"Dass die Pille in so kurzer Zeit so populär werden würde, hatte niemand erwartet", sagt der Mann, der maßgeblich an ihrer Entwicklung beteiligt war und heute als "Vater der Anti-Baby-Pille" gilt. Entschieden streitet der emeritierte Chemie-Professor jedoch ab, dass die Pille für das nachlassende Interesse junger Frauen an der Mutterschaft verantwortlich ist.
Ist die Pille Schuld an dem Babyschwund?
Djerassi: "Das ist Unsinn. Paare beschränken sich aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Gründen auf weniger Kinder. Schauen Sie auf Japan. Das Land hat noch größere Probleme mit seiner schrumpfenden Bevölkerungszahl als Deutschland und Italien. Dabei ist die Pille dort erst seit 1999 zu haben. Auch in Südkorea und Singapur gibt es immer weniger Babys. Dagegen hat das benachbarte Malaysia, in dem die Pille ganz genauso verkauft wird, keine Nachwuchssorgen."
Warum gibt es immer noch keine Pille für den Mann?
Djerassi: "Wissenschaftlich haben wir die männliche Verhütungspille längst unter Dach und Fach. Doch es gibt keine Pharmafirma, die die klinischen Tests auf sich nehmen will. Männer wollen sicher gehen, dass sie auch mit 40, 50 oder 60 Jahren noch zeugungsfähig sind, wenn sie die Pille absetzen. Um das zu beweisen, müssten wir die Pille bis zu 40 Jahre testen. Der Patentschutz läuft im allgemeinen aber schon nach 20 Jahren ab. Das heißt, dass ein Pharmaunternehmen seine Kosten - sie werden auf etwa 800 Millionen Dollar geschätzt - nie wieder zurückbekommt. Und das ist nur der Kostenfaktor. Darüber hinaus haben Männer Angst, durch die Pille auf Dauer an Potenz zu verlieren und ihr Risiko für Prostatakrebs zu erhöhen."
Wie sehen Sie die Zukunft der Schwangerschaftsverhütung?
Djerassi: "Ich glaube, dass die Pille an Bedeutung verlieren wird. Stattdessen werden Frauen ihre Eier, solange sie noch jung und in bester Verfassung sind, einfrieren und sich dann sterilisieren lassen - wegen der Eier am besten schon in ihren 20er Jahren. Wenn diese Frauen 10 oder 20 Jahre später Kinder haben wollen, können sie die eingefrorenen Eier wieder hervorholen und sich künstlich befruchten lassen. Ich nenne das reversible Sterilisation. Das ist doch sehr bequem. Außerdem würde es Frauen die Sorge nehmen, im fortgeschrittenen Alter ein krankes Kind zur Welt zu bringen oder gar nicht mehr schwanger zu werden."
Welche Länder sehen Sie da als Vorreiter?
Djerassi: "In den USA ist die Sterilisation bei Frauen oder Männern, die schon Kinder haben, bereits heute die am häufigsten benutzte Verhütungsmethode. Ein Drittel aller amerikanischen Paare im Alter von 35 und mehr Jahren schützt sich so vor weiterem Nachwuchs. Den Weltrekord hält aber China, wo mehr als 50 Prozent der Betroffenen durch Sterilisation Kindersegen vermeidet."
Interview: Gisela Ostwald


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