Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Lancet StudieDurchbruch in personalisierter Medizin

Erstmals belegt eine Studie den klinischen Nutzen von genetischen Informationen zur Vermeidung von Arzneimittelnebenwirkungen. Mithilfe eines „DNA-Medikamentenpasses“ kann die Medikation individuell auf Patienten zugeschnitten werden.

Tabletten
BillionPhotos.com/stock.adobe.com
Symbolfoto

Laut einer neuen Studie haben Patientinnen und Patienten 30 Prozent weniger schwere Nebenwirkungen, wenn die Medikamentendosis auf ihre DNA abgestimmt ist. Das hat ein internationales Konsortium unter der Leitung des Leiden University Medical Center (LUMC) herausgefunden. Von deutscher Seite war auch das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie (IKP) am Bosch Health Campus in Stuttgart beteiligt.

Die in der Zeitschrift „The Lancet“ veröffentlichte Studie ist die erste, die den klinischen Nutzen von genetischen Informationen zur Vermeidung von Arzneimittelnebenwirkungen belegt. Durch einen Zuschuss des Programms Horizont 2020 der Europäischen Kommission wurde sie finanziert.

„One-size-fits-all“ sei überholt

Der Ansatz „One-size-fits-all“ ist als allgemeines Prinzip bei der Verschreibung von Medikamenten überholt. Denn aufgrund von Unterschieden in ihrer genetischen Ausstattung können Patientinnen und Patienten verschieden auf Medikamente reagieren. So bauen manche Menschen Medikamente sehr verzögert ab und benötigen daher eine niedrigere Dosis, um Nebenwirkungen zu vermeiden, weshalb personalisierte Arzneimitteltherapien empfehlenswert sind.

Um diese zu ermöglichen, haben Forschende einen „DNA-Medikamentenpass“ entwickelt, der die genetische Ausstattung von Patientinnen und Patienten mit Medikamenten verknüpft. Die Lancet-Studie ergab, dass Personen, die den Medikamentenpass aktiv nutzen und deren Dosis entsprechend ihrer DNA angepasst war, 30 Prozent weniger schwerwiegende Nebenwirkungen hatten als solche, denen eine Standarddosis verschrieben worden war.

Teilnehmende aus sieben Ländern

Rund 7000 Patientinnen und Patienten aus sieben europäischen Ländern haben an der Studie teilgenommen, die verschiedene medizinische Bereiche berücksichtigte, wie die Onkologie, Kardiologie, Psychiatrie und Allgemeinmedizin. Die Forschenden untersuchten zwölf ausgewählte Gene, für die bereits ein Zusammenhang mit Medikamenten bekannt war. Es zeigte sich, dass 50 Arten von Genvarianten die Wirkung von 39 ausgewählten Medikamenten beeinflussen.

Nach der Verschreibung der Medikamente wurden die Teilnehmenden weiter begleitet, um eventuelle Nebenwirkungen, wie Muskelschmerzen, Blutbildveränderungen, Durchfall oder Infektionen zu erfassen. Diejenigen, die eine an ihre spezifischen Erbinformationen angepasste Dosierung erhielten, zeigten weniger Nebenwirkungen. Die Verwendung eines DNA-Medikamentenpasses wurde von den Teilnehmenden zudem positiv aufgenommen, weil sie das Gefühl hatten, aktiv an ihrer Behandlung beteiligt zu sein.

Maßgeschneiderte Strategie erfolgreich

„Zum ersten Mal haben wir gezeigt, dass eine ‚maßgeschneiderte‘ Strategie in großem Maßstab in der klinischen Praxis funktioniert. Wir haben nun genügend Belege, um mit der Umsetzung zu beginnen“, sagt Henk-Jan Guchelaar vom LUMC. Matthias Schwab, Leiter des IKP am Bosch Health Campus ergänzt: „Die Studie belegt, dass eine genetische Testung zur Vermeidung von Nebenwirkungen von Ärztinnen und Ärzten, der beteiligten Apothekerinnen und Apotherker aber vor allem von Patientinnen und Patienten sehr gut angenommen wird.“

Mit dem Pass kann das medizinische Fachpersonal Erkrankte künftig individualisiert behandeln, das heißt eine auf sie zugeschnittene Dosierung der Medikamente auswählen. Die Forschenden gehen davon aus, dass eine Übernahme der Kosten für personalisierte Arzneimitteltherapien durch die Krankenkassen aufgrund der Studienergebnisse erleichtert wird. „Auf diese Weise können wir die Behandlung für jeden Einzelnen wirksamer und sicherer machen“, so Guchelaar.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen