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Krisenmanagement in Kliniken"Risiken werden bewusst akzeptiert"

Mannheim, Delmenhorst, Bayreuth – die Skandale in Krankenhäusern häufen sich. Auf dem Gesundheitswirtschaftskongress in Hamburg ist im September Krisenmanagement Thema einer Gesprächsrunde. kma sprach vorab mit einem der Teilnehmer: Max Korff ist Vorstand des Mannheimer Unternehmens ZeQ und berät Kliniken in Strategie, Wirtschaftlichkeit und Prozessoptimierung sowie beim Risiko- und Krisenmanagement.

kma-Interview mit Max Korff, ZeQ, Mannheim

Herr Korff, Hygieneskandale, Behandlungsfehler, Sicherheitsprobleme – Kliniken schreiben immer häufiger Negativschlagzeilen. Eigentlich müsste doch jetzt jedes Krankenhaus in Deutschland aufgeschreckt sein...
Ich kenne jedenfalls keinen Geschäftsführer eines Krankenhauses, der nicht in den letzten Wochen aufgemerkt und sich gefragt hat: Wie sind wir eigentlich aufgestellt? Wie sehen bei uns die Gefahren aus? Sind wir vorbereitet? Das öffentliche Interesse ist gewachsen, die Einschläge kommen näher – da bleibt kein Klinikleiter ungerührt...

Überall in den Kliniken werden jetzt kräftig Krisenpläne ausgearbeitet?
Nein, genau hier liegt das Problem: Die Kliniken setzen sich zwar mit dem Problem auseinander, machen Risiken aus, spielen Szenarien durch, erkennen Schwachstellen – aber dabei bleibt es häufig auch. Große Klinikverbünde und -konzerne sind zwar oft schon gut aufgestellt – weil sie ja besonders um eine gute Reputation bemüht sind –, und auch die Unikliniken, wie etwa das Klinikum Tübingen oder das MHH Hannover, sind seit Jahren aktiv in Sachen Patientensicherheit. Aber andere Einrichtungen, gerade kleine Häuser, denken noch: "Ach, vielleicht geht der Kelch ja an mir vorbei."

Die berühmte Vogel-Strauß-Manier?
Ich denke eher, die Gefahren sind nicht konkret genug, bleiben abstrakt und statistisch, und Risiken werden zum Teil bewusst akzeptiert. Auch die Finanzen spielen eine Rolle: Nicht jedes Haus kann mal eben seine Intensivstation umbauen, um die Hygiene zu verbessern, oder Millionen für die IT-Sicherheit aufbringen. Aber es wird auch viel geredet und wenig umgesetzt. Da werden Sicherheitssysteme wie etwa OP-Checklisten entwickelt – aber wenn wir dann zu Risikoaudits ins Haus kommen, stellen wir fest, dass die Checklisten nur zu 80 Prozent oder nicht von allen Fachabteilungen beachtet werden.

Vermutlich fehlt es im Klinikalltag an Zeit...
Zeitmangel kann es nun wirklich nicht immer sein – so eine Checkliste komplett durchzugehen, dauert ein bis zwei Minuten.

Woran liegt es dann?
Es fehlt an Kontinuität. Solche Maßnahmen müssen für die Mitarbeiter so in die Arbeitsprozesse eingebunden werden, dass sie für sie selbstverständlich werden. So wie das Anschnallen beim Autofahren, das – einmal verinnerlicht – ja auch selbstverständlich funktioniert. Stichwort Sicherheitscheckliste: Sie werden auch keinen Piloten finden, der nicht vor jedem Flug die Pre-Flight-Checkliste durchgeht. Das ist denen einfach in Fleisch und Blut übergegangen.

Wenn es zu einem unerwünschten Ereignis kommt – wann wird daraus eine Krise?
Intern wird ein Problem zur Krise, wenn es nicht verstanden wird, wenn man also nicht weiß, woher es kommt. Da hilft nur eine Analyse. Und natürlich wird ein Ereignis zur Krise, wenn es unkontrolliert nach außen tritt. Das passiert ja heute auch deshalb, weil Patienten, Mitarbeiter oder Angehörige in sozialen Netzwerken über die Klinik berichten oder auch Informationen ganz gezielt nach außen geben. Auch aus den CIRS-Berichtssystemen sind vereinzelt Fälle an die Öffentlichkeit gelangt – obwohl diese Meldungen ja zunächst der internen Analyse dienen sollen. Wenn das einmal passiert ist, gilt: Wie lange braucht man, um das Ganze in den Griff zu bekommen? Die Länge einer Krise bestimmt auch ihr Ausmaß – je länger sie dauert, desto weniger bekommt man sie kontrolliert.

Wer hat aus Ihrer Sicht zuletzt gutes Krisenmanagement betrieben?
Die Lufthansa hat nach dem Absturz der Germanwings-Maschine sehr professionell gehandelt. Da war alles dabei, was ein gutes Krisenmanagement ausmacht: Sie sind zeitnah an die Öffentlichkeit gegangen, haben sich rasch um gesicherte, harte Fakten bemüht und auch früh unangenehme Wahrheiten kommuniziert – bevor es jemand anderes tat. Zudem hat sich der Vorstand nicht hinter einem Pressesprecher versteckt, sondern hat sich selbst nach vorne begeben, persönliche Betroffenheit gezeigt, mit den Medien kommuniziert. Das sichert Vertrauen und verstärkt in der Öffentlichkeit das Gefühl: Hier geht die Leitung in Verantwortung.

Und davon können auch Kliniken lernen?
Unbedingt. Auch bei Krisenfällen in Krankenhäusern gilt: ehrlich die Situation darstellen, erläutern, was passiert ist, und: Gegenmaßnahmen benennen. Plausibel darlegen, was alles getan wird, um die Krise einzudämmen, um Fehler zu beheben und neuen Fehlern vorzubeugen. Und dabei auf keinen Fall in Wissenschaftssprache verfallen. Wer Fachwörter, zum Beispiel komplizierte medizinische Begriffe, benutzt, wirkt, als verstecke er etwas. Und glauben Sie mir: Die Leute da draußen spüren das.

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