"Bedaure", sagt die weibliche Stimme am Telefon in fränkisch-melodiösem Sing-Sang, "Ihr Termin war um 9.00 Uhr angesetzt; Herr Hautmann hat gewartet – und ist nun schon wieder auf dem Weg zum nächsten Termin." Überraschter Blick auf die Uhr: Es ist 9.02 Uhr. Das kann doch nicht? "Doch", sagt die Stimme, "bei uns in Forchheim geht es immer überaus pünktlich zu."
Man mag es Pünktlichkeit nennen, Pedanterie oder Tick – Fakt ist: Der so knapp verpasste Geschäftsmann ist seit Dekaden erfolgreich. Seit 40 Jahren leitet Reinhard Hautmann das Klinikum Forchheim – und hat bislang jedes Jahr mit einer positiven Bilanz abgeschlossen. Etwa 22 Millionen Euro Nettoerlöse fuhr das 225-Betten-Haus unter Hautmanns Regentschaft ein, also im Schnitt eine halbe Million Euro pro Geschäftsjahr. 2013 verzeichnete das Haus einen Gewinn von 1,55 Millionen Euro, 2014 immerhin von 1,47 Millionen Euro bei einem Umsatz von 35,5 Millionen Euro – Ergebnisse, von denen andere Kliniken nur träumen.
"Klinikwerbung nicht übertreiben!"
Es sei vor allem Sparsamkeit, die das Haus finanziell so erfolgreich mache, sagt der 70-Jährige. "Wenn man 100 Euro einnimmt, darf man eben nur 99 Euro ausgeben", erklärt er, als es dann doch endlich zum Gespräch kommt. So wie er offenbar minutiös über seine Gesprächstermine wacht, behält er auch die Finanzen im Blick. Jeden Freitag um elf Uhr müssen dem gelernten Industriekaufmann die wichtigsten Daten des Hauses vorliegen: die Einnahmen und Ausgaben jeder Abteilung und jeder Haushaltsstelle, die Personalkosten, die Belegung, die Verweildauer und die Zahl der Patienten. "Freitags-Bilanz" nennt Hautmann das: "Sie ist Kern eines übersichtlichen Controllings, das ich aufgebaut habe, um alle Einnahmen und Ausgaben begutachten und auswerten zu können." Eine seiner ersten Amtshandlungen als Krankenhauschef noch in den 70er Jahren war die Ausschreibung aller Einkäufe und Dienstleistungen, daran mussten sich auch der städtische Bäcker und Metzger gewöhnen.
So streng Hautmann auch die Kosten im Griff behält: Investiert wird trotzdem im Forchheimer Klinikum, das als gemeinnützige GmbH der Pfründerstiftung gehört. 1,8 Millionen Euro machte der Klinikchef 2013 für einen neuen Kernspintomografen locker, und den Bau des neuen Ärztehauses, das 2014 eröffnet wurde, ließ sich der Verwaltungsmann zwölf Millionen Euro kosten – den Gewinn der vergangenen Jahre. "Das Ärztehaus ist komplett aus Eigenmitteln finanziert", betont Hautmann, "also ohne auch nur einen Cent Kredit aufnehmen zu müssen."
In Forchheim liegen Hautmanns Wurzeln: Hier machte er – bei den Stadtwerken – als junger Mann seine kaufmännische Lehre, hier stieg er in den 70er Jahren als Angestellter in die Krankenhausverwaltung ein. Der 30.000-Einwohner-Ort liegt ihm auch heute noch am Herzen: Der Klinikchef, der sich bei festlichen Anlässen gern in bayerischem Lodenjanker fotografieren lässt, engagiert sich in der Lokalpolitik, kennt den Oberbürgermeister seit gut 30 Jahren, und vor einiger Zeit hat er in einem Brief an die Stadt gefordert, man möge doch mal mit ordentlicher Werbung den städtischen Tourismus ankurbeln: Das Forchheimer Wappen könne doch auf einem ICE prangen – oder die Stadt auf die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen werden.
Umso mehr erstaunt der antiquiert anmutende Markenauftritt seines eigenen Hauses. Das Design der Klinik-Homepage hat Patina angesetzt: ein nur mäßig kreativer Baukastenstil aus dem letzten Jahrzehnt, untereinander gereihte Texte und Bilder. Und während andere Krankenhäuser Babygalerien online stellen und zu eigenen You-Tube-Videos verlinken, prangen auf der Forchheimer Klinikseite Grußworte von Klinikchef und Oberbürgermeister. "Werbung im Krankenhaus ist wichtig, sollte jedoch nicht übertrieben werden", kommentiert Hautmann, der auch Marketingleiter seines Hauses ist.
Jetzt gibt’s auch Schönheitschirurgie
Aber auch ohne Social-Media-Anstrengungen zieht das Klinikum jährlich über 10.000 Patienten an – knapp ein Fünftel sogar aus dem weiteren Umland. Etwa 8.800 Operationen führte das Haus im Jahr 2013 durch, dazu kommen 20.000 ambulante Eingriffe und 600 Entbindungen. Hautmann scheint ein Gespür dafür zu haben, welche medizinischen Disziplinen und Behandlungsmethoden künftig gefragt sein dürften: Vor zwei Jahren hat sich das Klinikum als eines von 77 Endoprothetikzentren in Bayern zertifizieren lassen; auch Diabeteskranke will das Haus anziehen und kümmerte sich um eine Zertifizierung durch die Deutsche Diabetes Gesellschaft – als eine von bundesweit nur 18 Einrichtungen. "Ich hoffe, dass dies auch für unsere niedergelassenen Ärzte interessant sein wird", kommentierte Hautmann diesen Schritt. Im Herbst 2014 öffnete das Klinikum eine neue Fachabteilung für Plastische und Ästhetische Chirurgie. "Ein weiteres Standbein im immer härter werdenden Konkurrenzkampf", sagt Hautmann.
Die Rente kann warten
Für seine gut 500 Mitarbeiter tut Hautmann einiges: zahlt übertariflich, schenkt einen halben Urlaubstag zum Geburtstag und einen finanziellen Bonus zu Dienstjubiläum oder Hochzeit. Auch der Besuch des alljährlichen "Annafestes", des traditionellen Stadtfestes, wird hoch gehalten – und finanziell bezuschusst. Als Hautmann vor wenigen Jahren erstmals seinen Rückzug in den Ruhestand erwog, unterzeichneten 300 Mitarbeiter einen Brief: Er möge doch noch bleiben. "Die Rente kann warten", entschied Hautmann sodann.
Wie er die Zeit bis zu seiner endgültigen Pensionierung nutzen wird? Die Fusion mit einem zwölf Kilometer entfernten, defizitären Klinikum ist im Gespräch und will durchdacht, diskutiert, durchgerechnet werden; aber auch im Bereich der Neuen Medien scheint er sich zu bewegen. "Twitter und Facebook-Auftritte sind zur Zeit in Vorbereitung", lässt der traditionsbewusste Klinikchef auf weitere Nachfrage wissen – per E-Mail.


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