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Krankenhauscontrolling-Studie 2020/21Kliniken in gefährlichem Blindflug bei Liquiditätsplanung

Obwohl Planungsunsicherheiten zunehmen und finanzielle Spielräume schrumpfen, behandeln viele Kliniken ihre Liquiditätsplanung äußerst stiefmütterlich. Dabei könnte der Frühindikator helfen, einer drohenden Insolvenz entgegenzuwirken. Was das für kaufmännische Geschäftsführer bedeutet.

Stapel aus Münzen vor einem Taschenrechner und Stethoskop
DoubletreeStudio/stock.adobe.com
Symbolfoto

Wenn es um ihre Liquiditätsplanung geht, sind viele deutsche Krankenhäuser im gefährlichen Blindflug unterwegs. Ein Drittel nimmt bis heute keine entsprechende Prognose vor, warnen die Autoren der Krankenhauscontrollingstudie 2020/21. Demnach planen nur 30 Prozent der Häuser ihre Liquidität sowohl operativ als auch strategisch, jeweils 20 Prozent konzentrieren sich auf die kurzfristigen oder die langfristigen Prognosen.

Mit Blick auf die schrumpfenden Finanzspielräume und unklare Auswirkungen, die beispielsweise das Pflegebudget oder das MD-Management haben werden, sei das insgesamt „eine hochdramatische Situation“, sagt Prof. Dr. Björn Maier, Mitautor und Vorstandschef des Deutschen Vereins für Krankenhaus-Controlling (DVKC). Für die Studie haben der DVKC, der Lehrstuhl für Controlling der Bergischen Universität Wuppertal sowie die Beratungsgesellschaft Curacon deutsche Krankenhäuser befragt – mittlerweile zum zehnten Mal.

Es drohen diverse Planungsunsicherheiten

Für Maier ist die Lage umso unverständlicher, als neben der vielfach offenen Frage, wie viel die Pflege am Bett einzelne Häuser wirklich kostet, weitere Planungsunsicherheiten drohen. Dazu zählen neben den Folgen der Corona-Pandemie etwa die künftigen MD-Prüfungen. „Viele Häuser tun sich schwer, mit einer realistischen Prüfquote zu kalkulieren“, sagt Maier im Gespräch mit kma: „Doch wer seine Erlös- und Kostensituation nicht kennt, kann schnell Probleme bekommen.“ Dafür müsse nicht einmal das Eigenkapital aufgebraucht sein, warnt der Vorsitzende des DVKC: „Ein hoher Einnahmeausfall nach MD-Prüfungen kann schon dazu führen, dass Geld für dringend notwendige Zahlungen fehlt.“

Ein funktionierendes Liquiditätsmanagement sei „einer der Schlüssel, um einer drohenden Insolvenz frühzeitig entgegenzuwirken“, betont Maier. Dass deutsche Kliniken „diesen Frühindikator“ nicht schon längst stärker nutzen, erklärt er unter anderem mit mangelnder Kommunikation zwischen dem externen und dem internen Rechnungswesen. Meist sei das Liquiditätsmanagement eben keiner Stelle explizit zugeordnet.

„Eigentlich müsste es der kaufmännische Geschäftsführer zum Kernthema erklären und neben einer strategischen Planung monatliche Forecasts für das Jahr und einzelne Quartale einfordern“, sagt Maier. Im Idealfall gebe es wie in großen Konzernen und bei privaten Trägern „eine zentrale Abteilung, die das gesamte Rechnungswesen ganzheitlich steuert“. Gerade in zahlreichen Häusern in der Fläche und bei kleineren Verbünden sei daran jedoch bislang nicht zu denken.

Pflegecontrolling tritt auf der Stelle

Auch beim Pflegecontrolling offenbart die Studie Lücken. Im vergangenen Jahr habe sich der Bereich – insbesondere wegen der Corona-Pandemie – „nicht wirklich weiterentwickelt“, sagt Dr. Christian Heitmann, Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmensberatung von Curacon. Spezielle Berichtsinstrumente seien weiter fast ausschließlich in großen und mittelgroßen Häusern verbreitet. Die Auswirkungen der ausgegliederten Pflegepersonalkosten könne nur ein Viertel der Kliniken aufzeigen.

Vor allem die prospektive Planung und Steuerung des Personaleinsatzes falle selbst in großen Häusern noch schwer, erklärt Björn Maier. Viele würden noch immer von der Kraft des Faktischen überrascht – und dann droht neben Bettensperrungen, Strafzahlungen und dem Unwissen über tatsächliche Pflegekosten auch Unmut der Beschäftigten. „Wenn die Planungsgrundlagen fehlen, können Dienstpläne nicht zuverlässig sein und Mitarbeiter müssen ad hoc einspringen“, erklärt Maier, „das führt zu Unzufriedenheit.“ Dabei hätten Softwarehersteller mittlerweile passende Angebote kreiert, die auch mit den Dataware-House-Lösungen der Kliniken verknüpft werden können.

„Pflege muss an Versorgungsplanung beteiligt werden”

Beim Krankenhaus-Controllertag in Potsdam forderten zudem mehrere Experten, die Profession der Pflege stärker in strategische Entscheidungen der Krankenhäuser einzubeziehen. Kathrin Leffler etwa, die Pflegedirektorin am Unfallkrankenhaus Berlin, mahnte, die Pflege müsse an der Versorgungs- und Fallzahlplanung beteiligt werden. Krankenhäuser dürften Pflegecontrolling nicht nur extrinsisch motiviert betrachten mit Blick auf die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, die Vermeidung von Sanktionszahlungen, die Verhandlung eines auskömmlichen Pflegebudgets oder die Nachweise für Strukturprüfungen und Zertifizierungen, betonte Leffler: „Ein intrinsisch motiviertes Pflegecontrolling ist unerlässlich.“

Die mittlere Führungsebene in der Pflege sei einzubeziehen, wenn es beispielsweise um die gemeinsame Interpretation von Kennzahlen gehe oder die Festlegung von Zielen. Aus einer gemeinsamen Analyse könnten dann gezielt Instrumente abgeleitet werden, wie etwa ein Konzept für einen bedarfsorientierten Mitarbeiterpool. So ließen sich beispielsweise auch hohe Kosten für Leasingkräfte vermeiden. Leffler sprach zudem von einem anreizbezogenen Vergütungssystem, gestaffelt nach „Dienst zu ungünstigen Zeiten“. Eine Softwarelösung könne hierbei unterstützen, um „ständige Anrufe an freien Tagen zu vermeiden“.

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