Die Aufbereitung von Einmal-Medizinprodukten ist in Europa gängige Praxis. Eine Art Risiko-Bestandsaufnahme hat jetzt die EU-Kommission vorgelegt. Ende August hatte die EU-Kommission den "Bericht über die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten in der Europäischen Union" veröffentlicht. Er basiert im Wesentlichen auf den Untersuchungen des Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR) und beschreibt die Gefahrenpotenziale bei der Aufbereitung. Jetzt meldet sich eine Gruppe von Befürwortern der Aufbereitung in Deutschland zu Wort: die Expert Group for Safety in Medical Devices Reprocessing (smdr). Deren Mitglieder halten den Bericht in vielen Punkten für unausgewogen.
"Es ist wichtig, auf die Risiken hinzuweisen, aber fairer Weise müsste man auch sagen, dass professionelle Aufbereiter diese Risiken beherrschen", sagt Axel Kramer, Sprecher der smdr, und Leiter des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Uniklinik Greifswald. "Das aber hat die EU-Kommission nicht getan." So werde in dem Bericht etwa die Evaluation und Validierung des gesamten Aufbereitungsprozesses von Einmalprodukten gefordert, aber nicht erwähnt, dass das in Deutschland seit langem gesetzlich vorgeschrieben ist. "Diese Forderung ist bereits in der Medizinproduktebetreiberverordnung enthalten und gilt sowohl für die Aufbereitung von Einweg- als auch von Mehrwegprodukten", sagt Kramer.
Nur das validierte Aufbereitungsverfahren zählt
Für Marc Kraft, Leiter des Fachgebiets Medizintechnik an der TU Berlin, ist das ausschlaggebende Kriterium, dass ein produktspezifisches validiertes Aufbereitungsverfahren existiert. Ob das Instrument als Einmal- oder Mehrwegprodukt gekennzeichnet ist, bleibe letztendlich unerheblich, sofern die Rahmenbedingungen der Aufbereitung eingehalten sind. "Natürlich ist nicht jedes Medizinprodukt aufbereitbar", sagt Kraft. "Entscheidend ist, ob man anhand eines Risikomanagementprozesses die Gefährdungspotenziale aus der Anwendung und Aufbereitung analysieren und diese mit geeigneten Maßnahmen reduzieren kann. Gelingt die Validierung, wird das aufbereitete Produkt keine zusätzlichen Risiken bei seiner Anwendung bewirken."
Dies gelte auch im Hinblick auf eine Prionenkontamination. Die EU-Kommission hatte in ihrem Bericht auf das besondere Problem der Beseitigung von Prionen hingewiesen. "Eine vollständige Prionen-Inaktivierung kann nur durch aggressive Reinigungsmethoden erreicht werden, denen die üblicherweise verwendeten Materialien nicht standhalten", heißt es in dem Bericht. Kraft, der selbst für Medizinprodukte Aufbereitungsverfahren entwickelt hat, erklärt dazu: "In der Reinigung werden Kontaminationen von der Oberfläche von Medizinprodukten entfernt, dabei ist es egal, ob es sich um Partikel, Mikroorganismen oder Prionen handelt. Sind die Prionen von der Oberfläche entfernt, müssen sie auch nicht inaktiviert werden, was tatsächlich schwieriger ist, als bei anderen Krankheitserregern."
Die Zahl der Zwischenfälle ist gering
In Deutschland dürfen Einmalprodukte dann aufbereitet werden, wenn eine Verfahrensvalidierung vorliegt und sich der Aufbereiter an die Medizinprodukte-Betreiberverordnung und an die gemeinsame Empfehlung von Robert-Koch-Institut (RKI) und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hält. "Die Anforderungen sind sowohl bei Mehrfach- als auch bei Einmal-Medizinprodukten gleich. Sie gelten für Betreiber genauso wie für externe Aufbereiter. Es gibt in Deutschland etliche professionelle Aufbereiter, die diese Anforderungen erfüllen", sagt Christian Jäkel, Fachanwalt für Medizinrecht und Mitglied der smdr. "Wie die Vorkommnismeldungen des BfArM und der US-Behörden zeigen, ist das Risiko bei professioneller Aufbereitung nicht erhöht." Die EU-Kommission räumt zwar ein, dass die Zahl der dokumentierten Zwischenfälle gering sei, doch sie geht davon aus, dass nicht alle Zwischenfälle gemeldet werden. "Damit bleibt dieser Punkt jedoch ebenfalls spekulativ", wendet Jäkel ein.
Auch die im Bericht getroffene Aussage, die Wiederaufbereitung von Einmal-Medizinprodukten führe zur Ungleichbehandlung von Patienten, wollen die Experten so nicht stehen lassen. "Im Gegenteil, es gibt einige Therapien wie etwa im Bereich der kardiologischen Elektrophysiologie, deren Fallpauschale noch nicht einmal die Sachkosten der notwendigen Katheter decken", meint smdr-Mitglied, Colin M. Krüger, Oberarzt an der Klinik für Chirurgie, Visceral- & Gefäßchirurgie des Vivantes Humboldt-Klinikums in Berlin. "Diese teuren Therapieverfahren könnten heute gar nicht mehr allen Patienten angeboten werden, wenn die dafür erforderlichen Instrumente jedes Mal neu gekauft werden müssten." Insofern leiste gerade die Wiederaufbereitung von teuren Medizinprodukten einen Beitrag zur Gleichbehandlung aller Patienten.
Dies unterstreicht auch Gesundheitsökonom Wilfried von Eiff vom Centrum für Krankenhaus Management an der Universität Münster. Er sagt: "Der Bericht unterschlägt die Tatsache, dass eine professionelle Aufbereitung dazu beiträgt, eine größere Zahl von Patienten qualifiziert zu versorgen und damit eine Kosten motivierte Rationierung reduziert." Genau wie die EU-Kommission bemängelt aber auch von Eiff: "Es fehlt eine Studie, die den ökonomischen Nutzen für eine professionelle Aufbereitung nach einem produktbezogen validierten Verfahren nachweist."


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