
Inflation, Energiekrise, Fachkräftemangel, Finanzierung – aktuell hat die deutsche Krankenhauslandschaft viele Probleme. Die Krankenhäuser im Land befinden sich in einer „multiplen Krisenlage“, brachte es Dr. Josef Düllings, VKD-Präsident und Kongresspräsident des 45. Deutschen Krankenhaustages auf den Punkt. Es werde darum gehen, wie trotz all jener Probleme die Patientenversorgung möglichst flächendeckend gewährleistet werden könne.
Zum politischen Auftakt am 11. Novemer 2022 kündigte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach ein großes Reformpaket an. Bekannt ist die Finanzierung der Kinderkliniken, die Unterstützung derGeburtshilfe, dieTagesbehandlungen der Krankenhäuserund die Einführung von Hybrid-DRGs. Es müsse die Möglichkeit geben, dass die gleiche Leistung im ambulanten und stationären Sektor gleich bezahlt werde, so Lauterbach.
Der Bundesverband Ambulantes Operieren begrüßt die Umsetzung der Hybrid-DRG. „Hybrid bedeutet: eine bessere Vergütung für ambulante Operationen als bisher, aber weniger Vergütung als bei stationärer Durchführung“, sagt BAO-Präsidiumsmitglied Dr. Jörg Hennefründ. Die Vergütung solle allen beteiligten Sektoren gleichermaßen zukommen, also sowohl den Krankenhäusern, als auch den Vertragsärzten. Bedenken der Krankenhäuser, wonach diese mit der Vergütung der Hybrid-DRG nicht wirtschaftlich arbeiten könnten, lässt der Verband nicht gelten. „Es wäre kontraproduktiv, den vertragsärztlichen Sektor von einer besseren Vergütung auszuschließen und gleichzeitig den Kliniken selbst bei ambulanten Operationen die volle Vergütung wie bei stationärer Behandlung zuzugestehen“, so Hennefründ. Immerhin seien die wesentlichen Kosten im Gesundheitswesen die Personalkosten.
Ökonomie jenseits der Fallpauschalen
Die große Reform, die im Detail in den nächsten Wochen vorgestellt werden soll, liegt jedoch im DRG-System. Dieses soll abgelöst werden. „Die Basisfinanzierung der Krankenhäuser soll auf einen anderen Sockel gestellt werden“, so Lauterbach. Die Reform, an der man derzeit arbeite, werde die größte Krankenhausreform. Aus Kassensicht sei das derzeitige Fallpauschalensystem ein relativ komfortables, angenehmes System, weil die Steuerung aus Kassensicht gut funktioniere. Die ökonomischen Anreize würden das medizinische Geschehen jedoch in Teilen beeinflussen oder es sogar überdecken. Sprechen medizinische Überlegungen dagegen, würden oft die ökonomischen Aspekte trumpfen, führte der Gesundheitsminister aus.
Die Krankenhäuser sollen raus aus dem Hamsterrad.
„Die Ziele sind klar: Die Krankenhäuser sollen raus aus dem Hamsterrad“, brachte es Lauterbach auf den Punkt. Es gebe auch eine sinnvolle Ökonomie jenseits der Fallpauschalen, dieser Raum soll nun eröffnet werden. Zudem bilde die jetzige Struktur nicht optimal die Bedürfnisse der Patienten ab. So müssten Krankenhäuser Leistungen erbringen, die wirtschaftlich zwar attraktiv sind, aber nicht optimal erbracht werden könnten. Es sei auch medizinisches Ziel, den Patienten die optimale Versorgung zu bieten und dass die Krankenhäuser so strukturiert werden, dass sie auskömmlich arbeiten könnten. Zudem wolle Lauterbach auf stärkere Ambulantisierung und Entbürokratisierung setzen. Das System müsse so weiterentwickelt werden, dass es moderner ist. Auch die Telemedizin soll dabei eine Rolle spielen. In spätestens zwei Wochen soll der Vorschlag offiziell vorgestellt werden, versprach Lauterbach am Montag.
Kritik an Tagesbehandlungen
Lauterbachs Vorstoß in Richtung Tagesbehandlungen stößt jedoch weiterhin auf Kritik. Ob die Pflege dadurch wirklich entlastet wird, bleibt fragwürdig. Nach Ansicht von Lauterbach ließen sich dadurch auf der einen Seite Nachtdienste vermeiden, auf der anderen Seite hätten Patienten dadurch auch mehr Lebensqualität. Beispielsweise Krebspatienten, die im Rahmen ihrer Behandlung immer wieder ins Krankenhaus müssten, aber dafür Zuhause übernachten könnten. „Wenn eine solche Tagesbehandlung eine vollstationäre Therapie ersetzen soll, wird das weder das Pflegepersonal entlasten noch finanzielle Einsparungen bewirken“, erklärt Prof. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC) anlässlich des Krankenhaustages. Es sei naiv anzunehmen, der Wegfall einzelner Übernachtungen könnte das Pflegepersonal entlasten. „Die freien Betten werden dann mit komplexeren Fällen belegt, die einen eher höheren Pflegebedarf haben“, so Meyer.
Bedenken äußerte auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). „Wenn Gesundheitsminister Lauterbach den Schritt zu mehr tagesstationären Behandlungen gehen will, dann braucht es wohnortnahe Strukturen, die bei Komplikationen schnell erreichbar sind, die auf diese Behandlungen vorbereiten und die Nachsorge übernehmen können“, sagt DBfK-Bundesgeschäftsführerin Bernadette Klapper. Eine Entlastung für Pflegekräfte auf Station sieht sie hingegen nicht. Es seien nicht die Pflegebedürften, die tatsächlich Arbeit auf der Station machen würden, die nach Hause gingen. Es seien genau die Patienten, die ohne großen Pflegebedarf sind. „So werden vielleicht weniger Betten belegt, die Arbeitslast reduziert sich aber höchstens unwesentlich“, so Klapper, „wir laufen Gefahr, mit einer guten Idee, nämlich die ambulanten Potentiale der Krankenhäuser zu heben, für Pflegekräfte genau das Gegenteil zu erreichen - eine Verdichtung und Verschärfung der Arbeitssituation.“
Bereits am Montag betonte Dr. Sabine Berninger, Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland (ADS) sowie des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), den großen Handlungsbedarf im Bereich der Pflege. „Wir brauchen dringend einen Master-Plan für die Pflege, an dem wir gemeinsam arbeiten können“, so Benninger. Sie forderte zudem die kurzfristige Einführung der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) als Übergangsinstrument. „Wir brauchen bei der Umsetzung der Bedarfsplanung ein klares Zeichen an die Pflegenden, dass sich ihre Situation tatsächlich nachhaltig verbessern wird“, forderte sie am Dienstag.
Lösungen für strukturschwache Regionen
Am Mittwoch stand die Krankenhausplanung und Versorgungssicherung im Fokus der Veranstaltung. Für strukturschwache und dünn besiedelte Regionen hat die DKG das Modell der Gesundheitszentren und regionalen Netzwerke entworfen, in denen sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung gesichert werde. DKG-Präsident Ingo Morell erklärt dazu: „Wir sind überzeugt, dass wir die strikte Trennung der Sektoren überwinden müssen, um die Strukturen zu modernisieren“. Er sprach sich für die Ambulantisierung aus, dies aber nicht in Konkurrenz mit den niedergelassenen Ärzten. „Anders können wir Versorgung, vor allem im ländlichen Bereich, gar nicht organisieren“.
In diesem Zusammenhang berichtete die niedersächsische Gesundheitsstaatssekretärin Dr. Christine Arbogast vom Aufbau regionaler Gesundheitszentren in Niedersachsen. „Wir sind überzeugt, dass wir die strikte Trennung der Sektoren überwinden müssen, um die Strukturen zu organisieren“, so Arbogast. Das Modellvorhaben startete bereits 2020 in einer ersten Phase an drei Standorten, an denen zunächst individuelle Konzepte für Regionale Versorgungszentren (RVZ) erarbeitet wurden. In den RVZ sollen neben einem kommunalen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) mit hausärztlichem Schwerpunkt Angebote der loakeln Daseinsvorsorge an gut erreichbaren Orten gebündelt werden. Nach Angaben des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung sind im Jahr 2021 zwei weitere Modellprojekte an den Start gegangen. Die RVZ sollen bis Ende 2022 bzw. im ersten Quartal 2023 Inbetrieb genommen werden.
Daten retten Leben
Ein weiteres Kernthema des Krankenhaustages war die Digitalisierung. Unter anderem gab Gematik-Geschäftsführer Dr. Markus Leyck Dieken einen Einblick in seine Arbeit. Die Gesellschaft verwende nun internationale Standards in der Programmierung – bislang habe sie „in Sütterlin“ gearbeitet, sodass sich die Technik nicht mit anderen Systemen in Europa austauschen konnte.
Sebastian Zilch, Leiter der Unterabteilung für Gematik, Telematikinfrastrutkur und eHealth im BMG, gab sich zuversichtlich: „Wir glauben immer noch, dass wir den Koalitionsvertrag umsetzen. Ich wünsche mir, dass wir bis 2030 einen Kulturwandel geschafft haben und dann wirklich über die aktiven Anwendungen reden und sich die Akteure darüber streiten, wer zuerst in die Anwendung gehen darf.“
An den Erkenntnissen fehle es Deutschland nicht. Vielmehr habe man ein „Umsetzungsdefizit“ stellte Prof. Ferdinand Gerlach aus dem Sachverständigenrat Gesundheit fest. In europaweiten Rankings stehe Deutschland meist weit hinten. So hätte man bei der Patientenakte beispielsweise 15 Jahre Abstand.
Dennoch werde die Digitalisierung allein nicht die Strukturen modernisieren, auch die Binnenorganisation der Krankenhäuser benötige Erneuerung. Problematisch ist aus seiner Sicht jedoch, dass in Deutschland Dinge erst eingeführt werden, wenn man sich hundertprozentig sicher sei, dass alles funktioniere. Im Ergebnis werde heute mit veralteter Technik gearbeitet. Vor allem die Coronapandemie hätte diese Defizite deutlich gemacht, denn fast alle Daten zur Pandemieeinschätzung, Wirksamkeit der Impfstoffe usw., seien aus Ländern mit digitalisierten Gesundheitssystemen gekommen.
„Daten retten Leben“, betonte Prof. Sylvia Thun vom Berlin Institute of Health. Daten nicht zu nutzen, würde Leben gefährden. Und auch Patienten wären bereit, die Daten herzugeben. Mehr als 80 Prozent würden laut einer Umfrage ihre Daten zur Verfügung stellen.
Rund 1000 Besucher verzeichnete der 45. Krankenhaustag, der nach vier Tagen endete. Der nächste Krankenhaustag findet wieder im Rahmen der Medica vom 13. bis 16. November 2023 in Düsseldorf statt.






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