Auf die Frage, ob es in Deutschland eine Zweiklassenmedizin gibt, fällt die Antwort in der ZDF-Reportage negativ aus. Zur Stichprobe waren die Reporter im Isar Klinikum München unterwegs und haben einen Kassen- und einen Privatpatienten mit der Diagnose Bandscheiben-Vorfall in den OP-Saal und ins Krankenzimmer begleitet. Fazit: Die medizinische Versorgung war gleich, Unterschiede gab es allein beim Essen und bei der Unterbringung im Mehrbettzimmer und im Einzelzimmer für den Privatpatienten.
Profitstreben schadet dem Patienten
Schadet Profitstreben den Patienten, war die zweite Frage. Viele Krankenhäuser unterliegen einem starken Kostendruck. Durch die Fallpauschalen ist die Verweildauer in Krankenhäusern drastisch gesunken, bei einem starken Anstieg der Operationen auf über 16 Millionen im Jahr. Operieren die Ärzte hier aus finanziellen Gründen? Ein Versuchspatient suchte dazu drei Krankenhäuser mit der Diagnose Kniebeschwerden auf, er war schon einmal operiert worden. Alle drei Krankenhäuser entschieden im Sinne des Gutachters und empfahlen dem Patienten Physiotherapie statt einer OP. Soweit die Stichprobe. Dennoch sagte laut ZDF-Bericht jeder dritte Chefarzt, dass er aus finanziellen Gründen schon einmal eine unnötige Operation durchgeführt habe.
Kritik äußerte auch Rainer Rossi, Chefarzt am Berliner Vivantes Klinikum, das in der Neonatologie auf Frühchen unter 1.500 Gramm spezialisiert ist. Er sagte in der Reportage, dass Kliniken aus finanziellen Erwägungen oft Einzelleistungen erbringen würden, die vielleicht andere Krankenhäuser besser hätten erbringen können.
Mangelnde Hygiene
Immer wieder Thema, so auch in der ZDF-Reportage, sind die Einhaltungen der Hygienerichtlinien in Krankenhäusern. Für das ZDF war eine Reinigungskraft undercover unterwegs, die an einer Klinik, deren Namen nicht genannt wurde, auf unhaltbare Zustände traf: keine zeitnahe Schulung für das Reinigungspersonal, verdrecktes Putzwasser, MRSA-Keime unter der Schuhsole, verseuchte Türgriffe. Der Hygieniker Klaus-Dieter Zastrow, Arzt für Hygiene und Umweltmedizin und Experte in der Sendung, ging nicht von einem Einzelfall aus und befürchtete ähnliche Zustände auch in anderen Kliniken, die an Desinfektionsmitteln, Schulungen und Personal zu Lasten der Hygiene sparten. Eine Krankenschwester, die anonym bleiben wollte, berichtete, wie schwer es in ihrem eng getakteten Arbeitsalltag sei, zum Beispiel die Kleidung zu wechseln und alle Hygienevorschriften einzuhalten, wenn etwa Kontakt zu einem MRSA-Patienten bestanden hätte.
Thematisiert wurde ebenfalls, dass das Pflegepersonal in vielen Kliniken überlastet ist - auch aufgrund von Personalmangel - und dass es nicht genügend Zeit gebe, sich um die Patienten zu kümmern. "Nirgendwo sonst in Europa käme Zuwendung so kurz wie in Deutschland", so der Tenor des Berichtes.
Fakten sind längst widerlegt
Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft", zeigte sich verärgert über die Reportage. "In der Vorankündigung zur ZDF-Sendung 'Wie gut sind unsere Krankenhäuser?' werden falsche Behauptungen und Fehleinschätzungen wiederholt, die längst durch Fakten widerlegt sind", sagte er. So sei es falsch zu behaupten, dass es durch Fehler in Krankenhäusern jedes Jahr zu 19.000 Todesopfern käme. Tatsache sei vielmehr, dass von allen bearbeiteten Anträgen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammer 82 auf Todesfälle entfielen und aus Schadensdatenbanken von Haftpflichtversicherten etwa 1.000 Schadensansprüche mit Todesfallhintergrund zu verzeichnen seien.
Zudem sei die Behauptung falsch, dass die Krankenhäuser in den letzten 20 Jahren 50.000 Pflegestellen abgebaut hätten. Tatsache sei, so Baum, dass in deutschen Krankenhäusern im Jahr 1994 rund 342.300 Vollkräfte im Pflegedienst eingesetzt waren; 318.700 im Jahr 2014. Differenz: 23.600 und keine 50.000, wie im Bericht behauptet. Richtig sei zudem, dass die Krankenhäuser seit mehreren Jahren immer mehr Pflegekräfte beschäftigen - seit 2007 plus 18.300. "Es ist wenig hilfreich, wenn mit anerkannten Falschdaten Patienten verunsichert werden. Tatsache ist vielmehr, dass wir nie höhere Sicherheitsstandards in den Kliniken hatten als heute und dass sich die Patientensicherheit im internationalen Vergleich sehr gut sehen lassen kann."


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