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MühlenkreisklinikenZwei Klinik-Neubauten schlagen hohe Wellen

Zwei Neubauten sollen die sanierungsbedürftige Bausubstanz der Mühlenkreiskliniken (MKK) ersetzen und den Medizinbetrieb der kleineren und unwirtschaftlichen Häuser aufnehmen. Das Land stellt eine Förderung aus dem Strukturfonds in Aussicht. Doch der Streit um hohe Neubaukosten erhitzt die Gemüter.

Fahnen Mühlenkreiskliniken
Mühlenkreiskliniken
Mühlenkreiskliniken

Mit einem Bürgerentscheid wollen die Mitglieder einer parteiübergreifenden Bürgerinitiative die Neubaupläne der Mühlenkreiskliniken (MKK) im Landkreis Minden-Lübbecke zu Fall zu bringen. Stattdessen fordern sie, die bereits bestehenden aber in die Jahre gekommenen Krankenhausstandorte in der Kreisstadt Lübbecke und im 15 000 Einwohner zählenden Städtchen Rahden zu erhalten. Mit ihrem Vorstoß wollen sie die noch jungen Beschlüsse des Minden-Lübbecker Kreistages kippen. Als Eigentümer der Mühlenkreiskliniken hatte sich der Kreis gerade erst für ein ehrgeiziges Neubaukonzept entschieden, welches unter anderem die Konzentration von fünf auf zwei Klinikstandorte vorsieht.

Der Unmut der protestierenden Bürger entzündet sich hauptsächlich an veranschlagten Baukosten in Höhe von 528 Millionen Euro, von denen wahrscheinlich 178 Millionen Euro aus dem Krankenhausstrukturfonds des Bundes finanziert werden können. Abzüglich eines von der Klinikgruppe selbst zu tragenden Eigenanteils von 70 Millionen Euro blieben 280 Millionen Euro, die der Kreis stemmen müsste.

Der Streit erhitzt die Gemüter seit Monaten. Im März hatten sich auch noch ehemalige Chefärzte öffentlich zu Wort gemeldet und für eine Sanierung der alten Bausubstanz plädiert. Der Vorstoß fand öffentliche Beachtung. Der Bürgermeister von Lübbecke, Frank Haberbosch, ging in Interviews auf Distanz

Hohe Ausgaben in der Kritik

Der Vorstandschef der Mühlenkreiskliniken, Dr. Olaf Bornemeier, muss sein Konzept in diesen Tagen immer wieder verteidigen und erklären: in kommunalen Gremiensitzungen, Informationsveranstaltungen und Interviews. Er zitiert die Berechnungen der Architekten und Berater, die die möglichen Szenarien in den vergangenen Jahren durchgerechnet haben. „Es gab nie eine Vorfestlegung“, betont er. Das Modell, das er vertrete, habe sich im Vergleich mit anderen durchgesetzt. Das Unbehagen angesichts der großen Ausgaben könne er verstehen, sagt er: „Vor allem einige kommunaler Bürgermeister, die Gemeinden vorstehen, welche nicht unmittelbar von den Neubauten profitieren werden, sehen die hohen Ausgaben kritisch“.

Die Wogen in der Region schlagen auch deshalb hoch, weil die Mühlenkreiskliniken in der Gegend ein medizinisches Schwergewicht sind. Der 2006 aus Fusionen hervorgegangene Klinikkonzern mit fünf Standorten versorgt die mehr als 300 000 Bewohner des Kreises Minden-Lübbecke im Nordosten Nordrhein-Westfalens, im Norden des Regierungsbezirks Detmold und der Region Ostwestfalen-Lippe.

Das Problem für den kommunalen Träger: Auf Kreis und Klinikgruppe kommen hohe Ausgaben zu, ob nun neu gebaut wird, oder nicht. Die Bausubstanz ist überwiegend sanierungsbedürftig. Vor allem die die Krankenhausgebäude in Lübbecke und Bad Oeynhausen seien in einem schlechten Zustand, argumentiert das Konzernmanagement: Wasserleitungen, Lüftung, Brandschutz, Stromleitungen, Fenster, Sanitärbereiche, Fassaden, Dächer, überall müsste Hand angelegt werden. Allein am Krankenhaus Lübbecke habe es im Jahr 2021 im Wochendurchschnitt zwei Wasserrohrbrüche gegeben. Eine Sanierung im laufenden Betrieb würde außerdem mindestens 15 Jahre dauern, betont Bornemeier.

Schönheitsreparaturen helfen nicht

Vor Jahren schon kalkulierten beauftragte Architekten die voraussichtlichen Instandsetzungskosten: Am Krankenhaus Lübbecke müssten demnach 155 Millionen Euro eingesetzt werden, am Krankenhaus Bad Oeynhausen 115 Millionen Euro und an der Auguste-Viktoria-Klinik (AVK) 70 Millionen Euro. Mögliche Kostensteigerungen in Folge der aktuellen Krisen seien in diesen Berechnungen noch gar nicht enthalten.

Vor allem aber, sagt Bornemeier, lösen Schönheitsreparaturen nicht das eigentliche Problem – die Defizite in der Gebäudestruktur: Insbesondere das Krankenhaus Lübbecke habe eine feste Grundstruktur mit vielen tragenden und massiven Wänden“: zu wenig Platz auf den Stationen, notwendige Veränderungen seien kaum umsetzbar. Notaufnahme, Intensivstation, Kreißsaal, OP und Diagnostikzentrum könnten zwar einzeln saniert werden – den Anforderungen moderner medizinischer Abläufe würden sie damit aber immer noch nicht genügen. Außerdem wäre eine Bestandssanierung nicht förderfähig.

Berater warnen vor negativem Betriebsergebnis

Um mögliche Alternativen aufzuzeigen, wurde eine Analyse in Auftrag gegeben. Die Gutachter der Hamburger Unternehmensberatung Lohfert & Lohfert argumentierten, ohne wirkliche Umstrukturierung gerieten die Mühlenkreiskliniken auch vor dem Hintergrund veränderter Mindestanforderungen in der Krankenhausplanung zunehmend in die Defensive.

Es fehlten die Mittel für Innovationen und eine Weiterentwicklung des Portfolios. Der betriebskritische Sanierungsbedarf für die kommenden Jahre summiere sich auf von mehrere hundert Millionen Euro. „Das verbleibende Leistungsspektrum wird zunehmend unattraktiv und unwirtschaftlicher und gefährdet den Erhalt der kommunalen Trägerschaft“, warnten die Berater. „Es besteht die Gefahr, dass das konzernweite Betriebsergebnis negativ wird“.

Probleme sagten die Krankenhausexperten vor allem für die kleineren Standorte in Lübbecke, Rahden und Bad Oeynhausen voraus. Es werde zunehmend schwieriger, die Strukturvoraussetzungen für das Angebot aufwendiger spezialisierter Leistungen zu erfüllen. Teile des Personals würden sich daraufhin abwenden und noch mehr Leistungsangebote müssten vom Markt genommen werden. Die jüngst verabschiedete neue Systematik zur Krankenhausplanung in NRW soll die stationäre Versorgung modernisieren und stärker am Versorgungsbedarf ausrichten. „Diese neuen Anforderungen an die Dienstleister im Gesundheitswesen benötigen andere Strukturen: weniger Betten, dafür mehr Diagnostikräume, mehr Wartebereiche, mehr Eingriffsräume“, argumentiert Bornemeier.

NRW stellt 178 Millionen Euro Förderung in Aussicht

Kern des ehrgeizigen Konzepts, mit dem sich die Mühlenkreiskliniken nun zukunftsfest machen wollen, ist eine Zusammenfassung der sanierungsbedürftigen Krankenhausstandorte in zwei Neubauten in Bad Oeynhausen und im Lübbecker Land. Einstimmig habe sich der Kreistag im Oktober 2021 dafür entschieden, betont Bornemeier.

Möglich wird die geplante Neuaufstellung durch eine Förderung aus dem Krankenhausstrukturfonds II. Das Land NRW hatte unlängst Unterstützung in Höhe von 178 Millionen Euro für die Baumaßnahme angekündigt, allerdings auch eine Überarbeitung des vorliegenden Förderantrags verlangt. Dieser wurde fristgerecht am 15. Juli 2022 eingereicht. Die finale Entscheidung liegt beim Bundesamt für Soziale Sicherung.

Mit den Geldern aus dem Strukturfonds sollen Krankenhäusern Anreize gegeben werden, Leistungen zu konzentrieren und Doppelstrukturen abzubauen. Nach Ansicht des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) muss das Management die entstehenden Konzentrationseffekte noch besser herausarbeiten, weil nur die gefördert werden. An der Förderfähigkeit bestehe auch unter den nachgeforderten Kriterien aber kein Zweifel, ist Bornemeier überzeugt. Danach folgen europaweite Ausschreibungen, Architektenentwürfe mit präzisierten Kostenaufstellungen: Eine finale Zustimmung ist frühestens Mitte 2024 wahrscheinlich.

Wird sich der Kreis von RWE-Anteilen trennen?

Von den voraussichtlichen Gesamt-Baukosten entfallen etwas über 300 Millionen Euro für das Klinikum Lübbecker Land und 225 Millionen Euro für das Krankenhaus Bad Oeynhausen. Um die Baukosten aufzubringen, wird sich der Kreis womöglich von Anteilen am Energiekonzern RWE trennen müssen. Zur Debatte steht auch eine Erhöhung der so genannten Kreisumlage, eine von den kreisangehörigen Gemeinden an den Landkreis zu zahlende Umlage zur Finanzierung öffentlicher Leistungen. Beide Optionen sind nicht übertrieben populär.

Der geforderte Eigenanteil von 70 Millionen Euro, den die Mühlenkreiskliniken selbst aufbringen müssen, hält Bornemeier für schaffbar. Vor allem vor dem Hintergrund einer verbesserten Wirtschaftlichkeit als Resultat moderner baulicher Strukturen und dadurch ermöglichter Prozessverbesserungen. Das Klinikum Lübbecker Land könnte im Jahr 2028 fertiggestellt sein. Für das Krankenhaus Bad Oeynhausen gehen die Planer von einer etwas längere Bauzeit bis zum Jahr 2032 aus.

Betriebsergebnisse schrumpfen

Relativ gut seien die Mühlenkreiskliniken durch die schwierigen Pandemiejahre gekommen, sagt Bornemeier. Das liege vor allem an einer modernen Laborausstattung: „Wir verfügen im Verbund über hochautomatisierte Labore und Testzentren. So haben wir die ganze Region versorgen können. Wir haben sogar die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen und am Flughafen getestet“. Dadurch habe man Verluste aus dem Kerngeschäft kompensieren können.

Diese Sondereffekte könne man aber nicht in die Zukunft fortschreiben: „Die vor drei Jahren geltenden Grundannahmen gelten weiterhin“, betont Bornemeier. Die Betriebsergebnisse schrumpfen kontinuierlich. Im Jahr 2019 hatte das konzernweite Betriebsergebnis nur noch knapp über einer halben Million Euro gelegen – bei Gesamterlösen von ca. 450 Millionen Euro. Für das laufende Jahr prognostiziert der Konzernchef immerhin ein ausgeglichenes Ergebnis.

Das Gutachten der Hamburger Beratungsgesellschaft Lohfert & Lohfert zu den Entwicklungsperspektiven der MKK zeichnete ein alarmierendes Bild: ohne Strukturveränderungen, argumentierten die Berater, gerate der Krankenhausverbund in eine Abwärtsspirale:

Fallzahlen, Case-Mix und Belegtage im Kreis Minden-Lübbecke seien seit 2017 rückläufig. Dieser Trend sei für alle MKK Standorte sichtbar.

Die Betriebsergebnisse der MKK hätten sich seit 2016 um fast 6 Millionen Euro verschlechtert. Bei Gesamterlösen von ca. 450 Millionen Euro habe das konzernweite Betriebsergebnis im Jahr 2019 nur rund 0,6 Millionen Euro betragen. Es bestehe die Gefahr, dass das konzernweite Betriebsergebnis zukünftig negativ wird.

Die Leistungserbringung am Standort Rahden sei durch Strukturvorgaben der neuen Krankenhausplanung stark gefährdet.

Bei Fortsetzung des Status-Quo, so die Analyse, würden Teile des Leistungsangebotes nicht mehr erbracht werden können. Es drohten Leistungsverluste, eine ineffiziente Nutzung von Infrastruktur und Personal mit negativen wirtschaftlichen Effekten. Die kleineren Standorte in Lübbecke, Rahden und Bad Oeynhausen würden Probleme bekommen, spezialisierte, aufwändige Leistungen anzubieten und abzurechnen.

Insbesondere die Versorgung am Standort Rahden könne – unter anderem wegen der neuen Planungsvorgaben – nicht gehalten werden.

Insgesamt müssten Leistungsangebote müssen vom Markt genommen werden. Die MKK könnten zunehmend nur noch auf Entwicklungen reagieren, nicht mehr selbst agieren. Das zukünftige medizinische Portfolio werde extern bestimmt, notwendige Anpassungsmaßnahmen könnten nur noch schwer getroffen und verlorene Marktanteile nur schwer zurückgewonnen werden. Mittel für Innovationen und Weiterentwicklung des Portfolios würden knapp.

Der betriebskritische Sanierungsbedarf belaufe sich auf mehrere 100 Millionen Euro. Das verbleibende Leistungsspektrum werde zunehmend unattraktiv und unwirtschaftlicher und gefährde den Erhalt der kommunalen Trägerschaft.

Für die Gutachter ergaben drei mögliche Szenarien:

  • Neubau im Lübbecker Land und in Bad Oeynhausen
  • Neubau Lübbecker Land Sanierungskonzept Bad Oeynhausen
  • Neubau Bad Oeynhausen und bauliche Sanierungskonzepte für die Standorte im
    Lübbecker Land

„Die durch Szenario 1 erreichbare, deutlich gestiegene Wirtschaftlichkeit ist den Investitions- und
Modernisierungsbedarfen gegenüberzustellen.“  

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