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TrendVor- und Nachteile bei der Rekommunalisierung von Kliniken

Möglichkeit, den Arbeitsmarkt zu stärken

Rekommunalisierungen finden oft in wirtschaftlich schwachen Regionen statt, und verfolgen auch das Ziel, den Arbeitsmarkt zu stärken. „Es gibt wieder einen Vertrauensvorschuss für die öffentliche Hand“, sagt Sanierer Puke. Die Corona-Pandemie hat vielen Angst gemacht: „In diesen Wochen dürfte allen klar geworden sein, dass unser Gesundheitssystem für solche Ereignisse Reservekapazitäten benötigt“, formuliert die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Für die Zeit nach Corona fordern Politikerinnen und Politiker in allen Teilen Deutschlands eine grundlegende Debatte über die Zukunft der Klinikfinanzierung. 

Hinzu kommt: Kein Politiker will Krankenhausschließungen verkünden, daran hat sich in den vergangenen 20 Jahren nichts geändert. Die Debatte ist hoch emotional wie vor Jahr und Tag. Krankenhausmanager wissen Geschichten zu erzählen von Bürgermeistern, die sich mit all ihrer lokalen Autorität vor das von Schließung bedrohte Krankenhaus warfen – um sich nur wenig später bei der Konkurrenz behandeln zu lassen. Erfolglose Privatisierungen haben mancherorts den Glauben an die überlegene Kompetenz privater Konzerne entzaubert. Bürger reagieren zunehmend frustriert auf Qualitätsmängel oder Preissteigerungen. In der politischen Debatte gehen Markt und Daseinsvorsorge für viele Menschen nicht mehr zusammen.

Die Forderung nach Rekommunalisierung wird vor allem laut, sobald private Betreiber Leistungen einschränken möchten. In Mecklenburg-Vorpommern sorgten zuletzt zahlreiche Stationsschließungen für öffentlichen Ärger: In Wolgast, Crivitz und Parchim sollen im Bereich der Kindermedizin und Geburtshilfe Versorgungsangebote wegfallen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beklagte im Sommer die negativen Auswirkungen einer fast vollständig privatisierten medizinischen Versorgung und erhielt viel Beifall. Mit der geplanten Schließung der Station für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Mediclin-Krankenhaus Crivitz im Landkreis Ludwigslust-Parchim hätten Frauen dort künftig keine Wahlmöglichkeit mehr, kritisierte Verdi. Schließlich trat sogar Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) auf den Plan und forderte Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) zu Verhandlungen auf. „Nach einer Privatisierung fallen Standortentscheidungen oft nach Konzernanforderungen. Die regionalen Versorgungsziele treten dann in den Hintergrund“, kritisiert die Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration in Sachsen-Anhalt, Petra Grimm-Benne. 

Rekommunalisierung birgt auch Risiken

Dennoch bleibt auch die Rückkehr in die kommunale Hege nicht ohne Probleme, vor allem für die öffentliche Hand. Leerstehende Gebäude zu reaktivieren, ist teuer: „Im Normalfall haben die Stadt oder der Kreis das Krankenhaus verkauft, weil es Verluste produzierte. Wenn die Klinik durch den neuen Betreiber kaufmännisch optimiert wurde, kann der geforderte Rückkaufspreis die finanziellen Möglichkeiten einer Kommune übersteigen“, sagt Grimm-Benne. Durch die Pandemie drohen den Kommunen mittelfristig gravierende Steuerausfälle: „Viele Kommunen werden nicht mehr in der Lage sein, die Defizite ihrer Krankenhäuser auszugleichen“, prognostizierte unlängst der damalige CEO des privaten Klinikkonzerns Helios, Franzel Simon. Er erwarte gar einen neuen Privatisierungsschub. 

Aber nicht immer haben Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und Stadtkämmerer eine Wahl: Bei den Ländern liegt der Sicherstellungsauftrag. Wenn ein Krankenhaus benötigt wird, muss die öffentliche Hand es betreiben, wenn sich niemand anderes findet. Diesen Auftrag haben die Länder durchweg an die kommunale Ebene delegiert. Dennoch dürfen sich die Kämmerer auch nicht zu Mondpreisen hinreißen lassen. Das verbietet das Haushaltsrecht. Der gesundheitliche Versorgungsauftrag muss überdies abgewogen werden mit anderen Verpflichtungen der Daseinsvorsorge. Das EU-Beihilferecht erlegt direkter Unterstützung Grenzen auf. 

In Havelberg möchte die Kommune am liebsten auch in Zukunft das bisherige Krankenhaus-Gebäude nutzen. Noch vor sieben Jahren waren fast sechs Millionen Euro Landes-Fördermittel in die Errichtung eines Anbaus geflossen – an den privaten Träger, der heute dichtmachen will. Doch der Rückerwerb der Immobilie scheint unmöglich. Der Eigentümer stellt Bedingungen, darunter eine Garantie für den Ausgleich wegfallender Ansprüche an den Strukturfonds, sollte der Standort nicht geschlossen werden. „Ich glaube nicht, dass es künftig zu vielen Rückkäufen kommt,“ prognostiziert Ministerin Grimm-Benne. „Aber ich glaube schon, dass viele kommunale Klinikbetreiber es sich heute sehr gut überlegen, ob sie ihr Krankenhaus wirklich privatisieren wollen – ganz unabhängig von den besonderen Anforderungen in der Pandemie.“

Erschienen in kma 1-2/21  Jetzt kaufen!

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