
In Deutschland wird Cannabis als Medizin nach einem neuen Gesetz von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nun unter staatlicher Aufsicht vertrieben. Dazu steht eine Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor dem Start. Die Cannabisagentur wird den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland steuern und kontrollieren. Unmittelbar nach ihrer Einrichtung wird die Cannabisagentur ein EU-weites Ausschreibungsverfahren starten und anschließend Aufträge zum Anbau an geeignete Unternehmen vergeben. Ziel ist es, die Versorgung schwerkranker Patientinnen und Patienten künftig mit in Deutschland angebautem Cannabis in pharmazeutischer Qualität sicherzustellen.
Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium: "Schwerkranke Patientinnen und Patienten können künftig nach ärztlicher Verordnung Cannabis in Arzneimittelqualität durch die Gesetzliche Krankenversicherung erstattet bekommen. Das ist ein guter und wichtiger Schritt, um Schmerzen und Leid zu lindern. Die Cannabisagentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird dafür Sorge tragen, den Cannabisanbau in Deutschland zu kontrollieren und zu steuern."
BfArM-Präsident Karl Broich: "Das neue Gesetz ist ein wichtiger Schritt für schwerkranke Patientinnen und Patienten, die auf die Versorgung mit Cannabisarzneimitteln angewiesen sind. Mit der Cannabisagentur tragen wir dazu bei, dass deren Versorgung mit Cannabis in pharmazeutischer Qualität sichergestellt werden kann. Zusätzlich können wir mit der Begleiterhebung weitere wichtige Erkenntnisse zum medizinischen Nutzen von Cannabis gewinnen."
Das BfArM wird nicht zur Therapie selbst oder zu den Anwendungsgebieten von Cannabisarzneimitteln beraten. Wie bei anderen Arzneimitteln auch, gibt das BfArM keine Therapieempfehlungen. Die Abgabe der entsprechenden Arzneimittel an die Patientinnen und Patienten wird nach Vorlage des Betäubungsmittelrezepts in der Apotheke erfolgen. Das bisherige Erlaubnisverfahren nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Erwerb von Medizinal-Cannabis zum Zweck der ärztlich begleiteten Selbsttherapie wird dann entfallen.
Mischo, der zugleich Präsident von Saarlands Ärztekammer ist, sagte: "Es ist gut, dass der Gesetzgeber es weitgehend dem Arzt überlässt, zu entscheiden, ob Cannabis eingesetzt wird."
Wem Cannabis genau nützt, weiß man noch nicht genau. Schwerkranke sollen es bekommen können, aber exakte Krankheitsbilder gibt es im Gesetz nicht. Cannabis kann etwa helfen bei Multipler Sklerose, gegen chronische Schmerzen und bei Appetitlosigkeit wegen AIDS oder Krebs oder Alzheimer. Mischo sagte: "Zur Evidenz gibt es relativ wenig Daten." Deshalb sei die geplante Begleiterhebung gut. "Ich erwarte, dass wir deutlich bessere Daten darüber bekommen, wofür Cannabis tatsächlich sinnvoll ist und für welche Krankheiten dies weniger der Fall ist."
Mehr als 1000 Patienten haben bislang eine Sondergenehmigung für Cannabis vom Bundesinstitut BfArM. Die braucht man dann nicht mehr. Die Zahlen der damit behandelten Patienten dürften steigen, meint Mischo. "Gerade bei chronischen Schmerzen kann ich mir schon vorstellen, dass viele Ärzte nun einmal testen, ob es den Patienten mit Cannabis besser geht." Bis der kontrollierte staatliche Vertrieb aufgebaut sei, dürfte es zwei bis drei Jahre dauern.
Im vergangenen Jahr hat Deutschland insgesamt 170 Kilogramm Cannabis zu medizinischen Zwecken importiert. Das geht aus einer Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage des drogenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Frank Tempel, hervor, die den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag) vorliegt. Damit hat sich die Menge gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt: 2015 wurden 92,8 Kilogramm importiert, im Jahr zuvor 48,5 Kilogramm. Das BfArM geht davon aus, dass ab 2019 Cannabis aus dem Anbau in Deutschland zur Verfügung stehen wird, bis dahin wird weiterhin importiert.
Der Deutsche Hanfverband (DHV) sieht in der neuen Cannabisagentur eine Chance für die ganze Branche. In der "Heilbronner Stimme" (Freitag) mahnte DHV-Geschäftsführer Georg Wurth allerdings Klarheit beim Thema Lizenzvergaben an.
"Konkrete Detailregelungen werden darüber entscheiden, ob es für Unternehmer tatsächlich Sinn machen wird, sich für Lizenzen zu bewerben", sagte der Vertreter der Lobbyorganisation. "Zu klären ist: Welche Mengen werden ausgeschrieben, welche Sorten, welche Qualitätsanforderungen gibt es, welche Anforderungen an die Unternehmen, und wie viele Lizenzen werden erteilt?"
Eine Freigabe von Cannabis als Rauschmittel sehen die Ärzte skeptisch. "Für den Freizeitkonsum können wir nach allen bisherigen Studien nicht sagen, dass es harmlos ist", so der Sucht-Experte der Ärztekammer Mischo. "Wenn man Cannabis als Jugendlicher oder junger Erwachsener über längere Zeit nimmt, gibt es negative Effekte." Die Ärzte könnten keine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen. "Offen ist aber, ob der Schutz größer ist, wenn man es begrenzt freigibt oder verboten lässt."


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