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PilotprojektMünchen Klinik setzt auf fliegende Heli-Ärzte zur Schlaganfallversorgung

Das „Flying Intervention Team“ (FIT) der München Klinik Harlaching ermöglicht eine um 90 Minuten schnellere Patientenverlegung. Die Fliegenden Helikopter-Ärzte sparen damit wichtige Zeit in der Schlaganfallversorgung.

Flying Intervention Team München Klinik Harlaching
München Klinik
Handelt es sich um einen Schlaganfall bei dem eine Thrombektomie durchgeführt werden muss, starten die Ärzte der München Klinik Harlaching per Helikopter und führen den Eingriff direkt in der Partnerklinik durch.

Bei dem Pilotprojekt der München Klinik Harlaching fliegen Ärzte aus München in Partnerkliniken im Umland, um schwere Schlaganfälle direkt vor Ort zu versorgen. Nach dem Motto „Time is brain“ ist Zeit bei der Schlaganfallversorgung der entscheidende Faktor, denn beim Schlaganfall sterben pro Minute rund 1,9 Millionen Nervenzellen. Die Zeitersparnis im Vergleich zur üblichen Verlegung von Patienten aus ländlichen Gebieten in ein Schlaganfallzentrum bedeutet für die Patienten daher höhere Überlebenschancen und eine Minimierung des Risikos für Folgeschäden auch bei schweren Schlaganfällen. Am 7. November 2020 wurden die ersten Ergebnisse der Projektphase auf dem Welt-Schlaganfall-Kongress der Fachwelt vorgestellt.

Patienten während Flug auf Eingriff vorbereitet

Die Datenauswertung, bei der 60 FIT-Flüge mit 57 Patientenverlegungen verglichen wurden zeigt, dass im FIT-Projekt durchschnittlich eine Zeitersparnis von 90 Minuten erreicht werden konnte. Die Zeit von der Ankunft des Patienten im Krankenhaus bis zum Eingriff konnte sogar um rund 110 Minuten verringert werden im Vergleich zur Verlegepraxis – da der Patient während des Heli-Fluges bereits auf den Eingriff vorbereitet werden kann und die sogenannte Thrombektomie zur Wiedereröffnung der Gefäße direkt nach Eintreffen der Spezialisten durchgeführt werden kann. Bei der Verlegepraxis kann die aufwändige Patientenvorbereitung erst nach dem Patiententransport stattfinden. Von der Zeitersparnis profitieren die Patienten direkt und dauerhaft – viele Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Patienten mit einer schnelleren Therapie bessere Chancen auf ein gutes Behandlungsergebnis haben und dass das Risiko für eine bleibende Behinderung sinkt.

Pilotphase läuft seit 2018

Um vergleichen zu können, ob die fliegenden Ärzte schneller sind als die bislang angewandte Patientenverlegung, wird das Projekt während der Pilotphase im wöchentlichen Wechsel durchgeführt. In einer Woche wurden Patienten, die für einen speziellen Kathetereingriff (Thrombektomie) in Frage kommen, in ein Schlaganfallzentrum mit spezialisierten Neuroradiologen verlegt. In der anderen Woche fliegen die Neuroradiologen direkt zum Patienten – und führen den Eingriff vor Ort in einer Partnerklinik im bayerischen Umland durch.

Die Pilotphase des Hubschrauberprojekts läuft seit Februar 2018 und soll zeigen, ob sich dahinter das Modell der Zukunft verbirgt. Schlaganfall-Experten aus der München Klinik Harlaching haben das Projekt initiiert und leiten die Untersuchung, die von den Bayerischen Krankenkassen zunächst für einen Zeitraum von drei Jahren finanziert wird. Die Flüge wurden in der Pilotphase gemeinschaftlich von spezialisierten Neuroradiologen der München Klinik Harlaching und aus dem Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München übernommen.

Mechanische Schlaganfallbehandlung in die Fläche bringen

Der Schlaganfall ist mit rund 270 000 jährlichen Betroffenen in Deutschland eine Volkskrankheit und hierzulande die dritthäufigste Todesursache. Vielen schwer betroffenen Patienten kann seit einigen Jahren eine neue Behandlungsmethode helfen: die Thrombektomie. Dabei wird das Blutgerinnsel, das eine Hirnarterie verstopft, mechanisch mithilfe eines Katheters entfernt und die Durchblutung wiederhergestellt. Der Eingriff erfordert eine hohe medizinische Expertise und muss so schnell wie möglich durchgeführt werden. Erhält der Patient die Behandlung rechtzeitig, lassen sich dadurch schwere Behinderungen auch bei schweren Verläufen oft vermeiden.

Es gibt bislang jedoch nur wenige Spezialisten, die einen solch komplizierten Eingriff vornehmen können. Diese Neuroradiologen befinden sich meist in großen Schlaganfallzentren, welche sich wiederum in großen Städten bilden. Patienten, die ihren Schlaganfall auf dem Land erleiden, müssen für die Thrombektomie aufwändig in ein solches Zentrum verlegt werden. Durch den Einsatz der fliegenden Ärzte können die Patienten nun viel schneller behandelt werden. Außerdem ermöglicht die neue Methode den Patienten eine ganzheitlich wohnortnahe Behandlung.

Versorgungsqualität auf dem Land verbessern

Das „Flying Intervention Team“ ist Teil und Weiterentwicklung des telemedizinischen Schlaganfallnetzwerks TEMPiS, das bereits im Jahr 2003 gegründet wurde. TEMPiS verbindet 24 Kliniken in Südostbayern mit zwei Telemedizinzentren in Harlaching und Regensburg. Pro Jahr zählt das Netzwerk mehr als 10 000 Patienten. Die Ärzte in den Partnerkliniken werden bei der neurologischen Untersuchung, der bildgebenden Diagnostik und der Therapieentscheidung von ausgewiesenen Schlaganfallspezialisten in den Zentren telemedizinisch, also per „Video-Liveschalte“, unterstützt. Dadurch soll Versorgungsstandard in ländlichen Regionen verbessert werden. Stellt sich heraus, dass bei dem Patienten eine Thrombektomie durchgeführt werden muss, machen sich die fliegenden Ärzte per Helikopter auf den Weg.

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