Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

GrünanlagenNatur als Genesungshilfe

Ein gut geplanter Klinikgarten beschleunigt erwiesenermaßen den Gesundungsprozess und entspannt gestresste Patienten. Dennoch ist er vielen Krankenhausbetreibern zu teuer. Dabei ist er auch als Image- und Marketingfaktor nicht zu unterschätzen.

Aus der Vogelperspektive vermittelt das Akutkrankenhaus Bad Soden den Eindruck, eher eine Kureinrichtung als ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung zu sein. Läuft man vom Heinrich-Heine-Weg über die Kronberger Straße zum Haupteingang, präsentiert sich die Klink des Main-Taunus-Kreises als grüne Oase inmitten des Bad Sodener Eichwalds. Ein breiter, von kleinen Bäumen und einem Terrassengarten eingerahmter Weg aus unterschiedlichen Bodenbelägen, der durch einen Heckenstreifen aufgelockert wird, empfängt den Besucher mit Rosenbeeten. Die stilvoll auf drei unterschiedlichen Niveaus angelegten Terrassen bestehen zur Hälfte aus Rasenflächen mit blühenden Solitärsträuchern, auf denen Parkbänke zum Verweilen einladen. Auch die Freianlage rund um das Krankenhaus bietet viele solcher von Grünflächen mit unterschiedlichem Bewuchs eingerahmter Ruhe-Inseln. Abgerundet wird das Garten-ensemble durch kleine Galerien aus wechselnden Bodenbelägen mit Natursteinmustern und Pflanzenstreifen, die einen gelungenen Kontrast zur angrenzenden Waldkulisse bilden.

Verbindung zur Außenwelt
Trotz der günstigen Lage mussten sich die Planer des Landschaftsarchitekturbüros Neuhann und Kresse in Darmstadt ins Zeug legen, um eine angemessene Verbindung zwischen dem nahen Wald und der strengen Geometrie des Gebäudeensembles zu schaffen. Den Erfolg des Projekts belegt die Auszeichnung mit dem Garten-Oscar 2010 der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur. Sie beweist: Klinikgärten können mehr bieten als sterile Standardrasenflächen mit Parkbänken. "Das Problem vieler Klinken ist, dass deren Gartenflächen durch Nachverdichtungen und bauliche Erweiterungen immer geringer werden. Das stellt die Freiraumplaner vor große Herausforderungen, denn man muss auf weniger Freifläche mehr abspielen", sagt Andreas Neuhann.

Kaschierter Schandfleck
Die Gartenanlagen des Thüringer Kreiskrankenhauses in Greiz zeigen, wie sich technische Funktionen und Gartenfläche geschickt miteinander verbinden lassen. Dort wurde aus der Not eine Tugend gemacht und ein Rückhaltebecken für Regenwasser zu einem Teich umgestaltet, der Patienten und Besucher gleichermaßen anzieht. "Gerade die nahen Flächen an den Ausgängen und am Haupteingang werden sehr intensiv von den Leuten wahrgenommen. Sie brauchen also nicht unbedingt hektarweise Land, sondern müssen Möglichkeiten schaffen, dass die Leute nah aus dem Gebäude heraustreten können", rät Landschaftsarchitekt Uwe Fischer vom Echinger Büro Wankner und Fischer, der den Klinikgarten in Greiz gestaltet hat. Da die bettlägrigen Patienten die Natur nur aus dem Fenster betrachten können, haben die Planer auch die Innenhöfe mit Gärten versehen. Dort liegt ein kleiner Bachlauf inmitten einer angedeuteten Waldlichtung, der auf die Genesenden eine ablenkungstherapeutische Wirkung ausüben soll. Auch ein begehbares Dach haben die Architekten begrünt — und verstecken damit ganz nebenbei den Schornstein der Energiezentrale.

Terrain für Rehabilitationsgymnastik
Die Krankenhäuser der Region Hannover bieten ihren Patienten sogar eigens errichtete Gesundheitsgärten, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Im Klinikum Neustadt am Rübenberge mit den Schwerpunkten Orthopädie und Physiotherapie heißt das vor allem Bewegung. Schultertrainer und Wackelbrücke sind eingebettet in den Therapiegarten. Er besteht aus verschiedenen Bodenbelägen wie Kopfsteinpflaster, Holz, Sand oder Kies. "Hier können die Patienten die Welt wieder mit den Füßen wahrnehmen", schwärmt Landschaftsarchitekt Volkmar Kerck, der den Gesundheitsgärten seine besondere Form gegeben hat. Wie Blätter an einem Zweig sind die einzelnen Stationen für Übungen und Entspannung angelegt, mit Stauden- und Kräuterbeeten, Findlingsbrunnen sowie einer hölzernen Sitzplattform. Das Blattmotiv ist außerdem ein verbindendes Erkennungsmerkmal der einzelnen Standorte der Klinikum Region Hannover GmbH.

Was ein ansprechender Klinikgarten leisten kann, zeigt eine Studie des US-amerikanischen Umweltpsychologen Roger S. Ulrich aus dem Jahr 1981. Sie belegt, dass der Kontakt mit einer natürlichen Umgebung erstaunlich schnell Stressgefühle reduziert und Widerstandskräfte aufbaut. Das zeige sich konkret durch reduzierte Mengen starker Schmerzmittel und verkürzte Aufenthaltsdauer. Die Erkenntnis steht laut Andreas Niepel, Präsident der internationalen Gesellschaft für Gartentherapie (IGGT), Autor des Buches "Garten und Therapie" und leitender Gärtner der Helios Klinik Holthausen, im krassen Gegensatz zu der Auffassung über Klinikgärten aus den 1970er Jahren: "Damals waren Krankenhäusern eher als Gesundheitsmaschinen gedacht, die Natur hatte dort überhaupt keinen Platz."

Urlaub für die Seele
Heute entdecken auch deutsche Klinik-leitungen den psychologischen Mehrwert der Gärten. Ein Klinikaufenthalt bedeute laut Niepel für Patienten einen erheblichen Angriff auf ihr natürliches Grundbedürfnis nach Kontrolle, Orientierung und Sicherheit. "Man ist sozusagen der Diagnose ausgeliefert, wird durch den Klinikalltag fremdbestimmt und so wird das Unbehagen quasi strukturell gefördert. Deshalb suchen wir dort nach vertrauten Umgebungen, die nichts mit Themen wie Krebs oder Dialyse zu tun haben, und in denen wir uns geborgen fühlen." Solche kleinen Fluchten bietet die natürliche Umgebung eines Klinikgartens. Dennoch gibt es in Deutschland angesichts steigender Kosten relativ wenig umgesetzte Gartenprojekte. Je nach Aufwand und verwendeten Materialien kostet die Gestaltung zwischen 150 und 200 Euro pro Quadratmeter. Auch die Kosten für die Pflege der Anlagen sind nicht zu unterschätzen. Deshalb rät Stephanie Smidt, Landschaftsarchitektin des Büros Lentz und Smidt, München/Rosellerheide, den Klinikgarten möglichst klar und offen zu gestalten: "Je klarer strukturiert so eine Fläche ist, desto leichter ist auch meistens die Pflege."

Generell raten Landschaftsarchitekten Krankenhausbetreibern dazu, sich bei der Planung immer zunächst mit Fachleuten auseinanderzusetzen, um der Ausrichtung und den Patientenwünschen einer Klinik gerecht zu werden. Schließlich birgt ein schöner Garten auch als Werbefaktor großes Potenzial, denn er gehört zu dem ersten Eindruck, den man von einem Krankenhaus bekommt. Oft entscheidet er deshalb auch darüber, ob jemand, der die Wahl hat, hier Patient werden will.


Gartenarbeit als Therapie
Am Klinikum Garmisch-Partenkirchen ist das psychologische Potenzial des Gartens aktiv in den Heilungsprozess eingebunden. Das Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik verordnet seinen Patienten regelmäßige Gartenarbeit. Chefarzt Josef Scherer sieht in der Gärtnerei eine perfekte Ergänzung der Therapiepalette: "Nicht alle Patienten sind von Kunst und Tanz angetan. Denen können wir nun etwas Handfestes bieten." Im Garten kommen sie zu sich, können sich an den Blumen erfreuen und zusehen, wie etwas, das sie selbst gepflanzt haben, wächst. Das tut vor allem der Motivation gut und fördert den Heilungsprozess.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen