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Weiteres TodesopferDarmkein EHEC nimmt rasante Entwicklung

Der aggressive Darmkeim EHEC breitet sich ungewöhnlich schnell aus. Die Suche nach der Quelle verläuft bislang ergebnislos.

Die EHEC-Welle verläuft immer dramatischer. In Schleswig-Holstein starb eine weitere Frau nach einer Infektion mit dem aggressiven Darmkeim. Die 89-Jährige erlag am Mittwoch in Oldenburg den Folgen des hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), einem besonders schweren Verlauf der Infektion. Es ist der zweite Todesfall, bei dem das gefährliche Bakterium nachweislich eine Rolle spielte. Bei mehreren weiteren Fällen besteht zudem der Verdacht, dass EHEC die Todesursache ist. Die Ministerin für Verbraucherschutz, Ilse Aigner (CSU), bezeichnete die Ausbreitung als "besorgniserregend".

Bisher gibt es noch keine heiße Spur, wo das aggressive Bakterium - das sich seit Mitte Mai in Deutschland ausbreitet - seinen Ursprung hat. Zur Herkunft gibt es bisher nur Vermutungen - Salat oder anderes Gemüse könnte der Grund für die Ansteckung sein. Experten glauben, dass die Suche noch Wochen dauern könnte und womöglich gar kein Ergebnis liefern wird.

Die Zahl der Patienten, die sich mit EHEC infiziert haben, nimmt rasch zu. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa sind deutschlandweit mehr als 600 Fälle registriert, von denen aber noch nicht alle bestätigt sind. Am Dienstag waren es noch etwa 460. Beim zuständigen Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin wurden bis Dienstagabend rund 140 schwere Krankheitsverläufe mit blutigem Durchfall und Nierenversagen gemeldet. Noch am Dienstagmittag hatte das RKI 80 solcher Fälle registriert.

Meldungen über bestätigte Infektionen oder Verdachtsfälle kommen mittlerweile aus 15 Bundesländern. Der Schwerpunkt der Infektionen liegt in Norddeutschland. In Niedersachsen litten mehr als 130 Patienten an Durchfallerkrankungen, die von dem EHEC-Darmkeim ausgelöst worden sein könnten. In Schleswig-Holstein und Hamburg meldeten die Behörden am Mittwoch inzwischen mehr als 400 Fälle, bei denen Menschen erkrankt sind oder sich vermutlich angesteckt haben.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) befürchtet, dass dort infizierte Patienten sterben werden. "Wir müssen damit rechnen, Patienten zu verlieren", sagte der Nierenspezialist Prof. Rolf Stahl. Es gebe einige schwer Erkrankte am UKE. Nach Angaben des Krankenhauses werden derzeit 33 Erwachsene und 14 Kinder behandelt. Der ärztliche Direktor Prof. Jörg Debatin sagte, es sei die größte Herausforderung für das Krankenhaus seit mehreren Jahren.

Das RKI teilte mit, die Zahl der schweren Verläufen in einem kurzen Zeitraum sei sehr ungewöhnlich. Auch die betroffenen Altersgruppen seien untypisch. Aktuell seien vor allem Erwachsene, überwiegend Frauen, betroffen. In den vergangenen Jahren gab es nur 60 bis 70 HUS-Fälle pro Jahr, und zumeist waren Kinder erkrankt.

RKI-Chef Reinhard Burger sagte, er erwarte ein Abflauen bei den grassierenden EHEC-Infektionen, wenn das die Bakterien enthaltende Lebensmittel gefunden wird oder es sich um ein Lebensmittel von kurzer Haltbarkeit handelt. Obwohl ein großes RKI-Team unter Hochdruck nach dem Infektionsherd sucht, sei bisher aber noch kein einzelnes Lebensmittel als Quelle identifiziert worden. Da Frauen am meisten betroffen seien, liege die Interpretation nahe, dass sie sich bei der Verarbeitung von Lebensmitteln infiziert hätten.

Gülle als Ursache sei "natürlich theoretisch eine Erklärung", aber dafür gebe es keine Daten, sagte Burger. Gemüsebauern wehrten sich gegen einen solchen Verdacht. "Das Gemüse würde ein Ausbringen von Gülle doch gar nicht aushalten, das macht keiner", sagte der Geschäftsführer des Erzeugerrings Knoblauchsland, Anton Offenberger.

Eine Sprecherin des RKI sagte, es könne noch Tage oder Wochen dauern, bis der Ursprung gefunden werde. "In der Vergangenheit hatten wir es mit viel kleineren Ausbrüchen zu tun", sagte die Sprecherin. "Manchmal konnte das sehr schnell eingegrenzt werden. Aber es gab auch Ausbrüche, in denen man einfach nichts zum Ursprung gefunden hat."

Über die Herkunft des Erregers wollte sie nicht spekulieren. "Es bleibt dabei, dass es bislang keine Hinweise darauf gibt, dass die Erreger aus Fleisch oder Rohmilch stammen. Es könnte Gemüse sein, aber auch ein anderes Lebensmittel." Die ärztliche Leiterin des Großlabors Medilys der Asklepios-Kliniken in Hamburg, Susanne Huggett, äußerte im ARD-Morgenmagazin den Verdacht, dass im Moment Salatbars, "also vorbereitete Salatteile eine Rolle spielen".

Verbraucherministerin Aigner beschwichtigte Ängste vor einer Ansteckung. "Auf Gemüse muss niemand verzichten", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). "Grundsätzlich sollten vor dem Verzehr stets die allgemeinen Hygiene-Empfehlungen beachtet werden."

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hält die bestehenden Mechanismen im Kampf gegen die EHEC-Verbreitung für ausreichend. "Ein Krisenstab würde dann eingerichtet, wenn es übergeordneten Handlungsbedarf gäbe", sagte ein Sprecher von Bahr der Nachrichtenagentur dpa. Im Fall der EHEC-Welle würden die Bürger über das Robert Koch-Institut, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das Verbraucherministerium sowie die Hotline des Gesundheitsministeriums (01805 - 99 66 01) informiert.

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