Das Portal Qualitätskliniken.de (4QD) kooperiert seit kurzem mit KTQ, genauer: mit der Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen. Das ist keine weltbewegende Meldung, aber eine irritierende. Denn einer der Gesellschafter der 4QD, die Sana AG, hat gerade entschieden, einen Großteil seiner Häuser nicht mehr nach KTQ, sondern nach ISO zertifizieren zu lassen. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?
Zunächst: Die Loyalität der 4QD gegenüber der KTQ erstaunt nicht. Schließlich bestehen feste institutionelle Bande zwischen der Klinkbranche und der KTQ: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft ist Gesellschafter der KTQ GmbH. Zusammen mit der Bundesärztekammer, dem Deutschen Pflegerat und den Krankenkassen AOK, IKK und BKK hat sie das gemeinnützige Unternehmen 2001 gegründet, um eine Zertifizierung zu entwickeln, die auf deutsche Gesundheitseinrichtungen zugeschnitten ist. Und dies sei auch gelungen, meint Klaus Piwernetz, Geschäftsführer der 4QD. "Die KTQ hat ihre Begriffe und Herangehensweise konkret auf ihre Zielgruppe ausgerichtet. Die Krankenhäuser fühlen sich deshalb zu Hause in dem System. ISO hingegen wird oft als zu abstrakt empfunden." Dann fügt Piwernetz etwas hinzu, was den Kurswechsel von Sana - und damit das widersprüchliche Verhalten innerhalb der 4QD - erklären könnte: "Wenn man sich allerdings gut auskennt, ist ISO flexibler."
Qualitätsmanager wünschen sich mehr Strenge
Viele Krankenhäuser und 4QD-Mitglieder wie Sana verfügen inzwischen über profunde Kenntnisse im Qualitätsmanagement. Sie sind anspruchsvoll geworden und hinterfragen den Sinn einer Zertifizierung. "Die Träger wollen einen unmittelbaren Nutzen sehen. Und sie erkennen allmählich, dass das Abarbeiten des KTQ-Fragenkatalogs keine für den Patienten spürbaren Verbesserungen erzeugt", sagt Andrea Bronner, leitende Qualitätsmanagerin beim kommunalen Klinikkonzern Vivantes, der ebenfalls Mitglied bei 4QD ist. "Wir haben uns zunächst für die EFQM-Struktur entschieden und entsprechende Verbesserungsprojekte aufgelegt. Als Zertifizierungssystem haben wir ISO implementiert: Es erlaubt uns, die einzelnen Abteilungen sehr individuell zu betrachten und kann außerdem als Basis für weitere Zertifizierungen wie Onko-Cert genutzt werden."
Auch die Chefin des Qualitätsmanagements bei Sana, Heidemarie Haeske-Seeberg, bezweifelt die Wirkkraft des KTQ-Vefahrens. Die Visitoren schauten zu wenig auf die tatsächliche Umsetzung; der Großteil der Visitation finde im Sitzungssaal statt. "Spätestens bei der Re-Zertifizierung merken unsere Mitarbeiter dann, dass eine kühne Behauptung sie weiter bringt als ein schüchterner Beweis. So lernen sie ein Verhalten, das unsere
Qualitätsziele konterkariert", sagt Haeske-Seeberg. Eine ISO-Zertifizierung hingegen rüttelt wach. "Die Mitarbeiter entwickeln ein Bewusstsein dafür, dass sie Qualitätsstandards absolut immer einhalten müssen, auch weil jedes Jahr ein Überwachungsverfahren sowie die von ISO vorgeschriebenen internen Audits stattfinden." Eine KTQ-Zertifizierung steht nur alle drei Jahre im Haus, was - so sind viele Zertifizierungsexperten überzeugt - Verbesserungsvorhaben leichter in Vergessenheit geraten lässt.
ISO ist um ein Drittel günstiger
Immer mehr Klinikleitungen betrachten auch den Aufwand skeptisch, der mit der KTQ-Zertifizierung verbunden ist. "Der Verwaltungs- und Erhebungsaufwand wird in der Regel unterschätzt. Wenn ein 600-Betten-Haus sich nach KTQ zertifizieren lässt, sind drei Mitarbeiter damit ein ganzes Jahr in ihrer eigentlichen Arbeit blockiert", meint Wilfried von Eiff, Leiter des Centrums für Krankenhausmanagement an der Universität Münster. Das kann Haeske-Seeberg bestätigen: "Für die KTQ-Zertifizierung müssen wir einen umfangreichen Selbstbewertungsbericht verfassen, ohne dass er uns in unserer derzeitigen Entwicklung voranbringt. Auch sind wir gezwungen, bei den Mitarbeitern Wissen vorzuhalten, das im Alltag nicht gebraucht wird. Ein Beispiel: Als eine unserer Krankenschwestern in der Anästhesie nicht begründen konnte, wer unser Schmerzkonzept aus welchen Gründen entwickelt hat, haben die Visitoren daraus geschlossen, dass unser Konzept schlecht sei. In einem so großen Unternehmen wie unserem ist dieses Wissen natürlich nicht bei jedem vorhanden. Es reichte den Visitoren nicht aus, dass die Schwester das Konzept in der Praxis richtig anzuwenden wusste."
Aber nicht nur der Aufwand, auch die Kosten lassen immer mehr Klinikträger die KTQ-Zertifizierung in Zweifel ziehen. Während eine KTQ-Zertifizierung für ein 300-Betten-Haus circa 25.000 Euro kostet, verlangt etwa die Dekra für die ISO-Zertifizierung mit zwei Überwachungsverfahren nur rund 15.000 Euro. Den Preisunterschied erklären sich die Qualitätsmanager in den Kliniken durch eine offenbar wenig effiziente Arbeitsweise: Es sind drei Visitoren aus den Bereichen Medizin, Pflege und Verwaltung und dazu ein Visitationsbegleiter beteiligt, die alle Anlaufpunkte gemeinsam besuchen; die ISO-Auditoren hingegen trennen sich, sodass sie meistens weniger Mann-Tage brauchen. Hinzu kommt: Die ISO-Zertifizierung kann zur Kostensenkung beitragen, weil die Visitoren stärker auf die Prozesse schauen und die Kliniken die Methode auch für ihr internes Qualitätsmanagement nutzen können.
Sana nutzt KTQ nur noch für Anfänger
Einen entscheidenden Vorteil hat KTQ allerdings: Die Zertifizierung erleichtert relativ unerfahrenen Kliniken den Einstieg ins Qualitätsmanagement, meint Haeske-Seeberg. Ähnlich wie 4QD-Geschäftsführer Piwernetz ist sie überzeugt: "Das System spricht die Sprache der Betroffenen. Es fokussiert auf die Prozesse der Patientenbehandlung und zwingt durch die Selbstbeurteilung dazu, eine Bilanz zu ziehen." Sana lässt deshalb auch künftig alle neu akquirierten Kliniken KTQ inklusive Re-Zertifizierung durchlaufen, erst im Anschluss daran folgt die Zertifizierung nach ISO. "Wir gehen ganz bewusst nach diesem Stufenplan vor, um den Kliniken die Gelegenheit zu geben, schrittweise ihre Qualitätsmanagementsysteme aufzubauen." Zurzeit durchlaufen noch circa 20 Sana-Häuser KTQ. Für die übrigen gut zwei Dutzend Krankenhäuser des Konzerns beginnt ab Frühjahr 2012 mit der ISO ein neues Zertifizierungszeitalter.


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