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TrendVor- und Nachteile bei der Rekommunalisierung von Kliniken

Jahrelang schien es für öffentliche Krankenhausträger nur eine Möglichkeit zu geben, ihre Standorte zukunftsfest zu machen: den Verkauf an private Betreiberkonzerne. Doch zeichnet sich in diesen Tagen ein Paradigmenwechsel ab. Immer mehr Kommunen kaufen ihre Krankenhäuser zurück. Doch nicht immer ist das schwierige Manöver erfolgreich.

Rekommunalisierung von Krankenhäusern
Thieme Group
Standen die Zeichen lange auf Privatisierung, holen sich mittlerweile immer mehr Kommunen ihre Krankenhäuser zurück.

Das Krankenhaus in Havelberg im Landkreis Stendal wird es wohl nicht schaffen. Die Betreibergesellschaft KMG Kliniken hat angekündigt, das Haus schließen und in ein Seniorenheim umwidmen zu wollen. Als Krankenhaus sei die Einrichtung nicht mehr wirtschaftlich zu führen, die Menschen im Umkreis nutzten es einfach nicht. Dennoch bemüht sich die Kommune um den Erhalt. Dem Landkreis geht es um die Sicherung der medizinischen Grundversorgung. Deshalb will er das Haus, das er vor 18 Jahren privatisiert hatte, heute zurückkaufen. Doch es sieht nicht gut aus. Man sei skeptisch, ließ der Landrat im November erklären. Der Landkreis könne einen großen Teil der im Raum stehenden Forderungen weder rechtlich noch wirtschaftlich erfüllen.

Ganz anders ist die Situation in der niedersächsischen Kleinstadt Peine. Das dortige Klinikum hat gerade ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung überstanden. Auch in Peine wollen Landkreis und Stadt den Klinikstandort erhalten und von einem privaten Betreiber zurückkaufen. Vor mehr als 17 Jahren hatte der Landkreis das damals schon defizitäre Haus an die gemeinnützige AKH-Gruppe in Celle abgegeben. Privatwirtschaftliche Managementerfahrung sollte an die Stelle der kommunalen Hege treten. Jahrelange Sanierungsbemühungen folgten. Die Geburtshilfe wurde geschlossen, ein erneuter Verkauf scheiterte. Im März 2020 folgte der Antrag auf Insolvenz. 

Heute ist der Landkreis wieder Mehrheitseigner, ein Drittel der Anteile gehören der Stadt Peine. Der Kreis habe das Haus mit ausreichend Eigenkapital ausgestattet, betont der ehemalige Sanierer und Interims-Geschäftsführer Stephan Puke, Partner der Hamburger Unternehmensberatung Puke, Dresen und Mall. Die Strukturvoraussetzungen seien ausgezeichnet: Demografie, geografische Lage, Wettbewerb, alles spreche für einen erfolgreichen Weiterbetrieb. „Wir haben das Klinikum finanziell so ausgestattet, dass ein Verlustausgleich für die kommenden Jahre möglich sein sollte,“ unterstreicht der Erste Kreisrat Henning Heiß. 

Trotz des unterschiedlichen Ausgangs stehen beide Gemeinden durchaus für einen Trend: Immer mehr Kommunen holen sich ihre Krankenhäuser zurück. Nicht zuletzt die Pandemie hat Kliniken zurück in den öffentlichen Fokus gerückt. Die wohnortnahe Versorgung muss sichergestellt werden, private Betreiber blieben mancherorts als Sanierer erfolglos und die Gemeinden bekommen nach dem Verkauf des öffentlichen Tafelsilbers den Verlust von Planungshoheit und Gestaltungsmöglichkeiten zu spüren. 

Lange standen die Zeichen auf Rückzug der Kommunen

In der öffentlichen Diskussion sei der Ruf nach Rekommunalisierung immer stärker zu vernehmen, sagt Rebekka Reckel, Partnerin bei Ernst &Young und dort zuständig für den Bereich Krankenhäuser. Dabei sollte das wiedererwachte Interesse der Kommunen an der Krankenversorgung in eigener Regie eigentlich erstaunen: Jahrelang schien es mit Blick auf klamme öffentliche Kassen nur eine Richtung zu geben: Die Zeichen standen auf Entstaatlichung, nicht nur im Gesundheitswesen. Der Marktanteil privater Betreiber auf dem Klinikmarkt stieg kontinuierlich auf heute rund 30 Prozent. Der massiv gestiegene Investitionsbedarf für Immobilien und technische Infrastruktur förderten diese Entwicklung ebenso wie ein gnadenloser Wettbewerb um Patienten, Personal und medizinisches Profil. Für ein Zehntel der deutschen Kliniken bestehe erhöhte Insolvenz-gefahr, warnte zuletzt der Bundesrechnungshof. Private Träger können schneller entscheiden und verfügen zumeist über eine deutlich höhere Investitionskraft.  

In vielen Gemeindeverwaltungen hat ein Umdenken eingesetzt

Dennoch mehren sich aktuell die Beispiele für ein Umdenken in den Gemeindeverwaltungen: In Bayern plant Ministerpräsident Söder laut Medienberichten die Reaktivierung bereits geschlossener Kliniken. Im rheinland-pfälzischen Oberwesel fordert die örtliche SPD die Rekommunalisierung der von der Schließung bedrohten Loreley-Kliniken. In Wolfhagen und Hofgeismar bei Kassel übernimmt der Landkreis zwei Kliniken, um die Versorgung zu sichern. Verkäufer ist der regionale Klinikverbund Gesundheit Nordhessen (GNH). Eigentlich habe das Konzept zur Neuausrichtung des hoch defizitären städtischen Klinikverbundes den Aufbau eines regionalen Versorgungszentrums ohne stationären Betrieb in Wolfhagen vorgesehen, kommentierte der Oberbürgermeister der Stadt Kassel und Aufsichtsratsvorsitzende der GNH, Christian Geselle. Der Landkreis habe dies aber abgelehnt und Rechtsmittel dagegen eingelegt. Um die Auseinandersetzung zu beenden, habe er dem Landkreis den Kauf der Kreisklinik Wolfhagen angeboten. Mehr als 63 Millionen Euro musste die Stadt Kassel der GNH angeblich bereits zuschießen, doch der Versorger ist auch ein wichtiger Arbeitgeber.

Seit Mai ist die Stadt Delmenhorst wieder alleiniger Träger des dortigen Josef-Hospitals (JHD). Mit diesem Tag endete nach Angaben der Stadt auch das Insolvenzverfahren, das im vergangenen Dezember eröffnet worden war. Die Stadt ist nunmehr wieder alleiniger Träger. „Das ist ein guter Tag für alle Delmenhorster“, freut sich Oberbürgermeister Axel Jahnz: „Wir sichern so die wohnortnahe Krankenversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger und erhalten rund 900 Arbeitsplätze.“ 

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