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EntwicklungUniklinikum Würzburg wird altersgerechtes Klinikum

Mit umfangreichen baulichen und organisatorischen Veränderungen stellt sich das Uniklinikum Würzburg auf die Herausforderungen durch eine steigende Zahl alter und zunehmend auch dementer Patienten ein.

Altenpflege
Foto: Fotolia (Robert Kneschke)
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Schrittweise soll sich das Klinikum der medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität zu einem altersgerechten Krankenhaus weiterentwickeln. Ein Aufenthalt im Krankenhaus macht vor allem alten Menschen Angst: Sie fürchten den Verlust der bekannten Umgebung, das Einfügen in ungewohnte Abläufe, die erzwungene Gewöhnung an fremde Geräusche und Gerüche, an wechselnde Ansprechpartner. Doch müssen gerade alte Patienten oft länger im Krankenhaus bleiben als jüngere, weil der Heilungsprozess – zum Beispiel nach Knochenbrüchen – oft langsamer und schwieriger verläuft als bei Jüngeren. Außerdem steigt mit dem Alter oft auch die Zahl der Begleiterkrankungen. Kommt Demenz hinzu, wird die Betreuung der Kranken auch für die Belegschaft zur besonderen Herausforderung.

Verwirrte, hoch betagte und gebrechliche Patienten, die im dünnen Klinikhemd durch Stationsflure irren, weil sie ihre Zimmer nicht wiederfinden oder sogar im Haus verloren gehen, weil ihr Aufbruch im hektischen Klinikalltag unbemerkt geblieben ist, gehören traditionell zu den Schreckensszenarien für Pflegedienstleitungen und Stationsärzte. Mit zunehmendem Alter der Patienten steigt die Häufigkeit von Unfällen und Stürzen, von Problemen durch Mangelernährung oder Polypharmazie. Schon immer mussten Krankenhäuser und ihre Belegschaften mit den Beschwernissen umgehen können, die das Alter hervorbringt. Doch die vergreisende Bevölkerung Europas verschafft diesem Problem heutzu­tage eine zunehmende Brisanz.

„Unsere Lebenserwartung steigt pro Jahrzehnt um etwa zweieinhalb Jahre an. Die gleiche Entwicklung sehen wir bei unseren Patienten. So haben wir immer ältere Patienten, die dann auch gebrechlich sein können“, sagt der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Würzburg, Professor Georg Ertl.

Kliniken müssen auf die Entwicklung reagieren

Für die Krankenhäuser bedeutet dieser Umstand, dass sie sich architektonisch, medizinisch und organisatorisch auf die Bedürfnisse des Alters einstellen müssen. Verbreiterte Eingänge und Rampen, die für Rollstühle und Rollatoren leicht passierbar sind, eine übersichtlichere Beschilderung, Kliniklotsen, die beim Navigieren über den Campus helfen, altersgerecht ausgestattete Sanitäranlagen oder höhenverstellbare Betten werden in absehbarer Zukunft zur selbstverständlichen Grundausstattung nicht nur geriatrischer Spezialkliniken gehören. Und nicht nur die Patienten altern. Auch das Durchschnittsalter der Beschäftigten steigt kontinuierlich.

Experten sprechen vom doppelten Alterungsprozess im Gesundheitswesen – und beides fordert die Kliniken heraus. Vor allem in ländlichen Regionen fällt es Krankenhäusern zunehmend schwer, ihre Belegschaften durch Neuzugänge zu verjüngen.

Würzburger Uniklinikum im Umbau

„Unsere Mitarbeiter stehen in zunehmendem Maße Schwierigkeiten unserer Patienten mit der Koordination und der Orientierung oder auch dem Umgang mit den neuen Medien gegenüber. Bei der Bewältigung dieser Probleme muss die Klinik unterstützen. Auch haben unsere Patienten mit zunehmendem Alter mehrere Krankheiten, die von einem Spezialisten alleine nicht mehr behandelt werden können“, erklärt Ertl. Arbeitsabläufe und Grundrisse müssen also mehr denn je interdisziplinäres Arbeiten unterstützen, die IT-Infrastruktur muss aufgerüstet, Sensoren und Alarme installiert werden. Der Vorstand verordnete dem Würzburger Uniklinikum den etappenweisen Umbau zum altersgerechten Krankenhaus. Ein halbes Jahr sammelte eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Geschäftsbereiche Wirtschaft und Versorgung und Technik Ideen für die Umsetzung.

Input kam außerdem von Ärzten, der Pflege, Mitarbeitern aus den Bereichen Hygiene und Physiotherapie und der Demenzbeauftragten des Klinikums. Die Ergebnisse wurden zu einem Maßnahmenkatalog zusammengefasst. Einige Ideen seien kurzfristig umsetzbar, andere müssten einfließen in die Planung von Neu- und Umbauten oder die Beschaffung von Ausstattung und Geräten, beschreibt die Stellvertretende Pflegedirektorin Birgit Roelfsema im aktuellen Mitarbeitermagazin: „Kurzfristige Maßnahmen, die bis Ende 2020 durchgeführt werden sollen, sind im Wesentlichen Orientierungshilfen, die ohne große Eingriffe in die bestehenden Strukturen der Stationen umgesetzt werden können“, erläutert sie.

Interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende Versorgung

Zu den schnell umsetzbaren, aber wirkungsvollen Alltagshilfen zählen größere Zimmernummern oder Bilder an den Türen der Patientenzimmer, die das Wiederfinden der Räume erleichtern. In den Zimmern markieren künftig neue Piktogramme den Kleiderschrank oder das Bad. Zusätzliche Uhren und Kalender sollen demenzgefährdeten Menschen helfen, sich zeitlich zurecht zu finden. Sensormatten, die Alarm geben, sollen verhindern, dass desorientierte Patienten ihr Zimmer oder gar die Station verlassen, ohne bemerkt zu werden. Bei Renovierungen oder der Beschaffung von Ausstattung von neuen Möbeln und Betten gilt den Bedürfnissen alter Patienten künftig ein stärkeres Augenmerk. Bei neuen Anstrichen von Wänden, Böden, Türrahmen, Möbeln, Handläufen oder Griffen wird auf eine kontrastreiche Farbgestaltung geachtet.

Betten erhalten Unterbodenbeleuchtung, um vor allem nachts Unfällen vorzubeugen. Für Neubauten stehen Themen wie ein verbesserter Lärmschutz und übersichtlichere Grundrisse auf der Agenda. Die gesamte bauliche Struktur müsse altersgerecht geplant und ausgeführt werden, betont das Klinikum und nennt als Beispiel übersichtlicher aufgebaute Stationen mit zentralem Pflegestützpunkt. Der Katalog habe Empfehlungscharakter und werde ständig erweitert. Ändern müssen sich künftig aber nicht nur Grundrisse, sondern auch medizinische und pflegerische Prozesse: „Unsere älteren Patienten brauchen auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Abläufe des stationären und ambulanten Aufenthaltes in der Klinik, mit entsprechend abgestufter Unterstützung,“ sagt Ertl.

„Sie brauchen in den spezialisierten Kliniken eine interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende Versorgung.“ Wenn Operationen geplant werden, müssen Aspekte der gesundheitlichen Vorbereitung und die Betreuung nach dem Eingriff (Rehabilitation, Kurzeitpflege) in die Planungen einfließen. Schon von Beginn an muss dabei auch die Betreuungssituation eines alten Patienten zu Hause bedacht werden. Das verlange eine übergreifende Gestaltung von Therapieabläufen, betont Ertl weiter, und neue sektorenübergreifende Planungs- und Betreuungskonzepte.

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