Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

InvestitionsstauHelfer in der Not

Die Finanzmisere der Kommunen gefährdet dringend notwendige Investitionen von Kliniken. Wer im Verdrängungskampf bestehen will, muss attraktiver werden, doch weder öffentliche Mittel noch Eigen-kapital reichen aus. Der Weg zu externem Geld ist steinig, aber Finanzinstitute versprechen Lösungen.

Die gute Nachricht für norddeutsche Kliniken: Mit dem Programm „Impuls 2030“ hat Schleswig-Holstein in diesem Jahr 25 Millionen Euro für Investitionen in kommunale Krankenhäuser bewilligt. Die schlechte: Bei den Kliniken kommen die Mittel bislang nicht an. Denn das Krankenhaus-Finanzierungsgesetz sieht vor, dass sich die Kommunen in gleicher Höhe beteiligen – und das schaffen die meisten finanziell nicht. Dabei wird das Geld dringend benötigt. Das Institut für Wirtschaftsforschung RWI beziffert den kumulierten Investitionsstau in allen deutschen Krankenhäusern auf mehr als zwölf Milliarden Euro.

Nach einer Studie von HSH Nordbank Research ist das Problem in den kommunalen Krankenhäusern überdurchschnittlich groß. „Ein Indikator für die Modernität eines Krankenhauses ist das Verhältnis von Buchwert zu Anschaffungskosten der technischen Ausstattung“, sagt Markus Rosenbaum, Gesundheitswirtschafts-Experte der HSH Nordbank: „Je kleiner der Wert, desto älter die Technik.“
Laut Studie liegt dieser Wert bei Kunden der Bank aus dem kommunalen Sektor zwischen 12 und 37 Prozent, auch Unikliniken kommen kaum über 35 Prozent. Privat finanzierte Häuser dagegen erreichen 43 bis 58 Prozent. Sie haben in der Regel Zugang zu externem Kapital und können so leichter modernisieren und digitalisieren.

Was lässt sich einsparen?
Allerdings stehe auch vielen kommunalen Häusern der Weg über eine Fremdfinanzierung der Investitionen offen, sagt Rosenbaum. „Wer schlüssig darlegen kann, wie sich Einsparungen realisieren lassen, ist dabei klar im Vorteil.“ Als realistische Größe nennt er „fünf Prozent der Sach- und Personalkosten, zum Beispiel durch bauliche Maßnahmen in Kombination mit Prozessoptimierungen in Notaufnahme, OP oder Diagnostik“. Eine Bank schaue sich zudem das wirtschaftliche Umfeld an: Lage, lokaler Wettbewerb und Spezialisierungen. Könne ein Haftungsverbund mit der Kommune hergestellt werden, erhielten kommunale Krankenhäuser in der Regel sogar attraktivere Konditionen.

Bei normaler Bonität sei ein Zinssatz von etwa zwei Prozent mit zehnjähriger Zinsbindung möglich, sagt Rosenbaum. Gerade für Kommunen mit eigenen Krankenhäusern könne dies eine Möglichkeit sein, ihren oft nur schwer realisierbaren Eigenanteil für Investitionen zu finanzieren.

Kunden der Bank sind unter anderem auch die Klinikgruppen Helios, Sana und Asklepios. Um an Fremdkapital zu kommen, haben diese Klinikbetreiber zwei Möglichkeiten: Sie fragen ihre Aktionäre, um Eigenkapital zu erhalten, oder sie nutzen eine Bank oder den Kapitalmarkt.

Die Münchener Sana Kliniken AG setzt oft auf Schuldscheindarlehen. Schon viermal hat die Kette dieses Instrument genutzt und damit zuletzt 300 Millionen Euro eingesammelt. „Der Schuldschein ist ein essenzielles und typisches Finanzierungsinstrument für den Mittelstand“, sagt Finanzvorstand Thomas Lemke. Zugleich sei der administrative Aufwand deutlich geringer und einfacher als bei einer Anleihe. „Ebenso liegen die Gebühren und Kosten von Schuldscheinplatzierungen deutlich unter den Kosten einer Anleihe-Emission.“

Verschiedene Wege zum Geld
Benötigt wird das Geld für Modernisierungen, Spezialisierungen oder Fusionen. Bundesmittel gibt es dafür nicht. Diese decken über die Krankenkassen ausschließlich die laufenden Kosten der Krankenhäuser. Deshalb stehen für Investitionen weder öffentliche Mittel noch Eigenmittel in ausreichendem Maße zur Verfügung, beobachtet Jörg Moltrecht, Vorstand der Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank). „Für große Investitionsmaßnahmen organisieren wir Konsortialfinanzierungen mit geeigneten Bankpartnern und bleiben dabei immer erster Ansprechpartner für unsere Kunden“, erklärt Moltrecht. Für die Finanzierung von Medizintechnik gehörten zudem Leasing und Mietkauf zum Angebot.

Im Geschäftsjahr 2015 erzielte die KD-Bank Rekordergebnisse bei der Bilanz und den Kundeneinlagen. Die Bilanzsumme stieg Ende 2015 um fast sechs Prozent auf erstmals mehr als fünf Milliarden Euro. Das Kreditgeschäft im Gesundheitsbereich hatte dabei einen Anteil von 265 Millionen Euro.

Der Sektor wird bei vielen Banken wichtiger. Denn der Verdrängungswettbewerb setzt immer mehr Kliniken unter Druck. Sie müssen sowohl das Versorgungsangebot als auch die Wirtschaftlichkeit ihrer Häuser attraktiver gestalten. Doch die Zukunftsstrategie mit der finanziellen Mittelfristplanung in Einklang zu bringen, stelle gerade jetzt viele Kliniken vor extrem große Herausforderungen, sagt
Michael Gabler, Leiter Firmenkunden der apoBank.

Ende 2015 betrug das Kundenkreditvolumen bei der führenden Bank im Gesundheitswesen 27 Milliarden Euro. Im Bereich Firmenkunden, zu denen unter anderem Krankenhäuser gehören, ist das Darlehensvolumen von 1,6 auf 2,1 Milliarden Euro gestiegen. „Wir sehen hier verstärkt, dass die Kliniken eigene Spezialisierungen vorantreiben oder neue Kooperationen beziehungsweise Verbünde eingehen“, sagt Michael Gabler. Gleichzeitig führe der demografische Wandel in Deutschland zu steigenden Fallzahlen für die Kliniken, wodurch der Kosten- und Effizienzdruck anhalte oder noch zunehme.

Die apoBank begleitet sowohl Krankenhausprojekte als auch eine steigende Zahl ambulant-stationärer Kooperationsvorhaben mit spezifischen Finanzierungen. Die Lösungen sind auch deshalb individuell, weil öffentliche oder regionale Fördermittel, wie etwa Gelder der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), unterschiedlich in Betracht gezogen werden können. Auch die in den Bundesländern verschiedenen Regelungen zur dualen Finanzierung bezieht das Institut in das Gesamtkonzept ein.

„Neben den Durchleitdarlehen der KfW können je nach Konstellation und Finanzierungszweck Mittel der Förderbanken der einzelnen Länder und auch Mittel der europäischen Investitionsbank eingebunden werden“, sagt Markus Höhne, Fachbereichsleiter für Gesundheit und Pflege bei der Deutschen Kreditbank AG (DKB). Weitere kurz- und langfristige Finanzierungsprodukte seien Leasing, Contracting und öffentlich-private Partnerschafts-Modelle (ÖPP).

Blick auf den Netto-Cashflow
Voraussetzungen dafür seien grundsätzlich ein definiertes Leistungsspektrum (mindestens drei Fachabteilungen beziehungsweise die Spezialisierung als Fachklinik der Akutversorgung) und ein prinzipiell positiver Trend bei der Entwicklung der Fallzahlen in den vergangenen drei Jahren. Gleichzeitig müsse der nachgewiesene vergangenheitsbezogene und nachvollziehbar prognostizierte Netto-Cashflow ausreichen, um die Kreditaufnahme zu bedienen.

Für die DKB war 2015 ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr: Das Konzernergebnis vor Steuern belief sich auf 236 Millionen Euro (2014: 150,5 Millionen Euro), und die Kundeneinlagen erhöhten sich um 1,2 Milliarden Euro auf 48,6 Milliarden Euro. Das Kreditgeschäft im Gesundheitsbereich beläuft sich dabei auf rund 2,4 Milliarden Euro.

Verschärfte Anforderungen
Das Geschäft mit Krankenhauskrediten ist auch deshalb ein Wachstumsmarkt, weil die Branche relativ konjunkturunabhängig ist. Die Kliniken müssen sich aber auf verschärfte Anforderungen der Banken einlassen. „Eine Kreditvergabe setzt voraus, dass das Krankenhaus Tilgung und Zinsen im laufenden medizinischen Betrieb erwirtschaften kann“, betont Frank Kunstmann, Gesundheitsexperte der Bank für Sozialwirtschaft AG (BFS). „Dies erfordert eine besonders effiziente Leistungserbringung, da die Leistungsentgelte im derzeitigen Vergütungssystem keine Erlösanteile für Tilgung und Zinsen enthalten, diese jedoch neben den Personal- und Sachkosten abgedeckt werden müssen.“

Wesentlich sei, dass das medizinische Einrichtungs- und Leistungskonzept am Standort langfristig tragfähig sei. Außerdem bestimmten Bonität und die gestellten Sicherheiten die Finanzierungskosten. Die BFS biete Finanzierungsmöglichkeiten vom Betriebsmittelkredit über Leasing, Zwischenfinanzierungen bis hin zu langfristigen Darlehen. „Dabei können auch zinsvergünstigte Kreditmittel der Förderinstitute wie beispielsweise der KfW sowie Forwarddarlehen eingebunden werden“, sagt Kunstmann. Rund 3,7 Milliarden Euro und 70 Prozent des Gesamtkreditvolumens der BFS betrug der Anteil des Gesundheitsbereichs Ende 2015. An eine deutliche Ausweitung der öffentlichen Fördermittel glaubt Kunstmann auch wegen der gesetzlich verankerten Schuldenbremse nicht. Für Investitionen in Modernisierung und strukturelle Anpassungen blieben Kliniken daher weiter auf Fremdkapital angewiesen.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen