeitsstellen des Ex-Pflegers. Im Visier der Ermittlungen steht auch das Klinikum Oldenburg.

Mehrmals gruben die Ermittler in den letzten Monaten auf Friedhöfen die Leichen von Patienten des Delmenhorster Klinikums aus, die während der Dienstzeit von Niels H. dort starben. Das Ergebnis: Bei 21 von ihnen fanden Gerichtsmediziner Spuren des todbringenden Herzmedikaments. Der heute 39-Jährige spritzte das Medikament, erlitten die Patienten einen Kollaps, reanimierte er sie. Für viele endete das Spiel tödlich. Die Exhumierungen werden die Soko voraussichtlich noch mehrere Monate beschäftigen. 40 Angehörige hoffen, nach Jahren endlich Gewissheit über das Schicksal ihrer Eltern oder Ehepartner zu bekommen.

Lange hatte der Angeklagte im Prozess geschwiegen, die meiste Zeit scheinbar ungerührt vor sich hingestarrt. Dann endlich sprach er über seine Motive. "Es war der klinische Alltag, der mich unterforderte", begründet er damals seine Taten. Immer, wenn er jemanden reanimieren konnte, fühlte er sich wie ein Held, war zufrieden mit sich. Doch lange hielt das nie an. Es sei wie eine Art Sucht gewesen, erzählt er. "Das Ausmaß meiner Straftaten habe ich damals gar nicht realisiert."

Klinikum Oldenburg kündigte dem Pfleger
An die Gesichter seiner Opfer und wie viele es waren, daran kann sich Niels H. nach eigenen Angaben nicht erinnern. Etwa 90 Mal will er Patienten eine Überdosis gespritzt haben. Bis zu 30 sollen gestorben sein. Allerdings will er Patienten nur in seiner Delmenhorster Zeit von 2003 bis 2005 geschadet haben. Daran zweifeln aber die Ermittler. Auch an seiner vorherigen Arbeitsstelle am Klinikum Oldenburg entdeckte ein Gutachter anhand von Krankenakten zwölf auffällige Todesfälle. Ob sich der Verdacht bestätigt, muss sich noch zeigen.

Doch bereits in Oldenburg hatte man ein ungutes Gefühl. Erst wurde der Pfleger versetzt, später trennte man sich von ihm. In Delmenhorst dauerte es dann mehr als zwei Jahre, bis im Sommer 2005 eine Kollegin Niels H. auf frischer Tat ertappte. Warnzeichen gab es aber schon lange vorher: Im Prozess berichten frühere Kollegen immer wieder, dass es auffällig oft Wiederbelebungen während der Schicht von Niels H. gab. Der Verbrauch des Herzmedikaments stieg in seiner Zeit auf der Intensivstation sprunghaft, die Todesrate verdoppelte sich beinahe. Konsequenzen hatte das nicht.

Ermittlungen wegen unterlassener Hilfeleistung
Gegen acht seiner früheren Kollegen in Delmenhorst und Oldenburg ermittelt die Staatsanwaltschaft deshalb wegen Totschlags durch Unterlassen. Hätte Niels H. gestoppt werden können? Wie viele Menschen er am Ende getötet hat, wird die Polizei nicht mehr klären können. Viele Patienten sind nach ihrem Tod eingeäschert worden - ein Nachweis des Herzmedikaments ist deshalb unmöglich. Wichtig wäre die Gewissheit vor allem für die Angehörigen. Doch am späteren Strafmaß wird sich nichts ändern: In Deutschland gibt es nur einmal lebenslang.

Was damals geschah.

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